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Bild.de und Express.de verwechseln Anthony Modeste nach China

Wenn in den europäischen Fußballligen Sommerpause ist, ist der (Sport-)Boulevard besonders aktiv. In diesen Wochen raten die Redaktionen von “Sport Bild”, “Bild”, “Express” und all den anderen Fachblättern fröhlich rum, ob Mittelfeldstratege A nicht vielleicht zu Verein B wechselt, und Außenverteidiger X an Klub Y ausgeliehen wird. Im Fall von Anthony Modeste lagen sie nun ordentlich daneben.

Spätabends am 19. Juni meldeten die Onlineportale von “Bild” und “Express” Vollzug: Modeste, bisher Stürmer beim Fußballbundesligisten 1. FC Köln, wechselt zum chinesischen Klub Tianjin Quanjian.

Ausriss Bild.de - Wechsel perfekt! Modeste stürmt nach China
Ausriss Express.de - FC-Star wechselt nach China - Anthony Modeste: Hammer-Transfer perfekt!

Bild.de schrieb dazu:

Wie BILD erfuhr, wird Anthony Modeste (29) den FC verlassen.

Und:

Der Modeste-Hammer!

Am vergangenen Wochenende hatten sich Sport-Boss Jörg Schmadtke (53) und Finanz-Chef Alexander Wehrle (42) mit Vermittlern von Tianjin Quanjian auf Ibiza (Spanien) getroffen. Eine Entscheidung wurde zunächst vertagt — jetzt soll sie gefallen sein.

Und:

Verkündet wird der Transfer wohl erst gegen Ende der Woche. Denn vorher will Sport-Chef Jörg Schmadtke noch mit dem Spieler persönlich in Köln reden.

Es wird ein Abschieds-Gespräch!

Bei Express.de war alles ähnlich eindeutig:

Der teuerste Transfer der Vereinsgeschichte ist perfekt!

Nach EXPRESS-Informationen wurde Einigung im Deal um den Wechsel von Anthony Modeste (29) nach China erzielt.

Die Ablöse für den 25-Tore-Mann beträgt 35 Millionen Euro — Modeste wechselt zu Tianjin Quanjian.

Am vergangenen Wochenende hatten sich Sportboss Jörg Schmadtke und Wehrle auf Ibiza mit den China-Vermittlern getroffen. Nun ist der Transfer durch.

Schmadtke wird noch ein finales Gespräch mit dem Publikumsliebling führen, doch am Montag war der Mega-Deal durch.

Alles durch. Bis der 1. FC Köln mit einer Mitteilung auf der Vereinshomepage heute alles durchkreuzte:

Der 1. FC Köln hat Verhandlungen über einen möglichen Transfer von Anthony Modeste zu Tianjin Quanjian abgebrochen.

FC-Stürmer Anthony Modeste wird nicht zum chinesischen Erstligisten Tianjin Quanjian wechseln, nachdem keine Einigung aller Parteien für einen möglichen Transfer erzielt wurde. Zwischen den Clubs war darüber hinaus keine den Verbandsstatuten entsprechende Einigung möglich. Der 1. FC Köln hat die Verhandlungen daher am heutigen Mittwoch abgebrochen. Der Vertrag von Anthony Modeste beim FC läuft bis 30. Juni 2021.

Inzwischen haben es auch die Kaffeesatzwechsler von Bild.de und Express.de eingesehen:

Ausriss Bild.de - Köln bricht Verhandlungen ab - Modeste-Wechsel nach China geplatzt
Ausriss express.de - FC-Hammer - Schmadtke bricht Modeste-Verhandlung ab

Mit Dank an @bastianpfahl für den Hinweis!

Nachtrag, 24. Juli: Es ging dann noch weiter.

Also doch ein Wechsel nach China:

Ausriss Bild.de - Jetzt also doch - Modeste für 35,7 Mio nach China

Oder doch nicht?

Ausriss Bild.de - Kölner Transfer-Theater immer irrer! China-Kohle da, aber jetzt zickt Modeste

Bleibt er etwa beim 1. FC Köln?

Ausriss Bild.de - Heute letzte Chance zur Einigung - Modeste will sich beim FC einklagen

Oder geht’s doch nach China?

Ausriss Bild.de - Neuer Vertragsnetwurf statt Gerichtsprozess - Wechselt Modeste heute doch noch nach China?

