Archiv für Dezember, 2009

Popstars, Mascolo, Climategate

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Popstars Du & Ich – Die Halbfinalentscheidung”
(youtube.com, Video, 6:34 Minuten)
Ab 4:30 Minuten verkünden die zwei Moderatoren von “Popstars”, was zuerst stilles Entsetzen, dann Buh-Rufe auslöst (vgl. “Wie Pro Sieben sein Publikum betrügt”): “Ihr müsst nicht weinen, denn wir haben eine grosse Überraschung für Euch. Heute abend fliegt niemand raus. Auf gar keinen Fall. Das Voting geht weiter.”

2. “Ich kann es nicht mehr hören”
(dondahlmann.de)
Don Dahlmann langweilt “dieses Blogger vs. Journalisten Getue”: “Den Kampf ‘der’ Blogger gegen ‘die’ Journalisten hat es nie gegeben. Es war und ist eine Auseinandersetzung über die Wahl des Publikations- und Distributionskanals (‘….aber die Haptik!’). Und ein Versuch der Verlage, von denen eigenen Schwierigkeiten beim Shift des Geschäftsmodelles abzulenken.”

3. Rede von Georg Mascolo
(netzwerkrecherche.de, Georg Mascolo)
Der “Spiegel”-Chefredakteur hält die Laudatio anlässlich der Verleihung des “Leuchtturms” an NDR Info und sagt, wie ein Journalist sein muss: “Der Journalist muss neugierig, er muss gründlich und ehrgeizig sein. Er darf die wahre Aufgabe seines Berufes nicht vernachlässigen – und das ist, den Dingen auf den Grund zu gehen. Wir bekommen unser Geld für unsere Neugierde. (…) Die Fleißigen, die Hartnäckigen, die Unerbittlichen sind es, die den Erfolg unserer Unternehmungen ausmachen.”

4. “Nun reicht es mit der Symbolik”
(blogmedien.de, Horst Müller)
Bettina Röhl spricht bei der Auszeichnung von Nikolaus Brender zum “Journalist des Jahres” auf debatte.welt.de von einem “Gesinnungspreis”. Horst Müller stellt fest, dass sich Brender dieses Jahr nicht “journalistischen Leistungen” hervorgetan hat: “Vielmehr sind die Mainzer in den vergangenen Monaten wiederholt mit journalistischen Fehlleistungen und peinlichen Pannen in ihren Informationssendungen aufgefallen.”

5. “Climategate und die Achse des Blöden”
(blogs.taz.de/reptilienfonds, Heiko Werning)
Heiko Werning beleuchtet, was bei Wikipedia “Hackerzwischenfall am Klimaforschungszentrum der University of East Anglia” und kürzer “Climategate” genannt wird, insbesondere die Rolle der “FAZ” und der “Welt”-Journalisten Dirk Maxeiner, Michael Miersch und Gideon Böss. Interessant auch die Kommentare, in denen sich der im Text erwähnte Hans von Storch zu Wort meldet.

6. “Schweinegrippe, war da was?”
(weltwoche.ch, Alex Reichmuth)
Alex Reichmuth schreibt zur grassierenden Schweinegrippe: “Für die übersteigerte Alarmstimmung waren vor allem auch die Medien verantwortlich: Mit einer Berichterstattung, deren Umfang jedes vernünftige Mass überstieg, haben Fernsehstationen, Radiosender und Zeitungen in den letzten Monaten jedes Detail zur Schweinegrippe in die Schlagzeilen gehoben.”

Will the real Kai Diekmann please stand up?

Nach wie vor ungeklärt ist, wer unter dem Namen “Kai Diekmann” in dem Blog Kai-Diekmann.de der Axel Springer AG schreibt. Zunehmend deutlicher wird allerdings, dass es sich nicht um den bekannten Chefredakteur gleichen Namens handeln kann.

