In Nordrhein-Westfalen sucht das Landeskriminalamt (LKA) nach neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern:
Das LKA braucht die Unterstützung dringend, erklärt der Leiter der Zentralen Auswertungs- und Sammelstelle Kinderpornografie Sven Schneider bei Bild.de:
“Die Datenleitungen und Speichermedien werden immer größer, Cloud-Systeme können allerorts genutzt werden. Und somit existieren auch immer mehr Datenmengen im kinderpornografischen Bereich. Wir reden allein in diesem Phänomenbereich von Mengen im Petabyte-Bereich”, so Schneider weiter.
Nun wissen die meisten Menschen, die sich eher im Mega-, Giga- oder vielleicht noch Terabyte-Bereich bewegen, vermutlich nicht, wie viel genau ein Petabyte ist. Also, Bild.de?
Ein Petabyte sind unfassbare 125 000 Gigabyte
Ja, “unfassbar”, aber nee.
Ein Petabyte sind, je nachdem, ob man Dezimalpräfix oder Binärpräfix anwendet, 1.000.000 Gigabyte oder 1.048.576 Gibibyte (wobei es sich dann auch nicht um ein Petabyte handelt, sondern um ein Pebibyte).
Dass Bild.de bei etwas Unglaublichem mal untertreibt, kommt auch nicht häufig vor.
Mit Dank an L. für den Hinweis!
Nachtrag, 23:56 Uhr: Bei Bild.de steht jetzt an der entscheidenden Stelle:
Ein Petabyte sind unfassbare 1000 000 Gigabyte
Einen Hinweis darauf, dass da mal etwas anderes stand, gibt es nicht.
Auf der Wikipedia-Seite zu “Bild am Sonntag” gibt es in der Regel kaum Änderungen. Im Januar wurde mal ein bisschen was ergänzt, davor im September 2018, davor im April und im Februar desselben Jahres. Also: alles recht ruhig. Aber vorgestern — da ging’s los. Ein Wikipedia-Benutzer mit dem Namen “Verlagsleitung BILD Gruppe” fing an, den “BamS”-Eintrag zu überarbeiten, oder genauer: kritische Stellen abzuschwächen oder komplett zu löschen und positive PR-Passagen hinzuzufügen.
Die Bild am Sonntag (kurz: BamS) ist mit einer Auflage von 741.159 Exemplaren die reichweitenstärkste Sonntagszeitung Deutschlands. Sie ist die meist zitierte Sonntagszeitung und gehört mit Platz3 überhaupt zu den meist zitierten Medien Deutschlands.
Die Bild am Sonntag gehört zur BILD-Gruppe der Axel Springer SE. Die Axel Springer SE ist eines der größten multimedialen Verlagshäuser mit Hauptsitz in Berlin.
… und löschte diesen:
Die BamS ist familienfreundlicher konzipiert als die von Montag bis Samstag erscheinende “Bild”. Sie erscheint außerdem im kleineren Zeitungsformat “Nordisches Tabloid”.
Mit dem Kommentar “Abschnitt ergänzt, zuvor kein gesonderter Abschnitt zu Inhalt und Stil vorhanden” fügte “Verlagsleitung BILD Gruppe” dann dieses Marketinggeschwurbel ein:
Ziel der “Bild am Sonntag” ist es, bereits am Sonntag die Themen zu setzen, über die Deutschland in der Woche spricht. Unter dem Claim “Deutschland am Sonntag — Bild am Sonntag” möchte die Zeitung ein entspanntes Sonntagsgefühl bei ihren Lesern vermitteln. Dabei beinhaltet sie einen Mix aus aktuellen, politischen und unterhaltenden Themen. Diese spiegelt die Redaktion häufig aus persönlichen Perspektiven wider, um dem Leser eine hohe Identifikationsmöglichkeit zu bieten.
Und:
Darüber hinaus hat die Bild am Sonntag Deutschlands größten Sportteil, welcher sich als eigene Sportzeitung in der Mitte zum Herausnehmen befindet.
