Archiv für Mai, 2010

Krokodil, Alles was zählt, Brutaloschläger

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Wie ein Krokodil zur Zeitungsente wurde”
(ndr.de, Video, 5:25 Minuten)
Wie Arne Poll, Volontär bei der WAZ, Ende April angeblich ein Krokodil sichtet, darauf aber nicht die Polizei informiert, sondern einen Artikel schreibt, den andere Journalisten aufgreifen. Stellung zu seiner Sichtung möchte er gegenüber dem NDR heute keine mehr nehmen.

2. “Linke Sache: Copy’n’Paste-Journalismus”
(blogs.sueddeutsche.de/schaltzentrale, Johannes Boie)
Johannes Boie liest auf bild.de Textpassagen, die er 2007 in einem Portrait von Franziska Drohsel auf jetzt.de geschrieben hatte.

3. “Daily-Soap Alles was zählt angeblich von der FSK zensiert”
(schnittberichte.com, Bob)
Gemäss Bild.de wurde die RTL-Soap “Alles was zählt” von der FSK beschnitten, doch diese dementiert. “Es bleibt der Eindruck, dass RTL und Bild.de einen Skandal inszenieren wollten um die Daily-Soap Alles was zählt zu promoten.”

4. “iTunes: Die Bild-App ist eine Luxemburgerin”
(carta.info, Robin Meyer-Lucht)
Robin Meyer-Lucht kauft sich das PDF-Jahresabo für die Bild-App – und erhält dafür eine Abrechnung mit der luxemburgischen Mehrwertsteuer von 15 Prozent.

5. “www wie Wahrheit”
(dradio.de, Brigitte Baetz)
Wie Blogger die Medienwelt beeinflussen – mit Wikileaks und Stimmen von Stefan Niggemeier, Kai Gniffke, Jens Weinreich, Wolfgang Lieb und Alfons Pieper (auch als Audio, 18:11 Minuten).

6. “Ich, der gewalttätige Brutaloschläger ;-)”
(monsieurfischer.ch, Reto Fischer)
Reto Fischer findet ein Bild von sich in der “Aargauer Zeitung”, wie er einen Fußballspieler anrempelt. Nun müsse er “mit diesem unrühmlichen Auftritt in der Zeitung leben”, allerdings zeige die Momentaufnahme nicht, “was davor” und “was danach passiert ist”. “Ich kann mir, wie gesagt, auch heute noch im Spiegel in Augen schauen und weiss dabei, dass ich kein Gewalttäter oder Hooligan bin.”

iPatzer

Seit die Computerfirma Apple im Januar ihr “iPad” vorgestellt hat, hyperventilieren die deutschen Medien der Markteinführung hierzulande entgegen. Springer-Chef Mathias Döpfner ließ sich zu der Bemerkung hinreißen, alle Verleger sollten zu Apple-Chef Steve Jobs beten, weil der mit dem stylischen Flachcomputer die Verlagsbranche rette.

Insofern ist es womöglich kein Zufall, dass kaum ein Tag vergeht, an dem Bild.de nicht erklärt, wie gut das iPad sei (“so gut”), oder welches iPad der Leser brauche (ob er überhaupt eins braucht, stand offenbar nicht zur Debatte).

Gestern war dann unter anderem die Frage dran, welches iPad-Zubehör man “wirklich” brauche. Überraschenderweise fanden sich sogar Zubehör-Artikel, die “eher sinnlos” sind:

2. Retro-Spielautomat: Eine Halterung für das iPad, die aus dem Flach-Computer eine Spielekonsole im Retro-Look macht. Witzige Idee, aber ziemlich sinnlos, denn das iPad besitzt eine Gestensteuerung und reagiert auf Bewegungen des Gerätes. Das macht Joystick und Feuer-Taste komplett überflüssig.

Für die Menschen, die sich trotzdem für das sinnlose Objekt interessieren, hat Bild.de gleich einen Link parat, der zu einer Bildergalerie des Mediendienstes meedia.de führt.

Und da findet man dann nach gefühlten 200 Klicks das überflüssige Wahnsinnsgerät:

Leider nur ein Aprilscherz des Webshops ThinkGeek, aber dieses Gadget wäre ein absolutes Muss für jeden iPad-Vernarrten, der mit Pac Man, Donkey Kong und Space Invaders aufgewachsen ist.

