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Alfred Draxlers Einführung in die Medienethik

Alfred Draxler, der ehemalige Vize-Chefredakteur und Ober-Sportchef der “Bild”-Zeitung, hat am Sonntag bei “Günther Jauch” mal e­rzählt, wie Journalismus funktioniert. Also nicht dieser Schweinepressejournalismus, sondern der richtige. Der verantwortungsvolle, penible, juristisch, moralisch und ethisch einwandfreie Journalismus. Der Journalismus also, den “Bild” pflegt — laut Alfred Draxler.

Leider hat er bei seinen Ausführungen die Beispiele ganz vergessen. Aber kein Problem, liefern wir sie eben jetzt nach. Beginnen wir mit …

Alfred Draxlers Einführung in die Medienethik, Teil 1

Das Interesse der Menschen [am Fall Schumacher] ist riesengroß. Als Journalist hat man dann halt die Aufgabe, zu filtern und zu entscheiden: Was kann man machen, was kann man nicht machen.

Ein Beispiel. Gerade in der ersten Zeit nach dem Unfall wurden die Angehörigen von Michael Schumacher jedes Mal von etlichen lauernden Fotografen umzingelt, sobald sie die Klinik betraten oder verließen. Schumachers Managerin Sabine Kehm berichtete bei “Günther Jauch”, dass die Familie sogar Sicherheitskräfte engagierte und alternative Zugangswege auskundschaftete, um sich nicht immer wieder durch den Pulk von Kameraleuten und Fotografen quälen zu müssen – ohne Erfolg.

Die Redaktionen bekamen täglich Dutzende solcher Fotos geliefert und mussten entscheiden: Kann man oder kann man nicht machen?

“Bild” meinte: Kann man.

11.03 Uhr - Corinna Schumacher kommt an Klinik an - Schumis Ehefrau Corinna ist um 9.49 Uhr wieder an der Uni-Klinik in Grenoble angekommen, wird ihrem Mann auch heute beistehen.15.23 Uhr - Papa Rolf bringt Pizza - Schumis Vater Rolf kümmert sich um die Familie: Um 15.04 Uhr bringt er neun Pizzas zu den Wartenden in die Klinik. 18.50 Uhr - Corinna verlässt die Klinik - Corinna Schumacher verlässt um 18.18 Uhr die Klinik in Grenoble. Auch heute war sie wieder bei ihrem Michael.

Die Kliniktür-Klickstrecken endeten erst, nachdem ein Absperrgitter zum Schutz der Angehörigen aufgebaut worden war. Heißt: Zum “verantwortungsvollen” Journalismus der “Bild”-Zeitung gehört auch die Veröffentlichung solcher Fotos. Solange sie nicht massivst daran gehindert wird.

Alfred Draxlers Einführung in die Medienethik, Teil 2

[Im Fall Schumacher] strömen auf die Redaktionen unglaublich viele Informationen ein – angebliche Informationen. Sei es der Kollege Alesi von Schumacher, seien es Ärzte, die eine Ferndiagnose machen. Und es ist unsere Aufgabe, damit verantwortungsvoll umzugehen, und ich glaube, das gelingt uns.

Sabine Kehm hatte zuvor erzählt, dass es jedes Mal eine Belastung für die Familie sei, wenn Äußerungen wie die von Alesi oder Ferndiagnosen unbeteiligter Ärzte von den Medien verbreitet würden.

Und so “verantwortungsvoll” ist “Bild” mit den Äußerungen von Alesi umgegangen:

Und so “verantwortungsvoll” ist “Bild” mit den Ferndiagnosen von Ärzten umgegangen:

“Verantwortungsvoll umgehen” heißt also: konsequent veröffentlichen.

Alfred Draxlers Einführung in die Medienethik, Teil 3

Ich kann da nur für “Bild” und “Sport Bild” und andere Springer-Medien sprechen: Wir prüfen das wirklich – sowohl juristisch als auch moralisch als auch ethisch –, ob wir das überhaupt bringen können. Also: Wir nehmen nicht jede Information und stellen sie ungeprüft in die Öffentlichkeit, sondern das wird schon sehr, sehr, sehr verantwortungsvoll geprüft.

Und erst wenn “Bild” eine Information sowohl juristisch als auch moralisch als auch ethisch als auch sehr, sehr, sehr verantwortungsvoll geprüft hat, wird sie zu einer solchen Titelgeschichte verarbeitet:

Neue Sorge um Schumi - Lungen-Entzündung im Koma!

