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Bild-APO, Aktivistische Journalisten, Syrien

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Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Kein Kindergeld für Bulgaren und Rumänen? Agenturen fallen auf ‘Bild’ rein”
(stefan-niggemeier.de, Stefan Niggemeier)
Die selbst ernannte Außerparlamentarische Opposition der “Bild” bei der Arbeit: So stellt sie eine gefakete Kleine Anfrage, die längst von der ungeliebten Linken gestellt wurde. Dann wärmt sie alte Pläne auf, die längst überholt sind — trotzdem übernehmen andere Medien die Darstellung. “Es hätte genügt, zwei Stichwörter aus der ‘Bild’-Geschichte bei Google einzugeben, um festzustellen, dass die vermeintliche ‘Vorab’-Meldung alt und überholt ist.”

2. “Der Freiheitskämpfer Glenn Greenwald”
(zeit.de, Kai Biermann und Patrick Beuth)
Anlässlich des Auftritts des NSA-Enthüllers Glenn Greenwald auf dem CCC-Kongress 30C3 in Hamburg stellen die Redakteure von Zeit Online die Frage, ob Journalisten Aktivisten sein dürfen. Die Debatte geht auf Twitter und in zahlreichen Medien weiter, so in “Neues Deutschland”, auf FAZnet, bei Spiegel Online und wieder bei Zeit Online.

3. “Alle Jahre wieder: naturwissenschaftliche Bildung”
(scilogs.de, Markus Pössel)
Der FAZ-Autor Niklas Maak hat zwar die Stimmung des Vortrags von Trevor Paglen auf dem 30C3 eingefangen, scheitert aber an den naturwissenschaftlichen Grundlagen der Arbeit des Künstlers und Aktivisten. Markus Pössel sieht darin ein systematisches Problem: “Daran, dass der Artikel in punkto Naturwissenschaft ungleich peinlichere Schnitzer bietet als solche Verwechslungen, hätte sich der stereotype Bildungsbürger aber leider nicht gestört, denn es wäre ihm oder ihr gar nicht aufgefallen.”

4. “Je kleiner, desto schwächer”
(zeit.de, Benno Stieber)
Anhand des Falls des Passauer Journalisten Hubert Denk schildert der Artikel das juristische Risiko freier Journalisten, die sich nicht auf die Rechtsabteilungen der Verlage stützen können: “Den juristischen Druck wohlhabender Kläger müssen investigativ arbeitende Journalisten wohl aushalten. Wenn es aber nicht einmal mehr eines handwerklichen Fehlers bedarf, damit ein Journalist in seiner Existenz bedroht wird, wird die Presse behindert.”

5. “Das ausgelagerte Risiko”
(taz.de, Kaveh Rostamkhani)
Viele Redaktionen schicken keine professionellen Journalisten mehr nach Syrien — der Einsatz ist schlicht zu gefährlich. Trotzdem reißt die Bilderflut nicht ab. Zu einem Preis. “Aber der Tod Molhem Barakats zeige die bittere Realität des Nachrichtengeschäfts: Man kauft stattdessen Bilder eines Teenagers ein, der letzten Endes während der Arbeit stirbt. Dies sei ähnlich unverantwortlich wie der Konsum afrikanischer Blutdiamanten oder billiger Textilprodukten aus Asien.” Auch Welt.de berichtet von dem Tod des jungen Fotografen.

6. “Afghanisches Tagebuch”
(tagesschau.de)
Vier ARD-Korrespondenten starten ein langfristiges Crossmedia-Projekt: Sie begleiten sechs Menschen in Afghanistan über mindestens zwei Jahre, dokumentieren ihr Schicksal und ihr tägliches Leben. “Denn es sind meist die kleinen Veränderungen im Alltag, die viel über ein Land aussagen und darüber, wohin es sich entwickelt.”

