1. “Schleichwerbung im Netz” (zdf.de, Video, 10:08 Minuten)
Marius Brüning, Andreas Halbach und Heiko Rahms setzen sich kritisch mit Schleichwerbung im Netz, insbesondere auf Instagram, auseinander.
2. “Die Parasiten vom Dienst” (newsroom.de, Markus Wiegand)
Für Markus Wiegand ist es an der Zeit, “härter zu werden und PR und Produktwerbung konsequenter aus den redaktionellen Inhalten rauszuhalten. Die Leser werden es danken – und das Anzeigengeschäft könnte es außerdem ankurbeln.”
3. “‘Die große Meinungsvielfalt in der deutschen Presse ist Geschichte'” (heise.de/tp, Marcus Klöckner)
Ein Interview mit Politikwissenschaftler Thomas Meyer: “Wenn Medienkritik so angebracht wird, wie es beispielsweise Leute von Pegida tun, dann ist es sehr einfach für die kritisierten Medien und Journalisten, die Kritik als substanzlos, da zu schrill, zu laut und zu unsachlich abzutun. Die fundierte Medienkritik, die zwischen all den lauten Tönen auch zu finden ist und die, so meine ich, durchaus auch ihre Schärfe hat, wird dann einfach übergangen.”
4. “Fernsehgelder: Wie wir alle das System Blatter finanzieren” (spiegel.de, Stefan Kaiser und Anna van Hove)
“Mit 43 Prozent machen die Erträge aus den Fernsehrechten beinahe die Hälfte der Gesamteinnahmen des Weltverbandes aus”, schreibt Stefan Kaiser zu den Einnahmen des Weltfußballverbands FIFA: “Die gewaltig gestiegenen Preise werden auch für ARD und ZDF zunehmend zu Belastungen. Für die WM 1998 zahlten sie gerade mal gut 20 Millionen Mark, mittlerweile müssen sie etwa das 20-fache davon auf den Tisch legen. Allein die fünf WM-Turniere von 2006 bis 2022 kosten die beiden Staatssender rund eine Milliarde Euro. Die Sender selbst wollen die Zahlen weder bestätigen noch dementieren. Sie dürfen keine Details veröffentlichen. Die Fifa verlangt von ihren Vertragspartnern Stillschweigen über die gezahlten Summen.”
5. “Alle Aufregung ist groß, aber welche ist am größten?” (svenjagraefen.de)
Svenja Gräfen über die Kontroverse zur Ingeborg-Bachmann-Preis-Nominierung von Ronja von Rönne: “Wenn Rönne solche Texte schreibt und dies nicht ganz blauäugig tut, dann muss sie (und müssen ihre Unterstützer_innen ebenso) mit den Konsequenzen, die zu Recht auch Kritik beinhalten können, umgehen können. Dieses ‘Sie ist doch so jung und probiert sich noch aus’-Ding nervt nicht nur, es ist überflüssig. Sie ist jung, ja. Aber sie probiert sich eben nicht aus, sie schreibt für ein riesengroßes Medium, Punkt.”
Der “Bild”-Zeitung fällt es schwer zu akzeptieren, dass auch Verbrecher Rechte haben. Vor allem das Recht auf informationelle Selbstbestimmung spricht sie ihnen regelmäßig ab. Der Presserat rügt diese Praxis immer wieder, was die Leute von “Bild” wiederum gerne mal zum Anlass nehmen, ihre Leser gegen den Presserat und diesen Täterschutzquatsch zumobilisieren.
Das alles ist nicht neu. Neu ist, dass die “Bild”-Macher in ihrem Kampf für das Zurschaustellendürfen von Tätern sogar die Eltern eines Mordopfers instrumentalisieren.
Im März 2014 ist im Norden Deutschlands eine junge Frau von einem 16-Jährigen getötet worden. Er wurde inzwischen wegen Mordes verurteilt. Die „Bild“-Medien berichteten damals unter anderem so über den Fall:
(Das große Foto zeigt den 16-Jährigen mit schwarzem Alibi-Augenbalken, ein Foto zeigt die Freunde des Opfers beim Trauern, eins das – unverpixelte – Opfer; drei weitere sind Screenshots aus Videos, auf denen Frauen zum Schein erwürgt werden.)