“Bild” schrie:

JETZT MÜSSEN SICH DIE FANS NEUE SORGEN MACHEN: Bei Schumi wurde nach BILD-Informationen in der vergangenen Woche eine Lungenentzündung diagnostiziert! Die Folgen sind noch nicht absehbar.

Die Meldung wurde sofort von anderen Medien aufgegriffen — und auch wenn einige der Abschreiber durchaus Zweifel hegten und Schumachers Managerin Sabine Kehm die Meldung nicht hatte kommentieren wollen: die “Neue Sorge um Schumi” war in der Welt.

Die Reporter bezogen erneut Stellung vorm Krankenhaus, die internationale Presse bombardierte Kehm erneut mit Anfragen, die “Experten” ferndiagnostizierten erneut drauf los, die Fans machten sich erneut Sorgen, die Freunde und Angehörigen wurden erneut aufgeschreckt.

Dabei stimmten die “BILD-Informationen” gar nicht. Zwei Tage später schrieb das Blatt im vorletzten Absatz eines weiteren Schumi-Artikels:

BILD hatte berichtet, dass in der vergangenen Woche eine Lungenentzündung diagnostiziert worden war. Die Erkrankung liegt aber schon weiter zurück und stellte in dieser Woche nach neuesten Erkenntnissen keine akute Gefahr mehr da.

So viel zum Punkt juristisch als auch moralisch als auch ethisch als auch sehr, sehr, sehr verantwortungsvoll geprüfte Informationen.

Die ganze unnötige Panik wäre nicht ausgelöst worden, wenn “Bild” sich an den Wunsch von Schumachers Managerin gehalten hätte, die immer und immer wieder ausdrücklich und nachdrücklich darum gebeten hat,

das Arztgeheimnis zu respektieren und sich ausschließlich an die Informationen des zuständigen Ärzte-Teams oder Managements zu halten, die die einzigen gültigen Informationen sind.

Aber “Bild” ignorierte diese Bitte.

Die Medien wollen so viele Details wie möglich. Schumachers Familie will aber so wenige wie möglich rausgeben. Die Lücke wird geschlossen mit Spekulationen, Ferndiagnosen, Übertreibungen und Wiederholungen. Oder mit Berichten darüber, dass es nichts zu berichten gibt.

Und damit zu …

Alfred Draxlers Einführung in die Medienethik, Teil 4

Jauch: “Was machen Sie denn, wenn Sie so ein riesiges Interesse feststellen und müssen sagen: ‘Es gibt nichts Neues, wir haben nichts’?”

Draxler: “Dann machen wir’s auch nicht.”

Nun ja …

Bild.de, 4. Januar:

Zu seinem aktuellen Zustand gibt es keine Neuigkeiten.

Bild.de, 16. März:

Weiterhin keine Neuigkeiten bei Schumi!

Bild.de, 10. April:

Unterdessen gibt es zu Schumis gesundheitlichen Zustand keine Neuigkeiten.

Bild.de, 2. Januar:

Aber es gibt ja auch noch genug anderen Quatsch, mit dem “Bild” die Seiten füllen kann:

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So hat “Bild” seit dem Unfall bereits über 40 Artikel veröffentlicht. Viele davon bestehen aus nicht viel mehr als Gerüchten, Fragen, Wiedergekäutem und Geschwafel.

Am 4. April schien es dann aber, als hätte Bild.de tatsächlich etwas Neues zu berichten. Auf der Startseite jubelte das Portal riesengroß:

Schumi geht es besser! - Seine managerin zu BILD: "Es gibt Anzeichen, die uns Hoffnung machen"

Grund für die “neue Hoffnung” war eine Aussage von Schumachers Managerin Kehm gegenüber “Bild”:

Managerin Sabine Kehm gegenüber BILD: “Ich kann nur noch einmal sagen: Es gibt Anzeichen, die uns Mut machen.”

“Nur noch einmal sagen”?

Ach ja:

Schumi-Managerin macht Hoffnung - "Immer wieder kleine Anzeichen, die uns Mut machen"

Dieser Artikel war ziemlich genau drei Wochen zuvor bei Bild.de erschienen. Er bezog sich auf eine Pressemitteilung von Sabine Kehm, in der es hieß:

Es gibt immer wieder kleine Anzeichen, die uns Mut machen.

