Archiv für Dezember, 2009

Paid Content, ZDFneo, Krawatten

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Doppelt missverstehen heißt trotzdem nicht verstehen”
(print-wuergt.de, Michalis Pantelouris)
Langer, aber lesenswerter Artikel über die Mühen mit dem Online-Journalismus: “Wenn man sich ansieht, wie viele Millionen der Aufbau der Online-Redaktionen und der Seiten, die sie betreuen, bis heute gekostet hat, ist es fast unerträglich zu sehen, wie wenig dabei herausgekommen ist. Einfach nur, weil es niemand gewagt hat, sich auf das zu konzentrieren, was seine Marke ausmacht.”

2. “RSS-Feeds: Eine Option für Paid Content?”
(netzwertig.com, Martin Weigert)
Martin Weigert liefert einen Paid-Content-Vorschlag: “Warum bieten führende Anbieter von journalistischen Angeboten ihren Lesern nicht an, vollständige RSS-Feeds gegen ein monatliches Entgelt zu abonnieren?”

3. “10 noch erwähnenswerte Flops 2009”
(fernsehkritik.tv, Video, ca. 15 Minuten)
10 TV-Flops 2009 mit “Zimmer frei!”, dem TV-Duell zwischen Merkel und Steinmeier, Til Schweiger, Johannes B. Kerner und, überraschend auf Platz 1, ZDFneo. Die Website Fernsehkritik.tv ist derzeit übrigens dazu gezwungen, Inhalte offline zu stellen, siehe dazu den Beitrag “Einfach mal den Stecker gezogen…”.

4. “Dirk Mantheys Medientrends für 2010”
(meedia.de, Dirk Manthey)
“1. Paid Content wird viele Enttäuschungen bringen, 2. Markenartikel werden auf breiter Front ins Internet gehen, 3. Der ganz große Trend heißt Mobiles Internet, 4.Das iPhone wird weltweit Smartphone Nr. 1 – trotz Google, 5. Das Print-Sterben wird auch 2010 weitergehen, 6. Verlage konzentrieren sich auf Internet-Only-Produkte, 7. Digitale Lesegeräte schaffen 2010 den Durchbruch, 8. Der Widerstand gegen Google dürfte stärker werden, 9. Echtzeitsuche wird keine große Rolle spielen, 10. Noch ein Winner für 2010: Foursquare”

5. “Jahrelange Desinformation”
(spiegelblog.net, T. Engelbrecht)
“Wie der SPIEGEL nun endlich realisiert, dass die ‘Spanische Grippe’ von 1918 nicht allein durch ein Virus verursacht worden sein kann.”

6. “Guttenberg-Krawatten-Gedächtnis-Spiel”
(extra3.blog.ndr.de, Pausenbrot)
Unter der investigativen Lupe der Satiresendung “Extra 3” sind die Krawatten von Verteidigungsminister zu Guttenberg, auf denen süße, harmlose Tiere zu finden sind. “Hoppelhäschen und Tintenfischbabys, die sich fröhlich tanzend an den Ärmchen halten, nehmen auch aus den härtesten Verhandlungen ein wenig Schärfe.” Erst kürzlich widmete sich Kurt Kister in der “Süddeutschen Zeitung” den Kleidern des Ministers.

Focus  

Bei Burda haben sich zwei gefunden

Manchmal sind es gerade scheinbar besonders unterschiedliche Partner, die perfekt zusammenpassen. Eine journalistische Zeitschrift und eine kommerzielle Kontaktbörse zum Beispiel.

Die Illustrierte “Focus” macht seit längerer Zeit fleißig Schleichwerbung für die Partnervermittlung Elitepartner.de. Die Kontaktbörse gehört der Tomorrow Focus AG, der Internet-Tochter des Burda-Verlages, der den “Focus” herausgibt.

Aus dem Pressekodex:

Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein.

