Wie die Lotto-Szenen nicht in den “Tatort” kamen

Im vergangenen Sommer wurde eine Reihe von Fällen bekannt, in denen Unternehmen ihre Werbebotschaften gegen Geld in ARD-Sendungen wie “Tatort” und “Marienhof” untergebracht hatten. Für Aufsehen sorgte, dass sie sogar die Drehbücher in ihrem Sinne beeinflussen konnten.

In diesem “Schleichwerbe-Skandal” gab es einen bizarren Fall, der anders war: Der damalige Geschäftsführer der Produktionsfirma Studio Hamburg, Frank Döhmann, sah einen bereits fertiggestellten, aber noch nicht ausgestrahlten “Tatort” und entdeckte darin eine Szene, in der — aus rein dramaturgischen Gründen, ohne dass Geld im Spiel war — vor einer “Lotto”-Bude ein Lottoschein ausgefüllt und abgegeben wird. Dennoch gelang es Döhmann im Nachhinein über einen Vermittler, die Deutsche Klassenlotterie Berlin dazu zu bringen, für diese Schleichwerbung, die gar keine war, 15.000 Euro zu akquirieren. Inzwischen ist Döhmann gekündigt, und Studio Hamburg hat zugesagt, das Geld zurückzuzahlen.

Dieser Fall unterscheidet sich also von den Schleichwerbungs-Fällen in einem wesentlichen Detail. Das hat “Bild am Sonntag” entweder nicht verstanden oder nicht verstehen wollen. Am 17. Juli (drei Tage, nachdem unter anderem die Schwesterblätter “Welt” und “Hamburger Abendblatt” den Fall korrekt geschildert hatten) veröffentlichte “Bild am Sonntag” einen Text, dessen Überschrift schon falsch war:

So kamen die Lotto-Szenen in den “Tatort”

Im Artikel selbst schrieb “Bild am Sonntag”:

Gekaufter “Tatort”
Im “Tatort”-Film “Schattenhochzeit” füllen die Kommissare (…) einen Lottoschein aus. Die Darstellung von Lotto in dem Krimi wurde vertraglich genau geregelt.

“Bild am Sonntag” erweckte den falschen Eindruck, die Lotto-Szene sei aufgrund eines Schleichwerbe-Vertrages eingefügt worden. Heute, nach über zwei Monaten, haben Studio Hamburg und der NDR deshalb zwei Gegendarstellungen durchgesetzt. Die “Bild am Sonntag” druckt sie mit dem Zusatz:

Anmerkung der Redaktion: Der NDR und die Studio Hamburg Produktion bestreiten nicht, daß Geld geflossen ist.

Das stimmt, tut aber nichts zur Sache.

Da fällt uns ein: Hat die “Bild am Sonntag” nicht im Gegensatz zu “Bild” eine Korrektur-Rubrik, um eigene Fehler richtigzustellen? Hätte sie da nicht längst…? Ah, blöd: Darin war in den letzten Monaten wohl kein Platz. “Bild am Sonntag” musste stattdessen so gravierende Korrekturen unterbringen wie die, dass “Die Liebe ist ein seltsames Spiel” nicht von Ralph Maria Siegel, sondern von Gerhard Winkler komponiert wurde (“BamS”-Korrektur vom 28. August) und dass Wittenberge nicht in Mecklenburg-Vorpommern, sondern in Brandenburg liegt (“BamS”-Korrektur vom 18. September).

Stasi-Spitzel Lafontaine?

Es gibt viele Möglichkeiten, auf die Nachricht hinzuweisen, dass in der neuen Fraktion der Linkspartei im Bundestag nach Angaben der Stasi-Unterlagen-Beauftragen Oskar Lafontaine / Stasi-Spitzel in Links-Fraktionmindestens sieben bekannte Stasi-Informanten sitzen sollen. Diese hier links, die Bild.de gewählt hat, ist vermutlich die missverständlichste. Oskar Lafontaine ist bislang nicht öffentlich verdächtigt worden, Stasi-Spitzel gewesen zu sein, nicht einmal von “Bild”.