Polizeikessel, Sharing, Syrien

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1. “Was alles nicht gesagt wird”
(n-tv.de, Christian Bartlau)
Den Krawallen in Hamburg folgt eine Debatte über die Rolle der Medien: Christian Bartlau schreibt: “Viele der Journalisten, die berichten, haben noch nie einen Polizeikessel von innen gesehen, sie hatten noch nie brennende Augen vom Pfefferspray und keine blauen Flecken von einem Polizeiknüppel. Nun muss ein Sportredakteur ja auch nicht Champions League gespielt haben, um über das Spiel zu berichten. Aber er muss seine journalistische Pflicht erfüllen und den richtigen Leute die richtigen Fragen stellen.” Zum gleichen Thema: Analysen von Streetdogg und Publikative.

2. “Der enthusiastische Störefried”
(nzz.ch, Martin Meggle)
Porträt des brasilianischen Medienkritikers Alberto Dines: “Die Massenproteste in diesem Jahr seien von den brasilianischen Medien unzureichend reflektiert worden, sagt Dines. ‘In der ersten Phase wurden vor allem Akte des Vandalismus ins Zentrum der Berichterstattung gerückt. Die Medien folgten damit unisono der offiziellen Argumentationslinie von regierenden Politikern.'”

3. “Der Terror des Teilens”
(faz.net, Harald Staun)
Carsharing, Wohnungstausch,Verzicht auf Besitz — für Harald Staun ist dies kein Anzeichen für eine Abkehr vom Konsum und Kommerz: “Der Erfolg von Firmen wie Airbnb oder Uber beruht nicht auf der Nächstenliebe der Menschen oder, wie es die Rhetorik der Firmen vorgibt, auf ihrem Interesse daran, ‘neue Leute kennenzulernen’. Er resultiert daraus, dass die Informationstechnik von heute Lebensbereiche erschließt, die bisher für eine Kommerzialisierung uninteressant waren. Das ist keine Rückkehr der Commons, es ist ihr Ende.”

4. “Professor Unrat”
(zeit.de, Marion Schmidt)
Auf Hausbesuch beim Plagiatejäger Uwe Kamenz: Marion Schmidt trifft auf einen Einzelkämpfer, der an seine Mission glaubt, aber auf fragwürdige Mittel zurückgreift und von vielen Seiten kritisiert wird.

5. “Gefällt mir nicht mehr”
(sz-magazin.de, Meike Büttner)
Das eigene Profil von Facebook zu löschen, ist nicht einfach. Meike Büttner macht den Selbstversuch: “Das Foto von einem Jutebeutel erkenne ich als Profilfoto von Freundin Eva, die Abbildung einer Milchschnitte als Profilbild von meinem Ex-Kollegen Rüdiger. Irre, was so ein Gehirn für einen Mist aufnimmt.”

6. “Es ist das Grauen dort. Bitte helft!”
(mediummagazin.de, Christoph Reuter)
Der Reporter Christoph Reuter berichtet in einem persönlichen Brief über die Situation in Syrien und bittet um Hilfe: “Ihr habt das sicher schon alle gehört, dass Millionen auf der Flucht sind, ihre Städte zerbombt, ihre Existenzen vernichtet, sie selbst ausgehungert, frierend und voller Angst. Aber ich erlebe das. Und dann wird aus Zahlen eine nicht abreißende Kette kurzer, langer Begegnungen mit Menschen.”

Gold, Polizeiberichte, Shitstorm-Gesellschaft

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1. “Alles Gute will Gold vom Topf”
(topfvollgold.de, Moritz Tschermak)
Ein Flüchtigkeitsfehler kommt dem Blog “Topf voll Gold”, das Lügen und Irreführungen der Regenbogenpresse auflistet, teuer zu stehen: 887,03 Euro Anwaltsgebühren werden fällig. Nach einem Hilfsaufruf spenden Leser die Summe.

