Archiv für Mai, 2012

Ohne Ljajic fahr’n wir zur EM

Sinisa Mihajlovic, neuer Trainer der serbischen Fußballnationalmannschaft, hat seinen Mittelfeldspieler Adem Ljajic aus dem Kader geschmissen, weil der vor einem Testspiel am Samstag nicht die serbische Nationalhymne hatte mitsingen wollen. So berichteten es am Montag die Deutsche Presseagentur (dpa) und der Sportinformationsdienst (sid).

Bild.de veröffentlichte die dpa-Meldung im Newsticker und versah sie mit einer neuen Überschrift:

Hymne nicht gesungen - EM-Aus für Serben Ljajic

Es ist nicht falsch, dass Adem Ljajic nicht bei der EM spielen wird — nur hat das nichts mit den Ereignissen vom Samstag zu tun: Die gesamte serbische Nationalmannschaft hatte sich schlichtweg nicht für das Turnier qualifizieren können.

Mit Dank an Marc S.

Neues Galshaus feierlich eingeweiht

Mitt Romney, designierter US-Präsidentschaftskandidat der Republikaner, hat eine offizielle iPhone-App veröffentlichen lassen, mit der User unter anderem Fotos machen und mit seinem Wahlkampfslogan versehen können.

Dummerweise steht dabei auch ein Spruch zur Auswahl, der jetzt für Hohn und Spott sorgt: “A better Amercia”, steht da, statt “America”.

nachrichten.t-online.de hat die entsprechende dpa-Meldung veröffentlicht und mit einem Foto der fehlerhaften App versehen.

Dummerweise …

Ach, sehen Sie selbst:

"A better Amercia": peinlicher Tippfehler auf der Romeny-App

Mit Dank an Manuel G.

Nachtrag, 15.20 Uhr: t-online.de hat die Bildunterschrift korrigiert.

Rockergangs, Paketzusteller, The Offspring

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Die Rolle der Journalisten bei den Ermittlungen im Rockermilieu”
(tagesspiegel.de, Frank Jansen)
Die Berliner Polizei ist erbost über den Artikel “Berliner Rockergangs tricksen Polizei aus” (spiegel.de, Thomas Heise und Claas Meyer-Heuer), in dem über eine geplante Razzia berichtet wird. Polizeisprecher Stefan Redlich: “Es wird geprüft, wie die Informationen über die geplanten Maßnahmen der Polizei vorab bekannt geworden sind.”

2. “Wissenschaftsjournalismus: Wer ist wichtig genug, um Nachrichten mit Sperrfrist lesen zu dürfen?”
(scienceblogs.de/astrodicticum-simplex, Florian Freistetter)
Florian Freistetter denkt nach über Fachzeitschriften, Sperrfristen und Kosten. “Der Staat bezahlt also die Wissenschaftler damit diese forschen können. Und dann muss der Staat nochmal Geld bezahlen, um sich die Einsicht in die veröffentlichten Ergebnisse zu erkaufen (nachdem er vorher vielleicht sogar noch Geld bezahlt hat, um sie veröffentlichen zu dürfen).”

3. “The Offspring: Knebelverträge für Konzert-Fotografen”
(metal-hammer.de, Sebastian Kessler)
Keine Bilder vom Konzert der Punkband The Offspring in Hamburg: “Unserem Fotografen zufolge hat das Band-Management von The Offspring vor Ort massive Fotografen-Knebelverträge aufgetischt. Agentur-Fotografen mussten sich verpflichten, ihr Bildmaterial noch am gleichen Abend dem Management vorzulegen, es durften keine Aufnahmen aus Untersicht gemacht werden, keine Frontalen und weitere Einschränkungen.”

4. “The idiot theory of news”
(scottberkun.com, englisch)
“Ein wichtiger Idiot hat etwas Dummes getan” – News nach diesem Schema gebe es viele, doch eigentlich seien das gar keine News, schreibt Scott Berkun.