Genau das, was sie per Pressemitteilung allen gesagt hatte, hat sie drei Wochen später der “Bild”-Zeitung also noch einmal gesagt. Und die bastelt daraus eine große Neuigkeit.

Andere Medien (und zwar viele, viele, viele, viele, viele, viele, viele, viele andere Medien) rannten erwartungsgemäß blind hinterher und verkündeten, Schumacher gehe es “besser”, obwohl einige von ihnen sogar selbst feststellten, dass Kehm genau das Gleiche schon in ihrem letzten Statement gesagt hatte.

“Bild” hatte den alten Stand kurzerhand als neuen verkauft (und alle anderen nahmen es ihr ab). Wenn Alfred Draxler also sagt: “Machen wir nicht”, meint er “nicht” im Sinne von: “doch”.

Alfred Draxlers Einführung in die Medienethik, Teil 5

Da ist kein Journalismus, das ist Schweinepresse!

Die womöglich zutreffendste Aussage Draxlers in der gesamten Sendung. Er meinte die billigen, bunten Klatschblätter. Mit denen will er unter keinen Umständen auf eine Stufe gestellt werden. Schon am Anfang der Sendung hatte er darauf bestanden, dass man “sehr differenzieren” müsse, “was die Art der Medien anbelangt”, denn da gebe es durchaus “Abstufungen”.

Es kommt ihm freilich sehr entgegen, dass es da noch einen Bereich in der Presselandschaft gibt, der noch mieser, noch krawalliger und noch skrupelloser zur Sache geht als die “Bild”-Zeitung. Gegen die Regenbogenpresse wirkt sein Ex-Blatt ja auch in der Tat nicht mehr ganz so schlimm. Zumindest auf der ersten Blick.

Rein inhaltlich haben “Bild” und die Regenbogenblätter in den vergangenen Wochen aber durchaus Parallelen gezeigt. Natürlich: Im Wahrheit-Verzerren sind die Klatschblätter ungeschlagen. Aus einer banalen Kleinigkeit wird auf derm Cover schnell mal eine riesige Schocktränentragödie. Oder aber ein “Zeichen der Hoffnung”, wie in diesem Fall:

Endlich! Michael Schumacher - Das erste Zeichen der Hoffnung!

Das Blatt suggeriert, Schumachers Zustand habe sich gebessert — dabei steckt hinter der Schlagzeile lediglich das Gerücht, dass Schumachers Glücksarmband angeblich wiedergefunden wurde.

Die “Bild”-Zeitung hatte bei der Überschrift allerdings eine ganz ähnliche Idee…

Glücksarmband im Schnee gefunden - Hoffnungs-Zeichen für Schumi?

… ließ ihre Leser aber immerhin nicht im Unklaren über den Kern der, äh, “Nachricht”:

21 Tage nach Horror-Unfall - Schumis Glücksbringer im Schnee gefunden!

Einige Journalisten scheinen fest davon überzeugt zu sein, sie hätten Anspruch auf eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung mit neuen Einzelheiten; manche drehen sogar dermaßen am Rad, wenn Schumachers Managerin “nichts zu berichten” hat, dass man ihnen am liebsten die Tastatur wegnehmen möchte.

Und so werden die Zeitungs- und Internetseiten — und zwar sowohl in den Boulevard- als auch den Regenbogen- als auch den seriösen Medien — mit Nachrichten gefüllt, die diese Bezeichnung eigentlich gar nicht verdient haben und statt dem Informationsinteresse nur einer Sache dienen: der Gier der Leute, irgendetwas über Michael Schumacher zu lesen. Dass die “Bild”-Zeitung sich dabei nicht ganz so weit aus dem Fenster lehnt wie die Regenbogenpresse, ist klar. Und es kam ihr sehr zugute, dass diese Unterscheidung auch bei Jauch so stark betont wurde, vor allem von Draxler selbst. Guck mal, was die da machen, dagegen sind wir ja nun wirklich nicht schlimm.

Ohnehin profitierte “Bild” in Jauchs Runde enorm von den Vergleichen mit anderen Medien. Auch Schumachers Managerin Kehm sagte, dass sich das Blatt “im Großen und Ganzen fair” verhalten habe und dass sie andere Boulevardmedien als “sehr viel grenzwertiger” empfunden habe. Und natürlich wirkt “Bild” im direkten Vergleich nicht ganz so schlimm wie etwa der unsägliche “News”-Ticker von “Focus Online” oder die Knallblätter der deutschen oder englischen Regenbogenpresse. Aber nur weil die “Bild”-Zeitung noch genug Restskrupel hat, auf der Titelseite nicht einfach zu lügen, Schumacher sei “aufgewacht” oder es gebe ein “Wunder”, und nur weil sie nicht jedes Gerücht aufgreift, sondern auch mal eins auslässt, heißt das ja nicht automatisch, dass sie guten Journalismus macht. Es ist lediglich das kleinere Übel.