Der Blogger “Kai Diekmann” macht sich heute wieder einmal über den Anwalt Johannes (“Jony”) Eisenberg lustig, der für viele Mandanten erfolgreich gegen Lügen und Persönlichkeitsrechtsverletzungen der “Bild”-Zeitung vorgegangen ist. Vor einigen Tagen hatte “Diekmann” in seinem Blog ein Interview veröffentlicht, das den spektakulären Eindruck erwecken sollte, mit eben diesem gegnerischen Anwalt geführt worden zu sein. Eisenberg hat nun vorhersehbar auf die Provokation reagiert und “Diekmann” aufgefordert, das zu unterlassen. “Diekmann” hat daraufhin ebenso vorhersehbar enthüllt, dass es ein ganz anderer Johannes Eisenberg war, mit dem er gesprochen hatte, und arbeitet weiter an seinem Image als coole Sau inmitten einer Welt voller klagewütiger Spaßbremsen:

Nur zur Klarstellung: Es kann doch wohl keiner geglaubt haben, Johannes sei Jony. Am allerwenigsten Jony selbst! Sie, liebe Blog-Freunde, haben für diese Erkenntnis nur gefühlte zehn Minuten gebraucht!!!

Oder ist alles noch viel schlimmer? Schlägt sich Jonys Verfolgungswahn Empfindlichkeit jetzt schon darin nieder, dass er sogar Interviews mit Namensvettern verbieten will? (…)

Lieber Jony, ich kann Dir als Dein Freund und Genosse wirklich nur noch raten: Mach doch mal Urlaub (vielleicht sogar in Thüringen, Tschechien oder im Erzgebirge…). Das wirkt bei Überspannungen Wunder.

Wegen so eines Spaßes gleich den Rechtsweg beschreiten — das würde “Kai Diekmann”, der Blogger, nicht tun.

Im Gegensatz zu Kai Diekmann, dem Chefredakteur der “Bild”-Zeitung.

Vor einem Dreivierteljahr begann Stefan Sichermann*, der Chefredakteur der sympathischen, nicht-kommerziellen Satireseite “Der Postillon”, unter dem Namen “DerChefred” zu twittern. Sein erster Eintrag lautete: “So der Chefredakteur von Der
Postillon ist jetzt auch bei Twitter! Geil!” Als Homepage gab er den “Postillon” an. Aber als Profilfoto benutzte er ein Bild von Kai Diekmann. Was er schrieb, las sich so:

Nun würde man sagen: Es kann doch wohl keiner geglaubt haben, “DerChefred” sei Kai Diekmann. Selbst die Blog-Freunde von “Kai Diekmann” hätten für diese Erkenntnis nur gefühlte zehn Minuten gebraucht (!!!). Aber Diekmann sah da offensichtlich eine reale Verwechslungsgefahr …

… und schaltete, sicher geplagt von schlimmen Überspannungen, seinen Anwalt ein. Der hatte ebenfalls keine Mühe, den wahren Absender zu erkennen, und mahnte ihn ab:

(…) Der Betrieb dieses Profils und insbesondere die unerlaubte Veröffentlichung des Bildes meines Mandanten stellt einen rechtswidrigen Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht und Recht am eigenen Bild gemäß § 22 KUG dar. Die unerlaubte Bildveröffentlichung erfüllt außerdem den Straftatbestand des § 33 KUG. (…)

Stefan Sichermann hat daraufhin das Bild Diekmanns sofort aus seinem Twitter-Profil genommen, das zu diesem Zeitpunkt das Interesse von gerade einmal 13 Followern (regelmäßigen Lesern) erreicht hatte. Obwohl er sich — abgesehen von der Verwendung des urheberrechtsfreien Fotos — nie als Kai Diekmann ausgegeben hat, war die Sache damit nicht erledigt: Diekmanns Anwalt schickte ihm eine Rechnung. Er setzte den Streitwert auf 7500 Euro fest und errechnete daraus Gebühren in Höhe von 661,16 Euro — ein erheblicher Betrag für den 28-jährigen Volontär. Sichermann schaffte es mithilfe eines befreundeten Anwaltes immerhin, die Forderung unter Verweis auf den übertrieben hoch festgesetzten Streitwert auf einen “niedrigen dreistelligen Betrag” herunterzuhandeln.

Ein niedriger dreistelliger Betrag für die harmlose, weitgehend unbeachtete und erkennbar scherzhaft gemeinte Verwendung eines Fotos, in der ausgerechnet der “Bild”-Chefredakteur eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechtes sah.

Soviel zum Verfolgswahn des wahren Kai Diekmann.

*) Hinweis: Stefan Sichermann schreibt gelegentlich für BILDblog.

