Archiv für Mai, 2012

Horrornacht, Zappen, Schweizer Fernsehen

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Warum wir abgelehnt haben”
(netzwerkrecherche.de, Nicolas Richter)
Netzwerk Recherche bildet die “Debatte um den Henri-Nannen-Preis” ab. Nicolas Richter hat den Preis abgelehnt: “Ich möchte nicht mit einem Blatt geehrt werden, das im Privatleben von Prominenten oder Halbprominenten wildert, das die Schwächen oder Fehltritte von Schauspielern und anderen Sternchen ausnutzt, um an sogenannte Exklusiv-Interviews zu gelangen.”

2. “Eine hochgeschriebene Horrornacht”
(tagesschau.de, Patrick Gensing)
Fußball: Beim Relegationspiel Fortuna Düsseldorf gegen Hertha Berlin strömen Zuschauer vor Spielende auf den Rasen, was von vielen Medien als “eine Schande für den Fußball, eine Katastrophe, die Horrornacht von Düsseldorf” eingeschätzt wird. “Mitnichten ist es, wie heute immer wieder behauptet wird, das erste Mal, dass feiernde (!) Fans kurz vor Spielende den Platz stürmten. Das ist bereits mehrfach passiert, in Köln, St. Pauli und Duisburg beispielsweise. In keinem dieser Fälle, allesamt aus den 1990er Jahren, war danach von einer Schande die Rede, angenehm unaufgeregt reagierten die Kommentatoren damals.” Siehe dazu auch “Mega-Skandal, wo eigentlich?” (nordbayern.de), “gedanken zum relegations-abend in düsseldorf” (popkulturjunkie.de) und “Peinliche Sauerei: Fortuna Düsseldorf erleidet vorzeitigen Fanerguss” (der-postillon.com).

3. “Offener Brief auf den Kommentar von Herrn Franzke vom Kicker 16.5.”
(eintracht.de, concordia-eagle)
Der Kommentar “Es helfen nur noch strengste Sanktionen” (kicker.de) in der Detailkritik.

4. “Ein Drink an der Bar mit Annina Frey”
(punktmagazin.ch, Christian Nill)
Das Schweizer Fernsehen untersagt die Veröffentlichung eines langen Gesprächs mit Annina Frey, seit 2007 Moderatorin der Sendung “Glanz & Gloria”: “Über die Gründe müssen wir den Mantel des Schweigens legen.”

5. “Knopf hoch!”
(sz-magazin.sueddeutsche.de, Andreas Bernard)
Andreas Bernard betont bei der “aussterbenden Kulturtechnik” des Zappens “das Aktive und Schöpferische” daran, schreibt gar von einer “Kunst des Zappens”: “Nach einem zerfahrenen Tag zurück in die Wohnung kommen, nach dem Einchecken im gesichtslosen Geschäftshotel einer unbekannten Stadt: Wie oft schon hat mir das Fernsehen die Gewissheit zurückgegeben, in der Welt zu sein.”

6. “Die schöne Seite der Kostenlosmentalität”
(perlentaucher.de, Thierry Chervel)
Thierry Chervel zum Appell “Wir sind die Urheber!”: “Es ist, als hätte sich die ganze tradierte Kulturwelt Deutschlands nach längerer Überlegung nun doch entschlossen, gegen den Medienwandel einzutreten.” Siehe dazu auch “Sie unterschreiben Erklärungen und offene Briefe, denn sie wissen nicht, dass sie bloggen könnten” (neunetz.com, Marcel Weiss) und “Eure Psychologisierung kotzt mich an” (katrinschuster.de).

Eine von uns, von uns und von uns

Die kostenlose Wochenzeitung “HS-Woche” aus Erkelenz ist stolz, denn:

Gut. Das ist schon nicht mehr so spektakulär, wenn man den dazugehörigen Text liest:

Wenn am heutigen Abend um 20.15 Uhr das Halbfinale der Staffel von “Let’s Dance” auf RTL über die Bühne geht, dann kann es auch wieder sein, dass einer der Stars auf einen Titel der Erkelenzer Sängerin Katja Dreyer tanzt.