Es gibt darüber hinaus noch einen bedeutenden Unterschied zwischen “Bild” und der Regenbogenpresse, der bei solchen Vergleichen schnell unter den Tisch fällt. Dieser Unterschied wird gerade am Beispiel der rumgereichten “Bild”-Panikmache wegen der angeblichen Lungenentzündung deutlich.

Wenn die “Bild”-Zeitung etwas schreibt, dauert es nämlich nicht lange, bis andere, auch seriöse und internationale Medien aufspringen, so groß deren Zweifel auch sein mögen. Die Spekulationen der “Freizeit X” werden dagegen allenfalls von der “Freizeit Y” und der “Z für die Frau” aufgegriffen, sie verbleiben im Paralleluniversum der Regenbogenwelt und dringen nur selten ans Licht der breiten Öffentlichkeit. Auch wenn die Auflagenzahlen in diesem Segment riesig sind, erreicht ein Gerücht der Regenbogenpresse nur selten so viele Meinungsmacher wie eines, das von der “Bild”-Zeitung in die Welt gesetzt wurde.

So zieht jede große “Bild”-Schlagzeile ein riesiges Echo nach sich, das selbst dann noch hallt, wenn die ursprüngliche Meldung längst korrigiert oder widerlegt wurde.

Im Fall Schumacher klang dieses Echo unter anderem so:

Michael Schumacher - Jetzt liegt alles in Gottes Hand! - Die schwere Lungen-Entzündung - Die letzten Stunden im Krankenhaus

Dahinter steckt nichts anderes als die Falschmeldung der “Bild”-Zeitung. “die aktuelle” schreibt:

Der Feind in seinem Körper — er macht alles kaputt. Die schreckliche Schock-Nachricht aus Grenoble: Schwere Lungenentzündung. Ausgerechnet jetzt! Das Leben von Michael Schumacher, 45, steht auf Messers Schneide. Sein Schicksal liegt nun allein in Gottes Hand. Dabei hatte es doch schon so gut ausgesehen …

Diesen Artikel hätte es ohne “Bild” nicht gegeben. Viele andere Schumi-Artikel in den Regenbogenbogenblättern auch nicht. Klar: Die Redaktionen hätten sicherlich auch andere Quellen für ihre Schock-Wunder-Dramen gefunden. Aber in vielen Fällen lieferte die “Bild”-Zeitung schon genug Futter für die “Schweinepresse”.

All das erwähnte Alfred Draxler in seiner Lehrstunde über verantwortungsvollen Journalismus natürlich mit keinem einzigen Wort.

Maischberger, Mollath, MedienVielfaltsMonitor

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Fünf Mediengruppen teilen sich rund 60 Prozent der Meinungsmacht”
(blm.de)
Der “MedienVielfaltsMonitor 2013” (PDF-Datei) der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien. “ARD, Bertelsmann, Axel Springer, ProSiebenSat.1 sowie das ZDF verfügen über rund 60 Prozent der Meinungsmacht in Deutschland und prägen die Meinungsbildung durch Medien.”

2. “Augstein: Keine Frage des Stils, sondern der Haltung”
(dradio.de, Jürgen Liminski)
Franziska Augstein spricht zur Verpflichtung von Nikolaus Blome durch den “Spiegel”: “Was hat so jemand beim ‘Spiegel’ verloren, der die Haltung wechselt je nach Arbeitgeber?”

3. “Wollen wir diese Bilder sehen?”
(handelsblatt.com, Claus Eurich)
Der Umgang mit Bildern aus Syrien: “Bilder, deren Herkunft nicht genauso zweifelsfrei geklärt ist wie die Kontexte hinsichtlich des Dargestellten, taugen nicht zur schnellen Veröffentlichung – auch wenn es die einzigen zugänglichen Bilder sind. Dann müssen eben Worte sich bemühen, das unfassbare Grauen und Leiden angemessen wiederzugeben.”