Außerdem kamen noch Angaben zum Verkaufspreis der “Bild am Sonntag” hinzu und Informationen, wo man die Zeitung so kaufen könne. Am Montagnachmittag gab es dann auch den ersten Versuch, die “BamS”-Auflagenentwicklung ein bisschen aufzuhübschen. “Verlagsleitung BILD Gruppe” löschte diese Grafik:
Der Bearbeitungskommentar dazu:
Die Basis, anhand welcher sich die Auflagenzahl bemisst, wurde in der Vergangenheit mehrfach geändert, daher macht ein Vergleich/ Diagramm wenig Sinn; zudem müssen diese Angaben kontinuierlich aktualisiert werden, weshalb ein Verweis auf IVW, wo aktuelle Auflagenzahlen, auch im Vergleich zu anderen Zeitungen abgerufen werden können, sinnvoller ist als Diagramme oder Ähnliches
Im selben Schritt machte der Benutzer aus …
Die Bild am Sonntag gehört ebenso wie die Bild-Zeitung zu den deutschen Zeitungen mit den größten Auflagenverlusten der vergangenen Jahre.
… das hier:
Die Auflagen-Entwicklung der Bild am Sonntag verhält sich analog zum strukturellen Rückgang von Print-Medien.
Und das ist nicht nur Augenwischerei, sondern schlicht falsch. Die Auflage der “Bild am Sonntag” verhält sich nicht “analog zum strukturellen Rückgang von Print-Medien.” Der Auflagenverlust des Blattes ist viel dramatischer als der aller anderen Wochen- und Sonntagszeitungen (und auch aller überregionalen Tageszeitungen).
Andere Wikipedia-Benutzer intervenierten immer wieder und machten viele Änderungen rückgängig, etwa das Löschen der Auflagen-Grafik. Sie wiesen auch darauf hin, dass die Beiträge zu werblich seien:
Sie sind bereits einmal aufgefordert worden, Marketing- und Werbeeinträge zu vermeiden. Ich weise ausdrücklich noch einmal darauf hin, leider aus gegebenem Anlass. Wikipedia ist ausdrücklich keine Basis für verkaufsfördernde Maßnahmen, sondern ein Enzyklopädie-Projekt.
Das hielt “Verlagsleitung BILD Gruppe” aber nicht davon ab, die Änderungen erneut einzubringen — zum Beispiel jene mit dem herausnehmbaren Sportteil und dem “BamS”-Claim und der Bereits-am-Sonntag-die-Themen-setzen-PR.
Am Dienstagmorgen folgte der nächste Versuch, die wenig schmeichelhafte Auflagen-Grafik aus dem Wikipedia-Eintrag zu tilgen und den Quatsch mit “analog zum strukturellen Rückgang” unterzubringen. Der Bearbeitungskommentar dazu: “Aktualisierung von Angaben”. Eine Minute später wollte “Verlagsleitung BILD Gruppe” mit dem Hinweis “unpassende Angabe” das Kapitel “Kritik” komplett löschen und mit ihm den Verweis auf die von “Bild am Sonntag” ausgelöste “Medienkontroverse” um Peter Lustig.
Dann sollten noch “Auszeichnungen” hinzugefügt werden, woraufhin erstmal eine sechsstündige Sperre des Accounts folgte (Begründung: “kurze Pause zum Lesen der Hinweise auf der Diskussionsseite und den dort verlinkten Hilfeseiten”). Nach Freischaltung fügte “Verlagsleitung BILD Gruppe” gestern Nachmittag weitere Auszeichnungen sowie Links zur “BamS”-Facebookseite und zu einem Lesershop hinzu. Anschließend gab es eine Sperre für eine Woche, da der Benutzer sein Konto trotz Aufforderung nicht verifiziert hatte.
So peinlich das alles sein mag — die Aktion war durchaus erfolgreich: Die Auflagen-Grafik ist aus dem Wikipedia-Eintrag verschwunden und die falsche Aussage, die “BamS”-Auflagenentwicklung verhalte sich “analog zum strukturellen Rückgang von Print-Medien”, nun drin. Das Kapitel “Kritik” heißt inzwischen “Weblinks”. Und die Auszeichnungen werden (in einer deutlich abgespeckten Version) erwähnt.
Wir haben bei “Bild”-Sprecher Christian Senft nachgefragt, ob der Wikipedia-Benutzer “Verlagsleitung BILD Gruppe” zum Axel-Springer-Verlag gehört und ob es gängige Praxis dort ist, Wikipedia-Artikel mit PR-Botschaften aufzupeppen. Bisher haben wir keine Antwort von ihm erhalten.