Dem Branchendienst “Meedia” ist aufgefallen, dass “Focus” und “Focus Online” immer wieder auf “ElitePartner” verweisen, ohne die geschäftliche Verquickung offenzulegen, wie es der Pressekodex eigentlich vorschreibt. Eine “Focus”-Sprecherin sagte gegenüber “Meedia”, man achte selbstverständlich “immer darauf, transparent zu berichten und gerade im Falle von Beteiligungen unseres Unternehmens diese auch zu erwähnen”. Wenn dieser Hinweis fehle, sei das “wohl aus Platzgründen ausnahmsweise nicht möglich gewesen”.

Das ist natürlich nicht wahr.

Der gedruckte “Focus” hat in den vergangenen beiden Jahren am 21. Januar 2008, 5. Mai 2008, 23. Juni 2008, 8. September 2008, 3. November 2008, 29. Dezember 2008, 16. Februar 2009, 27. April 2009, 27. Juli 2009, 10. August 2009 und 14. Dezember 2009 über “ElitePartner” berichtet. In keinem Fall hat der “Focus” die eigene Beteiligung an dem Unternehmen erwähnt.

Der “Focus” berichtet vor allem gerne über sinnlose Ergebnisse nicht-repräsentativer Umfragen, die das Schwesterunternehmen “ElitePartner” in großer Zahl veröffentlicht, um in die Medien zu kommen. (Ähnlich aussageschwache Umfrageergebnisse des Konkurrenzunternehmens “Parship” haben es seit Jahren nicht mehr in den “Focus” geschafft.) Gelegentlich äußert sich die Illustrierte aber auch über “ElitePartner” direkt und schreibt zum Beispiel:

Spezialisiert auf Klasse: Mittels eines Persönlichkeitstests verkuppelt die Hamburger Partneragentur Elitepartner.de anspruchsvolle Singles mit festen Bindungsabsichten.

Dafür war Platz.

Bild, dpa  etc.

Europäische Irrsinns-Verwechslung

Es mag, wie “Bild” meint, ein “Skandal”, ein “neuer Justiz-Irrsinn”*, ein “Paukenschlag-Urteil”, ein “Hammer-Urteil”, ein “Fehlurteil” sein. Eines aber ist es auf keinen Fall: ein “EU-Urteil”.

Die “EU” ist zwar für die “Bild”-Zeitung so etwas wie ein Synonym für “Irrsinn”, aber der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der in der vergangenen Woche urteilte, dass Deutschland einen inhaftierten Schwerverbrecher freilassen und ihm 50.000 Euro Schmerzensgeld zahlen muss, ist keine Einrichtung der EU, sondern des Europarates. Dem gehören 47 Länder an, darunter die Schweiz, Georgien, Armenien, Aserbaidschan, die Türkei und Russland.

Wenn man sich also darüber empören will, dass das dafür zuständige Gericht der Meinung ist, dass Deutschland gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen hat, ist der Böse dennoch in keiner Weise die Europäische Union oder eine ihrer Organisationen.

Und das Traurige ist, dass die “Bild”-Zeitung mit ihrem Unwissen nicht allein ist. Auch “Welt”, “Hamburger Abendblatt” und die Nachrichtenagentur dpa berichteten entsprechend falsch. Die Liste der Medien, die in den vergangenen Monaten den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als “EU-Gericht” bezeichnet haben, ist lang und reicht von “Spiegel Online” über den “Tagesspiegel” und die “Berliner Zeitung” bis zur “taz”.

*) … obwohl das ach so irrsinnige Urteil immerhin auf einem fundamentalen Grundsatz des Rechtsstaates beruht: Nulla poena sine lege (keine Strafe ohne Gesetz). Ein Verbrecher hatte geklagt, weil er seit 18 Jahren in Sicherungsverwahrung gehalten wird. Zum Zeitpunkt seiner Verurteilung 1986 war diese Maßnahme aber auf zehn Jahre begrenzt. Das Gesetz wurde erst später geändert und nachträglich auf den Fall angewendet.

Mit Dank an Dominik M., Gunther S., Th. K., Katharina B., Ivo B. und Lars!