Eine Reise, die Fragen aufwirft

“Spiegel Online” lud gestern zum “Nintendo-Quiz”. Überraschenderweise muss man dafür nicht wissen, welchen Beruf Super Mario hat, wer “Tetris” erfunden hat oder wie die aktuelle Nintendo-Spielekonsole heißt.

Nein, darum geht’s:

Was bedeutet “Safari”? Wo leben die Sherpa? Und wer erfand eigentlich das Sandwich für Zwischendurch? Testen Sie im SPIEGEL-ONLINE-Reisequiz Ihr Wissen – und rätseln Sie sich mit Fragen aus dem Nintendo-Spiel “Weltreise” von Kontinent zu Kontinent.

Die Firma Nintendo bringt für ihren tragbaren Spielcomputer “Nintendo DS” seit längerem Spiele heraus, die “Spiegel Online” im Titel tragen: “Allgemeinwissen”, “Life Coach” und jetzt eben “Weltreise”.

Beim “Nintendo-Quiz” auf “Spiegel Online” gilt es, Fragen aus eben diesem Spiel zu beantworten. Und damit der Leser auch weiß, wie er an das Spiel kommt, findet sich links neben den Fragen ein subtiler Hinweis:

Spielerisch vermittelt SPIEGEL ONLINE – Weltreise allen Reiselustigen geographisches und länderspezifisches Wissen – vom Kofferpacken bis hin zu Geheimtipps am Zielort. Jetzt im SPIEGEL- Shop!

Wie traurig ist das: Der Online-Ableger des traditionsreichen Nachrichtenmagazins “Spiegel” stellt im Rahmen einer Werbeklickstrecke läppische Quizfragen (“Wo steht der Buckingham Palace?”), die die Journalisten entweder einem Computerspiel entnommen oder ursprünglich selbst für das Computerspiel geschrieben haben, aus dem sie sie nun wieder recyclen, um dafür zu werben.

Gestern Nachmittag haben wir “Spiegel Online”-Chefredakteur Rüdiger Ditz gefragt, ob das Quiz nicht wenigstens als “Anzeige” bzw. “Eigenanzeige” gekennzeichnet werden müsste.

Eine Antwort haben wir bisher nicht bekommen, aber statt “Nintendo-Quiz” steht plötzlich etwas anderes über den Fragen:

Reisequiz: Einmal um die Welt gerätselt

Mit Dank an Achim S.

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Ohr-ab-Verleger findet Killerapplikation

Mathias Döpfner, der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG, hat vor einigen Monaten angekündigt, mit kostenpflichtigen Anwendungen für das iPhone neue Einnahmen zu generieren. In der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” sprach er von einer geradezu “heiligen Verantwortung”, die die Verleger hätten, “alles zu versuchen, um eine Wirtschaftsgrundlage für die digitale Welt zu schaffen”. Entscheidend sei bei den Bezahlmodellen, die Frage zu beantworten, “warum der angebotene Journalismus attraktiv, unverwechselbar und unverzichtbar ist”.

Was es kostet

“Wenn man jeden Tag 60 Cent sparen kann, tun die einmaligen 79 nicht weh”, freut sich ein Nutzer in den Kommentaren in Apples “App Store”. Nicht ganz: Für die 79 Cent gibt es nur 30 Tage lang Zugang zu den Inhalten und einer tagesaktuellen “Bild” im PDF-Format. Danach muss man monatlich seinen Account verlängern — für 1,59 Euro ohne bzw. 3,99 Euro mit PDF. In seiner großen Eigen-Werbung weist “Bild” auch auf die möglichen Folgekosten hin, im “App Store” fehlt ein Hinweis darauf.

Als Teil dieser Strategie, zu der auch die Forderung gehört, sogenanntes “geistiges Eigentum” gesetzlich stärker zu schützen, hat die “Bild”-Zeitung heute eine neue iPhone-Anwendung (“App”) veröffentlicht. Zu dem kostenpflichtigen Angebot gehört neben allem möglichen ein Spiel, mit dem man typische “Bild”-Schlagzeilen automatisch generieren kann. Damit bekommen iPhone-Besitzer erstmals die Möglichkeit, für einen solchen Gimmick Geld zu zahlen.