2. “Medienberichte und Realität #hh2112”
(benjaminlaufer.wordpress.com, Benjamin Laufer)
Nach den gewalttätigen Zusammenstößen in Hamburg mit mehreren Hundert Verletzten geht die Suche nach der Wahrheit los: Mit Videos und Augenzeugenberichten werden die Ereignisse rekonstruiert. Benjamin Laufer kritisiert die ersten Medienberichte, wonach Angriffe gewaltbereiter Demonstranten die Eskalation ausgelöst haben: “Der Fehler, der zu solch falschen Berichten führt, ist ein Vertrauensvorschuss, den viele JournalistInnen der Polizei entgegenbringen. Sie betrachten die Behörde als neutrale Informationsquelle und nicht als politischen Akteur, dessen Aussagen es kritisch zu prüfen gilt.”

3. “Die Weltkriegsfestspiele”
(datenjournalist.de, Lorenz Matzat)
Angesichts des kommenden Jahrestages des Beginns des 1. Weltkrieges wünscht sich Matzat, eine tiefergehende Beschäftigung mit dem Krieg neben den allgefälligen Infografiken und Twitter-Accounts: “Sprich: Mehr Analyse und Zusammenhänge; das Schlagen große Bögen vom Imperialismus und Kolonialismus, dem Aufstieg des Nationalismus über den Kolonialismus bis hin zum Antisemitismus; eine Beschäftigung mit der Rolle der Industrialisierung, der Durchkapitalisierung; mehr Versuche, zu verstehen, wie es zu dieser Kriegsbegeisterung kam, woher die Lust zu Töten rührte und wie schnell die in heutiger Zeit möglicherweise wieder zu aktivieren wäre.”

4. “Verbannung und Hyperzivilisierung im Netz”
(breitenbach.tumblr.com, Patrick Breitenbach)
Ein rassistischer Tweet bewirkt einen Shitstorm und die sofortige Entlassung einer amerikanischen PR-Arbeiterin. Breitenbach sieht in dem Fall einen Beleg für die These: “Die Überwachung durch Staaten oder Machteliten ist dabei nur ein ganz kleiner Teil der sozialen Kontrolle. Der größte Druck geht von der Masse der Nutzer selbst aus.”

5. “NeinQuarterly – gescheit gescheitert”
(gutjahr.biz, Richard Gutjahr)
Gutjahr trifft Eric Jarosinski, der mit seinem Twitter-Account NeinQuaterly Furore macht und seinen Universitätsjob für ein neues Blog aufgibt.

6. “Ein neues Gedächtnis”
(taz.de, Teresa Havlicek)
Nach der Einstellung des Lokalblatts Deister-Leine-Zeitung will Redakteur Wolf Kasse nicht aufgeben und gibt eine eigene Zeitung heraus — ohne Rückendeckung von Verlagen.

Buzzword-PR, Kündigungen, Verdachtsvorsorge

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1. “So setzt man Themen-Trends: Wie PR-Themen in den Medien landen”
(spiegel.de, Frank Patalong)
Ein Buzzword macht PR-Karriere. Patalong schildert einen Fall aus dem redaktionellen Alltag, bei dem ihm ein vermeintlicher Trend angedient wird — samt Expertise einer Firma, die diesen Begriff systematisch nutzt, um in die Presse zu kommen. “Hier nutzte also möglicherweise die Firmen-PR erfolgreich eine Steilvorlage durch das Medium, um dem Medium wiederum eine Steilvorlage zu liefern. Mit Erfolg.”

2. “Pierre Omidyar plunges first $50m into media venture with Glenn Greenwald”
(theguardian.com, Ed Pilkington)
Erste Details über das Journalismus-Projekt des Paypal-Gründers: “First Look Media” bekommt eine erste Finanzspritze von 50 Millionen Dollar und gründet Büros in New York, San Francisco und Washington. Neben einer gemeinnützigen Stiftung soll auch ein profitorientierter Journalismus-Dienstleister entstehen.

