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Für Sie geklickt (9)

Die BILDblogAntiClickbait-Taskforce ist wieder für Sie losgezogen, um zu schauen, was hinter den vollmundigen Versprechen in Überschriften und Teasern wirklich steckt. Durch unseren Einsatz können Sie kostbare Lebenszeit und wichtige Gehirnzellen sparen.

Heute: das vergangene Wochenende auf der Facebookseite von “Focus Online”.

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Torwart.

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Wegen der hohen Getränkepreise.

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Im Alter regeneriert sich der Körper langsamer.

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“Aldi” macht eine Fernsehwerbung.

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Sind dann doch ein paar mehr als vier: Personalausweis und Reisepass, Geburts- und Heiratsurkunden, gegebenenfalls Scheidungsurkunde, eine Gehaltsabrechnung und Nachweise über Kranken- und Rentenversicherung.

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Mit diesen fünf Rhetorik-Tricks:
1. Die Streitfrage verändern.
2. Mit Fragen verwirren.
3. Falsche Schlussfolgern ziehen.
4. Den Gegner provozieren.
5. Persönliche Angriffe.

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Alle drei Frauen — die Polizistin und die zwei Autofahrerinnen — hatten an dem Tag Geburtstag.

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Quinoa, Brokkoli, Haferflocken, Eier, Magerquark.

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Er befreit sich aus den Handschellen und flieht, wird später aber wieder geschnappt.

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Goldschmuck.

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1. Die Tageszeit.
2. Eine Pause vor der Prüfung.

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Man soll Halluzinationen bekommen.

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LED-Blitze.

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Schlechte Infrastruktur, kaum Arbeit.

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Drogen: Weil sie ihren Geist erweitern wollen.
Wach bleiben: Weil es gegen die Norm ist.

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Alles mit Kohlenhydraten.

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Sie bremsen Schweiß ab, schützen vor Sonnenlicht von oben und helfen, Emotionen durch Mimik zu äußern.

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Auf welcher Seite sich die Tankklappe befindet.

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1. Sie gelten als sexy, höflich und süß.
2. Sie neigen eher zu Alkoholmissbrauch.
3. Sie wirken oft kühl.
4. Sie gelten als verführerisch.
5. Sie sind verlässlich.
6. Sie werden um ihre Augenfarbe beneidet.
7. Sie haben ein geringeres Schmerzempfinden.
8. Sie stehen gern im Mittelpunkt.
9. Ihre Augen kommen durch Rosé oder Braun zur Geltung.
10. Sie sind sehr lichtempfindlich.
11. Ihre Babys haben oft braune Augen.

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Cola.

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Eine Granate aus dem Ersten Weltkrieg.

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50.

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Nein.

Bitte. Keine Ursache.

Telling Lies

Vergangenen Montag ist in der Wüste von Nevada das Festival “Burning Man” zu Ende gegangen. Und heute, eine Woche später, gibt es noch einmal richtig Wirbel in den Medien:






Der Reihe nach: vip.de, klatsch-tratsch.de, promicabana.de, kurier.at, gala.de, Bild.de — journalistisch also alles eine Liga.

Und obwohl die gesamte Expertenrunde felsenfest behauptet, David Bowies Patenkind habe mit Erlaubnis von David Bowies früherer Ehefrau einen Teil von David Bowies Asche mit zum “Burning Man” genommen und dort in einer Zeremonie verstreuen lassen, dürfte das alles nicht stimmen. Denn inzwischen haben sich David Bowies Sohn, die offizielle David-Bowie-Facebookseite und ein Sprecher der Verwaltung des David-Bowie-Nachlasses geäußert. Und alle sagen: Das ist Quatsch.

Mit Dank an @TanteEla74 für den Hinweis!

Auch mal die andere Seite zeigen

Wenn bei schlimmen Unfällen auf öffentlichen Straßen Feuerwehrleute und Sanitäter anrücken, haben sie in der Regel auch eine oder mehrere Decken dabei. Die halten sie dann als Sichtschutz vor die Verletzten, damit vorbeifahrende Gaffer nicht gaffen und allzu sensationsgeile Fotografen nicht fotografieren können.