Und so:
„Bild“ veröffentlichte den Vornamen, den abgekürzten Nachnamen, den Wohnort und andere persönliche Details des Täters, zeigte ein Foto seines Elternhauses und druckte in der Hamburger Ausgabe ein unverpixeltes Portraitfoto von ihm.
Vor drei Monaten beschäftigte sich dann der Beschwerdeausschuss des Presserats mit der Berichterstattung und sprach eine öffentliche Rüge gegen „Bild“ aus. In der Begründung heißt es, das Blatt habe gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit) verstoßen, denn:
Der Artikel berichtet über das abgeschlossene Strafverfahren und die erwiesene Schuld des Täters. Die schutzbedürftigen Interessen des Betroffenen sind jedoch durch die identifizierende Berichterstattung verletzt. Gemäß Richtlinie 8.3 des Pressekodex dürfen insbesondere in der Berichterstattung über Straftaten und Unglücksfälle Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in der Regel nicht identifizierbar sein. Ein Fall, der eine Ausnahme rechtfertigen würde, liegt nach Auffassung des Ausschusses nicht vor. Bei der Tat handelt es sich zwar um eine schwere, nicht jedoch um eine außergewöhnlich schwere und in ihre Art und Dimension besondere Straftat gemäß Richtlinie 8.1 Abs. 2 des Presskodex.
Normalerweise versteckt “Bild” solche Rügen irgendwo klein im Blatt, in diesem Fall haben sie der Sache aber fast eine komplette Seite gewidmet. Und zwar so:
(Unkenntlichmachung von uns.)
Im Artikel fasst „Bild“ die Entscheidung des Presserats folgerndermaßen zusammen:
Ausgerechnet das Foto des MÖRDERS hätte nicht gezeigt werden dürfen, urteilt das Gremium. Die unglaubliche Begründung: Der Mordfall [L.] sei dafür einfach nicht besonders genug …
Dabei hätte das Gremium sehr wahrscheinlich auch das Fotos des OPFERS beanstandet, wenn dazu eine Beschwerde eingegangen wäre (was allerdings nicht passiert ist).
Aus der Begründung des Presserats gibt das Blatt nur einen einzigen (unvollständigen) Satz wieder:
Wörtlich schreibt der Presserat: „Bei der Tat handelt es sich zwar um eine schwere, nicht jedoch um eine außergewöhnlich schwere und in ihrer Art und Dimension besondere Straftat …“
Dass bei der Entscheidung aber — vor allem — die Minderjährigkeit des Täters eine Rolle gespielt hat, wird erst am Ende des vorletzten Absatzes erwähnt:
Zwei Mal schreibt BILD mit der Bitte um Erläuterung an den Presserat: Wie außergewöhnlich schwer und besonders muss ein Täter sein Opfer umbringen, dass der Presserat eine entsprechende Berichterstattung für zulässig hält? Und wie soll BILD den Eltern der toten [L.] die unglaubliche Begründung des Presserats erklären? Drei Wochen hört BILD nichts. Gestern Abend dann ein Fax. Die Vorsitzende des Beschwerde-Ausschusses verteidigt die Rüge: „Aus Sicht des Ausschusses war die Tat, so scheußlich sie war, nicht derart monströs, dass dahinter alle anderen Erwägungen, insbesondere des Jugendschutzes, zurückzutreten haben.“ Dass der Mörder erst 16 Jahre alt war, spreche gegen eine identifizierende Berichterstattung.
Bis dahin hat der empörte „Bild“-Leser aber sicher gar nicht mehr gelesen, denn es gab ja viel Wichtigeres zu tun:
Den Kasten hat “Bild” groß unter den Artikel gedruckt. Auch online werden die Leser heute dazu aufgerufen:
Inzwischen hat der Presserat eine Stellungnahme zu der „Bild“-Kampagne veröffentlicht. Darin wird noch einmal betont, dass das Alter des Täters „eine wichtige Grundlage der Entscheidung“ gewesen sei.
Weiter schreibt der Presserat, …
dass es bei Straftaten zwar in der Tat Kriterien gibt, die in Einzelfällen dafür sprechen können, dass identifizierende Berichterstattung ethisch vertretbar sein kann. Eines dieser Kriterien ist gemäß Richtlinie 8.1, dass es sich um eine außergewöhnlich schwere oder in ihrer Art und Dimension besondere Straftat handeln muss. Mord ist stets eine schwere Straftat, darüber gibt es keinen Zweifel. Jedoch rechtfertigt auch Mord nicht in jedem Fall die identifizierende Berichterstattung.