Vielleicht hat die Art der Formulierung etwas damit zu tun, dass “Bild” und Lafontaine gerade in vielerlei Hinsicht miteinander im Clinch liegen. Heute veröffentlicht “Bild” auf Seite 2 folgende Gegendarstellung des Politikers:

In der “BILD-Zeitung” vom 16. Juli 2005 (S. 2), wurde unter der Überschrift “Warum fliegt der Osten so auf Lafontaine?” behauptet, ich hätte nach dem Fall der Mauer gesagt, dass “wir alles dafür tun müssen, um zu verhindern, dass die Wiedervereinigung stattfindet”. Das ist falsch. Richtig ist, dass ich im Dezember 1989 aus Anlass des Zuzugs zahlreicher Übersiedler aus der DDR in das damalige Bundesgebiet geäußert habe, “dass wir alles tun müssen, um zu verhindern, dass die Wiedervereinigung auf bundesdeutschem Boden” — gemeint war Westdeutschland — “stattfindet”.

Damit finden sich in der Berliner “Bild”-Ausgabe heute gleich zwei der ungeliebten Gegendarstellungen. Nach Angaben von Juristen, die mit der Zeitung in ähnlichen Fällen zu tun hatten, versucht “Bild” solche Veröffentlichungen wann immer möglich auf den Samstag zu legen. An diesem Tag ist die Auflage der Zeitung niedriger als unter der Woche.

Mit Dank an Michael K.

Allgemein  

In “Bild” spricht die Freundin von Christians Killer

"Ich liebe ihn noch immer"

Die Schlagzeile war 23 Zentimeter breit, fast 9 Zentimeter hoch und falsch.

Seltener als Stars und Politiker setzen nichtprominente Opfer von “Bild” durch, dass das Blatt seine Fehler korrigieren muss. “Steffi”, die angeblich “offizielle Freundin” von Keith M., hat es geschafft. Heute druckt “Bild” folgende Gegendarstellung:

Gegendarstellung zu dem Zitat in der Bildzeitung vom 1. September 2005, S.8 über Keith M., der im Verdacht steht, den 7-Jährigen Christian getötet zu haben, über der Überschrift: “In Bild spricht die Freundin von Christians Killer”: “Ich liebe ihn noch immer”. Ihre Darstellung ist falsch. So etwas habe ich nicht gesagt.

Die Redaktion hat den Satz hinzugefügt:

“Steffi” hat recht.

Allgemein  

Woran man einen BMW erkennt

Ich meine, was soll man von einer Zeitung halten, die es schafft, den Satz “Noch-Ehefrau Maja rauschte in einer BMW-Limousine mit ihren Anwälten davon” in ein Foto zu schreiben, auf dem das einzig wirklich Erkennbare der Mercedesstern auf der Radkappe ist?

Danke an Björn S. und Moritz B. für den Hinweis.

Kurz korrigiert (17)

Es würde wirklich nicht schaden, wenn man bei Bild.de ab und zu die eigenen Texte läse. Peinliche Verwechslungen wie diese ließen sich dann sicher vermeiden:

Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Hendrik G.

Gericht zwingt “Bild”, die Wahrheit zu schreiben

Die Europäische Kommission hat recht. Die Redaktion

schreibt “Bild” heute unter eine Gegendarstellung, in der die EU-Kommission dementiert, dass sie die Übersetzung von Dokumenten ins Deutsche gestoppt habe. Das ist bemerkenswert. Nicht nur, weil die “Bild”-Zeitung vor einem Monat noch das Gegenteil behaupt hatte. Sondern vor allem, weil die “Bild”-Zeitung erheblichen Aufwand betrieben hat, um zu verhindern, dass sie diese Gegendarstellung veröffentlichen muss.

Gegendarstellung

Kurz korrigiert (16)

“Bild”-Kommentator Hans-Olaf Henkel meint, dass es jetzt ganz schlimm bergab geht mit unserem Land.

Leider hat er das aber nicht hingeschrieben, sondern stattdessen dies:

Im Geleitzug der Industrienationen sitzen wir nicht mehr wie früher in der Lokomotive, sondern endgültig im Bremserhäuschen.