Dreyer tritt also nicht auf, sondern singt lediglich ein Lied ein, zu dem die Stars dann tanzen. Egal, was zählt, ist dass sie aus Erkelenz kommt:

Katja Dreyer wohnt in Erkelenz-Mazerath und ist Frontfrau der Band “for example”

Oder etwa doch nicht? In der Lokalausgabe der “HS-Woche” von Jülich lautet die Schlagzeile nämlich so:

Katja aus Jülich

Und in der aus Düren so:

Katja aus Düren

Weder in der Jülicher noch in der Dürener Ausgabe wird erwähnt, dass Katja Dreyer in Erkelenz wohnt. Dafür ist in der “Jülicher Woche” von einer “charismatischen Frontfrau der Band “for example” (mit Musikern aus Jülich und Düren)” die Rede und in der “DN-Woche” von einer “charismatischen Frontfrau der Band “for example” (mit Musikern aus Düren und Jülich)”.

Vielleicht treten Katja aus Erkelenz, Katja aus Jülich und Katja aus Düren ja irgendwann einmal als Trio auf. Name der Formation: “Die charismatischen Frontfrauen”

Mit Dank an Jürgen S.

Experten, Tatort, Hugo Müller-Vogg

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Vertrauen Sie mir – ich weiß, wovon ich spreche!”
(dradio.de, Julius Stucke)
Deutschlandradio Kultur widmet sich 30 Minuten dem Phänomen des Experten (Textversion). Volker Perthes: “Experten, die sagen, dass ohnehin in dieser Region oder diesem oder jenem Politikfeld alles den Bach runter geht und ganz katastrophal wird – die haben großen Wert für die Medien, oder so scheint es jedenfalls: derjenige, der sagt, es ist zwar alles recht kompliziert aber man kann möglicherweise Wege finden kommen allenfalls in den Qualitätsmedien zu Wort. Wer alarmistisch ist kriegt die besseren Sendeplätze.”

2. “Shahin Najafis falsche Freunde”
(blog.zeit.de/joerglau)
Jörg Lau kritisiert ein “taz”-Interview, das Daniel Bax mit dem iranischen Musiker Shahin Najafi führte. “Ich finde, es ist in Ordnung zu fragen, ob der Künstler die Reaktion des Regimes nicht hätte erwarten müssen. Schließlich leben wir post Rushdie und post Westergaard. Ein Mal hätte allerdings gereicht, und auf den Ton kommt es an. Indem Bax vier Mal von Provokation spricht, entsteht der Eindruck, hier identifiziere sich ein Interviewer doch recht weitgehend mit der Perspektive des iranischen Zwangssystems und seiner Anmaßung, im Namen des Islams und der Muslime zu sprechen und zu urteilen.”

3. “Man lobt den Kollegen nicht unbedingt”
(medienkritik-schweiz.ch, Nena Weibel und Melanie Staub)
Ein Interview mit Philipp Cueni, dem Chefredakteur des Medienmagazins “Edito + Klartext”: “Die Medienkritik, die öffentliche Reflexion über die eigene Arbeit, die Selbstkritik müsste eigentlich Bestandteil der normalen alltäglichen Medienarbeit sein. Als Redaktion so zu tun als wäre man immer souverän, sicher und der Beste, kommt beim Leser nicht gut an.”

4. “A Very Special Socialpedagogical Tatort Episode”
(andrewhammel.typepad.com, englisch)
Andrew Hammel analysiert die “Tatort”-Folge “Der Wald steht schwarz und schweiget”: “We learned, as an audience, that (1) social deprivation is a serious problem in Germany; (2) (apologies to Auden) those to whom violence is done do violence in return; (3) first impressions of dangerous-looking juvenile delinquents can be misleading; (4) even the most hardened-seeming thug is capable of acts of kindness or remorse; and (5) that nobody is permanently beyond redemption, and a humane state devotes considerable resources even to seemingly-hopeless cases.”

5. “Blogger Asserts Copyright, Newspaper Editor Gets Irate”
(youtube.com, Video, 6:35 Minuten, englisch)
Duane Lester von Allamericanblogger.com sieht seinen Blogbeitrag im “The Oregon Times Observer” ohne vorherige Nachfrage abgedruckt. Er geht in der Redaktion vorbei, um die Frage um das Copyright zu klären. Siehe dazu auch “How to Assert Copyright Over Your Work When It’s Been Plagiarized” (allamericanblogger.com, Duane Lester, englisch).