Mit Blick auf die in Frage stehende Tat ist der Presserat zu dem Ergebnis gekommen, dass diese, so verachtenswert, wie sie ist, die Identifikation des Täters für ein großes Publikum nicht ethisch rechtfertigt, da andere Kriterien der Ziffer 8 des Pressekodex dafür sprechen, dass er hätte anonymisiert werden müssen. Vor allem die Tatsache, dass der Täter erst 16 Jahre alt war, also deutlich noch ein Jugendlicher, sprach nach Ansicht des Ausschusses erheblich gegen eine identifizierende Berichterstattung.
Auch der Medienrechtler Dominik Höch betont auf BILDblog-Anfrage, dass das Alter des Täters eine entscheidende Rolle spiele:
Bei dem Täter handelt es sich um einen 16-Jährigen. Das heißt, dass in dem Fall ohne Wenn und Aber das Jugendstrafrecht gilt, die Verhandlung ist also nicht öffentlich. Da muss man die Frage stellen, warum die “Bild”-Zeitung das Recht haben soll, dieses Foto einem Millionenpublikum zu präsentieren, während der Lokalreporter vor Ort das nicht darf und selbst der Nachbar vom Prozess ausgeschlossen wird. Rechtlich ist das also ganz klar geregelt.
Darüber hinaus, so Höch, sei es „eine perfide Boulevardmethode“, die Leser in dieser Weise gegen den Presserat zu mobilisieren:
Am Ende der Leitung sitzt dann vermutlich eine Sekretärin, die sich den ganzen Tag von Anrufern beschimpfen lassen muss. Auf dieser Ebene sollte man Kritik am Presserat nicht spielen.
Jeder habe das Recht, öffentliche Entscheidungen wie die des Presserats zu kritisieren. Es gehe aber um das Wie. Und da habe die „Bild“-Zeitung heute „klar die Grenze des guten Geschmacks überschritten.”
Interessant ist übrigens der Zeitpunkt der Kampagne. „Bild“ hat sich genau den Tag ausgesucht, an dem der Presserat die Beratungen zur Berichterstattung überden Germanwings-Absturz begonnen hat.
Angesichts der laufenden Sitzung konnte uns der Presserat heute auch noch nicht genau sagen, wie viele Anrufe und Mails bereits bei ihm eingegangen sind. Nur soviel: Es seien „viele“.
Darunter aber nicht nur keifende „Bild“-Fans, wie wir unserem Posteingang (wir wurden in cc gesetzt) entnehmen durften:
Hiermit möchte ich Ihnen meine Meinung sagen: Vielen Dank!
Danke, dass Sie die Bild für die unangemessenen und Persönlichkeitsrechte verletzenden Artikel gerügt haben. Falls Sie nun viele Anrufe und Mails mit wütendem Protest im Sinne Diekmanns Wunsch erhalten, so möchte ich Ihnen schreiben, dass es viele Bürger gibt, die diese Rüge richtig verstehen und Sie die wütenden, Betroffenheit heuchelnden (Bild)Leser nicht ernst zu nehmen brauchen.
Mit Dank an die vielen, vielen Hinweisgeber!
Nachtrag, 3. Juni: Heute geht’s weiter:
„Bild“ präsentiert einige der „entsetzten“ Reaktionen auf die „schwer nachvollziehbare Entscheidung“:
Und, klar:
Und schließlich würfelt “Bild” die Aussagen des Presserats nochmal komplett durcheinander:
Der Presserat entschied: BILD hätte das Täter-Foto nicht zeigen dürfen. Begründung: Da der Killer zur Tatzeit erst 16 war, sei der Mord nicht „außergewöhnlich schwer“ und „monströs“ genug. Der Jugendschutz überwiege …
Einer der großen Vorteile der Sozialen Netzwerke ist, dass Fußballprofis den Quatschgeschichten der “Bild”-Zeitung direkt widersprechen können.