Bislang war das nur kostenlos möglich: Das “Bild”-kritische Weblog “BILDblog.de” hatte im Juni 2006 eine virtuelle Maschine veröffentlicht, die aus vier zufällig kombinierten Wörtern lebensechte “Bild”-Schlagzeilen produziert wie: “Porno-Hund frisst Nazi”, “Hitler-Penis köpft Busen”, “Ohr-ab-Mullah verklagt Rentner” und “Grinse-Äquator belügt Erde”. Erklärt wurde das Konzept u.a. mit dem Satz:

Jetzt bist Du an der Reihe, der größten Zeitung Deutschlands die größten Schlagzeilen Deutschlands zu liefern!

Das kostenlose Angebot, das sich auch heute, dreieinhalb Jahre später, gewisser Beliebtheit erfreut, heißt “Schlagzeil-o-mat”.

Die neue kostenpflichtige “Bild”-Applikation hingegen, die vier Wörter zufällig zu Schlagzeilen wie “Luxus-Koch streichelt Marsmensch”, “Drama-Star entschuldigt Einbrecher” und “Kunst-Koch jagt Mond” kombiniert, heißt “SchLACHzeil-O-Mat”. Die Zeitung bewirbt sie mit den Sätzen:

Sie wollten schon immer mal Chefredakteur der BILD sein und die Schlagzeilen machen über die Deutschland spricht? Dann haben Sie jetzt die Chance dazu.

 
Übrigens, der echte Überschriftengenerator von “Bild” hat gestern zu einem vier Jahre alten Foto eines verletzten Polizisten folgende erwartungsfroh klingende Schlagzeile produziert:

Der 1. Tote wird nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Popstars, dpa, Keese

6 vor 9

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1. “Wie Pro Sieben sein Publikum betrügt”
(faz-community.faz.net/blogs/fernsehblog, Peer Schader)
Das Publikum reagiert mit Buh-Rufen, als im Halbfinale der Castingshow “Popstars” mitgeteilt wird, dass die angesetzte Entscheidung um zwei Tage vertagt wird. “Mit Fairness hatte das, was am Dienstagabend im Halbfinale der diesjährigen ‘Popstars’-Staffel passiert ist, nun wirklich nichts zu tun. Es war stattdessen ein Moment, in dem ein Sender endgültig offenbarte, wie egal ihm seine Zuschauer sind, die er nur braucht, um auf ihrer Telefonrechnung aufzutauchen.”

2. “DPA fällt auf falsche Pressemeldung der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung herein”
(netzpolitik.org, simoncolumbus)
Das “Zentrum für politische Schönheit” sendet eine Pressemitteilung (PDF), die von der dpa aufgenommen (und bald darauf korrigiert) wird. “Dabei hätte man, wenn schon nicht über die Idee, über die angebliche Aussage des Bundespräsidenten stolpern können. Dass dieser eine Bundesstiftung als ‘Schaustück der Ignoranz’ bezeichnet, wäre schließlich eine nie dagewesene Deutlichkeit für Horst Köhler.”

3. “Interview mit dem falschen Sprecher der Stiftung Flucht, Vertreibung und Versöhnung”
(metronaut.de, John F. Nebel)
“Dr. Robert Eckhäuser” sagt, wer “die Geschichte noch fast geglaubt” hätte: “Wir wissen von der FAZ, T-Online und Financial Times. Und Kulturzeit von 3sat wollte unseren Stiftungsdirektor selbst dann noch zum Interview bitten, als die dpa längst widerrufen hatte.”

4. “Falsche Pressemitteilung sorgt für Verwirrung”
(handelsblatt.com)
“Dass es sich bei der Mitteilung und der dazugehörigen Internetseite um eine Fälschung handelte, war laut dpa zunächst nicht erkennbar. Auch eine telefonische Rückfrage bei dem angegebenen Kontakt ergab zunächst keine Zweifel an der Authentizität.”

5. “Der geschmeidige Außenminister”
(meedia.de, Stefan Winterbauer)
Ein Porträt von Christoph Keese, der als “Springer-Cheflobbyist” / “Strategie-Sprachrohr” / “His Döpfners Voice in Reinkultur” aufblüht: “Gelernt hatte er das spiegelglatte Formulieren ohne auszurutschen auf der Henri-Nannen-Schule, als dort noch Sprach-Zuchtmeister Wolf Schneider persönlich das Regiment führte.”