6. “Welkes Spiel mit der Politikverachtung”
(cicero.de, Hugo Müller-Vogg)
Obwohl “Bild”-Kolumnist Hugo Müller-Vogg nie mehr als eine vollständige Ausgabe der “heute show” gesehen hat, wagt er sich an eine Gesamtbeurteilung der ZDF-Satiresendung. Er stellt sich pauschal vor den Politiker als solchen und glaubt zu wissen, dass die Macher, “anders als die meisten Kabarettisten – kein Anliegen” hätten.

Neulich an der Hakenkreuzung

Werfen wir einen Blick in die Seele des deutschen Journalisten:

Und, nein, es ist ganz anders als Sie denken! Das Hakenkreuz da ist Teil eines dpa-Fotos, aufgenommen vor dem griechischen Parlament in Athen. Der “Kölner Stadtanzeiger” hatte es in seinem Online-Auftritt zu Bebilderung einer Nachricht verwendet, wonach ein 78-jähriger Holländer offenbar in Griechenland von zwei Griechen aus mutmaßlich deutschenfeindlichen Motiven brutal verprügelt wurde. Komplett sahen Foto und Bildunterzeile (BU) auf ksta.de so aus:

Bildunterzeile: Deutschenfeindliche Parolen zeigen diese Demonstranten in Athen.

Was dpa am 1.5.2012
zu dem Foto schrieb:

“Protesters hold placards reading ‘No Nazis in the Parliament – Golden Dawn = Swastika’, outside the Greek Parliament during a rally marking May Day in central Athens, Greece, 01 May 2012. A rally marking May Day was called by the Greek unions and parties of the Left to protest against the ongoing austerity measures, ahead of the national elections scheduled 06 May 2012.”

“Deutschenfeindliche Parolen”? Nun ja: Die griechische Parole auf dem Foto bedeutet übersetzt: “Keine Nazis ins Parlament – Goldene Morgenröte = Hakenkreuz”. Und Demonstranten protestierten damit am 1. Mai gegen den Einzug der rechtsextremen griechischen Morgenröte-Partei ins griechische Parlament (siehe Kasten).

Und selbst wenn ksta.de den peinlichen Fehler inzwischen offenbar bemerkt und das Foto gegen ein Bild der Akropolis (BU jetzt: “Die Akropolis in Athen”) ausgewechselt hat: Dass einem Journalisten hierzulande zu einem offensichtlich in kritischer Absicht öffentlich gezeigten Hakenkreuz als allererstes Deutschenfeindlichkeit einfällt, lässt irgendwie ganz schön tief blicken (s.o.).

Mit Dank an C.K.!

dapd, Inflationsalarm, Dr. h.c.

6 vor 9

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1. “Herzlichst, Ihr JGauck”
(taz.de, Ilka Kreutzträger)
Die Nachrichtenagentur dapd hält die (inzwischen umgestaltete) Website praesidialamt.com für ein Blog von Joachim Gauck und meldet “Bundespräsident Joachim Gauck schaltet sich in Fall Salame ein”. “Bei der dapd heißt es, man sei der journalistischen Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen und habe die Authentizität des Blogs nicht ausreichend geprüft – wenig später wurde die Meldung zurückgerufen.” Siehe dazu auch “Falscher Gauck verwirrt Medien” (fr-online.de, Nadja Erb).

2. “Über die Verharmlosung des Springer-Blatts”
(taz.de, David Denk)
Die Verleihung des Henri-Nannen-Preises in der Kategorie “Investigation” an zwei “Bild”-Reporter (BILDblog berichtete). “Leyendecker hat sich unbeliebt gemacht, weil er mit dem Sprengen der Branchenfamilienfeier den KollegInnen ihre eigene Feigheit im Umgang mit Bild vor Augen führte. Wie sonst sind die Aggressionen zu erklären? Was hat er schon gemacht? Einen Preis abgelehnt, höflich, ohne Schaum vorm Mund.”