Heute musste BVB-Torwart Roman Weidenfeller bei Facebook aktiv werden, nachdem die “Bild”-Ruhrgebietsausgabe getitelt hatte:
Ganze drei Autoren schauten Weidenfeller in Dortmund beim Beladen seines Autos zu und strickten sich daraus ihr Wechselgerücht:
Nach der Rückkehr vom Pokalfinale aus Berlin pendelte er zwischen der Kabine und seinem Dienst-Opel, lud mehrere Koffer, Taschen und BVB-Tüten ein. Die letzten Erinnerungsstücke an Weidenfellers erfolgreiche Ära als BVB-Towart (2-mal Meister, Pokalsieger).
Roman Weidenfeller hatte für die Koffer und Taschen und Tüten eine etwas andere Erklärung als eine Flucht aus Dortmund:
Die Leute von Bild.de haben inzwischen reagiert und den Artikel aktualisiert. Ihr Gerücht lassen sie sich von dem Dementi aber selbstverständlich nicht kaputtmachen. Die Überschrift lautet jetzt:
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist in den vergangenen Tagen durch den Nahen Osten gereist. Mitte Mai war er schon einmal in der Region und besuchte den Libanon und Jordanien, ein Abstecher nach Jerusalem oder Tel Aviv stand hingegen nicht auf dem Programm. Das soll diplomatische Folgen gehabt haben, wie der “Spiegel” in seiner aktuellen Ausgabe schreibt:
Und tatsächlich ist ein ziemlich umständlicher Weg nötig, wenn man aus der libanesischen in die jordanische Hauptstadt (oder umgekehrt) fliegen will. Allerdings nicht nur für deutsche Außenminister, die ihre israelischen Polit-Kollegen verärgert haben sollen, sondern für jeden Passagier eines jeden Verkehrsflugzeugs.
Da wegen des weiter geltenden Kriegszustands zwischen dem Libanon und Israel aktuell kein Luftkorridor zwischen beiden Ländern besteht, können Flugzeuge nicht die direkte 240-Kilometer-Route von Beirut nach Amman über israelisches Gebiet nutzen. Sie müssen entweder einen Umweg über Syrien fliegen, so wie es “Zeit”-Redakteur Yassin Musharbash erlebt und aufgeschrieben hat. Oder sie fliegen raus aufs Mittelmeer in Richtung zyprischen Luftraum und dann in einem weiten Bogen über Ägypten nach Jordanien. Alternativ soll es auch einen Weg über Zypern und anschließend über israelisches Hoheitsgebiet geben (wofür wir allerdings keine aktuellen Flugdaten gefunden haben).
Die Route, die die Regierungsmaschine von Frank-Walter Steinmeier vor knapp zweieinhalb Wochen nehmen musste, ist also nicht so ungewöhnlich, wie der “Spiegel” es darstellt. Das ist auch dem “Israelnetz” aufgefallen. Autor Ulrich W. Sahm hat sowohl beim Auswärtigen Amt als auch im israelischen Außenministerium nachgefragt, was an der “Spiegel”-Meldung dran ist. Beide Seiten erklärten, dass es weder eine Verägerung noch einen “unfreundlichen Akt” gegeben habe.
Der “Spiegel” hat inzwischen auch reagiert und online eine leichte Korrektur veröffentlicht. Die Redaktion bleibt aber bei ihrem Standpunkt, dass die Israelis “eine deutlich kürzere Route” im “Falle Steinmeiers verweigerten”.
1. “Mord war zu gewöhnlich: Presserat rügt Bild wegen Täter-Foto” (meedia.de, Marvin Schade)
“Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann ist nicht einverstanden mit einem Entscheid des Deutschen Presserats. Er ruft “Bild”-Leser dazu auf, sich in dieser Sache beim Presserat zu melden: “‘Sagen Sie dem Presserat ihre Meinung.’ Dazu veröffentlicht die Redaktion Telefonnummer und Adresse der Ethikinstanz, eine Aufforderung zum personalisierten Protest der Bildleser-Crowd.”
2. “Schlechte Recherche? Dafür habe ich keine Zeit” (wrestling-point.de, Mathias)
“Muss alles was wir uns täglich zuführen Hochkultur sein?”, fragt Mathias zum Artikel “Prügel gegen Geld” (zeit.de, Felix Lill): “Im Endeffekt haben wir hier ein Paradebeispiel was dabei rauskommt, wenn jemand schon mit einer vorgefertigt Meinung in einen Artikel hüpft. Kein müder Gedanke wurde daran verschwendet nachzuforschen, warum Wrestling beliebt ist. Der Autor kam mit der Einstellung rein ‘Wrestling ist Idiotenunterhaltung’ und brachte das dann auch so zu Papier.”