Ja, doch, jetzt ist alles “Perfekt!”:

Ausriss Bild.de - Transfer-Wahnsinn beendet - Perfelt! Modeste doch nach China

Bild  

“Vergewaltigt im Ehebett – Ehepflicht oder Verbrechen?”

Zum 65. Geburtstag von “Bild” und zur dazugehörigen Gratis-Ausgabe für alle Haushalte in Deutschland durfte auch Julian Reichelt etwas sagen. In einer Pressemitteilung des Axel-Springer-Verlags wird der “Bild”-Oberchef folgendermaßen zitiert:

“Diese BILD Sonderausgabe für alle deutschen Haushalte ist unser Bekenntnis, dass wir an eine noch bessere Zukunft für Deutschland und den Journalismus glauben. Denn BILD ist Teil dieses modernen und weltoffenen Landes, das BILD seit 65 Jahren begleitet.”

“Bild” als “Teil dieses modernen und weltoffenen Landes”, und das seit 65 Jahren.

Wie “modern und weltoffen” die “Bild”-Medien heute sind, kann jeder selbst nachschauen — am Kiosk, bei Bild.de oder auch hier im BILDblog. Aber wie sah das zum Beispiel in den 70ern oder 80ern aus?

Ein Blick in “Günter Wallraffs BILDerbuch” lohnt sich immer und erst recht nach solchen Aussagen wie der von Julian Reichelt. 1985 hat Wallraff diese selbst zusammengestellte Auswahl von “Bild”-Schlagzeilen der vorangegangenen 15 Jahre veröffentlicht. Das Buch zeigt in konzentrierter Form, was für ein chauvinistischer Haufen die “Bild”-Redaktion damals gewesen sein muss, ein Paradegegenbeispiel für “modern und weltoffen”.

Zum Beispiel, wenn es um Frauen ging. Da wurden reichlich Klischees bedient …

Frauen fahren doch schlechter
(Dezember 1983)
Billig, billig! Frauen im Kauf-Rausch!
(Juli 1975)

… Professoren durften wilde Thesen aufstellen …

Deutscher Professor: Frauen leisten ein Drittel weniger als Männer
(März 1980)

… und es wurde offen die Frage gestellt, ob Opfer von Grabschattacken nicht vielleicht doch “selber schuld” seien:

Busengrabscher: Sind viele Frauen selber schuld?
(April 1984)

Apropos sexualisierte Gewalt: Anstatt Vergewaltigungen in der Ehe aufs Schärfste zu kritisieren, stieß “Bild” damals lieber eine Debatte an, ob so eine Vergewaltigung durch den eigenen Ehemann nicht doch ganz in Ordnung ist und zur “Ehepflicht” einer Frau gehört:

Immer mehr deutsche Frauen klagen - Vergewaltigt im Ehebett - Ehepflicht oder Verbrechen?
(Juni 1979)

Oder anders gefragt:

Darf ein Mann seine eigene Frau vergewaltigen?
(Dezember 1978)

Um auf eine solche Frage überhaupt zu kommen, muss in einer Redaktion schon einiges schieflaufen. In “Bild” durften sich die vergewaltigenden Männer dann auch noch rechtfertigen:

Deutsche Männer: Warum wir unsere Frauen vergewaltigen
(März 1980)

In den Schlagzeilen über Gastarbeiter aus der Türkei zeigte “Bild” ebenfalls, dass das Blatt alles andere als “modern und weltoffen” ist. Die “Bild”-Mitarbeiter warnten ihre Leserinnen und Leser vor den Türken …

Koffer, Kisten, Kühlschrank - Vorsicht, die Türken kommen
(Juli 1978)
Noch eine Million Türken wollen zu uns kommen!
(August 1976)

… machten aus ihnen katzenfressende Sonderlinge …

In Mannheim sind 180 Katzen spurlos verschwunden - Ein Türke rief an: Großen Hunger, ich fressen Kater
(August 1978)

… und das Allgemeinwohl bedrohende Amokfahrer:

Gastarbeiter am Steuer: Trümmer und Tote - Sie kaufen alte Autos - Führerscheine vom Schwarzen Markt - Viele können nicht lesen
(Juli 1973)

Julian Reichelt sagt gerne mal, dass Leute, die “Bild” heute kritisieren, ihr Weltbild seit 30, 40 Jahren nicht mehr aktualisiert hätten. Er selbst scheint bei seiner Weltbildaktualisierung die vergangenen 30, 40 “Bild”-Jahre einfach vergessen zu haben.