3. “Alarm in Deutschland – oder: Wie ich versehentlich den Euro erledigte”
(wirtschaftswunder.ftd.de, Thomas Fricke)
Thomas Fricke hält die “Bild”-Titelseitenschlagzeile “Inflationsalarm!” für übertrieben. “Damit es richtig kracht, kommt dazu bei ‘Bild’ noch eine ‘Billion-Mark-Note’ von 1923. Fertig. Aus. Euro kaputt. Alle arm. Jetzt komme ‘das dicke Ende der Finanz- und Eurokrise’, orakelt Bild-Großökonom Nikolaus Blome in angemessen schwachsinnigem Kommentar.”

4. “Wenn der Zuschauer fragt”
(sueddeutsche.de, Jens Schneider)
Fußball: Das Sat.1-Gewinnspiel fragte in den Werbeblöcken des Champions-League-Halbfinales, ob bei Real Madrid “di Maria oder der Josef” mitspiele. “Die Fragen seien natürlich mit einem Augenzwinkern zu verstehen, wird erwähnt. Das allerdings stand zu befürchten, neu ist die Erkenntnis, dass die ran-Redaktion, also die für die Übertragung zuständige Sportredaktion von Sat1, auch von Zuschauern formulierte Fragen einsetzt. Die ‘Josef-und-Maria’-Frage beispielsweise stamme von einem Neunjährigen. Hätte man sich das denken können?”

5. “Die unbegründete Angst, Urheberrechtsverletzungen und rechtswidrige Webseiten”
(blog.odem.org, Alvar Freude)
Alvar Freude schreibt Unterstützer des Appells “Wir sind die Urheber!” an. “Ich möchte herausfinden, was sich die Urheber und der Initiator des Briefes wünschen.”

6. “Dr. h.c. im Sonderangebot für 39 Euro”
(scienceblogs.de, Alexander Gerber)

Bild  

Painliche Panne

Wer würde es eigentlich irgendwie erwähnenswert finden, dass Bild.de damals, während der “heißen Wahlkampf-Phase” 2009, in der Ankündigung einer gemeinsam mit dem Dingsbumssender N24 ausgestrahlten Michel-Friedman-Talkshow den Michel mit “a” schrieb? Oder wer würde schon öffentlich darauf hinweisen, dass kürzlich offenbar auch der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG, Mathias Döpfner, in einem vom “Welt”-Herausgeber Thomas Schmid moderierten “Welt”-Interview dem Michel das “a” unterschob?! Und das, obwohl Friedman doch sogar “Welt”-Kolumnist ist?!!

Wir jedenfalls nicht.

Es sei denn, die “Bild”-Zeitung würde heute… – na, sehen Sie selbst:

Ausriss: Bild-Frankfurt vom 14.05.2012

Denn dann, liebe Leute, wollen wir an dieser Stelle doch nicht verschweigen, dass der Sender, bei dem Friedman seit gestern  seit 2004 seine Talkrunden moderiert, nicht “n-tv” heißt.

Mit Dank an Benjamin H.!

Grubenponys, Henri-Nannen-Preis, Piraten

6 vor 9

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1. “Kein Henri für Kai!”
(unter3.net)
Die investigative Eigenleistung der mit einem Henri-Nannen-Preis ausgezeichneten “Bild”-Reporter (BILDblog berichtete) beschränke sich darauf, “beim Bundespräsidialamt nachzufragen, von wem der erste Kredit für das Haus stammte. Und die Zeitung hatte die Informationen nicht einmal exklusiv.” Siehe dazu auch “Nach Nannen-Eklat: Zeit zum Umdenken” (netzwerkrecherche.de, Oliver Schröm und Markus Grill), “Journalismus hat seinen Preis” (carta.info, Hans-Jürgen Arlt und Wolfgang Storz) und “Guter Journalismus in schlechtem Umfeld” (dradio.de, Brigitte Baetz).

2. “Die vielen Arten, nichts zu sagen”
(faz.net, Harald Staun)
Politiker der Piratenpartei in Talkshows und wie Politiker von anderen Parteien darauf reagieren: “Es ist kein Zufall, dass dabei die Diskussion regelmäßig an der Frage nach Inhalten hängenbleibt, darum geht es nämlich gerade nicht. Es sind ja, was das auch immer sein mag, nicht ‘Inhalte’, die die Piraten verweigern, sondern das, was andere Politiker dafür halten. Weshalb eben der Kontext einer Fernsehshow, von der längst alle wissen, dass es dort nur um die Performance geht, der dümmste Ort ist, um deren Abwesenheit zu bemängeln – und damit eben auch der folgerichtige, um solche Beschwörungsfloskeln loszuwerden. Es kommt eher darauf an, wie man am überzeugendsten nichts sagt.”

