Archiv für September 21st, 2021

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Claus Strunz hat nur Augen für Annalena Baerbock

Gong, “Hier ist das erste deutsche Fernsehen mit der ‘Tagesschau'”, Sprecher Jens Riewa sagt: “Eine Woche vor der Bundestagswahl haben FDP und Bündnis 90/Die Grünen auf Parteitagen noch einmal für ihre Ziele geworben”, und im Hintergrund ist ein Foto von Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock zu sehen. Schon ist Claus Strunz auf Zinne. Denn die “Tagesschau” zeige ja “minutenlang nur” Baerbock, obwohl es um die Grünen und die FDP geht, so der “Bild-TV”-Programmchef:

Screenshot eines Tweets von Claus Strunz - Start in die Tagesschau: FDP und die Grünen haben Parteitag, aber gezeigt wird minutenlang nur Annalena Baerbock

Auch “Bild”-Oberchef Julian Reichelt verbreitet Strunz’ Tweet, und bei der Klientel kommt das gut an: “Was haben Sie denn erwartet? Unsere System Medien sind LINKS Grün”, steht in den Kommentaren bei Twitter: “Wen wundert’s – Öko-Taliban im Funk haben das Sagen!”, “Mit kalter Schnauze werden die Zwangsgebühr zahlende Menschen veräppelt”. Oder einfach nur: “Es ist abartig!”

Was Strunz schreibt und Reichelt retweetet, ist schlicht Desinformation. Das kann jeder in der ARD-Mediathek nachschauen. Die 20-Uhr-“Tagesschau” vom vergangenen Sonntag war wie folgt aufgebaut: Begrüßung durch Jens Riewa, etwa 24 Sekunden Einleitung zum Grünen-Parteitag …

Screenshot Tagesschau - Parteitage von FDP und Grünen - Baerbock-Rede zum Wahlkampfendspurt

… dann der Beitrag über den Parteitag der Grünen, rund 92 Sekunden lang, direkt anschließend die knapp 28 Sekunden lange Einleitung zum FDP-Parteitag …

Screenshot Tagesschau - Parteitag der FDP - Lindner-Rede zum Wahlkampfendspurt

… und dann der Bericht zum Parteitag der FDP, Dauer: gut 91 Sekunden.

Oder anders gesagt: Die Zeiten sind fast identisch – viel fairer konnte die “Tagesschau”-Redaktion nicht vorgehen.

Annalena Baerbock ist auch nicht, wie Claus Strunz behauptet, “minutenlang” zu sehen, sondern etwas mehr als eine Minute (und das ist wohlwollend nachgezählt, zum Beispiel inklusive Aufnahmen, auf denen Baerbock nur von hinten zu sehen ist oder mit anderen Leuten im Raum steht). Christian Lindner ist im Anschluss auch ziemlich genau eine Minute im Bild.

Der Slogan, mit dem der Axel-Springer-Verlag “Bild TV” bewirbt, also das Projekt, das Claus Strunz leitet und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Konkurrenten hat, lautet übrigens: “Wir zeigen, was wirklich ist.”

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

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Belohnte Geltungssucht, Chronist der Hinterzimmer, Verrat von Privatem

1. Polizei und Opferschützer kritisieren TVNow-Doku scharf
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Die RTL-Produktion “Der Todespfleger” beinhaltet ein telefonisches Interview mit dem wegen 85-fachen Mordes verurteilten Niels H. Dies wird von Seiten des Weißen Rings und der Polizei stark kritisiert. So erklärte Oldenburgs Polizeipräsident Johann Kühme gegenüber der “Neuen Osnabrücker Zeitung”: “Es ist ein Schlag ins Gesicht der Opferangehörigen, ihn öffentlich sprechen zu lassen. Sein Motiv war die Geltungssucht, und jetzt darf er sich schon wieder als wichtig empfinden. Er ist im Fernsehen, es wird sogar mit ihm geworben. Das unterstützen wir als Polizei auf keinen Fall.”