Am vergangenen Samstag gab es so einen Unfall in Ruhpolding. Mehrere Kinder wurden beim Überqueren einer Straße von einem Auto angefahren und dabei teilweise sehr schwer verletzt. Die Feuerwehr und die Sanitäter rückten also an, packten auch eine Decke aus und hielten sie vor die Verletzten, während diese vor Ort behandelt wurden.

Und was macht ein Fotograf, der keine Rücksicht auf irgendwas kennt, in so einer Situation? Geht einfach auf die andere Seite der Decke und macht vorn dort aus seine Aufnahmen. Einige Medien haben diese Fotos dann auch noch gebracht.

Bild.de zum Beispiel:


(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Artikel durch uns.)

Oder “Bild”:

BR.de:

abendzeitung-muenchen.de:

chiemgau24.de:

pnp.de:

Unser Leser Götz Marx hat eine Idee, was beim Anblick der Decke wohl im Kopf des Fotografen vorgegangen sein muss: “Der BILD-Fotograf dachte wohl, die Feuerwehrleute halten die Decke bei den Opfern nur deswegen hoch, damit er nicht gegen die Sonne fotografieren muss!”

Mit Dank an Götz M. für den Hinweis!

Nachtrag, 13. September: Die Redaktion von BR.de hat das Foto inzwischen aus der Galerie entfernt.

Lach- und Unsachgeschichten

Im fernen Paralleluniversum der Regenbogenpresse gibt es eine billige Methode, die die Redaktionen gerne anwenden und die für geschätzte 50 Prozent ihrer Fantasieberichte die Grundlage bildet — der Richtige-Moment-Trick. Geht ganz einfach und ist irre effektiv: Man setzt einen Paparazzo bei einer öffentlichen Veranstaltung auf einen Prominenten an und lässt ihn solange die Linse auf den Schauspieler/Prinzen/Sportler/Wasauchimmer halten, bis diese Person mal so guckt, wie man sie in einem Artikel darstellen will: dusselig oder grimmig oder betrunken oder wieauchimmer. Und schon hat man eine neue Titelgeschichte.

Boris Becker guckt auf der Tribüne eines Tennisturniers seine Ehefrau Lilly ernst an? Ehekrise! Norwegens Kronprinzessin Mette-Marit hat bei einem Empfang ein Glas Sekt in der Hand, und ihre Augenlider hängen auf Halbmast, weil sie gerade blinzelt? Alkoholabsturz! Nach diesem Schema lassen sich zig Storys in die Richtung biegen, die einem gerade am besten passt.

“Bild” und Bild.de erzählen dieser Tage auffallend gern die Geschichten der respektlosen Angeklagten, die vor Gericht lächeln, lachen, grinsen, obwohl ihnen schlimme Dinge vorgeworfen werden.

Zum Beispiel Bill Cosby. Gegen den früheren Entertainer gibt es mehrere Missbrauchsvorwürfe. Vorgestern wurde festgelegt, dass der Prozess zu einem dieser Vorwürfe im Juni 2017 starten soll. Zur Anhörung am Dienstag erschien Bill Cosby persönlich. Er stieg aus dem Auto, lachte, wurde dabei fotografiert. Schon hatte Bild.de gestern eine Schlagzeile:

Zum Beispiel Sven Lau. Der Salafistenprediger steht in Düsseldorf vor Gericht. Ihm wird die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Zum Prozessauftakt am Dienstag machten Fotografen reichlich Fotos, auf einigen grinst Lau beim Betreten des Gerichtssaals — für Bild.de das Ereignis, das in die Überschrift musste:

Zum Beispiel Otto L. Der heute 43-Jährige ist vergangenes Jahr mit der damals 15-jährigen “Tochter seiner Ex” durchgebrannt. In einem ersten Urteil wurde er wegen Entziehung Minderjähriger verurteilt. Dagegen ging er vor und wurde am Montag freigesprochen. Über das Urteil schien er sich zu freuen. Jedenfalls titelte die Saaraland-Redaktion der “Bild”-Zeitung:

Zum Beispiel Norbert K. Er hatte mit einem Komplizen ein 17-jähriges Mädchen entführt und erfolglos 1,2 Millionen Euro Lösegeld gefordert. Das Mädchen wurde erdrosselt und erstickt. Norbert K. wurde am Montag wegen Mordes durch Unterlassung und erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt. Der Haupttäter bekam lebenslang (die Urteile sind noch nicht rechtskräftig). Bei der Verhandlung am Montag unterhielt sich Norbert K. mit seinem Anwalt und lachte dabei auch. Bild.de:

Der Artikel steigt so ein:

Das Lachen der hübschen Anneli († 17) wird nie wieder real sein. Es wurde ausgelöscht, von ihren Entführern. Ausgerechnet einer dieser Männer wagt es, im Mordprozess ausgelassen zu lachen!

Genau diese unsachliche Empörung über kleine Momentaufnahmen treibt all die “Bild”-Grinse-Geschichten aus den vergangenen vier Tagen: “Was fällt euch Typen eigentlich ein, auch noch zu lachen?” Es ist dabei egal — und auch gar nicht bekannt –, worüber die Personen lachen. “Bild” und Bild.de lassen die Situationen dennoch wie eine Verhöhnung der Opfer wirken.

Bei Anruf Witwenschütteln

Am vergangenen Sonntag stürzte ein Kletterer in den Südtiroler Alpen ab und starb noch vor Ort. Der Mann lebte zwar schon seit mehreren Jahren in Österreich, er war aber gebürtiger Kölner. Und so griff die Köln-Redaktion der “Bild”-Zeitung die Geschichte am Montag auf:

Es war nur eine kleine Meldung, 15 Zeilen lang, beschränkt auf die wichtigsten Fakten. Für “Bild”-Verhältnisse also ein ausgesprochen ordentlicher Umgang mit einer so traurigen Nachricht, und wir wunderten uns schon, warum das Blatt nicht — wie sonst — Fotos des Verstorbenen zeigt oder Angehörige und Bekannte belästigt hat, um an Zitate zu kommen, oder sonst irgendwie Privatsphären missachtet hat.

Was wir nicht wussten: Während wir noch rätselten, liefen in der “Bild”-Redaktion in Köln schon die üblichen Post-mortem-Recherchen. Und so konnten “Bild” und Bild.de (kostenpflichtig als “Bild-plus”-Artikel) gestern eine deutlich opulentere Aufmachung der Geschichte präsentieren:


(Unkenntlichmachung durch uns.)

Schon der erste Absatz gibt die Sensationsgier vor:

Er liebte die Berge, das Klettern, die Höhe. Doch sein Hobby wurde für ihn nun zur Todesfalle!

Und auch sonst haben die “Bild”-Mitarbeiter mal wieder unter Beweis gestellt, was sie alles Schreckliches so können. Da wäre zum Beispiel das Foto von Christian V., das “Bild” und Bild.de groß und unverpixelt zeigen. Es stammt von der Homepage der Praxis, in der der Mann gearbeitet hat. Die “Bild”-Medien haben einfach seine Arbeitskollegen weggeschnitten und das Foto veröffentlicht.

Oder der Anruf in der Praxis:

Einen Tag danach erreicht BILD eine Arbeitskollegin von Christian V. […]. Sie erzählt unter Tränen: “Wir sind alle so geschockt. Christian war ein begeisterter Kletterer, viel in den Bergen unterwegs. Das ist alles so schlimm.”

Witwenschütteln am Telefon. Was denkt man sich als “Bild”-Reporter wohl nach diesem Gespräch? “Geil, die weint! Das nehm’ ich.”?

Als er in den Südtiroler Alpen abstürzte, war Christian V. übrigens mit seiner Frau und einer Freundin unterwegs. “Bild” schreibt:

Christians Ehefrau, die den Absturz wohl direkt miterlebte, wird nun psychologisch betreut.