6. “Die bedrohte Elite”
(spiegel.de, Sascha Lobo)
Sascha Lobo antwortet dem Kopf von Frank Schirrmacher, der nicht mehr mitkommt: “Gehen wir also in einem digitalen Marsch durch die Institutionen dorthin, wo die Überforderung jeden Tag stattfindet. (…) Erklären wir ihnen, dass der Unterschied zwischen der Veröffentlichung der eigenen Daten und der staatlichen Überwachung der gleiche ist wie der Unterschied zwischen ‘sich im Klo einschließen’ und ‘im Klo eingeschlossen werden’.”

Doku-Soaps, Predigerton, Chips

6 vor 9

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1. “Scripted Reality”
(sueddeutsche.de, Alexander Kissler)
Doku-Soaps in den Nachmittagsprogrammen erlangen ohne Realität eine bessere Quote: “Erst mit diesem Paradigmenwechsel von Laien, die sich selber spielen, zu Laien, die fiktive Figuren in ausgedachten Konflikten darstellen, kam der Quotenerfolg. Authentizität fasziniert offenbar umso mehr, je künstlicher sie ist.”

2. “Die Opfer einer Doku-Soap”
(ndr.de, Tina Schober)
Ein Teilnehmer der Sendung “Frauentausch” macht klar, was das heisst: “Es wird nichts vom normalen Leben dargestellt. Also, alles, was man macht in diesen Tagen von Drehtagen, von irgendwie morgens 8 bis abends 23, 23.30 Uhr ist mehr oder weniger eine Anweisung. Immer so ein grundsätzliches ‘Ihr könntet doch mal, jetzt könnten wir doch mal dies, könnten wir mal das'” (Video, 8:16 Minuten).

3. “Aufklärer, Schönredner und Prediger”
(nzz.ch, Heribert Seifert)
Heribert Seifert fürchtet, dass “dem grobschlächtig-pauschalen Positivkult um das Fremde und die Fremden” in den deutschen Redaktionen sich “nun eine ebenso grobschlächtig pauschale Ablehnung entgegenstellen” könnte. “Medien sind mitschuldig daran, mit ihrer Vorliebe für den Predigerton des Leitartiklers, der vor allem Haltung und Gesinnung produziert und sich dabei um die vielfältigen Unterscheidungen in der komplexen sozialen Wirklichkeit nicht schert.”

4. “Qualitätsjournalismus Marke SPIEGEL oder FAZ”
(autotestsonline.de, Klaus Justen)
Auf “Spiegel Online” findet sich ein Text der Stiftung Warentest. Kenntlich gemacht wird das nicht. Unter dem Text steht nur: “© SPIEGEL ONLINE 2009, Alle Rechte vorbehalten”.

5. “Chips: Bei Anruf Schweigen”
(nzzfolio.ch, Burkhard Strassmann)
“Von einem, der auszog, um mehr über Kartoffelchips zu erfahren, und dabei auf unerwartete Schwierigkeiten stiess.”

6. “Technologiekritikkritik”
(struppig.de/vigilien, Ronnie Vuine)
Eine Antwort auf die Internetkolumne von Kathrin Passig: “Bei uns ist noch nicht heraus, ob wir Deppen sind, fest steht, wir würden’s nicht merken, wenn es so wäre. Und es könnte, zum Beispiel, wirklich sein, daß Powerpoint auf eine ganz bestimmte Art doof macht; auf den Gedanken kann man schon kommen.”

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Undurchsichtiges Wohltätigkeitsgetue

Dass das “Herz für Kinder”, mit dem “Bild” sich schmückt, oft nur eine Behauptung ist, haben wir erst kürzlich aufgeschrieben.

Schon ein paar Wochen länger zurück liegt ein Artikel, der beim Informationsportal CharityWatch.de erschienen ist. Seiner Aktualität dürfte das allerdings keinen Abbruch tun, denn es ist unwahrscheinlich, dass der Verein “Bild hilft” seine Informationspolitik seit Ende Oktober geändert hat:

Die Übermittlung von aussagekräftigen Finanzzahlen wurde verweigert. Fragen zur Mittelverwendung blieben mit unglaubwürdigen Begründungen unbeantwortet. So meinte Tobias Fröhlich, Kommunikationschef der Bild-Gruppe: “Für uns sind das Menschen und Schicksale, deren Intimsphäre wir schützen.” Eigenartig, berichtet die Bild doch oft mit Foto und Namensnennung über Betroffene, denen geholfen werden soll oder geholfen wurde.