3. “Spiegel Online International droht radikale Kürzung”
(tagesspiegel.de, Sonja Álvarez)
Der Versuch des Spiegel-Verlages mit einem englischsprachigen Angebot international erfolgreich zu sein, scheint gescheitert. Obwohl das Angebot gerade beim Thema NSA punkten konnte und die Redakteure “ihren publizistischen Auftrag zur vollsten Zufriedenheit erfüllt” haben, wird die Redaktion nach Informationen des Tagesspiegels auf 1,4 Stellen zusammengestrichen.

4. “Beileger, Sie sind raus!”
(taz.de, Wiebke Schönherr)
Mit einem Streik setzten 220 Mitarbeiter einer Druckerei, die für den Axel-Springer-Verlag produziert, einen höheren Stundenlohn durch. Doch nun droht ihnen die Kündigung, ein neuer Dienstleister soll übernehmen.

5. “Mediatheken: Können Internet-Abrufe die Fernsehquote ersetzen?”
(quotenmeter.de, Timo Nöthling)
Bei Formaten wie Jan Böhmermanns “Neo Magazin” schauen mehr Zuschauer online zu als im klassischen Fernsehen. Doch noch ist das ein absoluter Ausnahmefall.

6. “8 Regeln für die Verdachtsberichterstattung, die Journalisten und Blogger kennen müssen”
(rechtsanwalt-schwenke.de, Thomas Schwenke)
Jemanden öffentlich zu verdächtigen, kann teuer werden. Rechtsanwalt Schwenke gibt Handreichungen, welche Schritte geklärt sein sollten, bevor man über einen Verdacht berichtet.

Pressefreiheit, Regenbogenpresse, Podcasts

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1. “Täglicher Kampf um die Pressefreiheit”
(deutschlandradiokultur.de, Sabine Adler)
Journalismus in Zeiten des Umsturzes: Während manche TV-Sender die Proteste in der Ukraine kleinreden, tobt online ein Kampf um Informationen. Jeder der berichtet, ergreift auch Partei.

2. “Syrien – für Reporter immer gefährlicher”
(tagesschau.de, Anna Osius) Immer wieder werden
Journalisten, die aus Kriegsgebieten berichten, getötet, verletzt oder gezielt entführt. Die Jahresbilanz der Organisation Reporter ohne Grenzen zählt 71 Journalisten und 39 Blogger, die während ihrer Arbeit getötet wurden. Die Zahl der Entführungen hat sich mehr als verdoppelt.

3. “Verrenkungen vom Ende des Regenbogens”
(vocer.org, Mats Schönauer und Moritz Tschermak)
Die Blogger von topfvollgold ziehen Bilanz über die üblichen Faktenverdrehungen der Regenbogenpresse und erinnern daran, dass diese Blätter nicht irrelevant sind: “Zusammengerechnet kommt das gesamte Segment auf eine jährliche Druckauflage von über 560 Millionen Exemplaren – eine gewaltige publizistische Macht.”

4. “Der Sender bin ich “
(faz.net, Stefan Schulz)
Die FAZ stellt ihren Lesern Podcasts und Tim Pritlove vor. “In Pritloves Studio passiert, wovon Fernsehmacher träumen: Die Gesprächsteilnehmer sehen sich als Teil einer Gemeinschaft, die über Chatsysteme mit am Tisch sitzt und bei Bedarf auch zum Gesprächsteilnehmer wird, etwa wenn Wissenlücken im Studio gefüllt werden müssen.”

5. “Ein Wortlaut-Protokoll in 6 Variationen”
(netzjournalismus.de, Fiete Stegers)
Ein kurzer, aufgeheizter Dialog vor Gericht — und in sechs verschiedenen Medien sind sechs verschiedene Variationen zu lesen.

6. “Vom Schlager zum Hit”
(journalist.de, Marcel Roth)
Der Sender MDR Sachsen-Anhalt sendet keine Schlager mehr. Ein Erfahrungsbericht: “Eine 73-Jährige aus Ilsenburg im Harz schreibt per E-Mail, sie sei oft mit der ‘supermodernen Musik’ nicht einverstanden und würde sich sehr freuen, ‘wenn mal ab und zu ein Wander-, Volks- oder Seemannslied gespielt würde.'”