Extra für die Redakteure von Bild.de haben wir noch einmal das wichtigste Feature aus der Produktbeschreibung herausgesucht:

Aprilscherz

Mit Dank an Thomas.

Nachtrag, 14. Mai: Bild.de hat den “Retro-Spielautomaten” aus dem Artikel entfernt. Jetzt gibt es nur noch zwei “eher sinnlose” Zubehör-Produkte.

Große-Bley, Rüttgers, Delling

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. Interview mit Ralph Große-Bley
(zeit.de, Ralph Pöhner und Peer Teuwsen)
Ex-“Bild”-Mitarbeiter und nun “Blick”-Chefredakteur Ralph Große-Bley, derzeit in den Schlagzeilen wegen einer zweiten Entschädigungszahlung an Thomas Borer, kennt ein “Sprichwort”, das an ein Zitat von Eric Schmidt erinnert: “Wenn Sie heute sehen, wie sich die Leute für irgendwelche Party-Sites fotografieren lassen, alkoholisiert, küssend, kniend, knutschend. Was man da zeigen darf, wird immer wieder aufs Neue eine spannende Frage sein. Es gibt ein Sprichwort: ‘Wenn du nicht willst, dass etwas über dich in der Zeitung steht, dann sorge dafür, dass es nicht passiert.'”

2. Interview mit Günter Netzer
(fr-online.de, Jan Freitag)
Günter Netzer über Gerhard Delling: “Er ist ein Spießer, so wie ich. Ein hochseriöser Junge, sprachlich auf dem allerbesten Stand. Man kann sich auf ihn verlassen. Delling hat diesen besonderen Humor, nie auf billigem Niveau.”

3. “Vertrauensvorschuss”
(taz.de, Max Dax)
Max Dax fragt sich, wie “der Vertrauensvorschuss, den Popkritiker benötigen, um als erkenntnisstiftende Instanz respektiert zu werden, wiederhergestellt werden” kann.

4. “TV-Berichterstattung zur NRW-Wahl”
(funkkorrespondenz.kim-info.de, Dietrich Leder)
Dietrich Leder beurteilt die Fernsehbilder der NRW-Wahl mit dem abwesenden Jürgen Rüttgers: “Jene, die ihn – wie seine Parteifreunde Andreas Krautscheid oder Armin Laschet – in den Diskussionsrunden der nordrhein-westfälischen Spitzenkandidaten vertraten, rangen sich obskure Entschuldigungen ab, denen zufolge Rüttgers noch andere terminliche Verpflichtungen habe – am Wahltag!” Eine gegenteilige Meinung dazu vertritt Lorenz Jäger auf faz.net; er sieht im Schweigen Rüttgers am Wahlabend “die Kunst der Abdankung”.

5. “Nominierte Grimme Online Award 2010”
(grimme-institut.de)
23 Websites wurden für den Grimme Online Award 2010 vorgeschlagen.

6. “Ein britischer Forscher fordert mehr Privatsphäre für Tiere”
(zeit.de, Frauke Lüpke-Narberhaus)
“Tiere bauen Nester, verstecken sich in Höhlen, klettern auf Bäume. Sie wollen nicht gesehen werden. Statt dieses Verlangen zu respektieren, stellen ihnen Paparazzi mit Zoomobjektiven, Nachtsichtgeräten und Peilsendern nach.”

Wer alles nicht Ministerpräsident in NRW wird

Auch zwei Tage nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ist einigermaßen unklar, wie die nächste Landesregierung aussehen könnte. Die Spekulationen schießen ins Kraut und die Beobachter und Kommentatoren versuchen sich mit Zahlenspielen und abwegigen Vorschlägen zu übertrumpfen. Sogar die “israelische Lösung” wurde schon in die Runde geworfen.

In einem Kommentar in der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” stellt Georg Paul Hefty heute einige Alternativvorschläge für das Amt des Ministerpräsidenten vor:

Sollte die CDU einen Ministerpräsidenten brauchen – und Rüttgers von dem oder den Koalitionspartner(n) abgelehnt werden -, müssten wohl Bundespolitiker in die Bresche springen. Dafür kämen nur Spitzenleute in Betracht: die Bundesminister Pofalla und Röttgen, eventuell auch der zweite Mann im Staate, Lammert.

Selbst wenn Jürgen Rüttgers – aus welchen Gründen auch immer – der CDU nicht als Ministerpräsident zur Verfügung stünde: Die Herren Pofalla, Röttgen und Lammert würden es sicher auch nicht — zumindest nicht, ohne gegen die nordrhein-westfälische Landesverfassung zu verstoßen.