5. “Armee der Unsichtbaren”
(zeit.de, Günter Wallraff)
Günter Wallraff arbeitet als Paketzusteller bei GLS: “Die Arbeit als Paketauslieferer im Dauerlauf und Dauerstress hat mich an meine Grenzen gebracht. Obwohl ich durchtrainiert bin und harte Arbeit kenne. Ich schäme mich fast, darüber mehr als einen Satz zu verlieren. Denn die Männer und die wenigen Frauen, die sich diesen Job antun, ertragen in den Monaten und Jahren, in denen sie durchhalten, ein Vielfaches.”

6. “Woran man erkennt, ob Dokumente wichtig sind”
(graphitti-blog.de, Katja)

Willkommen im Tollhaus!

Das ist ja toll:

Von Transfermarkt.de: Tolles EM-Heft für nur 4,90 Euro

Bei Bild.de sind sie jedenfalls hellauf begeistert:

Da bekommt jeder Lust auf die EM!

Am Kiosk gibt es schon jetzt alle Fakten zum Turnier.

Das Internet-Portal Transfermarkt.de hat ein handliches Nachschlagewerk (4,90 Euro) gezaubert: 216 Seiten mit allen Kadern, allen Marktwerten.

Dazu Interviews mit den Nationalspielern Manuel Neuer und Miro Klose. Titel-verdächtig!

Wer dieses tolle, titel-verdächtige und luststeigernde Zauberwerk kaufen will, muss noch nicht mal zum Kiosk rennen:

Einfach hier klicken und Heft bestellen!

transfermarkt.de gehört mehrheitlich zur Axel Springer AG, zu der auch die BILD digital GmbH & Co. KG gehört, die für Bild.de verantwortlich ist.

Ein Hinweis wie “Anzeige”, “Werbung” oder “In eigener Sache”, wie es der Pressekodex vorsieht, fehlt.

Mit Dank an Matt.

Kurzer Dienstweg

Wenn Medien etwas berichtet haben, was in den Augen der Betroffenen nicht stimmt, haben diese das Recht auf eine Gegendarstellung. Je nach Thema, Person und Medium kann die Veröffentlichung einer solchen Gegendarstellung schon mal mehrere Monate dauern.

Es geht aber auch schneller.

So hatte “Bild” am Freitag über die Hochzeit von “Rüpel-Rapper” Bushido (O-Ton “Bild”) berichtet:

Bushido feierte die Hochzeitsnacht mit Kumpels — ohne Braut

Das war offenbar falsch, wie “Bild” schon gestern schrieb:

Korrektur: BILD berichtete am 25. Mai unter der Überschrift "Bushido feierte die Hochzeitsnacht mit Kumpels — ohne Braut": "Statt mit seiner hochschwangeren Frau (...) nach Hause zu fahren, ließ es Bushido nach der gediegenen Feier später allein richtig krachen. Bis spät in die Nacht feierte er im VIP-Bereich des Berliner Szeneclubs "Matrix" mit seinen Kumpels." Dies ist offenbar falsch. Denn wie Bushido der BILD mitteilte, hat er in seiner Hochzeitsnacht nicht allein mit seinen Kumpels in einem Club gefeiert, sondern ist mit seiner Frau gemeinsam nach Hause gefahren.

Den Ursprungsartikel hat Bild.de entfernt.

Mit Dank auch an Lothar Z.

Konformitätsdruck, BBC News, Oe24

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Am Medienpranger”
(zeit.de)
Ein langes Gespräch zwischen Frank Schirrmacher und Giovanni di Lorenzo, moderiert von Katrin Göring-Eckardt. Schirrmacher: “Wir müssen erkennen, dass der sogenannte Empfänger ein Medium geworden ist, das selbst senden kann. Ein Blog kann genauso wichtig sein wie ein Leitartikel in der FAZ oder ein Spiegel-Artikel. Wir alle begreifen erst allmählich die Wirkung dieser Technologie auf unsere Gesellschaft.” Di Lorenzo: “Ich beobachte in den deutschen Medien seit einiger Zeit einen besorgniserregenden Hang zum Gleichklang. Das Merkwürdige dabei ist, dass der Konformitätsdruck nicht von bösen Regierungen oder finsteren Wirtschaftsmächten ausgeübt wird. Vielmehr kommt er aus unserer eigenen Mitte, er geht von den Journalisten, Lesern und Zuschauern aus.”