3. “Fungible”
(stdout.be, Stijn Debrouwere, englisch)
Ein ausführlicher und lesenswerter Text über den Medienwandel: “There are organizations and websites everywhere that are taking over newspapers’ role as tastemaker and watchdog and forum. These disruptors don’t replace investigative reporting, but they replace the other 95% of what made professional news organizations important.”

4. “Die fünf größten Irrtümer im Urheberrechtsstreit”
(spiegel.de, Christian Stöcker)
Christian Stöcker versucht, etwas Ordnung in die Diskussion um das Urheberrecht zu bringen.

5. “Wir sind die Grubenponys!”
(wahrheitueberwahrheit.blogspot.de, Thomas Steinschneider)
Eine Alternative zu “Wir sind die Urheber!”. Siehe dazu auch “Ihr seid nicht systemrelevant” (lawblog.de, Udo Vetter), “Ich bin Urheber” (metronaut.de, John F. Nebel), “Ich bin die Böse” (anneschuessler.com) und “Aufgeblasener Protest” (spiegel.de, Georg Diez).

6. “Das arme Twitter-Team der Deutschen Bahn”
(blog.mahrko.de)

Bild  

Selbst als Sieger ein schlechter Verlierer

Nun ist es also tatsächlich passiert: Die “Bild”-Redakteure Martin Heidemanns und Nikolaus Harbusch sind für ihre Enthüllung eines Privatkredits für Christian Wulff mit dem angeblich renommierten Henri-Nannen-Preis in der Kategorie “Beste investigative Leistung” ausgezeichnet worden. In der gleichen Kategorie geehrt wurden Klaus Ott, Hans Leyendecker und Nicolas Richter von der “Süddeutschen Zeitung” — oder genauer: sie sollten geehrt werden, denn Leyendecker hat den Preis, auch im Namen seiner Kollegen, abgelehnt.

Der Evangelische Pressedienst beschreibt die Szenerie bei der Preisverleihung so:

Während die “Bild”-Journalisten die Auszeichnung stolz entgegennahmen, wirkte Hans Leyendecker von der “Süddeutschen” zunächst eher ein wenig verlegen. Er und seine beiden Kollegen wollten den Preis nicht gemeinsam mit “Bild” annehmen, sagte er. Dem prominenten Boulevard-Blatt Qualitätsjournalismus zu bescheinigen, nannte er ein “Stückchen einen Kulturbruch”. Diese Ablehnung, fügte Leyendecker hinzu, richte sich jedoch nicht gegen die “Bild”-Kollegen persönlich. Die “Bild”-Zeitung habe eine solche Aufwertung nicht verdient, weil sie Menschen bedränge und verfolge, sagte er später dem NDR.

Wie seriös “Bild” berichtet, durften Leyendecker und die Veranstalter des “Henri-Nannen-Preises” dann heute direkt nachlesen. In der Interpretation der “Bild”-Reporter richtete sich Leyendeckers Protest nämlich nicht gegen ihre Zeitung, sondern dagegen, dass in einer Kategorie zwei Preise verliehen werden sollten:

Hans Leyendecker nannte die unklare Jury-Entscheidung ein “Stückchen einen Kulturbruch”. Die Jury-Ansicht sei zu akzeptieren. Allerdings wollten er und seine Kollegen den Preis nicht gemeinsam mit den BILD-Journalisten annehmen. Leyendecker wies ausdrücklich darauf hin, dass sich dies nicht gegen die BILD-Kollegen richte.

Hans Leyendecker bestätigte uns auf Anfrage, dass er es für den “Bruch” halte, dass “Bild” den Preis bekommen habe. Gegenüber dem Deutschlandradio hatte er sich gestern bereits ausführlicher zu “Bild” geäußert.

Mit Dank an Petra J., Hans-Christian H., Alex A. und Matthias M.

Anmerkung: Auch BILDblog hat schon mal bei Journalistenpreisen die Nominierung bzw. Auszeichnung abgelehnt, weil “Bild”-Redakteure (aus schlechten Gründen) ebenfalls nominiert waren.