Wenn man das weiß und dennoch eine solche Geschichte druckt, hält man sein eigenes Verhalten womöglich auch noch für völlig normal.

Nachtrag, 14:50 Uhr: Inzwischen haben wir die Praxis erreicht, in der Christian V. gearbeitet hat. Wir wollten wissen, ob dort jemand der “Bild”-Zeitung erlaubt hat, das Foto zu nutzen. Antwort: “Nein.” Es habe nicht mal eine Anfrage gegeben.

Nur zur Erinnerung: Die Identität eines Opfers sei “besonders zu schützen”, sagt der Pressekodex. Für das Verständnis eines Unglücks sei “das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich.” Zwar könne das Foto eines Opfers “veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben”. Aber das dürfte in diesem Fall eben nicht so gewesen sein.

Neben diesen presseethischen Grundsätzen dürfte “Bild” mit der Veröffentlichung des Fotos auch das Urheberrecht des Fotografen missachtet haben. Als Quelle nennt die Redaktion lediglich das notorische “PRIVAT”.

Falsches über die Fälscher

Im Internet gibt es momentan ein wenig Aufruhr wegen eines Fotos, das die AfD in einem Flyer zum Thema “Innere Sicherheit im Landkreis Stade” veröffentlicht hat. Es zeigt eine Person, die gerade dabei ist, mit einer Fahne auf einen auf den Boden fallenden Polizisten einzuprügeln. Was das Foto besonders pikant macht — und vermutlich auch der Grund sein dürfte, warum die AfD es ausgesucht hat: Auf dem Rücken des Prüglers prangt das Logo der “Antifaschistischen Aktion”. Zum Foto schreibt die AfD Stade: “Rechtsstaat am Boden” und wirbt so für ihre rechtspopulistischen Positionen in Sicherheitsfragen. Eine Quellenangabe für das Bild gibt es nicht.

Nun kann man relativ schnell erkennen, dass es sich dabei um eine schlecht ausgeführte Bildmanipulation handelt und das “Antifa”-Logo lediglich reinmontiert ist. Und mit etwas mehr Aufwand findet man auch heraus, dass die Originalaufnahme (natürlich ohne “Antifa”-Logo) nicht von heute und nicht aus der Region um Stade stammt, sondern aus dem Jahr 2009 und bei Demonstrationen in Griechenland entstand. Urheber ist der Fotograf Milos Bicanski. Die Facebookseite “Hooligans Gegen Satzbau” hat sich diese Recherchemühe gemacht.

Die durchaus berechtigten Reaktionen im Internet lauten nun in etwa: “Ha, die ‘Lügenpresse’-Schreier von der AfD nutzen ein manipuliertes Foto, um Stimmung zu machen.” Medien nahmen sich den Fall ebenfalls vor. Das “Stader Tageblatt” berichtete sehr früh:

Stern.de sprang auf:

Mopo.de titelte:

Und die “taz” schrieb auf ihrer Internetseite dazu:

Für die “taz” ist klar, wer hinter der Bildmanipulation steckt: Lars Seemann, stellvertretender Vorsitzender der AfD Stade:

Auf dem Rücken des Schwarzgekleideten prangt ein Antifa-Logo. Nur, dass das Antifa-Logo da gar nicht hingehört — Seemann hat es per Bildbearbeitung in das Bild geschummelt.

Und damit verstoße die AfD “gleich gegen drei Paragrafen des Urheberrechts”:

Sie verschwieg den Namen des Urhebers, vervielfältigte das Foto ohne das Einverständnis des Künstlers und veränderte es ohne dessen Zustimmung.

Den Namen des Urhebers verschwiegen — völlig korrekt.
Das Foto ohne dessen Zustimmung vervielfältigt — ebenfalls korrekt.
Das Bild verändert — leider falsch.

