Archiv für August 20th, 2018

Von “Bild” vermittelter Eindruck vom “Bamf-Skandal” “täuscht offenbar”

Der Bamf-Skandal hat Deutschland wochenlang in Atem gehalten: Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wird gepfuscht, vielen Flüchtlingen wird der Schutzstatus in Deutschland gewährt, obwohl er ihnen nicht zusteht? So lauteten die Schlagzeilen.

Jetzt stellt sich heraus: Dieser Eindruck täuscht offenbar

Das schreibt Bild.de heute:

Screenshot Bild.de - Nur wenige Flüchtlinge haben Bleiberecht erschlichen - Wende im Bamf-Skandal

Die Redaktion bezieht sich dabei auf einen Artikel der “Süddeutschen Zeitung”, die berichtet, dass von den etwa 43.000 abgeschlossenen Prüfverfahren im ersten Halbjahr 2018 lediglich 307 dazu führten, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) “den Geflüchteten den bereits gewährten Schutzstatus wieder entzog.” Also: Nur in 0,7 Prozent der untersuchten Fälle musste das Bamf eine positive Entscheidung revidieren. Bei den anderen 99,3 Prozent war der positive Bescheid korrekt.

Dass der “Bamf-Skandal” Deutschland “wochenlang in Atem gehalten” habe, wie Bild.de es heute schreibt, ist eine interessante Zusammenfassung. Eigentlich müsste es heißen: Die Angelegenheit hat Teile Deutschlands wochenlang wutschnaubend von Behördenversagen, unfassbarem Betrug und mafiösen Strukturen beim Bamf schreien lassen — alles, ohne Prüfungen wie die nun abgeschlossene abzuwarten. Ganz vorn dabei bei dieser Empörung: die “Bild”-Medien.

Heinz Buschkowsky, der frühere Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, durfte in “Bild” und bei Bild.de beispielsweise davon schwadronieren, dass es sich bei den Bamf-Missständen um “organisierte Kriminalität” handele. Die “Bild”-Chefreporter Peter Tiede und Hans-Jörg Vehlewald fragten in “Bild”: “Leben wir eigentlich in einer BAMFNANEN-Republik?” Und dann gab es noch, neben vielen weiteren Artikeln, diese “Bild”-Titelgeschichte:

Ausriss Bild-Zeitung -Seit 2000 - Asyl-Behörde ließ 46 Islamisten ins Land!

Im Blatt klang das alles ähnlich beunruhigend:

Ausriss Bild-Zeitung -Asylbehörde Bamf ließ 46 Islamisten ins Land! Ein Ermittler zu Bild: Die Liste wird noch länger werden

Oben bedrohliche ISIS-Kämpfer, unten die düstere Prophezeiung, dazu die Schlagzeile auf Seite 1 mit Ausrufezeichen. Und im Text:

Im dramatischen Asyl-Chaos in der Bremer BAMF-Außenstelle kommt nun auch noch heraus: Seit dem Jahr 2000 haben in der Skandal-Behörde mindestens 115 “nachrichtendienstlich relevante Personen” einen Schutzstatus in Deutschland erhalten!

Darunter sollen auch 46 Islamisten sein, bei denen nicht ausgeschlossen werden könne, dass es sich um “terroristische Gefährder” handele.

Jaja, das kann “nicht ausgeschlossen werden” — wenn man im Sinne einer knalligen und verkaufsträchtigen Titelgeschichte die Prüfung des Verfassungsschutzes nicht abwarten möchte. Dort hat man nämlich 18.000 Personen, die von der Bremer Bamf-Außenstelle seit dem Jahr 2000 Asyl erteilt bekommen haben, überprüft. Ergebnis: ein Gefährder, wie das WDR-Magazin “Monitor” berichtet.

Tatsächlich tauche in einer Antwort des Bundesinnenministeriums auch die Zahl 46 auf. Allerdings handele es sich dabei um sogenannte “Kontakt- und Umfeldpersonen”, die bei der Prüfung aufgefallen seien. Das können auch völlig unbescholtene Geschwister, Eltern, Geschäftspartner, sogar Nachbarn sein.

Sächsische Pressefreiheit, “Bilds” Asyl-Irrsinn, Stirb langsam, Philipp!