Baby One More Time

Seit Wochen wird darüber spekuliert, ob die Sängerin Britney Spears Jurorin in der US-Castingshow “X Factor” werden könnte. Nachdem der Deal schon mehrfach unter Dach und Fach schien, ist es jetzt endlich soweit. Also: irgendwie, wahrscheinlich.

Das kurze Video (!), das dapd dazu produziert hat, beginnt mit den triumphierenden Worten:

Nun also doch: Nach langen Spekulationen wird Popstar Britney Spears offenbar Jurorin bei der US-Castingshow “The X Factor”. Aus dem Umfeld der Sängerin hieß es, der Vertrag sei unterschrieben.

Wer die ganzen 40 Sekunden, die mit Musikvideoausschnitten und Archivmaterial gefüllt sind, anschaut, erfährt allerdings, dass im Grunde genommen alles immer noch so offen ist wie zuvor. Denn:

Der Sender Fox hat die Meldung jedoch bislang noch nicht bestätigt.

Kein Grund für die Medien, die Meldung jetzt nicht trotzdem schon/noch einmal zu bringen.

Bild.de führt dazu aus:

Für Britney ist es der erste TV-Job – abgesehen von einer peinlichen Reality-Show über Britney und ihren Ex Kevin Federline, die 2005 kurzzeitig im US-Fernsehen lief.

Ja — und abgesehen vom “Mickey Mouse Club”, in dem Spears im Alter von elf Jahren regelmäßig zu sehen war und der als Startpunkt ihrer Karriere gilt.

Mit Dank an Sebastian W.

Hinweis, 18.59 Uhr: In der ersten Fassung dieses Eintrags hatten wir das bizarre Kurzvideo der Agentur AP zugeordnet, weil deren Logo am Ende erscheint. Konkret stammt es aber aus der Videoschmiede von dapd.

Kraftgate, Urheber, Öffentlichkeitsfahndung

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Kraftgate?”
(storify.com/handelsblatt)
Eine Spurensuche zur Frage, ob Hannelore Kraft bei Chefredakteuren von Regionalzeitungen interveniert hat, um eine unliebsame Berichterstattung zu verhindern.

2. “Wegen 700 Franken am Internetpranger”
(tagesanzeiger.ch, Pascal Unternährer und Pia Wertheimer)
Eine Überwachungskamera fotografiert jemanden, der einen Sachschaden in der Höhe von rund 580 Euro verursacht. Die Polizei stellt den Medien das Foto zur Öffentlichkeitsfahndung zur Verfügung. “Durch den Internetpranger sahen Tausende den Mann und sein Gesicht. Möglicherweise bleibt das Video für immer im Netz – und das bei einem Deliktsbetrag von 700 Franken. Ist das nicht übertrieben? Romann räumt ein, dass der Sachschaden relativ gering ist. Doch ging es der Polizei bei der Herausgabe des Filmmaterials vor allem um zwei Dinge: den Täter ermitteln und abschrecken.”

3. “Wir auch.”
(ueberschaubarerelevanz.wordpress.com)
Eine Analyse des von über 100 “Autoren und Künstlern” unterzeichneten Aufrufs “Wir sind die Urheber!”, der sich gegen einen “Diebstahl” von “geistigem Eigentum” einsetzt.

4. “Die Fußball-Flüsterer”
(tagesspiegel.de, Katrin Schulze)
Die Assistenten der Fußball-Live-Kommentatoren: “Seit der Jahrtausendwende hat nahezu jeder Kommentator bei Liveübertragungen einen Hintermann. Quasi einen Experten neben dem Experten, einen – für die Zuschauer – unsichtbaren Sidekick.”

5. “If Time Magazine’s new cover was honest”
(happyplace.com, englisch)

6. “Produktivität im Home Office”
(imgriff.com, Corinne Dubacher)
10 Anregungen, wie man zuhause produktiv sein könnte. Tipp 5: “Zuerst E-Mail checken und gleich beantworten. Dann zur ersten Aufgabe übergehen und diese konzentriert ausführen. Alle Töne am Computer und Handy ausschalten, damit man durch eingehende Nachrichten nicht gestört wird.”

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