Denn die “Antifa”-Manipulation ist schon älter als der AfD-Flyer und bereits auf anderen rechten Seiten aufgetaucht (auf eine Verlinkung zu den Knallköpfen verzichten wir bewusst). In einer Stellungnahme auf ihrer Homepage schreibt die AfD Stade, dass es sich bei dem Foto auf dem Flyer um ein “seit Jahren im Weltnetz” befindliches Bild handele. Wir würden zwar eher “Internet” dazu sagen, aber im Grunde stimmt die Aussage. Der NDR schreibt:

Tatsächlich stammt die Bildmanipulation nicht von der AfD, sondern wurde schon zuvor von rechtsgerichteten Web-Auftritten verbreitet.

Das ändert natürlich nichts daran, dass die AfD hier gegen Urheberrecht verstößt. Und es ändert auch nichts daran, dass sie auf dubiose Weise ein gefälschtes Foto für ihre populistischen Zwecke einsetzt. Aber es bringt in der nötigen kritischen Auseinandersetzung mit der AfD auch nichts zu behaupten, dass die “Lügenpresse”-Schreihälse ein Foto fälschen, damit selber falschzuliegen und diesen Leuten dadurch neues Futter für eine vermeintliche Medienverschwörung gegen ihre Partei zu liefern.

Mit Dank an Bernd für den Hinweis!

Mit Bindestrich und ohne Würde

“Bild” und Bild.de geben Personen gerne neue Namen. Knackig müssen sie sein, so richtig griffig und auf jeden Fall mit Bindestrich. So wird eine 21-jährige Russin, die bei Instagram über vier Millionen Follower hat, zum “Russen-Model”. Ein Vietnamese, der bei Olympia im Schießen Gold holt, zum “Pistolen-Vietnamesen”. Und ein Seemann, der auf Rügen lebt, zum “Rügen-Fischer”. “Lausitz-Luder”, “Mucki-Wiese”, “Abwehr-Grieche”, “Malle-Jens” — tagtäglich erfinden die “Bild”-Medien neue Bindestrich-Gebilde.

Auch für Lane Graves. Der kleine Junge wäre am Samstag (Bild.de schreibt fälschlicherweise von Sonntag) eigentlich drei Jahre alt geworden. Seine Familie versammelte sich vorgestern mit vielen Freunden und Nachbarn auf einem Footballfeld in ihrer Heimatstadt Omaha im US-Bundesstaat Nebraska, um Lanes Geburtstag zu feiern, allerdings ohne ihren Sohn. Der wurde im Juni beim Sandburgenbauen im “Walt Disney World Resort” von einem Alligator ins Wasser gezogen und starb.

Die Feier war sehr emotional, Lanes Eltern hielten Reden und sprachen über die Zeit mit ihrem Sohn. Fotografen waren vor Ort, viele Medien in den USA berichteten. Und auch Bild.de. In ihrem Drang, Menschen mit möglichst einfallsreichen Spitznamen zu versehen, machten die Mitarbeiter aus Lane Graves, dem Jungen, der durch einen Alligator ums Leben gekommen ist, den “toten Alligator-Jungen”:


(Unkenntlichmachung durch uns.)

Das ist so herz- und würdelos, dass man sich gar nicht vorstellen kann, dass das niemandem bei Bild.de vor Veröffentlichung aufgefallen ist.

Und dazu ist es sprachlich-inhaltlich auch noch so schief. Wenn ein Mann aus Bangladesch durch eine seltene Krankheit warzenähnlichen Wucherungen bekommt, die ein wenig aussehen wie Baumrinde, dann nennen die “Bild”-Medien ihn “Baum-Mann”. Immer noch platt, aber inhaltlich nicht völlig daneben. Doch Lane Graves hatte selbstverständlich nichts von einem Alligator. Er hatte das schreckliche Pech, von einem getötet zu werden. Lane Graves war kein “Alligator-Junge”. Er war ein ganz normales Kind.