2. “Nie wieder Krieg! Nie wieder Sarrazin!”
(tagesspiegel.de, Alexander Gauland)
“Waren es früher rechte und linke Extremisten, die das freie Wort unterdrückten, gibt es heute zunehmend eine Radikalität der Mitte, die bestimmen möchte, was im Diskurs zugelassen ist und was ohne Diskussion der Verdammung verfällt. Nicht Richtig oder Falsch zählen, sondern die gesellschaftliche Nützlichkeit eines Arguments.”

3. “BBC News uses ‘Iraq photo to illustrate Syrian massacre'”
(telegraph.co.uk, Hannah Furness, englisch)
Die Website “BBC News” verwendet ein 2003 im Irak aufgenommenes Foto in einem Artikel über Syrien und schreibt dazu: “This image – which can not be independently verified – is believed to show the bodies of children in Houla awaiting burial.” Fotograf Marco di Lauro: “What I am really astonished by is that a news organization like the BBC doesn’t check the sources and it’s willing to publish any picture sent it by anyone: activist, citizen journalist or whatever.”

4. “Warum sind Tageszeitungen immer so groß?”
(youtube.com, Video, 3:23 Minuten)
Ein Beitrag von “Wissen macht Ah!”: “Je größer die Seiten sind, desto schneller und billiger lässt sich eine Zeitung herstellen.”

5. “Kritik an oe24.at-Liveticker: Begräbnis ‘absolutes Tabu'”
(derstandard.at)
Ein Liveticker von oe24.at zu einem Begräbnis eines ermordeten Kindes löst Empörung aus.

6. “Ach Günter!”
(ad-sinistram.blogspot.de, Roberto J. De Lapuente)
Roberto J. De Lapuente blickt auf die Sendung “Günter Wallraff deckt auf!” (heute bei RTL, 21:15 Uhr). “Wird denn die BILD tagsdrauf berichten, was RTL an Köstlichkeiten ausgestrahlt hat? So macht es diese Zeitung doch stets, wärmt die lahmen Geschichten um Rach, Jauch oder Bause nochmals auf, um dieselbe Kundschaft zu bedienen, die auch RTL versorgt mit diesen zu Wichtigkeiten erhobenen Nichtigkeiten.”

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Überrundete Enthüllung

Es gibt “Aufregung um unseren Doppel-Weltmeister”:

Englische Medien berichten, Vettel habe einen Vor-Vertrag bei Ferrari für Saisonbeginn 2014 unterschrieben. Neue Gerüchte um einen Wechsel von Red Bull zu den roten Italienern!

Überraschung: Wenn Vettel wollte, könnte er…

BILD enthüllt: Er hat tatsächlich eine geheime Ausstiegsklausel in seinem Red-Bull-Vertrag! (…)

Red-Bull-Boss Helmut Marko bestätigt die Klausel auf BILD-Nachfrage: “2013 ist er fix bei uns. Für 2014 gibt es eine leistungsbezogene Klausel in seinem Vertrag – für ihn und für das Team.”

Bei “Bild” sind sie auf diese “Enthüllung” so stolz, dass sie damit ganz groß aufmachen:

Vettel: Geheime Ausstiegsklausel

Eine echte Überraschung — zumindest für all die Motorsportinteressierten, die nicht irgendwann in den letzten 14 Monaten diese Meldung auf motorsport-magazin.com gelesen haben:

Formel 1 - Mateschitz bestätigt Vettel-Ausstiegsklausel: Rein formale Regelung. Sebastian Vettel könnte Red Bull trotz seiner erst kürzlich abgeschlossenen Vertragsverlängerung verlassen - das bestätigte nun Teamgründer Dietrich Mateschitz.

Darin heißt es über Dietrich Mateschitz, Eigentümer von Sebastian Vettels Rennstall Red Bull Racing:

Mateschitz bestätigte erstmals die Existenz einer Ausstiegsklausel im neuen Vertrag. “Diese Regelung gibt es zwar formal, wäre aber kaum notwendig”, meinte der Österreicher gelassen.

“Wenn wir Sebastian kein wettbewerbsfähiges Auto geben können und er trotz eines Vertrages darum bitten würde, ihn gehen zu lassen, kann ich mir nicht vorstellen, dass wir dieser Bitte nicht folgen würden”, erklärte Mateschitz.

