Archiv für Oktober 22nd, 2020

Nicht nur Trump kämpft gegen Biden

Donald Trump hat es nicht leicht. Nicht nur mit seinem Widersacher Joe Biden hat es der US-Präsident zu tun, er kämpft auch mit der liberalen US-amerikanischen Presse und mit Tech-Firmen wie Twitter. So schreibt es Alexander von Schönburg in einem Kommentar in “Bild” und bei Bild.de:

Screenshot Bild.de - Kommentar zur US-Wahl - Trump kämpft nicht nur gegen Biden

Wenn Joe Biden die Wahl gewinnt, darf er sich auch bei Tech-Giganten wie Facebook und Twitter – und der liberalen Presse – bedanken.

Genau die Leitmedien – von “Atlantic” bis “Washington Post” – die bedenkenlos jede Anti-Trump-Story verbreiten, unabhängig von Belegbarkeit und Quellenlage (man denke an Trumps angebliche Beleidigung gefallener Soldaten), haben keine Hemmung, Storys, die Biden unangenehm werden könnten, unter den Tisch zu kehren.

Nun ist es kein Geheimnis, dass Kommentare nur die Meinung des Autors widerspiegeln. Sie dürfen subjektiv und auch zugespitzt sein. Doch was Alexander von Schönburg hier macht, ist mehr als legitime Subjektivität: Er führt die Leserschaft durch Auslassungen in die Irre. Er raunt herum und setzt Verschwörungen in die Welt. Und er plappert eine Falschinformation nach.

Die Artikel, auf die sich von Schönburg bezieht, wenn er schreibt, dass “Atlantic” und “Washington Post” unabhängig von Belegbarkeit und Quellenlage Anti-Trump-Storys verbreiten, sind tatsächlich nicht mit letzter Sicherheit zu beweisen. Das heißt allerdings nicht, dass sie im Umkehrschluss unplausibel sind. Für die Behauptung, Trump habe US-Soldaten, die im Ersten Weltkrieg gefallen und auf einem Friedhof in Frankreich beerdigt sind, als “Loser” und “Sucker” bezeichnet, führt “The Atlantic” durchaus Quellen an – allerdings anonyme: “vier Personen mit Wissen aus erster Hand über die Diskussionen an diesem Tag”. Recherchen anderer Redaktionen, darunter auch Trumps (einstiger) Haussender Fox News, bestätigten die Aussagen dieser Quellen. Aber es gab auch Widerspruch: Trumps früherer Nationaler Sicherheitsberater John Bolton etwa sagte, er könne nicht bestätigen, dass Trump sich derart despektierlich geäußert hat. Bolton steht Trump inzwischen kritisch gegenüber und damit nicht im Verdacht, den US-Präsidenten blind zu verteidigen.

All das lässt Alexander von Schönburg weg.

Die Geschichte, die “die Leitmedien” von Schönburg zufolge “unter den Tisch kehren”, ist ein Artikel aus dem Boulevardblatt “New York Post”, der nahelegt, dass Joe Bidens Sohn Hunter sich durch die Position seines Vaters bei Geschäftsleuten in der Ukraine und in China Vorteile verschafft haben soll. Und: Joe Biden selbst soll als Vizepräsident außenpolitisch Einfluss genommen habe, um seinem Sohn Vorteile zu verschaffen. Laut “New York Post” gehe das aus E-Mails hervor, die auf einer Kopie der Festplatte von Hunter Bidens Laptop gespeichert sein sollen. Nach Angaben der “New York Post” ist die Redaktion auf abenteuerlichem Weg an diese Kopie gekommen: Im April 2019 habe eine Person den Laptop bei einem Computerladen in Wilmington, Delaware zur Reparatur abgegeben. Der Besitzer des Ladens, der blind ist, sagt nun, er sei sich “fast sicher”, dass Hunter Biden diese Person war. Der Laptop sei allerdings nie abgeholt worden, daraufhin habe sich der Ladenbesitzer an die US-Behörden gewandt. Außerdem hat er auch Rudy Giuliani, Trumps persönlichem Anwalt, eine Kopie zukommen lassen. Der wiederum hatte sich an die “New York Post” gewandt.