3. “Wenn alle die Ersten sein müssen” (deutschlandradiokultur.de, Jakob Schmidt)
Jakob Schmidt sucht Alternativen zum von Eilmeldungen getriebenen Journalismus und kommt auf das Prinzip Langsamkeit, das Prinzip Subjektivität und das Prinzip Unabhängigkeit.
4. “Russland soll MH17-Bilder manipuliert haben” (ndr.de, Bastian Berbner)
Bastian Berbner schreibt über Recherchen der Website Bellingcat zur Absturzursache von Malaysia-Airlines-Flug 17: “Die Bellingcat-Rechercheure haben die Aufklärung dieses Verbrechens in der Öffentlichkeit so weit vorangetrieben wie niemand sonst. Wie Staatsanwälte haben sie aus Fakten ein dichtes Netz gesponnen, das kaum mehr Zweifel zulässt.”
5. “Bellingcat-Analyse MH 17 so unseriös wie BILD und SPON” (hogymag.wordpress.com, almasala)
Almasala bezweifelt diese Sichtweise: “Die Ergebnisse von Bellingcat beruhen auf einer fehlerhaften Analyse und unschlüssigen Argumentation. Doch das Desaster ist nicht die stümperhafte und dilettantische Vorgehensweise von Bellingcat. Das Desaster ist, dass Leitmedien eine Laientruppe in den Stand von Experten und investigativen Journalisten erhebt, weil sie die gewünschten Ergebnisse für die gewünschte Meinung liefern. Die Medien schieben die vermeintlichen Experten von Bellingcat wie eine Monstranz vor sich her und lassen ihre eigene Agenda durch den Mund der selbsternannten Bürgerjournalisten verbreiten. Ergebnisse fehlerhafter Analysen werden dabei zu Fakten oder bestenfalls zu mutmaßlichen Fakten erklärt.”
6. “Gerechtigkeit für Sepp Blatter!” (faz.net, Roger Köppel)
Roger Köppel fordert Gerechtigkeit für Josef Blatter: “Seine Dauerkritiker übersehen: Die Tatsache, dass man ihm nichts nachweisen kann, hat vor allem damit zu tun, dass es nichts gibt, was man ihm nachweisen kann. Was seine Feinde freilich nur noch rasender macht.”
In einem Artikel über die FIFA und Franz Beckenbauer schrieb die “Bild am Sonntag” gestern:
Fragen zur Korruption bei der WM-Vergabe an Russland und Katar drohen Beckenbauer erneut, diesmal von der Schweizer Justiz. Die Bundesanwaltschaft ermittelt nun auch in der Sache und hat bereits zehn Mitglieder des Exekutivkomitees von 2010 als Zeugen geladen. Nach Informationen aus Justizkreisen sollen auch die übrigen 14 Mitglieder von damals vernommen werden. Darunter wäre auch Beckenbauer.
Wir haben bei der Bundesanwaltschaft nachgefragt, was an der Geschichte dran ist. Auf eine Antwort mussten wir — wie beim letzten Mal — nur wenige Minuten warten. Der Pressesprecher schreibt:
F. Beckenbauer gehört nicht zu den von der BA zu befragenden Auskunftspersonen. Dies sind explizit KEINE Zeugen, sondern Auskunftspersonen, was juristisch ein wesentlicher Unterschied ist. Weitere Personen sind zur Zeit nicht zur Befragung vorgesehen. Die Geschichte der BamS ist somit mehrfach falsch.
Und das hätte sie mit einem kurzen Anruf bei der Bundesanwaltschaft auch selbst herausfinden können. Nachgefragt hat sie dort aber nie:
Eine entsprechende Anfrage der BamS oder von Bild ist bei der BA nie gestellt worden.
Auch der Sport-Informations-Dienst (sid) hat auf die Recherche verzichtet und sich bei seiner Agenturmeldung lieber blind auf die „BamS“ verlassen:
So verbreitet sich zum zweiten Mal innerhalb von vier Tagen eine FIFA-Falschmeldung, obwohl das Abschreiben der Geschichten länger dauert, als herauszufinden, dass sie Quatsch sind.