Optimierungswahnsinn, Paid Content, Vietnam

6 vor 9

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1. “The Year in Media Errors and Corrections”
(regrettheerror.com, englisch)
Ein sehr ausführlicher Jahresrückblick auf Fehler und Korrekturen der englischsprachigen Medien.

2. Presserat in Österreich
(medienschelte.at)
Medienschelte.at zählt drei Gründe auf, warum der zwischenzeitlich aufgelöste Presserat in Österreich “noch vor seiner Konstituierung eine Farce ist”.

3. “Masse statt Klasse”
(bf-g.de/berkner, Bastian Berkner)
Online-Redakteur Bastian Berkner schreibt, wie er “Texte und Überschriften in Richtung Suchmaschine optimieren” muss: “Langsam aber sicher geht mir der Optimierungswahnsinn aber auf den Keks, denn ich habe immer mehr das Gefühl für eine Maschine zu schreiben anstatt für meine Leser.”

4. “Wegen dieser Paid Content-Geschichte…”
(basicthinking.de/blog, André Vatter)
André Vatter widmet sich dem Zweifrontenkrieg, dem Printmedien ausgesetzt sind: “Schwindende Werbeeinnahmen und sinkende Auflagen”. Und dem Zeitungstauschring von Taxifahrern.

5. “Wie lebt es sich in einem Land mit Zensur? Ein Bericht aus Vietnam”
(blog.kooptech.de, Thomas Wanhoff)
“Ich lebe jetzt seit eineinhalb Jahren in Vietnam. Als ich hierher kam, wusste ich, welche Beschränkungen es für Journalisten gab. Ich wusste nicht, wie wenig man das merkt. Und genau das ist das Problem.”

6. “In mobile phone journalism, Africa is ahead of the west”
(guardian.co.uk/media/pda, Mercedes Bunz, englisch)
Mercedes Bunz zeigt journalistische Möglichkeiten mit dem in Afrika eher verbreiteten Mobiltelefon auf, so zum Beispiel über das Open-Source-Projekt Ushahidi, das während Krisen Informationen sammelt.

Bild  

Tiefschlagende Verbindung

“Bild” hat die Macht, kleine Themen ganz groß rauszubringen, mit Riesen-Schlagzeilen und einem tagelangen Trommelfeuer von Berichten. Aber manchmal versucht “Bild” auch, Themen ganz klein zu machen. Zum Beispiel wenn ein Discounter, mit dem die Zeitung gute Geschäfte macht, sich unangenehmen Vorwürfen ausgesetzt sieht. Oder ein Land, an dessen Seite “Bild” bedingungslos steht.

Vielleicht ist es manchmal aber auch noch banaler.

Eigentlich hält “Bild” die Klitschkos und ihre Boxwettkämpfe für ein gutes Thema. Als Vitali Klitschko Ende September im Staples Center in Los Angeles gegen den US-Amerikaner Chris Arreola seinen WM-Titel im Schwergewicht verteidigte, überschlug sich “Bild” – wie schon bei früheren Kämpfen der Klitschko-Brüder – im Vorfeld regelrecht mit der Berichterstattung.

Da wurde schon einen Monat vor dem Kampf von einem Treffen Klitschkos mit Ex-Weltmeister Mike Tyson berichtet, das “Knallhart-Training” begleitet, das Klitschko dann im Gespräch mit dem Blatt als die “härteste Vorbereitung” seiner Karriere bezeichnete. “Bild” druckte ein längeres Interview mit Klitschkos Trainer, berichtete vorab, welche Prominenten sich für den Kampf angesagt hatten, und wusste, dass Klitschkos Gegner beim Wiegen “wie ein Pfannkuchen” wirkte.

Dass Vitali Klitschko aber am vergangenen Samstag in Bern gegen Kevin Johnson kämpfte, hätte man als “Bild”-Leser fast nicht mitbekommen: Seit dem 24. Oktober fand keine nennenswerte Vorberichterstattung statt, am Kampftag selbst brachte die Zeitung eine vergleichsweise mickrige Meldung.