Text mit Eigenantrieb

Auf “Spiegel Online” steht seit Dienstag ein siebenteiliger Artikel über ein Großprojekt, mit dem im Mittelmeerraum Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen werden soll. Es ist ein erstaunlich positiver Artikel, bei dem der Teil “Kritik” einigermaßen pflichtschuldig drangeklatscht aussieht. Aber darum soll es gar nicht gehen:

Unter der Teilüberschrift “Wie der Strom transportiert wird” findet sich eine Passage über Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ), ein Verfahren, mit dem der in Nordafrika produzierte Strom nach Europa geschafft werden soll.

Eine erprobte Technik, wie “Spiegel Online” weiß:

Die Firma ABB verlegt seit Jahren sowohl unterseeisch als auch an Land HGÜ-Kabel. “Bei dem Norned-Projekt haben wir in 410 Metern Tiefe ein 580 Kilometer langes Kabel zwischen Norwegen und den Niederlanden gelegt”, sagt Günther Stark, Leiter des Fachvertriebs für den Bereich elektrische Netze bei ABB Deutschland. Die Aktion dauerte zwei Wochen und kostete 600 Millionen Euro. Das elf Zentimeter dicke Kabel verbindet seither die Stromnetze beider Länder.
(Link im Original)

Über diesem Text, in dem der Schweizer Elektrotechnikkonzern Asea Brown Boveri (ABB) erwähnt wird, und über allen anderen Texten dieser Artikelserie findet sich ein kleiner Hinweis:

powered by ABB

“Powered by …”?

Chefredakteur Rüdiger Ditz erklärt uns, es handele sich um eine Werbeform, die Werbekunden die Möglichkeit biete, “seine Banner in einem Themenfeld exklusiv zu platzieren”. Seit dem Relaunch im August gebe es bei “Spiegel Online” “Tausende Themenseiten”, deren Inhalte alle rein redaktionell seien. Von diesen Tausenden Seiten sind ein paar “powered by”.

Dass ein Text, in dem es unter anderem um ABB gehe, auch in dem Themengebiet “Erneuerbare Energien” erscheine, das “powered by ABB” ist, ist laut Ditz “purer Zufall, weil der Redakteur oder Ressortleiter der Ansicht war, sein Text passe am besten in das Thema ‘Erneuerbare Energien’.” Der selbe Text sei im Übrigen ja auch noch zu anderen Themengebieten (wie “Solarenergie”, “Kopenhagen-Konferenz”, “Klimawandel”) zugeordnet.

Auf die Frage, ob der Ruf von “Spiegel Online” aufgrund solcher “Zufälle” nicht Schaden nehmen (oder “absaufen”) könne, schreibt Ditz:

Auf allen powered-by-Seiten stehen redaktionell unabhängige Texte. In den vergangenen Jahren war der Ruf von SPIEGEL ONLINE durch diese Praxis nicht berührt, deshalb sehe ich nicht, warum er künftig dadurch gefährdet sein sollte.

Spiegel, Neven DuMont, Steinmeier

6 vor 9

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1. “Spiegel”-Titel
(meedia.de, Georg Altrogge)
Georg Altrogge sieht den neuen “Spiegel”-Titel “Das verlorene Jahrzehnt” aus dem Magazin “Time” abgekupfert, das mit “The Decade from Hell” aufmacht. “Zwar ist die optische Aufmachung grundverschieden, aber es erscheint wenig plausibel, dass man beim deutschen Nachrichtenmagazin Nr. 1 ganz ohne Blick auf die ernüchternde Analyse der US-Kollegen auf das Titelthema kam.” Ebenfalls in der Kritik stand der “Spiegel” im Sommer 2008, als der Titel “Macht Das Internet Doof?” stark an den Titel “Is Google making us stoopid?” (“The Atlantic”) erinnerte.