Der Riesen-Bärenklau-Wikipedia-Klau von Bild.de

Die Britin Leslie Nisbet lief neulich 21 Stunden lang, völlig freiwillig, sie startete schließlich bei einem 111-Kilometer-Lauf. Einen großen Teil dieser Zeit verbrachte Nisbet in der Sonne, was zu völlig verbrannten Waden führte, auf denen sich später große Balsen bildeten, gefüllt mit Wundwasser.

Bild.de berichtete gestern von dem Fall:

Nach 21-Stunden-Lauf in der Sonne - Britin schockiert mit Mega-Brandblasen
(Unkenntlichmachung durch uns.)

Es gibt die Vermutung, dass die heftigen Verbrennungen entstehen konnten, weil Leslie Nisbet sich nur zu Beginn des Laufs mit Sonnencreme eingerieben hat, und diese durch Schweiß und das Laufen durch Bäche ziemlich schnell verschwunden war (Bild.de recht erbarmungslos: “Wer nicht schmieren will, muss fühlen!”).

Es gibt aber auch die Vermutung, dass sie während des Laufs mit einer Giftpflanze namens Riesenbärenklau in Berührung gekommen ist. Deswegen erklärt die Bild.de-Redaktion ihren Leserinnen und Lesern ganz zum Schluss des Artikels noch mal schnell, was es mit dem Riesenbärenklau so auf sich hat:

Der Riesenbärenklau bildet photosensibilisierende Substanzen (Substanzen, die die Lichtempfindlichkeit der Haut erhöhen), die in Kombination mit Sonnenlicht oder auch stärkerem Lampenlicht phototoxisch (giftig für die Haut) wirken. Berührungen in Verbindung mit Tageslicht können bei Menschen und anderen Säugetieren zu schmerzhaften Quaddeln und Blasen führen, die schwer heilen und wie Verbrennungen erscheinen (Photodermatitis). Es wird deshalb empfohlen, beim Umgang mit der Pflanze vollständige Schutzkleidung zu tragen, zu der auch ein Gesichtsschutz gehört.

Der Riesenbärenklau wurde 2008 zur Giftpflanze des Jahres gewählt.

Und wenn Sie jetzt meinen, dass das genau so auch bei “Wikipedia” stehen könnte — völlig richtig. Denn genau so steht es auch bei “Wikipedia”:

Der Riesen-Bärenklau bildet photosensibilisierende Substanzen aus der Gruppe der Furocumarine, die in Kombination mit Sonnenlicht oder auch stärkerem Lampenlicht phototoxisch wirken. Berührungen in Verbindung mit Tageslicht können bei Menschen und anderen Säugetieren zu schmerzhaften Quaddeln und Blasen führen, die schwer heilen und wie Verbrennungen erscheinen (Photodermatitis). Es wird deshalb empfohlen, beim Umgang mit der Pflanze vollständige Schutzkleidung zu tragen, zu der auch ein Gesichtsschutz gehört. Der Riesen-Bärenklau wurde 2008 zur Giftpflanze des Jahres gewählt.

Auf die Quellenangabe hat Bild.de beim Riesen-Bärenklau-Wikipedia-Klau verzichtet.

Mit Dank an @schuggumuggu für den Hinweis!

Mord ist Sport

In den vergangenen Tagen sind auf der ganzen Welt wieder einige Rekorde geknackt worden. Bei Zell am See in Österreich zum Beispiel haben 669 Tänzer in 2036 Metern Höhe den “höchstgelegenen Country- und Western-Line-Dance” aufgeführt — Weltrekord!

Oder im japanischen Fuji, wo Schüler in einer Minute 225 Mal über ein Seil gehüpft sind und somit den Seilsprung-Weltrekord um einen Sprung verbessert haben.

Und dann hat im Irak noch ein Mann einen anderen Mann erschossen — und auch hier jubeln Medien in Deutschland, Österreich und der Schweiz: “Weltrekord!”