1. “Anmerkungen mit grüner Tinte” (sueddeutsche.de, Nico Fried)
Nico Fried beschreibt die Autorisierung von Interviews, “ein Verfahren, das es fast nur in Deutschland gibt: Die Politiker können ihre Aussagen präzisieren, streichen, kürzen”: “Es geht im Zweifel durch viele Hände, durch die zuständigen Fachabteilungen, zu engen Mitarbeitern – und am Schluss noch einmal zu Merkel. Mit grüner Tinte macht sie letzte Anmerkungen, wenn sie noch welche hat.”
2. “‘Ich nenne sie Kopolitiker'” (taz.de, Anne Fromm und Ines Pohl)
Ein Interview mit Politikwissenschaftler Thomas Meyer: “Politik wird nicht mehr als eine Mischung aus Konflikten, Interessen, Akteuren, Institutionen und als längerer Prozess verstanden, sondern der Einfachheit halber als so eine Art Familienzwist zwischen Promis präsentiert. Das Symbol dafür ist die politische Talkshow. Dort wird das politische Geschehen als Unterhaltung inszeniert, als ein Gezänk, bei dem es eigentlich nur um den persönlichen Streit zwischen Politikern und anderen Promis geht. Das ist ein entpolitisierendes, irreführendes Bild von der Politik.”
3. “Vom Falschen im Echten” (3sat.de, Video, 5:27 Minuten)
“Störbilder. Schöne Gedanken. Emotionen. Ist das die Zukunft des Journalismus? Nein. Aber die Satiriker zeigen, wie man sperrige Themen verständlich an den Zuschauer bringt. Und wo Meinungsmache wirklich hingehört. Auf ihre Bühnen. Und nicht in die Nachrichten.” Siehe dazu auch “Kulturzeit-Interview mit den Machern von ‘Die Anstalt'” (3sat.de, Video, 6:28 Minuten).
4. “‘Kein Cartoon ist ein Menschenleben wert'” (schweizamsonntag.ch, Yannick Nock)
Ein Interview mit Jørn Mikkelsen, Chefredakteur der Jyllands-Posten: “Ein Cartoon ist nie ein Menschenleben wert. Schon gar keine 300 Menschen, die im Zuge der Karikaturen mittlerweile ihr Leben verloren haben. Es geht um ein Prinzip, aber auch ein Prinzip kann nie ein Leben Wert sein. Trotzdem sollten wir nicht vergessen, dass Prinzipien wichtig sind für unsere Demokratie. Wir dürfen nicht über die schleichende Zensierung, die momentan leider im Gange ist, hinwegsehen. Wir müssen darüber diskutieren.”
5. “Über das Zurückschlagen von Empörungswellen und eine seltsame Argumentation im Fall Rönne” (annettebaumkreuz.wordpress.com)
Eine Kontroverse um die Nominierung von Ronja von Rönne als Kandidatin für den diesjährigen Ingeborg-Bachmann-Preis: “Man kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Immerhin handelt es sich bei den Diskutanten nicht um irgendwelche ‘Empörten’ von der Straße, sondern um die ‘Social-Media-Koordinatorin von tagesschau.de’, eine Bachmann-Preis-Nominierte, einen FAZ-Blogger und den stellvertretenden Chefredakteur der WELT-Gruppe. Man fragt sich dann schon: Ist das die Diskussionskultur unter den ‘Eliten’, die uns als Vorbild dienen soll?”
6. “Irgendwie persisch” (freitag.de, Katharina Schmitz)
Katharina Schmitz besucht in Berlin Kreuzberg ein Casting für die US-Serie Homeland: “Ich frage eine junge Türkin, ich sähe nicht so richtig authentisch südländisch oder aus dem Mittleren Osten aus, oder? Es klingt immer noch doof, jedenfalls fühle ich mich unwohl, wir vom Freitag machen uns ja immer so viele Gedanken. In ihrer Antwort liefert sie die Kritik an Homeland gleich mit: ‘Es gibt ja auch Hellhäutige. Aber bei so was will man doch eher Stereotype. Aber du würdest sofort als Araberin durchgehen.'”