2. Interview mit Konstantin Neven DuMont
(welt.de, Sören Kittel)
Verleger Konstantin Neven DuMont will etwas tun gegen die “Demokratiemüdigkeit”: “Ich kenne einen 18-jährigen Jungen, der fest in der ‘World of Warcraft’ festhängt. Ich möchte versuchen, auch solche jungen Leute zurück in die Debatte um die Zukunft des Landes zu ziehen. Ich will gesellschaftspolitische Meinungsbildung fördern. Das sind wir unserem demokratischen System schuldig. Dazu brauchen wir Qualitätsjournalismus.”

3. “Bitte melde Dich!”
(blog.tagesschau.de, Christian Thiels)
Das Blog der “Tagesschau” thematisiert das Schweigen von SPD-Politiker Frank-Walter Steinmeier zu Afghanistan: “Er ist nicht im Urlaub oder heiser, er schweigt nur. Nicht immer, aber immer, wenn es um eine wesentliche außenpolitische Frage geht, nämlich: Was wird aus Afghanistan, soll Deutschland mehr Truppen schicken und was wusste der frühere Außenminister eigentlich von den Ereignissen in Kundus?”

4. Interview mit Andreas Gross
(weltwoche.ch, Pierre Heumann)
SP-Politiker Andreas Gross kritisiert die “Deutschschweizer Zeitungen”, die im Vorfeld der Minarett-Initiative “leider nur oberflächlich und viel zu weit weg von den Menschen” berichteten. “Heute glauben viele Medien nicht mehr, sie müssten die Wirklichkeit reflektieren, kritisieren und spiegeln. Sie möchten die Wirklichkeit selber setzen.”

5. “Roboter als Redakteure”
(zeit.de, Tina Klopp)
“Das Netz wählt die Themen, der Rechner liefert Texte, bezahlt wird nach Klicks und Anzeigenumsatz. Manche Medienbetreiber stellen sich so den künftigen Journalismus vor.”

6. “Bildzeitungsartikel und Gegendarstellung”
(freiebildungsaar.blogspot.com)
Eine nachgetragene Gegendarstellung zu einem “Bild”-Artikel mit dem Titel “Studenten verlaufen sich vors Rathaus!” vom 26. November 2009.

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Alzheimer-Journalismus im Supermarkt

Es gibt so ein paar Begriffe, da gehen bei Journalisten sofort alle Warnlämpchen an. “Erstmals” beispielsweise, das ist so ein Signalwort. Was dann eigentlich passiert, ist gar nicht so wichtig. Hauptsache, man kann das Attribut “erstmals” draufpacken. Bei “Bild” hat der Reflex auch bei dieser Geschichte gegriffen, die sie am Samstag auf Seite 1 (!) präsentierte:

Man brauche jetzt bei Rewe in Hürth weder Kredit- noch EC-Karte und auch kein Bargeld bei sich haben, freut sich “Bild” — solange man einen Finger hat, mit dem man einen Fingerabdruck hinterlassen kann, ist das bargeldlose Bezahlen gesichert. Was bis dahin auch gar nicht verkehrt ist, nur — das mit dem “erstmals” und dem “neu”, das ist so eine Sache. Beispielsweise berichtete der “Tagesspiegel” schon im August 2007 über dieses Thema und schrieb halbwegs lakonisch, dass das Bezahlen mit Fingerabdruck schon “längst Realität” sei (Basis des Texts war übrigens eine Agenturmeldung von AFP). Die ARD hingegen monierte (ebenfalls bereits 2007), dass das Bezahlen mit dem Finger noch einige Sicherheitsmängel habe.

Ach ja, und schließlich gab es da noch ein anderes Medium, das im August 2007 über die neuen Zahlungsmethoden berichtete. Die “Bild”-Zeitung meldete unter der fast wörtlich gleichen Überschrift damals:

Neu im Supermarkt! Bezahlen mit Fingerabdruck

Über den Artikel haben wir damals schon im BILDblog berichtet — und einmal dürfen Sie jetzt raten, warum.

Richtig: Das Bezahlen mit Fingerabdruck war auch damals keine Neuigkeit, und sogar “Bild” hatte wiederum zwei Jahre zuvor, also 2005, von einem anderen Supermarkt berichtet, der dasselbe anbot.

Mit Dank an Thomas O., Max O.,  Holger M. und Martin B. !

Nachtrag, 9. Dezember:

Berichtigung des Bild-Artikels

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