Drohanrufe, Penisfotos, Filterblasenentzündung

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1. “‘Wir bekommen Hunderte Drohanrufe'”
(zeit.de, Kai Biermann)
Obwohl die Kölner Staatsanwaltschaft mittlerweile Ermittlungen gegen die Redtube-Abmahner prüft, gibt sich Anwalt Thomas Urmann im Interview mit Zeit Online gelassen: “Aber selbst wenn die IP-Adressen auf eine illegale Art erlangt worden wären, kann uns das juristisch völlig egal sein.” Unterdessen werden alle Neuigkeiten zu #redtubegate bei Reddit gesammelt.

2. “Das deutsche Kino ist in der Krise”
(out-takes.de, Martin Hagemann)
“Es fehlen in Deutschland seit langem Spielfilme, die sich zwischen den Polen von wirtschaftlicher und kultureller Ausrichtung positionieren.” Als Grund sieht Hagemann ein Finanzierungsproblem: Wirtschaftlich erfolgreiche Filme spielen den Verwertern Geld ein, nicht den Produzenten.

3. “Wer weiß, ob die Deutschen nicht Obama abhören?”
(faz.net, Patrick Bahners)
In einem einseitigen Beitrag im US-Magazin “60 Minutes” zündet der Geheimdienst NSA neue Nebelkerzen in der Spionageaffäre: Statt um die eigenen Programme geht es um hypothetische Spionageaktivitäten Deutschlands im Weißen Haus und eine vermeintliche Hoffnung auf die Begnadigung Edward Snowdens. Die Nachricht über einen vermeintlichen Supervirus wird von Tech-Bloggern mit Skepsis gesehen.

4. “Der Penis hat hier nichts zu suchen”
(sueddeutsche.de, Katharina Riehl)
Das Magazin “Dummy” muss zwei Seiten entfernen und ein Foto schwärzen, damit die aktuelle Ausgabe im Zeitschriftenhandel verkauft werden kann. Grund: Die “Freiwillige Selbstkontrolle im Pressevertrieb” hatte Einwände.

5. “Meine Filterblase ist kaputt”
(lumma.de, Nico Lumma)
Heavy-User Nico Lumma über seine Twitter-Timeline: “Ich bekomme langsam den Eindruck, Twitter verkommt zu einem Werkzeug der Empörung, der permanenten Kritik an allem und jedem – und damit wird es immer schwerer, Twitter für konstruktive Themen zu nutzen.”

6. “Golden Boy der begüterten Kapitalistenhasser”
(medienwoche.ch, Ronnie Grob)
Zu dessen 70. Geburtstag porträtiert Ronnie Grob den Schweizer Journalisten und Ringier-Berater Frank A. Meyer: “Er ist ein Glückskind, ein Götterknabe, ein Golden Boy, der alle guten Zeiten voll ausgenützt hat und zum Verwundern aller die wichtigen Machtkämpfe für sich entscheiden konnte.”

Pressefreiheit, Zensur, Digital-Chaos

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1. ” Schwarz-Weiß-Malerei”
(haz.de, Imre Grimm)
Die Hannoversche Allgemeine arbeitet die Diskussion um “Wetten dass…?” auf: „Blackfacing ist keine überdrehte Kopfgeburt wohlmeinender Weltverbesserer, sondern ein komplexes Sujet in der aktuellen Rassismusdebatte.”

2. “ROG veröffentlicht aktuelle Rangliste der Pressefreiheit”
(reporter-ohne-grenzen.de)
Die Organisation “Reporter ohne Grenzen” veröffentlicht ihre alljährliche Rangliste der Pressefreiheit. Die NGO kritisiert den Abbau von Redaktionen in Deutschland, Japan wird wegen des Umgangs mit der Fukushima-Berichterstattung herabgestuft. Update 13:39 Uhr: Aus Versehen haben wir die Pressemitteilung vom Januar verlinkt. Die Jahresbilanz der Organisation wird in Kürze veröffentlicht.