Die Plausibilität der Geschichte wurde von verschiedenen Medien infrage gestellt, wobei weder “New York Times” oder “Washington Post” noch das “Wall Street Journal” die Möglichkeit hatten, das Material zu überprüfen. In einem Statement haben zahlreiche ehemalige US-Geheimdienstbeamte erklärt, die Geschichte der “New York Post” beinhalte alle klassischen Merkmale einer russischen Desinformationskampagne. Der Director of National Intelligence, John Ratcliffe, bestritt hingegen, dass es sich bei der Geschichte um eine russische Einmischung handele. Das FBI sagte dem Kongress am Mittwoch, es habe Ratcliffes Aussage zurzeit nichts hinzuzufügen. Die “New York Times” wiederum veröffentlichte einen Artikel, laut dem sich ein Redakteur der “New York Post”, der maßgeblich an der Geschichte beteiligt war, weigerte, als Autor des Textes aufgeführt zu werden. Mehrere Redaktionsmitglieder der “New York Post” hätten Zweifel geäußert, ob die Authentizität des Materials ausreichend belegt sei, und außerdem die Glaubwürdigkeit der Quellen angezweifelt. Twitter sperrte den Link zum “New York Post”-Artikel zwischenzeitlich mit der Begründung, der Artikel verletze die Privatsphäre-Richtlinien von Twitter. Zudem sei es möglich, dass das Material durch einen Hack an die “New York Post” gelangt sei und öffentlich gemacht wurde, was ebenfalls den Twitter-Richtlinien widerspräche. In der Kommunikation nach außen, warum man das Posten des Links zum “New York Post”-Artikel gesperrt hat, gab der Konzern kein gutes Bild ab.

All das lässt Alexander von Schönburg weg.

Der “Bild”-Autor erwähnt die Ungereimtheiten mit keinem Wort, nicht einmal eine kleine Bemerkung, dass es Zweifel an der Authentizität des Materials gibt, ist drin. Stattdessen stellt er die Geschichte als bombensicher dar. Und behauptet, US-amerikanische Leitmedien würden die Story, die “Joe Biden schwer belastet”, einfach “unter den Tisch kehren”. Dieser Verschwörungsmurks ist genau das: Verschwörungsmurks. Tatsächlich beschäftigten sich Medien wie die “New York Times” und die “Washington Post” ausgiebig mit dem Material, nur eben auf kritische Art und Weise.

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Schließlich wendet sich von Schönburg noch der TV-Debatte zwischen Donald Trump und Joe Biden zu, die heute Nacht stattfinden wird:

Morgen steigt die nächste TV-Debatte. Die zuständige Kommission hat kurzfristig die Themen der Debatte geändert. Wieder soll Corona im Mittelpunkt stehen. Und Rassenkonflikte.

Das Thema Außenpolitik – und damit China – ist gestrichen. Außerdem sollen diesmal die Debattierenden stumm geschaltet werden, wenn sie nicht dran sind. Um ein Chaos wie beim letzten Mal zu verhindern.

Alexander von Schönburg gibt hier, ob bewusst oder unbewusst, eine Falschinformation wieder, die von Trump und dessen Team verbreitet wurde. Tatsächlich wurden die Themen der Debatte nicht geändert. Vergangenen Freitag kündigte die unabhängige Debattenkommission die Themen an, die die Moderatorin Kristen Welker ausgewählt hatte. Außenpolitik stand nicht auf der Liste. Von einer kurzfristigen Änderung kann also nicht die Rede sein. Das Trump-Team hatte sich jedoch bei der Debattenkommission beschwert, dass das Thema Außenpolitik nicht mit auf der Liste stand, mit dem Verweis, in der letzten Debatte vor der Wahl gebe es traditionell einen Fokus auf außenpolitische Themen. Darauf stützt sich auch Trumps Behauptung, die Kommission habe die Themen “geändert”. Dabei hatten beide Seiten im Vorfeld zugestimmt, dass die Moderatorin die Themenauswahl bestimmt. Trumps Team behauptete nun, man habe sich schon Monate im Voraus auf die Themen geeinigt. Eine Behauptung, die Bidens Team wie auch die Debattenkommission zurückwies.

Zu den Mikrofonen, die bei der Debatte stummgeschaltet werden können, raunt von Schönburg ganz am Ende seines Kommentar, versehen mit einem unschuldigen Fragezeichen:

Um Themen wie Bidens Verstrickungen mit China auszublenden?