Warum?

Nun, am 12. Dezember fand nicht nur Vitali Klitschkos WM-Kampf statt, sondern auch die vom ZDF übertragene “Bild”-Spendengala “Ein Herz für Kinder”. “Bild” soll es den Klitschkos übel genommen haben, den Kampf auf denselben Tag gelegt zu haben, heißt es. Deshalb soll es eine “Bild”-interne Anordnung an die Sportredaktion gegeben haben, den Boxkampf, der als Konkurrenz zur eigenen Charity-Veranstaltung angesehen wurde, möglichst totzuschweigen.

Wir können nicht beweisen, dass das stimmt. Aber abgesehen von der merkwürdigen Funkstille vor dem Kampf spricht dafür auch, dass “Bild” nicht – wie sonst üblich – auf den Beginn der Sportübertragung bei RTL hinwies (in diesem Fall: 22.10 Uhr; die “Bild”-Gala im ZDF lief bis kurz nach 23 Uhr), sondern lediglich schrieb:

Kampfbeginn ca. 22.45 Uhr (RTL).

Seit Sonntag berichtet man in der “Bild”-Familie jetzt wieder über die Klitschkos.

Die Quoten für den Boxkampf waren übrigens auch fast ohne Vorberichterstattung von “Bild” hervorragend.

Draxler, Schweinegrippe, GZSZ

6 vor 9

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1. “Unglaublich, aber falsch”
(spiegel.de, Hendrik Ternieden)
Ein Artikel über den Hoax mit Beispielen wie Bluewater oder “Wilhelm” zu Guttenberg. Der Unterschied zwischen Fakt und Fiktion sollte “Aufgabe der journalistischen Medien sein, doch auch die stehen im Internetzeitalter unter erhöhtem Druck. Die Sorge, etwas zu verpassen, ist groß; die Freude über grelle Schlagzeilen und kuriose Geschichten oftmals noch größer, die saubere Recherche bleibt mitunter auf der Strecke.”

2. “Wenn Beleidigungen zum Beruf gehören”
(axel-springer-akademie.de/blog, Marc Lüttgemann)
“Bild”-Journalist Alfred Draxler äussert sich an einer Diskussion zum Thema Medien und Sport: “Robert Enke war nie Zielscheibe von kritischer Berichterstattung. Daher sehe ich keinen Zusammenhang zwischen den Medien und seinem Selbstmord”.

3. “Was ist bloss mit der Schweinegrippe passiert?”
(blog.patrickrohr.ch, Mirco Baumann)
Mirco Baumann hat den absoluten König unter den Schweinegrippejägern gefunden: “Die Minarett-Initiative. Sie hat es geschafft, das monatelang aktuelle Thema Schweinegrippe endgültig aus der Medienlandschaft zu verbannen.”

4. “Mag+, a concept video on the future of digital magazines”
(berglondon.com/blog, Video, 8:05 Minuten, englisch)
“Can we marry what’s best about magazines with the always connected, portable tablet e-readers sure to arrive in 2010?”

5. “Du hast einen langweiligen Beruf”
(dasmagazin.ch, Max Küng)
Journalist Max Küng muss sich von seinem Sohn sagen lassen, er habe einen langweiligen Beruf: “Er sagte, ich solle einen neuen Beruf lernen, einen spannenderen. ‘Was denn?’, fragte ich ihn. ‘Polizist’, sagte er. Ich fuhr beinahe in den Graben, der kein Graben war, sondern eine Hausmauer. Morgen gleich solle ich die Polizeischule anrufen und fragen, ob ich Polizist werden könne.”

6. “Mein erstes Mal GZSZ”
(technoarm.de, Martin Böttcher, mit Videos)
Eine Analyse eines Ausflugs der RTL-Soap “Gute Zeiten, schlechte Zeiten” in die Technoszene.