Auf eine der Fragen scheint es aber inzwischen eine Antwort zu geben. Auf der Benutzerseite von “Verlagsleitung BILD Gruppe” steht inzwischen:
Dieses Benutzerkonto wurde gegenüber dem Support-Team mit einer E-Mail-Adresse von axelspringer.de verifiziert.
Damit ist der Account wieder freigeschaltet. Sie können jetzt also weitermachen.
Nachtrag, 14:03 Uhr: Nach Veröffentlichung dieses Beitrags wurden einige Änderungen auf der “BamS”-Wikipedia-Seite rückgängig gemacht. Zum Beispiel ist die Auflagen-Grafik nun wieder da. Momentan gibt es offenbar einen sogenannten Edit-War.
Nachtrag, 16:23 Uhr: “Bild”-Sprecher Christian Senft hat es bisher leider immer noch nicht geschafft, uns auf unsere zwei Fragen zu antworten. Dafür hat aber die Springer-Pressestelle dem Branchendienst “turi2” zu der Sache geschrieben:
Wir wissen, dass Wikipedia für viele eine bedeutende Quelle der Recherche ist. Daher ist es wichtig, dass die Fakten korrekt und aktuell sind. Dies war bei vielen Einträgen für “Bild am Sonntag” nicht mehr der Fall, weshalb wir diese für alle transparent und begründet geändert haben. Alle Anpassungen erfolgten mit klarer Absenderschaft, niemand hat versucht, wie von BildBlog behauptet, etwas “werblich unterzuschummeln”. Es gehört zu Wikipedia, dass diese Einträge oder bestimmte Formulierungen durch andere Nutzer anders bewertet und eingeordnet werden können.
Interessant finden wir das wörtliche Zitat “werblich unterzuschummeln”, dass uns die Springer-Pressestelle zuschreibt. Wir haben zwar von aufhübschen und aufpeppen gesprochen. Die Worte “werblich unterzuschummeln” haben wir hingegen an keiner Stelle benutzt.
Nachtrag, 17. Juni: Auf Nachfrage des Medienmagazins “Zapp” (ab Minute 2:05) ist der Springer-Pressestelle noch eine lustige Begründung eingefallen, warum das Kapitel “Kritik” von “Verlagsleitung BILD Gruppe” gelöscht wurde:
Das Kapitel wurde nur vorübergehend gelöscht, um es als Ganzes aktualisiert zu ergänzen.
Das Hochladen des aktualisierten Artikels habe dann blöderweise wegen der zwischenzeitlichen Sperre nicht mehr funktioniert.
1. Betrug, Eitelkeit, Versagen (taz.de, Horand Knaup & Hartmut Palmer)
Horand Knaup und Hartmut Palmer haben fast zwei Jahrzehnte für den “Spiegel” gearbeitet und waren daher besonders auf den Abschlussbericht zum Fall Relotius gespannt, der für sie eher ein Fall “Spiegel” war. In ihrem äußerst lesenswerten Beitrag wird klar, dass es sich um einen Einzelfall handelt, aber einen Einzelfall mit System: “Gewiss: Claas Relotius war Einzeltäter, er hat gefälscht und betrogen, und das gezielt und kunstvoll. Daran besteht kein Zweifel. Ermöglicht habe ihm dies allerdings ein Umfeld, das ihn geradezu ermunterte, Geschichten zu erfinden und Fakten zu fälschen: Ressortleiter, die ihn anstachelten, Chefredakteure, die sich mit den Preisen schmückten; ein Dokumentar, der nicht pingelig genug prüfte; Juroren von Journalistenpreisen, die sich von der literarischen Wucht der Texte blenden ließen. Dass in diesem Wettlauf der Eitelkeiten die Kontrollinstanzen des Magazins versagten, ist nicht verwunderlich. Im System Spiegel wurden Reporter zu Sonnenkönigen, denen man vieles, zu vieles durchgehen ließ.”