1. Am Rande einer Demonstration: Polizei nimmt Personalien von Journalisten auf
(flurfunk-dresden.de)
Ein Team der ZDF-Sendung “Frontal 21” ist am Rande des Besuches von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Dresden von der Polizei bei der Arbeit aufgehalten worden. Arndt Ginzel, einer der betroffenen Journalisten, schildert bei Facebook den Vorgang (inklusive Video) so: “Eigentlich wollten wir für #ZDF Frontal21 nur am Rande des Besuchs der Kanzlerin in Dresden drehen. Doch dann fühlten sich einige Pegida-AfD-Anhänger von unseren Dreharbeiten gestört und forderten die Polizei auf, einzuschreiten. Die sächsischen Beamten kamen dem nach und plötzlich befanden wir uns in einer polizeilichen Maßnahme. Etwa 45 min dauerte das Ganze. Polizeibeamte machen sich zur Exekutive der Pegida-Bewegung. Zeitungsjournalisten aus Dresden berichten von ähnlichen Vorfällen.”
Weitere Lesetipps: Bei der “Frankfurter Rundschau” kommentiert Katja Thorwarth: “Tatsächlich scheinen Teile der sächsischen Polizei vom Pegida-Geist schon so weit durchdrungen, dass sie sich zu Helfern der rechten Pöbler machen und das geltende Recht zu Ungunsten des Rechtsstaates auslegen.”
Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) meinte in einer Stellungnahme auf Twitter, die Polizisten seien “die einzigen Personen”, die “seriös aufgetreten” seien. Dies wiederum kommentiert der Jurist Thomas Stadler in seinem Blog: “Man fragt sich unweigerlich, welches Maß an rechtsstaatliche Gesinnung wohl erforderlich oder auch hinderlich ist, um in Sachsen das Amt des Ministerpräsidenten bekleiden zu können. Wenn die Feinde der Grundrechte jetzt schon Ministerpräsident eines Bundeslandes sein können und auch keine Scheu mehr empfinden, diese Haltung öffentlich kund zu tun, dann ist in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat eine Grenze überschritten. Und zwar deutlich.”

2. “Asyl” nicht mehr ohne “Irrsinn” denken
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Viel Geld und Reichweite habe “Bild” ihre “menschliche, empathische Haltung in der Flüchtlingskrise” nach Angaben von “Bild”-Chef Julian Reichelt gekostet. Sowohl das Geld als auch die Reichweite will man sich wohl gut verzinst zurückholen: Sei geraumer Zeit stehen Flüchtlinge unter Generalverdacht und kommen fast nur noch als Betrüger, Verbrecher und Terroristen im Blatt vor. Stefan Niggemeiers Analyse über den Kurs von Chefredakteur Reichelt ist jetzt auch für Nicht-Abonnenten frei lesbar.

3. Der Tötungsfall in Offenburg
(blog.tagesschau.de, Kai Gniffke)
Ein somalischer Asylbewerber hat offenbar in Offenburg einen 51-jährigen Hausarzt aus ungeklärten Motiven mit einem Messer erstochen. In der “Tagesschau” kam die tödliche Messerattacke nicht vor. Im hauseigenen Blog erklärt Chefredakteur Kai Gniffke, warum man den Fall nicht in die Sendung gehoben hat: Man könne nicht über jeden Mordfall berichten. Anders liege der Fall, wenn Asylbewerber überproportional an Tötungsdelikten beteiligt wären. “Das ist, soweit wir es recherchieren können, nicht der Fall. Deshalb haben wir uns gegen die Berichterstattung entschieden.”

4. Keine AfD-Kritik unter wir-sind-afd.de
(lto.de, Pia Lorenz)
Der Blogger Nathan Mattes hat die Website wir-sind-afd.de aufgesetzt, auf der er allerlei Zitate von AfD-Politikern zusammenträgt. Der AfD gefällt das gar nicht, sie ist deshalb gegen den Blogger vor Gericht gezogen. Nun sieht es so aus, als ob die Partei auch in zweiter Instanz Erfolg haben wird. Doch aufgeben will Initiator Mattes nicht, auch weil seine juristische Kriegskasse dank vieler Spenden gut gefüllt ist.

5. Facebook sperrt Lamya Kaddor, weil sie eine Hassmail zitiert
(t-online.de, Lars Wienand)
Facebook hat die “T-Online”-Kolumnistin Lamya Kaddor gesperrt, weil sie aus einer Hassmail zitiert hat. Obwohl klar erkennbar gewesen sei, dass es sich um ein Zitat handelte, folgte sogar noch eine zweite Sperre. Chefredakteur Florian Harms kommentiert auf Twitter: “Facebook⁩, das ist eine Farce! Ihr habt euren Laden nicht im Griff.”

6. Stirb langsam
(facebook.com/topfvollgold)
“Stirb langsam” hat bei “die aktuelle” mittlerweile acht Folgen. Statt Bruce Willis in der Hauptrolle: Prince Philip, Duke of Edinburgh und Prinzgemahl der britischen Königin Elisabeth II.