3. „Unsere Zensur ist präventiv“
(taz.de, Julia Niemann)
Die Chefin der israelischen Zensurbehörde (ROG-Rang 112) erklärt ihre Arbeit und die Vereinbarkeit mit einer Demokratie: “Wenn eine Information als Gedanke des Journalisten verkauft wird anstatt als Aussage des Generalstabschefs, dann lasse ich es durchgehen.”

4. “‘Pofalla ist auf jeden Fall dabei’ und weitere Informationen aus gut informierten Kreisen”
(stefan-niggemeier.de, Stefan Niggemeier)
Viele Redaktionen erfreuten ihre Leser mit frühen Einblicken in die Kabinettsliste, insbesondere Spiegel-Leser erfuhren mehr. Auch wenn es nicht stimmte.

5. “Prinzip Chaos in der Digitalpolitik bleibt”
(heise.de, Falk Steiner)
Einen Internetminister wird es in der neuen Bundesregierung nicht geben, stattdessen werden die Kompetenzen auf mehrere Ministerien verteilt. “Bleibt die Hoffnung, dass Koalitionsverträge und Ressortzuständigkeiten vor allem eines sind: Papier”, kommentiert Falk Steiner. Ähnliche Kritik gibt es von FAZ.Net und Sueddeutsche.de.

6. “Das Zeitalter der globalisierten Überwachung”
(internet-law.de, Thomal Stadler)
Rechtsanwalt Thomas Stadler zeigt sich ernüchtert von den politischen Reaktionen auf die Geheimdienstenthüllungen: “Ob sich der Bürger und die von ihm legitimierten Vertreter wieder aus diesem Würgegriff der Geheimdienste befreien können, erscheint ungewiss. Aber ohne massiven Druck der Bürger weltweit wird es nicht gehen.” In die gleiche Richtung argumentiert der Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht, der in der FAZ einen anderen New Deal fordert.

Friends, ein Clan, Cyborgs

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1. “BILD & Co – zu blöd zum Abschreiben?”
(gutjahr.biz, Richard Gutjahr)
Das alljährlich wiederholte Gerücht über eine Neuauflage der US-Serie “Friends” macht die Runde in deutschen Medien — mit angeblicher Bestätigung des Senders NBC. Quelle ist ein Bericht vom April, der längst dementiert wurde.

2. “Der zornige Wortarbeiter”
(magda.de, Ilona Jerger)
Porträt des Kabarettisten im Ruhestand Georg Schramm und die von ihm geschaffenen Charaktere: “Früh am Morgen kauft er als erstes die ‘Bild’-Zeitung und schaut, wer vorne drauf ist. Je nachdem hängt er die Titelseite später in seinem Schrebergarten auf. Und zielt. Mit dem Luftgewehr.”

3. “Ein Bild und seine Geschichte: Der Wulff-Kuss”
(blog.stratenschulte.de, Julian Stratenschulte)
Alltag eines Fotojournalisten: Ein DPA-Fotograf erklärt, wie er das verbreitete Foto von Ex-Bundespräsident Christian Wulff und seiner Ex-Frau im Landgericht Hannover geschossen hat.

4. “Liebeserklärung an meinen Clan”
(dasnuf.de, Patricia Cammarata)
Das Nuf beschreibt Twitter und Co als Familie, als Clan, die mit ihrer Interaktion ein Gefühl der Zusammengehörigkeit schaffen. “Mein Mann sagt öfter, dass er es seltsam findet, dass in unserer Wohnung, in unserer Beziehung immer noch jemand mit dabei ist: das Internet oder besser gesagt, die Menschen aus dem Internet.”

5. “Wie ich zum Cyborg wurde”
(carta.info, Enno Park)
“Viele finden Cyborgs gruselig: Der Eingriff in den Körper wird als Grenzüberschreitung gesehen. Gestattet sei die Frage, warum eigentlich?” Enno Park erklärt zur Gründung des Cyborg-Vereins in Berlin, was es bedeutet mit Technik im Körper zu leben und welche Herausforderungen es gibt.