Weiterer Lesetipp: Auch Willi Winkler glaubt in seinem Beitrag für die “SZ” an ein systemisches Versagen: “Relotius hat so gedichtet, wie es das Spiegel-Statut von Anfang an vorsah und wie es unter den Chefredakteuren Aust, Büchner und Brinkbäumer mit Blick aufs schwindende Publikum noch forciert wurde. Die reumütig vorgetragenen Zweifel an der “schön geschriebenen” Reportage kommen daher ein bisschen spät”. Die “SZ” hat außerdem bei Journalistenschulen nachgefragt, welche Werte dort gelehrt werden und wie die Ausbildungseinrichtungen auf die neuesten Entwicklungen reagieren: “Für Starreporter ist da wenig Platz”.
2. Zur Löschung vorgeschlagen (journalist-magazin.de, Matthias Holland-Letz)
Matthias Holland-Letz wollte wissen, wie journalistisch es auf Wikipedia zugeht und hat dort zwei Monate mitgeschrieben. Immer wieder musste sich Holland-Letz damit abfinden, dass Einträge von ihm kommentarlos gelöscht wurden. Seine unterhaltsam geschriebene Reportage eines Selbstversuchs ist auch eine Beschreibung strukturellen Versagens der Online-Enzyklopädie.
3. Die Unterschätzung des digitalen Raums durch Politik und Medien (indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
“Diese Wahl wurde maßgeblich durch das Internet im Ausgang beeinflusst und wir mussten erkennen, dass sowohl der weiteste Teil der Politik als auch klassische Medien auch im Jahr 2019 den digitalen Raum drastisch unterschätzen.” Thomas Knüwer arbeitet in einem längeren Lesestück das peinliche Versagen der Politik im digitalen Raum, ihren Umgang mit der jungen Generation und das aktuelle Wahldebakel mancher Parteien auf.
4. Anders denken als die CDU (dirkvongehlen.de)
Dirk von Gehlen kommentiert die verstörenden Einlassungen Annegret Kramp-Karrenbauers über eine Begrenzung der Meinungsäußerung: “Kramp-Karrenbauers Worte schaden aber nicht nur dem Image der Union. Sie schüren den Verdacht, dass es hier jemand nicht ernst meint mit den Grundrechten. Das darf nicht passieren, diesen Verdacht muss sie bald möglichst und sehr viel deutlicher als bisher ausräumen. Denn wenn die Frau, die Bundeskanzlerin werden will, tatsächlich das grundlegende Recht auf freie Meinungsäußerung diskutieren will, wenn ein paar junge Menschen davon Gebrauch machen, möchte man sich nicht ausmalen, wie sie reagiert, wenn mehr auf dem Spiel steht als ein paar Prozentpunkte für die CDU.”
Weiterer Lese- beziehungsweise Hörtipp: Das “Deutschlandfunk”-Gespräch mit dem CDU-Digitalpolitiker Tankred Schipanski, der die Äußerungen Kramp-Karrenbauers verteidigt. Tankred Schipanski hat sich auch hier und hier auf Twitter geäußert und hat dafür viel Kopfschütteln geerntet.
Und zum Schluss: Die Redaktion von “quer” hat sich ausgemalt, wie der neue Artikel 5 GG nach einer AKK-Intervention aussehen könnte (“Wladimir, Recep Tayyip und Kim gefällt das”).
5. Redaktionsgeheimnis in Gefahr (reporter-ohne-grenzen.de)
Wenn es nach den Plänen des Bundesinnenministeriums geht, sollen deutsche Inlands- und Auslandsgeheimdienste Server, Computer und Smartphones von Verlagen, Rundfunksendern sowie freiberuflichen Journalistinnen und Journalisten bald schon hacken dürfen. Damit fiele, so Reporter ohne Grenzen, eine der Säulen der Pressefreiheit: das Redaktionsgeheimnis.
6. @rezomusik schreibt noch, dass er auch Morddrohungen bekommt… (twitter.com/intr4venous)
Vor ein paar Tagen schrieb der durch sein Video (“Die Zerstörung der CDU”) berühmt gewordene Rezo: “Hätten wir Klarnamen-Pflicht im Internet, hätte ich nun schon ein paar Steine durchs Fenster geworfen bekommen und nach dem was man mir so androht, wären ich und meine Familie tot.” Ein Medium war davon gänzlich unbeeindruckt …
Weiterer Lesetipp: Doxing (wikipedia.de).