4. “3 Fragen, die sich Journalisten stellen sollten, wenn sie eine wissenschaftliche Studie lesen”
(ricogrimm.de)
“1. Können diese zwei Dinge wirklich miteinander in Verbindung stehen? 2. Hat der Autor der Studie wirklich alle Ereignisse berücksichtigt? 3. Hat er wirklich ALLE berücksichtigt?”

5. “‘Lob kann manchmal mehr verunsichern als Tadel'”
(journalist.de, Hans Hoff)
Hans Hoff plaudert mit Sandra Maischberger über Talkshows.

6. “‘Mollath muss sich einfach wehren'”
(dradio.de, Dieter Kassel)
Dieter Kassel fragt bei Anwalt Gerhard Strate nach, warum er “Gutachten zusammen mit ärztlichen Stellungnahmen und zahlreichen Gerichtsdokumenten” zum Fall Gustl Mollath auf strate.net verfügbar gemacht hat: “Mollath muss sich einfach wehren! Und er muss deutlich machen, auf welcher trivialen Ebene zum Teil diese Gutachten einfach ihre Fakten selektiert haben, des Weiteren ihre rhetorischen Figuren aufbauen über angebliche Verrücktheiten des Herrn Mollath.”

Alexis Tsipras, Wild Girls, Rivva

6 vor 9

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1. “Und willst du nicht mein Bruder sein”
(faz.net, Michael Martens)
FAZ-Korrespondent Michael Martens stellt das Tondokument eines Interviews mit Alexis Tsipras online, das nach der fünften Frage von Tsipras beendet wurde. Siehe dazu auch ein Interview mit Michael Martens (newsroom.de, Bülend Ürük).

2. “Leistungsschutzrecht: Rivva schaltet Snippets ab und verliert über 650 Zeitungen und Blogs”
(neunetz.com, Marcel Weiss)
Der Aggregator Rivva bereitet sich vor auf das am 1. August in Kraft tretende Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Marcel Weiss kommentiert: “Angebote wie Rivva werden niemals wieder alles relevante im deutschen Web abbilden können. Das deutsche Presseleistungsschutzrecht zerstört den wichtigsten Baustein für die Arbeitsteilung in der vernetzten Öffentlichkeit.”

3. “Werbung: Ja bitte – aber nicht so!”
(journal21.ch, Roger Anderegg)
Hunderttausende von Zeitungslesern werfen täglich “Berge unverlangter Reklame” weg, ohne sie überhaupt angesehen zu haben, glaubt Roger Anderegg. “Abgesehen natürlich von den Werbern und den Verlagsmanagern, die alles aufmerksam durchblättern, aber nicht etwa aus Kaufinteresse, sondern lediglich aus Marketinggründen. Dass das sonst kein Mensch tut, hat ihnen offenbar noch niemand gesagt.”

4. “What’s wrong with the Germans?”
(africasacountry.com, Thomas M. Blaser, englisch)
Soziologe Thomas M. Blaser denkt nach über die TV-Sendungen “Wild Girls” (RTL) und “Reality Queens” (ProSieben).

5. “Das Ende der Mangelmedien”
(haltungsturnen.de, Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach)
Mit dem Verkauf von Printprodukten durch den Springer-Verlag und der Vorstellung des Chromecast-Sticks sieht Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach ein Ende von Mangelmedien gekommen: “Diese Woche wird uns später als die Woche in Erinnerung bleiben, in der das Ende der Medien offensichtlich wurde, deren Modell darauf beruhte, dass Raum oder Zeit knapp und ein Mangel war.”

6. “Lebenshilfe vom Springer-Verlag: Entrümpeln lernen mit Dr. Döpfner”
(spiegel.de, Silke Burmester)
Silke Burmester lobt Mathias Döpfner für den Verkauf mehrerer Print-Titel. “Ich bin ja so eine, die auf dem Flohmarkt die Sachen, die sie schon zum Verkauf auf den Tisch gelegt hat, wieder einpackt. Weil ich denke: ‘Kann man noch gebrauchen.’ Oder: ‘Das hat Opa damals gemacht, das gehört doch irgendwie zur Familie.'”

Galileo, Offshore-Leaks, Bob Mankoff

6 vor 9

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1. “Galileo – sehen, staunen, wegschalten”
(akduell.de, Sabi)
Das ProSieben-Infotainmentmagazin “Galileo”: “Obwohl die Bewertung des Formats der Sendung immer noch Geschmackssache sein kann, gibt es auch indiskutable Mankos wie falsche Informationen, die während der Sendezeit gegeben werden. (…) Abgesehen von Recherchefehlern hat die Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten in ihrem Prüfungsbericht von 2011 die Inhalte der Sendung offiziell als entwicklungsbeeinträchtigend eingestuft.”