2. Der Chronist der Hinterzimmer
(sueddeutsche.de, Lena Reuters)
Stephan Lamby ist als Autor von TV-Dokus über politische und wirtschaftliche Themen und für seine eindringlichen Politikerporträts bekannt. Gestern Abend sendete Das Erste Lambys neuesten Film “Wege zur Macht. Deutschlands Entscheidungsjahr” (ARD-Mediathek, Video: 1:15:22 Stunden), für den er mehr als zehn Monate die Kanzlerkandidaten beziehungsweise -kandidatin beobachtete. Wie kommt es, dass der Fernsehjournalist mit dem genauen Blick Zugang zu den mächtigsten Politikerinnen und Politikern des Landes hat wie kaum ein anderer? Lena Reuters ist dem Phänomen Lamby nachgegangen.

3. Warum Medien nicht über “Selbstmord” schreiben sollten
(deutschlandfunk.de, Stefan Fries, Audio: 2:08 Minuten)
Im Sprachcheck beschäftigt sich Stefan Fries mit der Suizid-Berichterstattung. Statt von “Selbstmord” oder “Freitod” sollten Medien lieber von “Suizid” oder “Selbsttötung” sprechen. “Journalistinnen und Journalisten sollten den Suizid auch nicht als nachvollziehbar oder erlösend darstellen – und sie sollten einfache Erklärungen genauso vermeiden wie Schuldzuweisungen. Im Gegenteil: Wenn sie die richtigen Worte wählen, können sie sogar Suizide verhindern und die Suche nach Hilfe auslösen.”
(Solltest Du Suizid-Gedanken haben, dann gibt es Menschen, die Dir helfen können, aus dieser Krise herauszufinden. Eine erste schnelle und unkomplizierte Hilfe bekommst Du etwa bei der “TelefonSeelsorge”, die Du kostenlos per Mail, Chat oder Telefon (0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222) erreichen kannst.)

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4. Offener Brief für “Quarks”-Moderatorin: Medienschaffende solidarisieren sich mit Nemi El-Hassan
(rnd.de)
Nach Kritik an der politischen Vergangenheit der Moderatorin Nemi El-Hassan hatte der WDR die Zusammenarbeit in der vergangenen Woche zunächst ausgesetzt. Dagegen bildet sich nun Protest: Rund 400 Autorinnen und Autoren, Journalistinnen und Journalisten, Künstlerinnen und Künstler sowie Comedians haben einen offenen Brief unterschrieben, in dem sie sich mit der 28-Jährigen solidarisieren.

5. Verrat von Privatem bleibt straffrei
(verdi.de, Eckhard Stengel)
Im Zuge der sogenannten BAMF-Affäre in Bremen soll es zu einem seltsamen Zusammenwirken der Staatsanwaltschaft mit Medien zum Nachteil der damaligen örtlichen BAMF-Leiterin gekommen sein. Der Vorwurf des Verteidigers: Vier Staatsanwälte hätten sich heimlich mit einem “Zeit”-Journalisten getroffen, um einen “vorverurteilenden und frauenfeindlichen Artikel” über Ulrike B. zu veröffentlichen. Anschließend hätten sie “eine Mauer des Schweigens” errichtet und gegenüber der ermittelnden Generalstaatsanwaltschaft die Aussage verweigert. Die Generalstaatsanwaltschaft Bremen hat ein Ermittlungsverfahren gegen die Beamten jetzt eingestellt – mit einer Begründung, die auf deutliche Kritik stößt.

6. Wer führt im Bundestagswahlkampf nach Social Media-Punkten?
(politik-kommunikation.de, Patrick Pietruck)
Eine Onlineagentur hat die Bewegungen auf den Social-Media-Accounts von Politikern und Parteien analysiert: “Inwieweit sich die Nominierung zum Kanzlerkandidaten als Reichweiten-Booster der Social Media Accounts entpuppt, machen wir zum Thema, indem wir Vergleiche mit den Wachstumszahlen von Söder, Habeck und Lindner anführen. Zudem bilden wir ab, wie es um den mobilen Sichtbarkeitsindex der Parteien und Kandidaten bestellt ist.”