Klicks, N24, Paid Content

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1. “Lass klicken, Baby!”
(jungle-world.com, Ivo Bozic)
Ivo Bozic beschäftigt sich mit den Klicks im Internet, die nach wie vor die Grundlage für Werbeeinnahmen sind: “Um Klicks zu erschleichen, scheint jeder Trick gerechtfertigt, so plump er auch sein mag. (…) Der Nachrichtenseite N24.de gelang es im Sommer, ihre Visits innerhalb von nur einem Monat um 328,7 Prozent zu steigern auf beacht­liche 19,4 Millionen. Einfach dadurch, dass der Traffic der viel stärker frequentierten, ebenfalls zur ProSieben-Sat.1 Media AG gehörende Seite Wer-weiß-was.de seit Juli mitgezählt wird. Ein ganz legaler Trick.”

2. “Der Wert von Nachrichten bei N24”
(ndr.de, Anne Ruprecht, Video, 5:44 Minuten)
Das Medienmagazin “Zapp” zu den Sparplänen bei N24. Das Blog “Nachrichten sind wichtig” liefert Zahlen zum Thema und schreibt, dass N24 2008 einen Jahresüberschuss von 13.13 Millionen Euro machte. “Im Jahr 2008 waren alle deutschen Sender im operativen Geschäft rentabel.”

3. Interview mit Matthias Eberl
(beim-wort-genommen.de, Jonas Schaible)
Ein Gespräch mit Matthias Eberl, der Audioslideshows macht und damit kürzlich den Deutschen Reporterpreis in der Kategorie Online gewann: “Bisher bin ich nur wie ein Getriebener einigen wirren Idee hinterhergelaufen, jetzt ist rückblickend das Gefühl da, etwas gemacht zu haben, was journalistische Relevanz hat. Und ich hoffe auch, dass sich das Ansehen der Audioslideshow geändert hat.”

4. “Wer will Geld, wer nicht?”
(persoenlich.com)
Eine Umfrage unter Schweizer Medienmachern zu Paid Content. Kurt W. Zimmermann: “Geld für Content können nur Medien verlangen, die etwas bieten, was sonst niemand bietet.”

5. “100 Jahre Zweisamkeit”
(ftd.de, Thomas Birkner)
Thomas Birkner glaubt, dass trotz der Paid-Content-Debatte “der Vertriebsweg keine Alternative zum Anzeigengeschäft” bieten kann. “Es ist erst die Mischfinanzierung aus Anzeigen- und Vertriebserlös von etwa 65 zu 35 Prozent, die es dem Journalismus 100 Jahre lang ermöglicht hat, sich als Kontrollorgan für den Staat zu etablieren.”

6. “Die Recherchen amerikanischer Online-Medien”
(ndr.de, Mareike Fuchs, Video, 4:46 Minuten)
Und gleich noch ein “Zapp”-Beitrag aus New York über die Stiftung Pro Publica, die sich dem investigativen Journalismus verschrieben hat.

Märchenstunde

Es war einmal eine Berliner Boulevardzeitung, die hieß “B.Z.” und war im ganzen Land dafür bekannt, dass sie mitunter seltsame Geschichten erzählte. An jenem Tage, als sich der Todestag von Wilhelm Grimm zum einhundertfünfzigsten Male jährte, begab es sich, dass die “B.Z.” schrieb:

Rapunzel, Hänsel und Gretel oder Aschenputtel. Jedes Kind kennt sie, bekam Grimms Märchen vorgelesen, von Eltern, Oma und Opa.

Völlig unbekannt dagegen ist “Der gläserne Sarg”. Fast hätte es diese geheimnisvolle Erzählung nicht in die berühmte Grimmsche Märchensammlung geschafft. […]
B.Z. entdeckte jetzt in der Handschriftensammlung der Staatsbibliothek das erste von Wilhelm Grimm (1786-1859) angefertigte Transkript.