Bild  

Und arbeitslos ist er auch noch

Vor dem Landgericht im rheinland-pfälzischen Frankenthal wird derzeit ein Fall verhandelt, der einige Zutaten für eine ordentliche “Bild”-Geschichte mitbringt: ein Todesfall, Messerstiche in Brust und Hals, Drogen sollen im Spiel gewesen sein. Und dann ist da noch der Angeklagte, der zwar geständig ist, der aber auch sagt, dass er in der Situation der Tat nicht gewusst habe, ob er sich gerade in einem Traum befinde. Das LSD, das er und das Opfer zuvor genommen hatten, soll daran schuld sein.

Na, dann mal los, Rhein-Neckar-Redaktion der “Bild”-Zeitung:

Für Oliver A. (22) war es “einfach nur ein Scheiß-Tag”. Henry L. (25) musste diesen Tag mit dem Leben bezahlen. Der junge Mann verblutete nach Messerstichen in Brust und Hals.

Seit gestern steht der Arbeitslose (Spitzname “Bob”) wegen Totschlags vorm Landgericht.

Immerhin: Etwas Anonymisierung hat “Bild” dem Angeklagten im Artikel vom vergangenen Freitag mit einem schwarzen Augenbalken gewährt. Aber was soll die Sache mit dem “Arbeitslosen” in der Überschrift? Für die Tat an sich ist dieser Umstand nichtig. Uns sind zumindest keine Statistiken bekannt, die zeigen, dass Menschen ohne Arbeit eine stärkere Veranlagung dazu haben, “im LSD-Rausch” “zum MESSER-KILLER” zu werden, als Klempnerlehrlinge oder Realschullehrer oder Investmentbanker. Warum also diese Betonung? Wahrscheinlich war einfach noch Platz in der Titelzeile. So aber bildet “dieser Arbeitslose” mit dem “LSD-Rausch” und dem “MESSER-KILLER” einen unheilvollen Dreiklang.

Neben dem Angeklagten geht es in dem Text auch um das Todesopfer Henry L. Im Gegensatz zu Oliver A. zeigt “Bild” ihn jedoch ohne jegliche Anonymisierung:


(Unkenntlichmachung durch uns.)

Als Quellenangabe für das Fotos findet man am Rand des Artikels lediglich den Vermerk “PRIVAT”, was normalerweise so viel heißt wie: Urheber nicht gefragt, Abgebildeten oder dessen Angehörige nicht gefragt, bei Facebook zusammengeklaubt. In diesem Fall könnte es auch sein, dass sich irgendjemand aus der Redaktion an der kleinen Gedenkstätte für Henry L. am Tatort bedient hat. Besser macht es das nicht.

Für Sie geklickt (8)

Wir haben unsere Clickbait-Taskforce wieder für Sie klicken lassen, um herauszufinden, was sich hinter den vielversprechenden Überschriften und Teasern tatsächlich verbirgt. Dadurch können Sie Lebenszeit und Gehirnzellen sparen.

Heute: die vergangene Woche auf der Facebookseite der “Bravo”.

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Sie musste ins Krankenhaus und die Kartoffel entfernen lassen.

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Ungeduldig sein.

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Es sind sogar fünf “krasse Geheimnisse”:
1. Im ersten “High School Musical”-Film singt Zac Efron nicht selber.
2. Die “East High School” gibt es tatsächlich.
3. “Disney” hatte geplant, einen vierten “High School Musical”-Film zu drehen.
4. Ashley Tisdale hat einige ihrer Film-Outfits selbst kreiert.
5. Für Zac Efron hatte “High School Musical” das beste Drehbuch überhaupt.

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Nein.

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Weil die Hälfte Deiner Freunde Dich eigentlich gar nicht mag.

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Beim Waffelverkauf des Schulbasars rastete sie aus und warf mit Teiglöffel und Kochmütze um sich und schrie den ersten Kunden an, der ausgerechnet der Vater ihres “EX-FREUNDES” war.

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Sie ist bereit für eine neue Beziehung.

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1. Sich verstellen
2. Den Anderen ändern wollen
3. Den Anderen für selbstverständlich nehmen
4. Seine Freunde vernachlässigen
5. Sich selbst vernachlässigen
6. Die Sache zu schnell angehen
7. Auf jeden Ratschlag hören

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Die richtige Liebeserklärung von der falschen Person.