Mit Dank an Adrian B.

VW-Ausflug ins östliche Schleichwerbetal

Nein, das ist keine Werbung für einen Pannendienst:

Das ist ein Foto von der Titelseite der “Dresdner Neueste Nachrichten” vom vergangenen Freitag. Man sollte es dennoch nicht für redaktionellen Inhalt halten, auch wenn es auf Seite 1 keinerlei Hinweise auf die Natur des Bildes gibt.

Die folgen erst weiter hinten in der Zeitung:

Moment, das ist immer noch schlecht zu erkennen:

Anzeigen — Unterstützt von AutoForum

Die “DNN” beschreiben ihr Projekt so:

Anfang des 20. Jahrhunderts war das Automobil ein begehrtes Luxusobjekt, das sich nur wenige leisten konnten — und ein Megatrend wie heute vielleicht das iPhone. 1929 veröffentlichten die “Dresdner Neuesten Nachrichten” für die frühen Automobilisten eine Serie von Autoausfahrt-Tipps. Ein DNN-Leser stellte uns die historische Serie von einst zur Verfügung. DNN-Redakteure von heute sind die Strecken von damals nun in diversen VW-Automobilen erneut abgefahren. (…)

Garniert ist die Reihe mit einem Gewinnspiel, bei dem die DNN “mit Unterstützung von sechs VW-Autohäusern in Dresden, Freital und Heidenau” zwei “Mietwagen-Wochenenden im Wert von je 300 Euro” verlosen. Verfügbar sind “ein VW Golf Cabriolet und ein VW Tiguan”. Dass es ähnliche Kooperationen schon bei der Originalserie von 1929 gab, ist unwahrscheinlich: VW wurde erst ein paar Jahre später gegründet.

Im Online-Auftritt der “DNN” muss der Leser für die Lektüre der “unterstützten” Anzeigen-Serie übrigens bezahlen.

Kostenlos bekommt er nur diese Würdigung des jüngsten VW-Kleinwagens:

Der Motor des kleinen Stadtwagens surrt am Startplatz in Heidenau leise, aber vergnüglich vor sich hin, als ob sich der “Up!” schon auf den Ausflug durch das kurvige Müglitztal freuen würde.

Hinweise auf den kommerziellen Hintergrund gibt es bei dnn-online.de dafür keine.

Mit Dank an stefanolix!

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Islamhass ist für “Bild” nicht der Rede wert

Es gibt in Deutschland Menschen, die nennen Moslems öffentlich “Jammertürken”, “Muselaffen”, “Muselgeier”, “Talibanfurzer”, “windelpupsende Mamasöhnchen”, “Arschhochbeter”, “Ziegenschänder”, “Eselficker” oder schlicht “Gesoxe” – und verstecken sich selbst dabei hinter Fantasienamen wie “Kreuzritter”, “RadikalDemokrat” oder “Islamophobius”.*

Und es gibt Menschen, die bieten diesen Leuten ein Forum. Die Betreiber der Internetplattform “politically incorrect” (kurz PI) sind solche Menschen. Sie nennen sich “Islamkritiker”, sind aber Islam-/Moslemhasser – und Thilo Sarrazin ist ihr Gott einer ihrer Helden.

"lispelnde, stotternde, zuckende Menschen-Karikatur" -  Diese Journalistin muss sich bei Sarrazin entschuldigen ... und einen Leser beschimpft sie als "flachgewichst"Das alles muss man wissen, wenn man diesen Artikel in der “Bild”-Zeitung vom vergangenen Samstag liest. Denn im Artikel selbst, erschienen als Seite-2-Aufmacher, steht davon kein Wort.

Warum auch? Schließlich geht es darin ja scheinbar nur um die kurdischstämmige Journalistin Mely Kiyak, die in einer ihrer häufig sehr streitbaren Kolumnen (erschienen in “Berliner Zeitung”, “Frankfurter Rundschau” sowie in den Online-Ausgaben beider Zeitungen) den Buchautor Thilo Sarrazin eine “lispelnde, stotternde, zuckende Menschen-Karikatur” genannt hatte – was (angesichts der Tatsache, dass Sarrazins rechte Gesichtshälfte seit einer Tumor-OP 2004 teilweise gelähmt ist), nun ja, womöglich nicht die beste Idee der Welt war. Jedenfalls nahmen beide Zeitungen die Kolumne kommentarlos aus ihrem Online-Angebot, und die “Berliner Zeitung” druckte am Freitag sogar eine “Klarstellung”, in der Kiyak ihre Wortwahl sehr bedauert.