2. “LHR erzielt Rekordsumme für Mandanten: Fotograf erhält 14.000 € Schadensersatz wegen Nichtnennung als Urheber”
(lhr-law.de)
In einer außergerichtlichen Einigung zahlt ein Unternehmen 14.000 Euro: “Unser Mandant, ein Fotograf, hatte bemerkt, dass eines seiner Lichtbildwerke als Illustration mehrerer Pressemitteilungen eines Unternehmens verwendet wurde. Und das, ohne Einverständnis und – was für Fotografen häufiger viel wichtiger ist – ohne seinen Namen zu nennen.”

3. “Gunter Sachs: Lockvogel – Pechvogel”
(medienblog.blog.nzz.ch, Rainer Stadler)
Als “bloss eine grosse mediale Windmaschine”, verdächtigt Rainer Stadler rückblickend die Offshore-Leaks: “Die ‘Süddeutsche Zeitung’ nannte im Lead zum Auftaktartikel den Namen Sachs in einem Atemzug mit den Begriffen Waffenschmuggler, Steuerflüchtlinge, Betrüger. Für den flüchtigen Leser drängten sich also entsprechende Assoziationen auf. Die Differenzierungen erfolgten erst danach im langen Text.”

4. “Recht und Unrecht im Fall Gunter Sachs”
(sueddeutsche.de, Bastian Obermayer)
Bastian Obermayer hält dagegen: “Die Entscheidung der Berner Finanzverwaltung ist kein umfänglicher Freispruch – dafür bleibt zu vieles ungeklärt. Zum Beispiel, ob Sachs sein seit 1993 in Offshore-Firmen geparktes Vermögen bis zum Jahr 2008 korrekt deklariert hat – also die weit größere Zeitspanne.”

5. “Fake-Profil auf Instagram: Kim Jong Uns deutscher Botschafter”
(spiegel.de, Tobias Brunner)
Das Instagram-Konto northkorea_dprk_officialsite wird von einem 18-jährigen Schüler aus einem Dorf bei Stuttgart betrieben.

6. “Bob Mankoff: Anatomy of a New Yorker cartoon”
(youtube.com, Video, 21 Minuten)
Bob Mankoff entscheidet, welche Cartoons in den “New Yorker” kommen und welche nicht.

Neues aus Lampukistan

Der Parkplatz der Uni Siegen gehört nicht unbedingt zu den allerspektakulärsten Orten der Republik. Dennoch erfährt er momentan eine ganze Menge Aufmerksamkeit.

Der Grund dafür ist ein Foto, das eine Studentin vor ein paar Tagen bei Facebook hochgeladen hat. Zu sehen sind drei Autos, die derart dicht nebeneinander stehen, dass das Mittlere nur noch über den Kofferraum erreichbar ist. Wessen Schuld diese nicht ganz einfache Parksituation war, sei mal dahingestellt.

Das Foto wurde jedenfalls zum viralen und medialen Hit, etliche Kommentatoren machten sich über die Szenerie lustig und bastelten allerlei Fotomontagen daraus. Unter anderem diese hier:Screenshot: Bild.de

Bild.de schreibt dazu:

Die Flut an kuriosen Fotomontagen reißt nicht ab: Auf einer grüßt Papst Benedikt den geschickten Golf-Fahrer, auf einer weiteren berichtet RTL-Reporterin Antonia Rados aus dem “Krisengebiet”

Nur leider ist das nicht die echte Antonia Rados, sondern die von “Switch Reloaded”.

Aber es ist ja nicht das erste Mal, dass sich Bild.de so blöd anstellt.

Mit Dank an Matthias M.

Apropos Trash

Da absolviert man eine langjährige journalistische Ausbildung, um dann auf der Internetseite des “Handelsblatts” eine Bildergalerie mit dem Titel “Das sind die schlimmsten Trash-Sendungen” (“Anlass”: Der Sendestart von RTL 2 vor 20 Jahren) zusammenzustellen. Das wünscht man tatsächlich niemandem.