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Killer: die plötzlich auftretende “Touch Disease” — dann funktioniert der Touchscreen nicht mehr.
Dagegen tun: hoffen, dass die “Touch Disease” nicht auftritt.

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Penisschaft mit leichtem Druck etwa in der Mitte umfassen, die Hand vorsichtig rauf und runter bewegen.

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Die “2-2-2-Regel”: Alle zwei Wochen einen romantischen Abend miteinander verbringen, alle zwei Monate einen Wochenendtrip machen, mindestens alle zwei Jahre zusammen in den Urlaub fahren.

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Sie waren nämlich kein Liebespaar, sondern beste Freunde.

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Sie hat die vielleicht längste Zunge der Welt, mit der sie womöglich bis zu ihren Augen kommt.

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Abzock-Masche: falsche Gutscheine.
Schützen: nicht anklicken.

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1. Zweisamkeit
2. Vertrautheit
3. Geheimnisse anvertrauen können
4. Stolz aufeinander sein können
5. Gefühle

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Den BH zu oft waschen.

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Umarmen.

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Kniebeugen.

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Kakerlaken.

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Nein.

Bitte. Keine Ursache.

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Übrigens: Wenn es Sie interessiert, wie erfolgreich das Clickbait der “Bravo” ist, können Sie das in manchen Fällen nachprüfen. Einfach die Short-URL nehmen, die die Redaktion hin und wieder als Link in den Facebook-Posts verwendet — zum Beispiel http://goo.gl/jWe9vN — und ein .info dranhängen. Also so: http://goo.gl/jWe9vN.info.

Mit Dank an nikita für den Tipp!

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Völlig versemmelt

Man hört und liest momentan so wenig über den Prozess gegen Beate Zschäpe und den “Nationalsozialistischen Untergrund”, dass man fast meinen könnte, er wurde eingestellt oder wegen der sommerlichen Temperaturen auf November verlegt oder es gab schon ein Urteil und niemand hat es mitbekommen. Dabei läuft er immer noch, erst gestern war wieder ein Verhandlungstag.

Und dass es durchaus relevante Entwicklungen gibt, über die man berichten kann, auch rund um den NSU-Prozess, zeigt die München-Redaktion der “Bild”-Zeitung in ihrer heutigen Ausgabe:

Ja, genau.

Seit Beginn des Verfahrens gegen Beate Zschäpe (41) gibt’s im Sicherheitsbereich vor der Zuschauerempore im zweiten Stock belegte Brötchen, Kuchen und Schokolade. Gezahlt wird in eine Kasse des Vertrauens — eigentlich. Laut einer Gerichtssprecherin wurden immer wieder Snacks gegessen, aber nicht gezahlt.

Immerhin mehrere Tausend Euro Schaden seien für den Caterer dadurch bereits entstanden. Nun hätte man natürlich wissen können, dass der Dreiklang Viele Journalisten unter den Zuschauern — Essen — Bezahlung auf Vertrauensbasis keine besonders gute Voraussetzung für volle Catererkassen ist. Aber dieses Ausmaß des Beschisses, das ist doch sowas von schlimm, ja, also fast so schlimm wie …

Nicht nur die Angeklagten im NSU-Prozess sind kriminell. Nein, leider gibt’s auch unter den Zuhörern Straftäter!

Liebe Mitarbeiter der Münchner “Bild”-Zeitung, natürlich kann man ein paar Semmeldiebe mit der mörderischsten Nazi-Bande der jüngeren Vergangenheit vergleichen und zu dem Ergebnis kommen, dass es sich eben nicht nur bei den Rechtsterroristen mit ihren Morden und Bombenanschlägen und Raubüberfällen um Straftäter handelt, sondern auch bei den Plünderern der Gebäcktafel und des Süßigkeitenregals im Oberlandesgericht München. Man könnte es aber auch sein lassen und ernsthaft über diesen wichtigen Prozess berichten.

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