Aus Kiyaks “Klarstellung”:

“[…] Meine Intention war zu keinem Zeitpunkt, ihn persönlich herabzusetzen. Thilo Sarrazin erscheint als Diskutant ungewöhnlich und erfordert aufgrund seiner Sprache, Gestik und Mimik Toleranz und Rücksichtnahme. Selbst verweigert er aber diese Rücksichtnahme und Toleranz hinsichtlich Erscheinungsbild, Lebensformen, Herkunft und Disposition Anderer. Mir ging es darum, auf seine eigenen – nicht körperlich bedingten – Unvollkommenheiten in seinem Auftritt hinzuweisen; wie ich jetzt finde, mit unzulässigen Mitteln. Wenn ich den physiologischen Hintergrund gekannt hätte, hätte ich das Bild nicht gewählt. Ich bedauere das sehr! […]”

So weit, so unschön und, ja, berichtenswert – auch, wenn man bei genauerer Lektüre der “Klarstellung” erkennt, dass Kiyak sich darin, anders als “Bild” in Überschrift und Text suggeriert, mit keinem Wort entschuldigt – schon gar nicht bei Sarrazin (siehe Kasten). Aber das nur nebenbei.

Denn Kiyak schrieb weiter:

In den letzten Tagen erreichte mich allerdings auch eine gesteuerte und organisierte Beschwerdewelle, die die Grenzen der Empörung weit überschritt und sich nur noch in blankem Hass äußerte.

Wie solche “Beschwerdewellen” aussehen, hat Kiyak (aber bei weitem nicht nur sie) bereits häufiger erleben müssen und darüber sogar schon öffentlich berichtet – auch über die Auslöser: Islamhasser-Seiten wie PI nämlich dokumentieren islamhasserkritische Texte gern mit der Nennung von E-Mail-Adressen und weiteren Kontaktmöglichkeiten der Kritiker – und überlassen den Rest der geneigten Leserschaft…

“Bild” jedenfalls fasst das, was Kiyak in der “Klarstellung” schildert, dennoch (Hervorhebung von uns) als “eine angeblich ‘gesteuerte und organisierte Beschwerdewelle'” zusammen – hat dann aber noch eine weitere Kiyak-Geschichte parat:

Kürzlich attackierte sie in einem anderen Zusammenhang sogar einen ihrer Leser. BILD liegt eine E-Mail vor, die Kiyak am 18. Mai an Markus L. (Name geändert) schickte. Der hatte ihr in höflicher Sprache einen Leserbrief auf eine ihrer Kolumnen geschrieben.

Mely Kiyak schrieb L. zurück: “(…) Und auch sonst schreiben Sie so dämliche Grütze, dass man es kaum fassen kann. Als Zeitung schämen wir uns in Grund und Boden, solch einen flachgewichsten Leser wie Sie zu haben!”

Doch der Halbsatz “BILD liegt eine E-Mail vor” ist lächerlich – und irreführend: Die E-Mail (inhaltlich eher eine Art Manifest islamophober Überfremdungsängste mit persönlichen Anwürfen gegen Kiyak als Reaktion auf eine ihrer islamkritikerkritischen Kolumnen) wurde bereits vor einer Woche ins Internet gestellt – veröffentlicht auf journalistenwatch.com, einer privaten Website des Bundes-Pressesprechers der rechtspopulistischen Partei Die Freiheit, die auf vielfältige Weise mit der eingangs erwähnten Islamhasser-Seite PI verbandelt ist. Und nicht nur das. Der E-Mail-Wechsel wurde vor dem “Bild”-Artikel auch auf PI (und vielen anderen, ähnlichen Websites) dokumentiert – zusammen mit zahllosen beleidigenden PI-Leserkommentaren und dem redaktionellen Hinweis: “[D]iese abartigen Ausfälle einer Mely Kiyak darf man einfach nicht unkommentiert stehen lassen. Hier der Kontakt zur Frankfurter Rundschau, die dieser moslemischen Furie eine regelmäßige Plattform bietet: (…)” Außerdem hat journalistenwatch.com sogar eine Pressemitteilung zum Thema verschickt – zufälligerweise unmittelbar vor der “Bild”-Veröffentlichung.