Was die vielen Leser der “B.Z.” nicht wissen konnten: Die Zeitung benutzte eine eigene Sprache. Die meisten Worte klangen der unseren ganz ähnlich, aber sie hatten eine ganz andere Bedeutung. “bisher unbekannt” hieß etwa so viel wie “in fast 160 Jahre alten Büchern enthalten”, “völlig unbekannt” bedeutete ungefähr “seit vielen Jahren von Wissenschaftlern behandelt” und “entdeckte” sollte andeuten, dass man bei der “B.Z.” bisher noch nie von dem “gläsernen Sarg” gehört hatte. (Denn davon hörte man nur in Universitäten.)

Die “B.Z.” lief nun durch die Lande und rief laut aus:

Märchenfund: Unbekanntes Grimm-Märchen aufgetaucht. In der Berliner Staatsbibliothek stieß die B.Z. auf ein bisher unbekanntes Märchen der Grimms.

Das hörte die große Schwester der “B.Z.”, die “Bild” hieß. Sie wusste nicht, dass die “B.Z.” in einer anderen Sprache sprach, die der unseren nur ähnlich war. Und weil “Bild” eine noch lautere und schrillere Stimme hatte als ihre Schwester, rannte sie ins Internet und kreischte:

"Der gläserne Sarg": Verschollenes Märchen der Gebrüder Grimm aufgetaucht

Es ist eine kleine Sensation! In der Staatsbibliothek von Berlin wurde jetzt ein verschollenes Märchen der berühmten Gebrüder Grimm entdeckt, berichtet die “BZ”.

Weil “Bild” aber nicht nur laut, sondern auch faul war, las sie das Märchen nicht selber (obwohl man es von überall aus lesen konnte), sondern erzählte nur weiter, was sie gehört hatte:

Laut “BZ” soll das Märchen zwar nicht so spannend wie “Dornröschen” oder “Rotkäppchen” sein, aber immerhin schaffte es der Text 1837 in die 3. Auflage der “Kinder- und Hausmärchen”.

Da klopfte ein Jüngling namens BILDblog an die Pforte der Berliner Staatsbibliothek und fragte, was es denn mit diesen Nachrichten auf sich habe. Dort saßen kluge Menschen über ihren Büchern und antworteten, sowohl das Märchen als auch das Transkript, von dem die “B.Z.” gesprochen hatte, seien schon lange bekannt. Die Handschrift sei sogar schon in Ausstellungen gezeigt und in Katalogen abgebildet worden.

Da fragte BILDblog, was denn die ganze Aufregung solle, aber obwohl die Staatsbibliothek fast das gesamte Wissen der Welt in sich trug, wusste dort niemand eine Antwort auf diese Frage.

“B.Z.” und “Bild” aber rannten weiter aufgeregt durchs Land und riefen “Märchenfund!” und “Sensation!”. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann rufen sie noch heute.

Wegen ihrer Beiträge sei Rüdiger S., Frank B., Marcus K. und Alex gedankt!

Sedlmayr, Indien, Winnenden

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1. “Namen der Sedlmayr-Mörder bleiben online”
(sueddeutsche.de)
In einem Grundsatzurteil entscheidet der Bundesgerichtshof, dass die Namen der Mörder von Walter Sedlmayr nicht aus den Archiven gelöscht werden müssen (Pressemitteilung): “Die Öffentlichkeit habe einen Anspruch darauf, dass Informationen auch noch nach Jahren abgerufen werden könnten. Eine permanente journalistische und juristische Prüfung würde Online-Archive unmöglich machen, betonte der Anwalt.”

2. Interview mit Thomas Knüwer
(cicero.de, Marc Etzold)
Thomas Knüwer über die Paid-Content-Versuche von Printverlagen: “Es ist erschreckend, wie wenig Übersicht und Wissen deutsche Verlagsmanager über den digitalen Markt haben.”

3. “News You Can Abuse”
(outlookindia.com, Anuradha Raman, englisch)
Ein Artikel über “paid-for news”, also bezahlte Nachrichten, in Indien. Nicht nur Printmedien, auch das Fernsehen ist betroffen: “‘Imagine my surprise and shock when the reporter actually negotiated the price of Rs 2.5 lakh for an hour of live coverage,’ says Dikshit. ‘The channel even said they would arrange the crowds.'”