6. “Ein Remix-Aufruf für das Urheberrecht!”
(dirkvongehlen.de, Dirk von Gehlen)
Dirk von Gehlen schreibt Beiträge zur Urheberrechtsdebatte aus dem Jahr 2012 um: Nicht die Abschaffung des Urheberrechts stehe an, sondern die Deligitimation durch die Abmahnindustrie.

Ölschlick, Duckmäuser, Brustsperren

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1.”Nicht werfen, nicht schlagen. Keine Steine, nichts”
(faz.net, Konrad Schuller)
Ukrainische und russische TV-Sender nutzen ein Video von FAZ.NET, um dem Bruder des Oppositionsführer Vitali Klitschko die Inszenierung von Gewalt vorzuwerfen. Die deutsche Onlineredaktion veröffentlicht daraufhin eine längere Version des Videos.

2. “Wissenschaftliche Volksverhetzung”
(sueddeutsche.de, Willi Winkler)
Nach der Entscheidung der bayerischen Staatsregierung, die Förderung für eine historisch-kritische Edition” von “Mein Kampf” zu stoppen, erinnert Winkler an die Vorgeschichte und die Folgen: “Das nennt man wahrscheinlich die Kunst des Politischen: Damit wäre die Freiheit der Wissenschaft gewahrt und Hitler weiter unter Verschluss.”

3. “Klammern an ‘Bild’ und ein zahlendes Prozent”
(blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Die Erfolgsmeldung über 152.000 zahlende BILDplus-Leser ist auf den zweiten Blick ernüchternd: 99 Prozent der Leser sind immer noch nicht bereit zu zahlen, obwohl der Verlag den Abonnenten Bundesliga-Videos anbietet.

4. “Die neue Dimension des Duckmäusertums”
(faz.net, Constanze Kurz)
Trotz ständig neuer Enthüllungen über die Methoden der NSA und befreundeter Geheimdienste fehlt es an politischen Konsequenzen. Constanze Kurz fordert die Politiker auf, die Machtfrage zu stellen.

5. “Liebe User, Facebook hat unsere Seite vorübergehend gesperrt”
(https://www.facebook.com/ZDFheute/)
Wegen eines medizinischen Bildes einer weiblichen Brust im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Brustimplantante wurde die Facebook-Seite der Nachrichtensendung vorübergehend gesperrt: “Bitte beachten Sie: Ungefiltert und unzensiert durch US-amerikanische Medienkonzerne gibt’s ZDF heute.de auf www.heute.de!”
Update 15.11 Uhr: Das ZDF rudert zurück: Facebook habe lediglich ein Foto gelöscht, die Seitensperre wurde von der Redaktion aufgrund eines Missverständnisses aktiviert.

6. “Shells Science Slam endet im Ölschlick”
(metronaut.de, John F. Nebel)
Mit einem “Science Slam” wollte Ölkonzern Shell etwas für sein Image tun. Doch die Teilnehmer nahmen den Sponsor aufs Korn. Gewinner des Abends: Ein vorgebliches CO2-Rückgewinnungexperiment, das Ölschlick versprühte.

Schildbürger unter sich

Fast jeder kennt die Geschichten über die Schildbürger, die in ihrem Übereifer immer wieder ambitionierte Projekte beginnen und dann doch an den simpelsten Grundlagen scheitern. Zum Beispiel die Geschichte, als sie ein Rathaus ohne Fenster bauten und anschließend versuchten, das fehlende Licht mit Eimern und Fässern in das Gebäude zu schaffen.