In Artikel 52, Absatz 1 heißt es nämlich:

Der Landtag wählt aus seiner Mitte in geheimer Wahl ohne Aussprache den Ministerpräsidenten mit mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder.

[Hervorhebung von uns]

Ein Anruf bei, sagen wir Mal: Harald Schartau hätte der “FAZ” schon geholfen: Der SPD-Mann hatte 2002 nicht Nachfolger von Ministerpräsident Clement werden können, weil er auch nicht über das erforderliche Landtagsmandat verfügte.

[via pottblog]

Nachtrag, 19. Mai: Die “FAZ” druckt heute auf Seite 8 den Brief eines Lesers aus Koblenz ab, der darauf hinweist, dass in NRW nur Mitglieder des Landtags Ministerpräsident werden können. Damit hat der Fehler von letzter Woche wohl als “korrigiert” zu gelten.

Mit Dank an Jesco H.

Bild  

Golfkriegsberichterstattung mit Tiger Woods

Weil auch “Bild” nicht ausschließlich über das Privatleben von Sportlern berichten kann, kam die Meldung gerade recht, dass Tiger Woods bei einem Golfturnier angegriffen worden sei:

Irrer greift Tiger Woods an!

Ohne auf die doch eher unspannende Sportart eingehen zu müssen, konnte “Bild” erst einen halben Artikel über den Vorfall schreiben — und den Rest des Textes dann mit Meldungen aus dem Privatleben des Sportlers auffüllen.

Nur: Den “Angriff” auf Woods hat es in dieser Form nicht gegeben.

Der Linksgolfer hat die “Bild”-Geschichte auseinandergenommen und kommt zu dem Schluss, dass weite Teile “nur in der blühenden Fantasie der Bild-Zeitung” stattgefunden haben:

Mit Dank auch an die Hinweisgeber.

Streifenwagen, Altpapier, Lotterleben

6 vor 9

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1. “Wie Deutschlands Polizei mit Fernsehsendern kooperiert”
(dradio.de/dlf, Klaus Deuse)
In Hessen und Sachsen gibt es eine “Tarifliste für polizeiliche Filmdienste”, in der vom Polizeihund über den Streifenwagen bis zum Schlagstock alles aufgeführt ist. “Für das Engagement eines Polizeimeisters verlangt das hessische Innenministerium um die 70, für das eines echten Kommissars an die 90 Euro pro Stunde.”

2. “Aktuelle NRW-Wahlergebnisse? Bei @popkulturjunkie”
(medialdigital.de, Ulrike Langer)
Ulrike Langer vergleicht die aktuelle Ergebnisberichterstattung des ZDF zur NRW-Wahl mit jener von @popkulturjunkie Jens Schröder. “Es bleibt die interessante Frage, warum das ZDF mit seinem gesamten Apparat, seinen direkten Drähten nach Düsseldorf und wesentlich mehr Rechenleistung nicht schaffte, was ein einzelner Journalist mit Bordmitteln und Engagement hinbekam: Zuverlässig und auf dem aktuellen Stand berichten.”

3. “Der Aufstand der Radios”
(tagblatt.ch, Nick Joyce)
Alternative Radios verzichten auf eine Promotionsplattform – im Gegenzug werden sie von den grossen Labels nicht mehr mit Interviews und Presse-CDs beliefert. Sie überlegen nun, “verstärkt auf das Repertoire jener Labels zuzugreifen, die ihnen Neuveröffentlichungen auflagenfrei zur Verfügung stellen.”

4. “Und alle so: Whiskey!”
(evangelisch.de, Klaus Raab)
“Das Altpapier” ist zurück. In der ersten auf evangelisch.de erschienen Ausgabe geht es um fehlenden Whiskey “in den Konferenzen der Wochenzeitung Die Zeit”.

5. “Spiegel kritisiert guten Journalismus von Stefan Niggemeier”
(frankfurter-magazin.de, Heiner Hänsel)
Heiner Hänsel über die “Spiegel”-Spalte “Kritiker in der Kritik”.