Dafür, dass der “Bild”-Artikel nun, so wie er veröffentlicht wurde, in der Islamhasser-Szene bejubelt wird, kann “Bild” nichts. Beifall von der falschen Seite ist leider nie völlig ausgeschlossen. Aber: Dass in dem “Bild”-Artikel selbst kein (distanziertes) Wort über das unappetitliche und menschenverachtende Umfeld steht, das Kiyaks Entgleisung hervorgerufen und überhaupt erst öffentlich gemacht hat, ja, dass “Bild” sogar den Hintergrund der ganzen Auseinandersetzung, also die kritische Berichterstattung über die Islamhasser-Szene, komplett ausblendet, kann kein Zufall sein!

Der “Bild”-Artikel über Kiyak beginnt mit den Worten:

Sie ist schön, sie ist schlau. Aber woher kommt nur diese Wut im Bauch?

Ich hatte das schon fast wieder vergessen, aber ich glaube, ich kenne die Antwort.

*) Hinweis in eigener Sache: Die genannten Beispiele stammen aus dem Buch “Heile Welten – Rechter Alltag in Deutschland” (Leseprobe hier), das ich mitgeschrieben habe.

Barbara Salesch, Arthritis, Spiegel

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Krass: Die lieben Kollegen”
(msc.rhein-zeitung.de, Marcus Schwarze)
Marcus Schwarze hält den faz.net-Text “Wo wäre Günter Grass ohne Griechenland?” zunächst für die Wahrheit und muss in der Folge einen eigenen Tweet korrigieren. Er mahnt die Zeitung, sie könnte “durch solch ein Spiel mit falschen Fakten den wichtigsten Vorteil der etablierten Redaktionen verspielen: Ihre Glaubwürdigkeit”. Und kritisiert den Umgang mit den Lesern: “Die bei der FAZ nehmen die Internet-Offentlichkeit einfach nicht ernst.”

2. “Griff ins Justizklo (Wiederhlg.)”
(lto.de, Martin Rath)
Von der Sendung “Richterin Barbara Salesch” werden keine neuen Folgen mehr produziert, nur noch Wiederholungen ausgestrahlt. Martin Rath blickt zurück auf die fiktive Show: “Kolportiert wurde, dass im wahren Leben Angeklagte bei der Belehrung über ihr Schweigerecht abwinkten. Das würden sie schon von der Salesch kennen, auch wenn die – wie eingangs dargestellt – ein etwas eigensinniges StPO-Verständnis hat.”

3. “Wie neutral ist die Presse in eigener Sache?”
(carta.info, Wolfgang Michal)
Wolfgang Michal hält fest, dass die Presse in Sachen Urheberrecht nicht neutral ist: “Auch die Berichterstattung über Google (YouTube), Facebook und Apple kann guten Gewissens nicht als wirklich neutral bezeichnet werden. Denn auch hier sind die Verlage Partei, und sie verschärfen ihre Gangart immer dann, wenn sie sich von ihren Konkurrenten bzw. Geschäftspartnern gerade angegriffen oder über den Tisch gezogen fühlen.”

4. “The Express and arthritis (cont.)”
(tabloid-watch.blogspot.de)
Tipps gegen Arthritis auf den Titelseiten des “Daily Express”.

5. “journalisten können mit einer erektion ganze äcker pflügen!”
(wirres.net, Felix Schwenzel)
“Die Konferenz, vor der Politiker zittern”, die neue Werbekampagne des “Spiegel” von Jung von Matt/Fleet, siehe dazu auch “Redakteure als Testimonials: ‘Spiegel’ startet Markenkampagne” (horizont.net, Roland Pimpl).

6. “Exklusiv: Die erste Ausgabe der Postillon24 Nachrichten”
(der-postillon.com, Video, 12:55 Minuten)

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