Das ist wahrscheinlich ein Grund, warum die Geschichte von dem spanischen Hochhaus ohne Fahrstuhl in der Deutschen Presse so viel Aufmerksamkeit erntete. Zum Beispiel in Bild.de:

Hochhaus gebaut – aber Aufzug fehlt Architekt vergaß den Fahrstuhl-Schacht +++ Bauarbeiter müssen schleppen +++ Mieter müssen laufen

Stern.de beschrieb detailreich:

Mit 210 Metern soll es das höchste Wohnhaus Europas werden. Ein Aushängeschild der Superlative, so war der Plan. 3,7 Millionen Euro kostete zu Baubeginn eine Maisonettewohnung im

Und Welt.de wusste auch den Grund dafür:

Der Aufzug wurde nur für die ersten 20 Stockwerke konzipiert, beim Weiterbau vergaß man den Aufzugschacht bis zu Spitze.

Auch Spiegel Online, die Neue Zürcher Zeitung, die Hamburger Morgenpost und viele andere verbreiteten die Mär vom fehlenden Aufzug.

Alleine: Der Artikel in der Zeitung El País (englische Fassung), auf den sich die Artikel direkt oder indirekt berufen, hat zwar allerhand zum Thema Fahrstühle zu berichten: Es gab einen Unfall mit dem Lastenaufzug, der ohnehin zu spät gebaut worden war. Dass allerdings die Fahrstuhlschächte ab dem 20. Stockwerk fehlen — das stand nirgends. Die entscheidene Textstelle lautet (Übersetzung von uns):

Im Januar 2012 gab es eine neue Überraschung: Bei den Planungen war der Aufzugschacht nicht beachtet worden, wie die öffentlichen Pläne klar zeigen. “Der Platz wurde nur für ein 20stöckiges Gebäude berechnet”, sagten die gleichen Quellen.

Das kann natürlich vieles heißen: dass die Fahrstuhlschächte unterdimensioniert sind, dass der Platz für den Antrieb falsch berechnet war, dass zu wenige Fahrstühle für die erhöhte Einwohnerzahl zur Verfügung standen. Für die Extrem-Interpretation, dass die Fahrstuhlschächte gleich ganz fehlten, fehlte jedoch jeder Hinweis. Und wie zu erwarten war, stimmte dies auch nicht. Wie zum Beispiel das Blog Barcepundit auflistet, hat der Wolkenkratzer sogar ganze 10 Aufzüge — und die Schächte reichen bis in den 47. Stock. Treppen steigen muss also niemand.

Doch statt ihre Falschmeldungen einfach zu löschen oder zu korrigieren — wie es zum Beispiel Spiegel Online sehr halbherzig tat — versuchten einige Redaktionen ihre durch Fakten verpfuschte Geschichte noch zu retten. So erklärte die Welt kurzerhand das Fehlen des Schildbürgerstreiches selbst zur Posse:

Screenshot: Welt.de

Doch wie spanische Medien kolportieren, sei beim Bau ein bedauerlicher Fehler unterlaufen. Die Tageszeitung “El País” will anhand der Baupläne herausgefunden haben, dass der Aufzugsschacht für ein Hochhaus von nur zwanzig Stockwerken und damit zu eng konzipiert war. Für ein doppelt so großes Hochhaus wie das Intempo braucht man stärkere Motoren und andere Zugsysteme. Erst im Januar habe man den Fehler bemerkt und die drei Aufzugsschächte erweitert, was die Arbeiten erheblich verzögerte, heißt es beim spanischen Nachrichtensender “La Sexta”. Viele spanische Online-Portale juxen derweil munter weiter über das Hochhaus mit dem fehlenden Aufzug.

Dass die Redaktion das eigene Rechercheversagen überspielt und “spanischen Online-Portalen” in die Schuhe schiebt, ist dreist, aber kaum bemerkenswert. Dass es die Redaktion aber schafft, trotz der Nachfrage beim Architekten die Falschmeldung vom “offenbar vergessenen” Fahrstuhl noch in die Überschrift zu packen hingegen zeigt eine stolze Ignoranz, die eins deutlich macht: Deutsche Journalisten müssen sich offenbar nicht hinter Schildbürgern verstecken.

Mit Dank an Greta H., hvd69, Patrick R. und Mathias S.

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