6. “Lotterleben”
(titel-magazin.de, Isabel Bogdan)
Isabel Bogdan beschreibt die Arbeitssituation jener, die nicht das Haus verlassen, um zu arbeiten. “Sich immer wieder selbst zu motivieren, sich zusammenzureißen, zu arbeiten, obwohl man noch schnell die Fenster putzen könnte oder noch ein Stündchen schlafen, das Dokument auf- und das Internet zuzumachen, obwohl einem kein Chef über die Schulter guckt, all das ist verdammt harte Arbeit. Und das ist mein Ernst.”

Diktatoren zum An- und Abschalten

Es sind einige steile Thesen und “überraschend anders” zu nennende Gedankengänge, die der Philosoph und Kulturwissenschaftler Bazon Brock da vergangene Woche im Interview mit FAZ.net ausplauderte:

Vor fünf Jahren wurden Sie für Ihren Vergleich von Internet und GULAG gescholten. Fühlen Sie sich von den Entwicklungen seitdem, etwa durch die sozialen Netzwerke, bestätigt?

Als wir das vor Jahren sagten, haben die Leute uns für verrückt erklärt. Wir waren vor Jahren viel weiter und haben gesagt, dass das, was die Lager der totalitär-faschistischen Regime, des stalinistischen oder des Hitler-Regimes waren, jetzt, als Weltlager, das Netz geworden ist. Und es ist extrem gefährlich geworden, dort überhaupt in die Akten zu kommen, auffindbar zu sein. Wir wissen, wie delikat der Datenmissbrauch ist, wie hoch die Erpressungsmöglichkeiten liegen, nicht nur von Kriminellen, sondern auch von den eigenen Regierungen und den eigenen Institutionen.

Wie gesagt: Steile Thesen und überraschend andere Gedankengänge, mit denen es Brock spontan ins Hitler-Blog unseres Kollegen Daniel Erk schaffte.

Wer das Interview am Donnerstag las, stieß allerdings auf eine Hitler- und Stalinfreie Fassung, wie Mario Sixtus erstaunt in seinem Blog feststellte:

Wir waren vor Jahren viel weiter und haben gesagt, dass das, was die Lager der totalitär-faschistischen Regime, jetzt, als Weltlager, das Netz geworden ist.

Sixtus’ Eintrag trat einige Diskussionen los, die wiederum dazu führten, dass die FAZ.net-Redaktion am Freitag die Ursprungsfassung wiederherstellte und den Artikel mit folgendem Hinweis versah:

Aufgrund vielfältiger Proteste gegen einen Nebensatz in diesem Interview (fünfte Frage, zweiter Satz: “des stralinistischen … waren”) haben wir die nicht-argumentationsrelevante Passage am 4. Mai entfernt und dabei den Fehler gemacht, dies nicht zu kennzeichnen. Der Blog von Mario Sixtus hat den Fehler aufgegriffen und damit eine Diskussion über die Notwendigkeit des Eingriffs ausgelöst, in der uns die Argumente dagegen überzeugt haben. Wir veröffentlichen das Interview daher wieder in der ursprünglichen Form. (7. Mai, 13.40 Uhr)

Wir wollten am Freitagnachmittag von FAZ.net wissen, warum überhaupt die “nicht-argumentationsrelevante Passage” noch nach der Veröffentlichung des Interviews entfernt worden sei, haben aber bisher keine Antwort erhalten.

Gerüchte, Kriegsreportagen, SRG

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Kobuk enttarnt ‘Österreichs’ faulsten Lehrer”
(kobuk.at, Hans Kirchmeyr)
Das Portal oe24.at zeigt mit Pfeil auf ein unkenntlich gemachtes Symbolbild eines Lehrers und schreibt dazu: “Das ist Österreichs faulster Lehrer”.

2. “Wie der Boulevard Gerüchte streut”
(11freunde.de, Alex Raack)
Ein paar Gedanken zu Schlagzeilen wie “Also doch” und “Was läuft da mit”: “Ganz krude wird es, wenn sich die Bild-Zeitung ganz offenherzig bei den Vielschreibern aus dem transfermarkt.de-Forum bedient, quasi der Großküche für Gerüchte. Schnell landen dann mal Wunschgedanken und Tagträume von meinungsfreudigen Fußball-Fans als brandheiße News auf der Online-Präsenz des Springer-Riesen.”

3. “Zehn Gründe, warum das Schreiben im Internet viel einfacher ist”
(magda.de, Wolfgang Michal)
Wolfgang Michal zählt zehn Gründe auf, warum Schreiben ohne Gatekeeper und Kürzungszwang, dafür mit Emotion, Aktualität, Links und Verbesserungsmöglichkeiten einfacher sein kann.