4. “Fordern wir das Medienrecht 2.0”
(zurpolitik.com, Tom Schaffer)
“Journalismus als für die Demokratie essenzielle Aufgabe ist nicht länger einer elitären Schicht vorbehalten, sondern muss breiter betrieben werden. Die zur vollen Ausübung der Aufgabe notwendigen Rechte sollten also auch für jeden Menschen bestmöglich gesichert werden.”

5. “Weihnachtswünsche an das Internet”
(gutjahr.biz, Videos, Richard Gutjahr)
Dirk Ippen, Vera Lisakowski, Hans-Jürgen Jakobs, Axel Buchholz, Ulli Brenner und Jens Jessen wünschen sich was vom Internet.

6. “Der Amoklauf von Winnenden”
(ardmediathek.de, Video, 43:30 Minuten)
Eine Reportage befasst sich mit den Opfern des Amoklaufs von Winnenden. Die Rolle der Medien wird nur am Rande beleuchtet, so zum Beispiel ab Minute 32.

Live-Lügen, Wikileaks, Novo Argumente

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1. “Die diesjährigen Gewinner des Goldenen Günter”
(dwdl.de)
In der Kategorie “Größter Zuschauerbetrug” geht der Preis zum Beispiel an “die Live-Lügen der Fernsehsender”: “Da belügt etwa Sat.1 seine übersichtliche Zuschauerschaft beim ‘Deutschen Fernsehpreis’ und behauptet per permanenter Einblendung, die Verleihung sei live. Und bei RTL verkauft man allen Ernstes den drei Tage vorher aufgezeichneten ‘Deutschen Comedypreis’ als live.”

2. “‘Österreich’ -Boxen Fall für MA 48”
(derstandard.at, Harald Fidler)
“Auf Drängen der Konkurrenz sammelte die Stadt Wien nicht korrekt platzierte Entnahmebehälter des Fellnerblatts ein – Binnen Stunden stellte der Verlag Behälter neu auf – Das wiederholten die beiden mehrfach.”

3. “Der Wahrheits-Hacker”
(zeit.de, Tina Klopp, mit Videos)
Ein Artikel zur Website wikileaks.org mit Fragen an einen “der deutschen Akteure”, “Daniel Schmitt”: “Journalisten bedienen sich gerne seines Materials, auch die großen Magazine haben schon zugegriffen. Aber sie ließen sich nicht immer dazu herab, auch die Quelle zu nennen, ärgert sich Schmitt.”

4. “Der letzte kalte Krieger”
(novo-argumente.com, Thomas Deichmann)
Thomas Deichmann, Chefredakteur der Zeitschrift “Novo Argumente”, antwortet auf einen einen Artikel in der FAZ: “Inmitten der morgendlichen F.A.Z.-Lektüre finde ich eine lange Auflistung vermeintlicher Schandtaten während meiner nunmehr bald 20jährigen journalistischen Arbeit: von Verbindungen zu revolutionären Trotzkisten in England über Publikationen in ‘antideutschen’ Organen, die unter Observation des Verfassungsschutzes stehen bis zu Mitgliedschaften in linken Uni-Klubs, aus denen einst Novo hervorging – und das alles offenbar nur, um mir heute in der Kumpanei mit ‘Klimaskeptikern’ von der Großindustrie die Taschen zu füllen.”

5. “Abgeordneter bringt Landtagsdebatte mit Twittereintrag zum Abbruch”
(haz.de)
Ein Tweet des Parlamentariers Helge Limburg (Grüne) führt, als er von Christian Dürr (FDP) vorgelesen wird, zum Abbruch der Plenardebatte in Niedersächsischen Landtag.

6. “(Telefon-) Spam der Woche”
(kochsiek.org/blog, Jens)
Jens dokumentiert einen Anruf, der auf seinem Telefonbeantworter hinterlassen wurde.

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