Es ist nicht nur von Schönburgs Scharfsinn, der Verschwörung wittert, Trumps Wahlkampfteam hatte diese Behauptung ebenfalls in die Welt gesetzt. Es zielt damit vermutlich auf Geschäfte Hunter Bidens mit chinesischen Firmen ab. Vielmehr als die Tatsache, dass Hunter Biden Geschäfte in China und mit chinesischen Firmen gemacht hat, gibt es da allerdings nicht. Außer eben das Material der “New York Post”. Diese zitiert aus einer E-Mail, dass Hunter Biden einen Vertrag mit einem chinesischen Geschäftsmann abgeschlossen habe, der ihm “allein für Bekanntmachungen” Millionen zahlen wolle. Ob das Material echt ist, ist, wie erwähnt, fraglich.

Von Schönburgs Geraune ist an dieser Stelle nicht mehr als unbelegtes Verschwörungsgeschwurbel: dass die unabhängige Debattenkommission Joe Biden einen Vorteil verschaffen will. In Sachen China-Verstrickungen wäre allerdings auch Donald Trumps Rolle von Interesse für die Debatte: Er selbst wie auch seine Tochter Ivanka haben während Trumps Zeit als US-Präsident Marken in China registrieren lassen. Das brachte beiden den Vorwurf ein, in Interessenskonflikte zu geraten.

Und, genau: All das lässt Alexander von Schönburg weg.

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“Bild” auf Sündenbock-Suche im Berchtesgadener Land

“Sie kriegen Ihre Schlagzeile von mir nicht”, sagte Bernhard Kern vorgestern auf einer Pressekonferenz. Dort, wo Kern Landrat ist, im Berchtesgadener Land, ist die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Anzahl der nachgewiesenen Corona-Fälle der vergangenen sieben Tage pro 100.000 Einwohner, besonders hoch. Gestern lag sie laut Robert-Koch-Institut (PDF) bei 262,4 – der höchste Wert in ganz Deutschland. Bei der Pressekonferenz sagte Kern dazu:

Ob jetzt letztlich eine Feier, die im Landkreis Berchtesgadener Land, stattgefunden hat, letztlich der Auslöser für das Ganze war, ist sicherlich nicht der Fall. Und ich habe vorher schon erwähnt, ganz zum Anfang: Wir haben ein diffuses Geschehen im Landkreis Berchtesgadener Land, daher ist es nicht zurückzuführen auf eine einzelne Feierlichkeit, die stattgefunden hat.

Seine Botschaft an die anwesenden Journalistinnen und Journalisten: Für die Schlagzeile, dass das Infektionsgeschehen im Landkreis durch eine Party ausgelöst wurde, liefert er nicht das nötige Statement, weil es aus seiner Sicht schlicht nicht stimmt.

Genauso sieht das Wolfgang Krämer, der Leiter des zuständigen Gesundheitsamtes. Er ergänzte bei der Pressekonferenz, dass die Corona-Fälle auf den gesamten Landkreis verteilt seien. Man könne daher nicht von einem oder zwei Herden ausgehen, die für den hohen Inzidenzwert ursächlich seien. Die Frage nach einer Party als Ursache habe er erwartet, so Krämer, “weil es sich schön lesen würde, wenn wir einen Schuldigen hätten, den wir irgendwo hinstellen können”.

Und damit wären wir auch schon bei der Berichterstattung der “Bild”-Redaktion. Die sucht fleißig nach einem Sündenbock:

Screenshot Bild.de - Corona-Hochburg Berchtesgadener Land - Garagen-Party schuld am Lockdown?

Und wenn schon nicht die Feiernden der “Garagen-Party” oder die einer “Molkerei-Party”, die eine “Bild TV”-Moderatorin ins Spiel bringt, dann sind doch bestimmt die Besucher einer Shishabar schuld:

Screenshot Bild.de - Bild im Berchtesgadener Land - Feierten mehr als 100 Leute in einer Shishabar?

Das würde auch viel besser zum aktuellen Versuch der “Bild”-Redaktion passen, die Schuld an den steigenden Corona-Infektionszahlen bei gewissen “Clan-Hochzeiten” zu suchen und zu finden. Getreu der Blattlinie Die Ausländer waren’s, ließ “Bild” gestern erneut einen Keil zwischen die und uns treiben:

Ausriss Bild-Zeitung - Islamismus-Experte Ahmad Mansour über Clan-Hochzeiten - Minderheit gefährdet mit ihrem Verhalten uns alle

Wir erinnern gern noch einmal an die Aussage von Gesundheitsamtsleiter Wolfgang Krämer: “weil es sich schön lesen würde, wenn wir einen Schuldigen hätten, den wir irgendwo hinstellen können”.