4. “Der Tod kam wie am Fließband”
(einestages.spiegel.de, Hans-Jörg Michaelsen)
Hans-Jörg Michaelsen über Ernie Pyle, der abseits der militärischen Führung über den Krieg schrieb. “Seine Reportagen wurden nicht nur in der Heimat, sondern auch in den vordersten Kampflinien gelesen. Sie erreichten die Soldaten per Feldpost aus der Heimat. Smarte Generäle sucht man in seinen Berichten vergebens. Stattdessen erwähnte Pyle die Namen und Heimatorte der einfachen Soldaten, für deren Eltern und Nachbarn war das eine Sensation. Man sprach wochenlang davon.”

5. “Leistungsschutzrecht für Presseverlage”
(irights.info)
Der Redaktion von iRights.info wurde ein Entwurf (PDF-Datei, 36 kb) eines möglichen Leistungsschutzrechts zugespielt, das einen “Formulierungsvorschlag der Presseverleger sowie Änderungsvorschläge der Gewerkschaften DJV und dju/ver.di” enthält. “Würde der Gesetzgeber diesen Forderungen Folge leisten, würde das unweigerlich zu einer nie da gewesenen Rechtsverwirrung führen und die Berichterstattung und Informationsvermittlung sowie -beschaffung in einer Weise beeinträchtigen, die bislang nur in Ansätzen absehbar ist.”

6. “Fernsehapparatschiks”
(sonntagszeitung.ch, Roger Schawinski)
Roger Schawinski kommentiert die anstehende Wahl eines neuen Generaldirektors der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG. “Wie wird es ausgehen? Niemand weiss es. Die SRG wird geführt wie der Vatikan. Oder der Kreml zu Sowjetzeiten. Ein Idealkandidat ist nicht in Sicht.”

… erhalten Sie einen Michael Ballack dazu!

Den meisten Bürgern (und auch vielen Politikern) dürfte nicht ganz klar sein, worum es genau bei diesem “Rettungspaket” geht, das der Bundestag am Freitag für Griechenland “geschnürt” hat.

Aufklärung kommt da von der Sportredaktion des Kölner “Express”, die weltexklusiv herausgefunden hat, was mit dem Geld geschieht:

Doch jetzt trudelte eine komplett irre Offerte ins Haus des Nationalspielers: Panathinaikos Athen will Ballack haben. Geld? Spielt keine Rolle. EXPRESS erfuhr aus sicherer Quelle: Für drei Jahre bieten die Griechen Deutschlands Topstar 20 Millionen US-Dollar (16 Millionen Euro). Netto, versteht sich.

Sie haben’s ja, die Griechen. Schließlich hat am Freitag ja Deutschland den Weg frei gemacht für 22,4 Milliarden Euro Notkredite, um eine Staatspleite abzuwenden. Und mit so viel Kohle kann man sich ein paar Fußballer leisten.

Diese Taktik ist freilich nicht neu: Seit Island vor anderthalb Jahren vor der drohenden Staatspleite gerettet wurde, haben sich die dort ansässigen Fußballteams bekanntlich auch mit Weltstars eingedeckt und dominieren seitdem den europäischen Fußball wie keine zweite Nation.

Aber nicht nur Fußballfans und Ökonomen werden bei express.de überrascht — auch Historiker können noch was lernen:

Massenproteste auf Athens Straßen, drastische Sparmaßnahmen der Regierung – aber Panathinaikos will den ganz großen Wurf auf dem Transfermarkt. “Brot und Spiele” – das haben sich die alten Griechen von den Römern abgeschaut …

Ein bisschen widerspricht sich der Autor dann aber doch:

Schon im letzten Jahr schlug man auf dem Transfermarkt zu, holte Frankreichs Djibril Cissé für 8,5 Millionen Euro Ablöse und ein Jahresgehalt von 2,5 Millionen Euro.

Wie die das damals wohl finanziert haben, so ganz ohne deutsche Staatshilfe?

Schlicht falsch ist schließlich die Überschrift, die den Artikel ziert:

Für 16 Millionen Euro: Irre! Pleite-Griechen wollen Ballack kaufen

Nein, wollen sie nicht: Da Ballacks Vertrag beim FC Chelsea im Sommer ausläuft (wie express.de selbst schreibt), könnte er ablösefrei wechseln. Übrigens überall hin — vielleicht sogar zu einem Verein, der selbst finanziell schwer angeschlagen ist, aber aus Deutschland kommt.