Andererseits hätte das routinierte Abfrühstücken vermeintlich minderwertiger TV-Ware von “Big Brother” über “Frauentausch” bis hin zu “Toto & Harry” dann doch ein bisschen gewissenhafter ausfallen können:

Wer? Nie gehört! Prominente, die eigentlich keine sind, sich aber so schimpfen, kochen füreinander und müssen sich gegenseitig bewerten. Das ist "Das perfekte Promi-Dinner" auf dem Nischensender Vox. Die einzelnen Folgen dauern brutto zweieinhalb Stunden. Für eine Kochsendung im deutschen Fernsehen ist das Rekord.

Nun ist es ja wirklich nicht so, dass all die Kandidaten, die sich “Prominente” “schimpfen”, immer auch einem größeren Publikum bekannt sind. Aber wenn die Redakteure vom “Handelsblatt” keinen der Abgebildeten kennen, könnte das natürlich auch daran liegen, dass es sich nicht um ein Szenenbild aus “Das perfekte Promi-Dinner” (vier Kandidaten pro Sendung) handelt, sondern um eines der in jedem Fall Promi-freien Sendung “Das perfekte Dinner” (fünf Kandidaten pro Sendewoche).

Es geht aber noch trauriger:

Wenn es um Trash-TV geht, darf natürlich "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus" nicht fehlen. Moderiert wurde die RTL-Sendung unter anderem von Dirk Bach, der im letzten Jahr verstorben ist. Co-Moderatorin Sonja Zietlow führt seitdem mit Daniel Hartwig "das Erbe" weiter. Das Grundkonzept der Sendung ist Schadenfreude, gespickt mit ekelerregenden Strafen. Zuschauer rufen für den jeweiligen Star an, der eine Dschungelprüfung durchlaufen muss. Meist müssen irgendwelche stark eiweißhaltigen Käfer oder Genitalien von größeren Tieren verspeist werden. Die letzte Staffel sahen im Schnitt immerhin 7,3 Millionen Zuschauer. Eine traurige Zahl. Doch viel trauriger ist die Tatsache, dass "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus" 2013 für den Grimme-Preis in der Kategorie "Unterhaltung" nominiert wurde.

Ja, “Ich bin ein Star – Holt mich hier raus” wurde “unter anderem” von Dirk Bach moderiert, der im letzten Jahr verstorben ist, und von Sonja Zietlow. Doch das auf dem Foto sind Bernhard Hoëcker und Susanne Pätzold als Dirk Bach und Sonja Zietlow.

Wenn handelsblatt.com jetzt eine Parodie aus “Switch Reloaded” mit der Originalsendung verwechselt, befindet sich die Seite allerdings in guter passender Gesellschaft: Bild.de ist das bisher drei Mal passiert.

Mit Dank an L.

Nachtrag, 5. März: handelsblatt.com hat das Szenenbild aus “Switch Reloaded” durch ein Foto von Sonja Zietlow und Daniel Hartwich (echt) ersetzt und darunter geschrieben:

Hinweis: Ursprünglich wurde an dieser Stelle ein Bild aus der Satire-Sendung “Switch Reloaded” gezeigt. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

“Das perfekte Promi-Dinner” ist komplett aus der Galerie geflogen.

Jetzt XX

Es ist mal wieder Zeit für unser beliebtes Spiel:

Kalkofe macht jetzt auf Glööckler

Huch, jetzt hat Harald Glööckler (47) auch noch seinen eigenen Klön!

Wir sehen zwei pompöös gleich aussehende Bartträger, doch wer ist wer?

Der mit dem Klunker am Finger ist das Original. Der andere ist im wahren Leben glatt rasiert und heißt Oliver Kalkofe (47).

Für seine Sendung “Kalkofes Mattscheibe” (heute, 23.15 Uhr, Tele 5) parodiert er den Modemacher.

(Hervorhebungen von uns.)

Na, was glauben Sie, welche Bedeutung das Wort “jetzt” diesmal hat?

Um es nicht unnötig spannend zu machen: “Jetzt” entspricht in diesem Fall “seit mindestens siebeneinhalb Jahren”.

So lang ist es her, dass Oliver Kalkofe in seiner “Mattscheibe” (damals auf ProSieben) erstmals Harald Glööckler parodiert hat.

Mit Dank an Volker K.

The Faces of Germany

Der Suchmaschinenkonzern Google hat mehrere Listen der meistbenutzten Suchbegriffe des Jahres 2012 veröffentlicht.

Für Bild.de eine willkommene Gelegenheit, eine Klickstrecke mit den “häufigsten Suchanfragen 2012” zu bauen.

