Archiv für Juni 2nd, 2014

B.Z., Bild  

Die “Russen-Panzer” und der Schuss in den Ofen

Erinnern Sie sich an die große Petition, die “Bild” und “B.Z.” gestartet hatten, um die “Russen-Panzer” loszuwerden, die am sowjetischen Ehrenmal in der Nähe des Brandenburger Tors stehen?

Die “B.Z.” hatte dafür unter anderem auf ihrer Titelseite getrommelt; die “Bild”-Zeitung hatte ihre Seite 2 freigeräumt — und am nächsten Tag an derselben Stelle stolz über die “große Zustimmung” berichtet, die die Aktion erfahren habe: “Viele Bundesbürger” hätten unterschrieben.

Stolz wurden prominente und nicht-prominente Unterstützer gezeigt (Wolfgang Joop! Erika Steinbach!). “Bundesliga-Legende” Charly Körbel unterschrieb, weil er “solche Aktionen mit Panzern in Deutschland nicht sehen will”. Die “B.Z.” präsentierte den “ersten” (von mutmaßlich vielen noch zu erwartenden) Bundestags-Abgeordneten, der unterschrieben hatte.

Das war, wie gesagt, Mitte April. Was ist daraus eigentlich geworden? Wie groß wurde die Welle der Zustimmung noch? Welche Wucht entwickelt eine Petition, die in größter Aufmachung und inklusive eines fertigen Vordrucks von zwei Zeitungen angeschoben wird, die gemeinsam angeblich über 12 Millionen Leser täglich erreichen?

Die Antwort lautet: 4101.

4101 Menschen haben die Petition von “Bild” und “B.Z.” unterschrieben. 118 online, 3983 offline. Die Mitzeichnungsfrist endete schon am 21. Mai.

Ausweislich ihrer Online-Archive haben beide Blätter über den Fortgang und Ausgang ihrer Petition kein Wort mehr verloren.

Auf meine Nachfrage (für die “Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung”), warum das so war und wie man sich die geringe Resonanz auf eine so große Aktion erklärt, antwortete die Pressestelle, mit Bitte um Verständnis:

Alles, was wir über eigene Aktionen zu berichten haben, verhandeln wir auch im eigenen Blatt.

Wenn eine politische Leser-Aktion misslingt, hat sie für “Bild” und “B.Z.” also einfach nicht stattgefunden. Aber immerhin hat man nun mal eine Ahnung, was “Bild” meint, wenn “Bild” von “vielen Bundesbürgern” und “großer Zustimmung” spricht. Konkret also: weniger als 0,35 Promille der Leserschaft.

Shitstorm, Stalin, Livejournalismus

1. “Mein erster Shitstorm”
(tagesspiegel.de, Sebastian Leber)
Sebastian Leber wertet Reaktionen auf einen Artikel von ihm aus: “Der Sturm dauerte etwa 36 Stunden, und was ich nicht für möglich gehalten hätte: Er flaute genau so schnell ab, wie er gekommen war. Mir völlig unbekannte Menschen, die gestern noch geschworen hatten, mich fertig zu machen, bis ich nicht mehr Piep sagen könne, waren plötzlich verstummt.”

2. “‘Heute’ gibt Blondine die Schuld an Amoklauf”
(kobuk.at, Hans Kirchmeyr)
Hans Kirchmeyr befasst sich mit der “Heute”-Schlagzeile “Amoklauf: Weil ihm diese Blondine das Herz brach?”.

3. “Geschichte für Trottel”
(faz.net, Jörg Baberowski)
Geschichtsprofessor Jörg Baberowski schaut eine TV-Doku über Josef Stalin: “Fast alles, was über Ereignisse und Personen in dieser Dokumentation gesagt wird, ist falsch. Aus Stalins Geheimdienstchef Nikolai Jeschow wird ‘Nikolai Leschow’, aus Generalfeldmarschall Paulus – General von Paulus, aus Stalins Sekretär Poskrjobyschew – Poskrebischew. Unablässig spricht der Kommentator von Russland und den Russen. Der Zweite Weltkrieg sei ein Krieg der Russen gewesen. Haben die Dokumentarfilmer jemals davon gehört, dass die Sowjetunion ein Vielvölkerreich, Stalin ein Georgier, Trotzki ein Jude und Mikojan ein Armenier war?” Siehe dazu auch “Fernsehdokumentationen” (schmalenstroer.net).

4. “Ein Plädoyer für den Livejournalismus und gegen die Beleidigungen der Krautreporter”
(christoph-herwartz.blogspot.de)
“Der Livejournalismus ist angemessen, er wird gebraucht”, findet Onlinejournalist Christoph Herwartz, der seine Arbeit vom Projekt Krautreporter.de “ins Lächerliche” gezogen sieht: “Schnelligkeit ist anstrengend und hat ihren Preis. Jeder meiner Texte könnte besser sein, wenn ich die Zeit hätte, länger über die These nachzudenken und mehr Aspekte zu recherchieren. Dass ich schnell sein muss, hängt auch damit zusammen, dass wir mit wenigen Redakteuren viele Texte schreiben. Aber es liegt vor allem daran, dass die Aufmerksamkeit für aktuelle Themen exponentiell abfällt.”

5. “Das Recht auf private Suchmaschinenzensur am Beispiel von Bettina Wulff”
(blog.alvar-freude.de)
Alvar Freude schreibt über das vom EuGH zementierte Recht auf Vergessenwerden: “Wenn tatsächlich ein relevanter Anteil der Menschen in Deutschland Inhalte aus Suchmaschinen entfernt haben will, dann wird die Meinungs- und Informationsfreiheit deutlich eingeschränkt werden. Denn es geht ja explizit nicht um rechtswidrige Inhalte, die nicht mehr gefunden werden sollen, sondern um rechtmäßige, von denen aber die betroffene Person sich nicht richtig dargestellt sieht. Statt zu einem Ort der Meinungsfreiheit, der innerhalb des geltenden Rechts auch kritische und verrückteste Meinungen duldet, könnte das Internet im Extremfall ein Stückchen mehr zum unkritischen, lobhudelnden Konsummedium für das Klickvieh werden.”

6. “Woher die Leser der Nachrichten- und Click-Bait-Sites kommen”
(netzoekonom.de, Holger Schmidt)