Mit Dank an Daniel K.

Post für den Presserat

Es ist ja leider nicht so, dass der Pressekodex des Deutschen Presserates vollkommen eindeutig wäre. Zum Persönlichkeitsrecht heißt es etwa unter Ziffer 8:

Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen. Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche Interessen, so kann es im Einzelfall in der Presse erörtert werden. Dabei ist zu prüfen, ob durch eine Veröffentlichung Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter verletzt werden. Die Presse achtet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gewährleistet den redaktionellen Datenschutz.

Dass die “Bild”-Zeitung und Bild.de diese Regeln im besten Falle sehr lax auslegen und im schlechteren Falle schlichtweg missachten, ist keine Neuigkeit. Und auch die entsprechenden Reaktionen des Presserats sind keineswegs neu (s. Kasten).

Als “Bild” “nun” – ohne die zutreffende Formulierung “zum wiederholten Male” – vom Presserat (“dem obersten Sittenwächter der Presse”) “getadelt” wurde, nahm die Zeitung dies zum Anlass für einen großen Artikel in eigener Sache:

Deutscher Presserat entscheidet: BILD soll Kinderschänder nur noch so zeigen

Wörtlich heißt es da:

Trotz der hohen öffentlichen Aufmerksamkeit urteilte der Presserat: “Zwar handelt es sich bei Kindesmissbrauch um eine sehr verwerfliche Straftat. Dies rechtfertigt aber nicht die identifizierende Darstellung des Täters.”

Und weiter:

Seit Wochen diskutiert ganz Deutschland über den sexuellen Missbrauch von Kindern durch ihre Lehrer an Schulen und kirchlichen Einrichtungen – aber der Presserat hält den Wunsch der Täter nach Anonymität für wichtiger als den Anspruch der Bürger auf klare und vollständige Information.

Neu ist allerdings, dass “Bild” und Bild.de die Regeln des Presserates nicht einfach nur ignorieren, sondern Stimmung gegen diese machen und versuchen, den Presserat selbst unter Druck zu setzen. Und zwar mit Hilfe ihrer Leser.

Daran schloss sich der Aufruf an die Leser an, sich per E-Mail, Post oder Fax an den Presserat zu wenden:

Was sagen Sie dazu? Schreiben Sie dem Presserat!

Die “Maßnahmen” des Presserates:

Hat eine Zeitung oder eine Zeitschrift gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:

  • einen Hinweis
  • eine Missbilligung
  • eine Rüge.

Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, tun sie es nicht.

Nun kam die “hohe öffentliche Aufmerksamkeit” nicht von ungefähr, sondern wurde ganz maßgeblich durch die Berichterstattung der “Bild”-Zeitung hervorgerufen. Würde man der Argumentation des Springer-Blattes folgen, könnte “Bild” letztlich selbst bestimmen, wer durch Ziffer 8 des Pressekodex geschützt wird und wer nicht — was die Regelung nun wirklich vollkommen ad absurdum führen würde.

Und natürlich handelt es sich nicht einfach um den “Wunsch der Täter nach Anonymität”, sondern um ein fundamentales Bürgerrecht, nämlich das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Doch all diese durchaus wichtigen Aspekte unterschlägt “Bild” — mit entsprechenden Konsequenzen für die Post an den Presserat.

Bis 13 Uhr waren dort etwa 250 E-Mails von “Bild”-Lesern eingegangen, bis 16 Uhr waren es über 350. Die Mehrheit der “Bild”-Leser folgte wenig überraschend der Argumentation der Boulevardzeitung. Einige der Mails waren nach Angaben des Presserats beleidigend. Manche Schreiber unterstellten gar, der Presserat selbst sei von Pädophilen beherrscht und würde sich nur daher auf die Seite der Täter schlagen. Nur wenige Kommentatoren lobten den Presserat für sein Eintreten für die Persönlichkeitsrechte.

An der Entscheidung aber, beteuerte man beim Presserat auf Anfrage, werden weder die Kampagne von “Bild”, noch all die E-Mails etwas ändern. Falls jemand den Presserat für diese Aufrichtigkeit loben mag, hier ist die E-Mail-Adresse: [email protected]

Mit Dank auch an die vielen, vielen Hinweisgeber!

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