Nein, Herr Henkel, ganz sicher sitzen wir nicht im Bremserhäuschen des Geleitzuges. Und eine Lokomotive gibt es nicht einmal. Ein Geleitzug hat nämlich mit einer Eisenbahn nichts zu tun. Es handelt sich um einen Konvoi von Schiffen.

Kurz korrigiert (15)

Wenn das, was Bild.de über “die größte Prostata der Welt” schreibt, stimmen würde, wäre eine “Original”-Prostata ungefähr so groß wie ein Football. Ist sie aber nicht.

Mit Dank an Eric U. für den Hinweis.

Nachtrag, 14:45:
Auf der Website des Prostatamodells heißt es: “Der Maßstab beträgt etwa 20:1”. Stimmen kann allerdings auch das nicht.

Nachtrag, 21:10:
Der Mann mit dem Maßstab hat nochmal nachgemessen und bei Bild.de aus der 20-fachen Vergrößerung eine 200-fache gemacht.

Nachtrag, 28.9.2005:
Die Website des Prostata-Modells hat die falsche Maßstabsangabe inzwischen ersatzlos entfernt.

Von Katzen und erfinderischen Menschen

Jetzt müssen wir doch tatsächlich abermals auf diese “Bild”-Geschichte zurückkommen, wonach ein Erfinder angeblich “aus Katzen Benzin” machen könne, obwohl seine Erfindung doch eigentlich aus Müll Diesel macht. Denn wie das NDR-Medienmagazin “Zapp” gestern berichtete, hatte “Bild” sich die Grusel-Story nicht etwa erst am 13. und 14. September für ihre Bundesausgabe ausgedacht, sondern bereits fünf Tage früher für die Leipziger Regionalausgabe. Und nicht nur das.

Der Artikel in “Bild”-Leipzig widerlegt nämlich die Behauptung eines “Bild”-Sprechers, die Berichterstattung habe doch nur zeigen sollen, dass Katzen-Kadaver “theoretisch” zur Treibstoffgewinnung benutzt werden könnten. Denn unter der Überschrift “Aus toten Katzen mache ich Benzin” (siehe Screenshot) hieß es dort ausdrücklich:

“Tüftler-Sachse kocht Kadaver aus, um dann mit dem Gebräu zu fahren.”

Und weiter im Text:

“In einem Kuhstall in Kleinhartmannsdorf kocht er tote Katzen aus.”

Wie “Bild” auf solche Behauptungen kommt, ist unklar. “Zapp” wurde offenbar jedes Interview verweigert, doch der Erfinder sagte dem Magazin:

“Der Redakteur war nie auf unserem Hof. Ich weiß nur von einem ganz kurzen Telefongespräch.”

Wirklich verwunderlich aber wird die ganze Angelegenheit dadurch, dass es “Bild” selbst bewiesenermaßen besser weiß. Schließlich hatte einer der beiden “Bild”-Autoren, die sich die Sache mit der “Katzen-Kraft” zusammenfantasierten, in der Chemnitz-Ausgabe schon früher einmal über den Erfinder berichtet — und zwar so:

Eine Wiederholung von “Zapp” läuft am 23.9. um 15 Uhr auf 3sat.

Nachtrag, 28.9.2005:
Dem “Bild”-Ableger “Auto-Bild” gelingt es in seiner aktuellen Ausgabe übrigens, die Diesel-aus-Müll-Erfindung auf einer Doppelseite und auf dem Cover korrekt (und ganz ohne Katzen) wiederzugeben.

Kurz korrigiert (14)

Die “Süddeutsche Zeitung” berichtet heute von einem angeblichen Plan der SPD, die Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU im Bundestag zu untersagen. Dann würde die SPD die größte Fraktion stellen. Und könnte daraus, unter anderem, das Recht ableiten, den nächsten Bundestagspräsidenten zu bestimmen…

…keineswegs aber den Bundespräsidenten, wie “Bild” heute unter Bezug auf die “Süddeutsche” schreibt.

Danke an Stephan L., Tommy S. und Jan I. für die Hinweise!

Nachtrag, 21 Uhr: Irgendwann im Laufe des Nachmittags hat der Demokratie-Beauftragte von Bild.de seinen Dienst angetreten und die Meldung korrigiert.

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