Mit dabei:

"The Voice of Germany" – Xavier Naidoo, Boss Hoss, Nena und Rea (v.l.n.r.) sind extrem beliebt und die meist gesuchte TV-Show in Deutschland

Bei der Beschriftung ist Bild.de leider ein kleiner Fehler unterlaufen, denn das Bild zeigt nicht “Xavier Naidoo, Boss Hoss, Nena und Rea (v.l.n.r.)”, sondern Max Giermann, Michael Müller & Peter Nottmeier, Susanne Pätzold und Michael Kessler (v.l.n.r.).

Oder anders: Das Foto zeigt nicht die Jury von “The Voice of Germany”, sondern die dazugehörige Parodie bei “Switch reloaded”, über die Bild.de im Oktober noch geschrieben hatte, sie sei “so genial, dass man sie kaum vom Original unterscheiden kann”.

Was damit bewiesen wäre. Und das nicht zum ersten Mal.

Mit Dank an Marcel G.

Nachtrag, 16.24 Uhr: Bild.de hat das Foto der falschen Jury gegen eines der echten ausgetauscht.

Hip Journalists Don’t Use Google

Wenn Sie gestern die Sendung “The Voice of Germany” verfolgt haben, wissen Sie es womöglich schon:

“Hip Teens Don’t Wear Blue Jeans” war 2003 ihr Nummer-Eins-Hit. Für Tochter Amber (7) legte sie eine Karriere-Pause ein – gestern versuchte Sam Leigh-Brown (43) bei “The Voice” (ProSieben, 20.15 Uhr, Donnerstag und Freitag) ihr Glück. Vergeblich… Im Battle gegen Jesper (25) verlor sie.

Wobei: Das mit dem Nummer-Eins-Hit hatten Sie nicht wissen können. Das weiß Bild.de nämlich einigermaßen exklusiv. “Hip Teens Don’t Wear Blue Jeans” vom Frank Popp Ensemble hat es nämlich nur bis auf Platz 17 der deutschen Single-Charts geschafft.

Anders bei Bild.de:

Als “Hip Teens Don’t Wear Blue Jeans” in den Charts auf Platz Eins stieg, wurde sie schwanger.

Mit Dank an Schulze.

Autorisieren, Reality-TV, Wetten, dass..?

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Aus Gerede Gedanken filtern”
(spiegel.de, Thomas Tuma)
In der Debatte zum Autorisieren von Interviews tritt Thomas Tuma ein für die “Bearbeitung” von Interviews und das Kämpfen “um jeden Satz”: “Dieser Kampf ist mühsam, aber er ist hilfreicher als die alle paar Jahre in Deutschland aufwallenden Initiativen mancher Zeitungen, die sich dem Diktat ihrer Gesprächspartner nicht mehr beugen wollen.” Siehe dazu auch “‘Gesagt ist gesagt’ – Chefredaktoren über das Autorisieren von Interviews” (persoenlich.com).

2. “What to do about the Pics: Strategien gegen die Abmahnwelle”
(crackajack.de, René Walter)
René Walter formuliert Strategien gegen Urheberrechtsprobleme bei der Verlinkung mit Bild. “Deutsche Blogs, die vor allem auf fremden Content hinweisen und das auch in Bildform tun, sitzen auf einer Zeitbombe.”

3. “Bischofskonferenz gegen kreuz.net”
(katholisch.de)
Die Deutsche Bischofskonferenz distanziert sich vom Internetportal Kreuz.net: “‘Der Begriff des Katholischen wird von dieser Internetseite grob missbraucht’, sagte der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Matthias Kopp, gegenüber katholisch.de. Die Deutsche Bischofskonferenz habe sich schon immer deutlich von kreuz.net distanziert, so Kopp weiter.”

4. “Trash-TV: Die Macher über ihre Erfolgsformate”
(horizont.net)
Programmplaner von RTL, RTL2, VOX und ProSiebenSat.1 geben Auskunft, welche Bedeutung Reality-TV für ihre Sender hat.

5. “Schockierend – Der typische Unglücksbeitrag”
(youtube.com, Video, 1:56 Minuten)
Der Unglücksbeitrag, wie man ihn aus TV-Boulevardmagazinen kennt.

6. “Wattn das?”
(freitag.de, Sebastian Dalkowski)
Sebastian Dalkowski weiß bereits jetzt, wie die morgige “Wetten, dass..?”-Premiere von Markus Lanz ablaufen wird.

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