Mit Dank an Andreas für den Hinweis!

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Carolin Emcke ist auch müde, Deftiges Minus, Kartellklage gegen Google

1. Ich bin auch müde
(sueddeutsche.de, Carolin Emcke)
Carolin Emcke hat eine Entgegnung auf den “SZ”-Artikel über den Pianisten Igor Levit vom 16. Oktober geschrieben. In dem herausragenden Text stecken viele kluge Fragen und Gedanken. Ein Einwurf, den man gerne auch ein zweites Mal liest, weil er nicht nur den konkreten Fall, sondern Grundsätzliches berührt.

2. “Die Zeit” bleibt im Aufwind, dickes Minus für “Die Welt”
(dwdl.de, Alexander Krei)
Auch das dritte Quartal bescherte der Print-Branche deftige Minuszahlen. Besonders schwer erwischte es die Zeitungen und Zeitschriften, die ihre Auflage mit kostenlosen Bordexemplaren aufhübschen: Da der Flugverkehr coronabedingt weitgehend zusammengebrochen ist, ging auch die Verbreitung der in Flugzeugen verteilten Exemplare zurück, teilweise dramatisch. Beim “Focus” ging es von über 64.000 Heften im Sturzflug auf gerade mal 408 herunter, ein Minus von über 99 Prozent. Auch die “Bild”-Zeitung hat den Bordexemplar-Effekt zu spüren bekommen. Dort fehlten ebenfalls mehr als 60.000 Exemplare, insgesamt lag das Auflagen-Minus von “Bild” sogar bei fast 200.000, was einem Rückgang von 14 Prozent entspricht.

3. Wer, wenn nicht Google?
(spiegel.de, Max Hoppenstedt & Benjamin Bidder & Patrick Beuth & Malin Möller)
Das US-Justizministerium hat eine Kartellklage gegen den Suchmaschinenkonzern Google angestrengt. Damit könnten Alternativen zu Google interessant werden. Die 64-seitige Klageschrift nenne einige davon als Konkurrenten im US-Suchmaschinenmarkt: darunter Bing aus dem Hause Microsoft, das datenschutzfreundliche DuckDuckGo sowie die russische Suchmaschine Yandex. Der “Spiegel” ordnet Eigenschaften und Chancen der Google-Alternativen ein.

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4. Jetzt mit Arsch in der Hose
(taz.de, Steffen Grimberg)
“USA Today” ist eine der auflagenstärksten Zeitungen in den USA und hat noch nie eine Wahlempfehlung gegeben, obwohl das dort üblich sei. Doch dieses Jahr ist alles anders: “Elect Joe Biden. Reject Donald Trump”, titelte das Blatt. Endlich, findet Steffen Grimberg: “Bei den letzten Wahlen war Trump USA Today zwar auch schon reichlich suspekt. Aber zu einem klaren Bekenntnis fehlte es 2016 noch an Arsch in der Hose.”

5. Corona-Bundeshilfen für privaten Hörfunk
(blmplus.de, Lisa Priller Gebhardt)
Private Radiosender leiden in der Corona-Krise unter erheblichen Einnahmeausfällen durch entgangene Werbeeinnahmen. Von bis zu 40 Prozent Umsatzeinbußen ist zumindest in Bayern die Rede. Dort soll es nun neben Geldern aus dem Bundesprogramm Neustart Kultur auch Landeshilfen geben. Die werden wohl dringend benötigt, denn neben dem klassischen On-Air-Geschäft fallen auch Events, Spot-Produktionen für Firmenkunden sowie Konzerte als Einnahmequellen weg.

6. Zäh wie erkaltetes Kaugummi
(deutschlandfunk.de, Arno Orzessek, Audio: 4:25 Minuten)
Angesichts des bevorstehenden TV-Duells zwischen US-Präsident Donald Trump und Herausforderer Joe Biden erinnert Arno Orzessek an einige große Redeschlachten der Fernsehgeschichte. Die seien jedoch alle nichts gegen Trump: “Dass man ihm im zweiten TV-Duell mit Joe Biden das Maul per Stummschaltung stopfen will, zeugt von jener tiefen Verzweiflung, die Donalds Schwester Maryanne Trump Barry in unvergängliche Worte gekleidet hat: ‘Das Ändern der Geschichten. Die fehlende Vorbereitung. Das Lügen. Heilige Scheisse.'”