Ausriss Bild.de - Aus mehr als 3,5 Kilometern Entfernung - Sniper erschießt ISIS-Mann aus Rekord-Distanz
(Bild.de)
Ausriss Welt.de - Irak - Kanadischer Scharfschütze bricht Weltrekord
(Welt.de)
Ausriss Merkur.de - Schuss gilt als Weltrekord - Scharfschütze erschießt IS-Kämpfer im Irak - aus 3540 Metern Entfernung
(merkur.de)
Ausriss Berliner Kurier - Weltrekord unter Scharfschützen - Im Irak - Kanadischer Scharfschütze tötet IS-Terroris - aus 3,5 Kilometern!
(berliner-kurier.de)
Ausriss n-tv.de - Kanadischer Scharfschütze stellt Weltrekord auf
(n.tv.de)
Ausriss - Blick.ch - Tödliche Kugel flog fünf Sekunden - Kanada-Sniper schießt IS-Kämpfer aus Rekorddistanz ab
(Blick.ch)
Ausriss heute.at - Wahnsinns-Schuss - Sniper tötet IS-Kämpfer aus 3,5 Kilometern Entfernung - Mehrere Sekunden braucht die Kugel für die unglaubliche Strecke von dreieinhalb Kilometern, bevor sie präzise ihr Ziel traf und tötete - Weltrekord.
(Heute.at)

Zudem muss die “Zielscheibe” komplett stillhalten, was bei einer Zeit von elf Sekunden, die die Kugel braucht, um ihr Ziel zu erreichen, nicht ganz normal ist. Im Fall des Kanadiers hat es offenbar geklappt und so kann er sich nun mit dem wohl makabersten Weltrekord der Erde rühmen.

(tag24.de)

Ganz unabhängig davon, wer wen erschossen hat und wer aus hiesiger Sicht die Guten und die Bösen sind: Die grausamen Kämpfe im Irak als Leistungsschau darzustellen, den grässlichen Ausnahmezustand Krieg als ganz normalen Wettbewerb, ist verharmlosend und damit gefährlich. Es “läuft eindeutig etwas schief”, wie “Zeit Online”-Redakteur Kai Biermann bei Twitter schreibt:

Mit Dank an @maddinboe für den Hinweis!

Alles hat eine Moral, nur die Wurst hat zwei

In deutschen Supermärkten herrscht der Irrsinn, der “PREIS-IRRSINN”:

Preis-Irrsinn im Supermarkt - Fleisch billiger als Obst!

“Schweineschnitzel zum halben Preis, das Kilo für 4,49 Euro”, “Rinderbraten für 5,55 Euro”, “2,99 Euro das Pfund” Putenschnitzel — Bild.de hat völlig Recht, dass man mal darüber nachdenken sollte, ob das alles noch ganz richtig ist, für die Tiere, für die Bauern, für die Verbraucher:

Fleisch zieht, vor allem billiges Fleisch. Darauf setzen die Werber — allen Debatten über Gesundheit und Tierschutz zum Trotz.

Eine Lebensmittel-Expertin vom “Bundesverband der Verbraucherzentralen” erklärt im Bild.de-Artikel von gestern: Die fleischigen Lockvogel-Angebote aus den Supermarkt-Prospekten würden künstlich billig gemacht und quersubventioniert:

“Wenn sie damit eine fünfköpfige Familie in den Laden bekommen, die für 150 Euro ihren Wocheneinkauf macht, dann rechnet sich das.”

Also, zusammengefasst: Es gibt Bedenken, ob die Billig-Fleisch-Angebote verantwortungsvoll sind. Und sie sollen die Leute in die Supermärkte und Discounter locken, damit die dort noch mehr Kohle lassen.

Die “Bild”-Zeitung feiert diese Woche ja groß ihr Jubiläum: 65 Jahre “Bild”. Gestern bekam ganz Deutschland als Geschenk ungefragt die Gratis-“Bild” in den Briefkasten gesteckt. In der heutigen Ausgabe gibt es für alle Leserinnen und Leser den “Geburtstags-Kracher von LIDL & BILD”: mit einem Coupon, den man ausschneiden muss, bekommt man — damit sich jeder auch mal wieder das teure Obst leisten kann — bei “Lidl” ein halbes Kilo Erdbeeren, eine Mango und einen Ananas-Kokos-Banane-Smoothie, alles zusammen für 1,99 Euro.

Ach nee, das Angebot sieht doch etwas anders aus:

Zum Geburtstag geben BILD und LIDL einen Aus - Grill-Knaller-Paket - Sechs Würstchen, ein Ciabatta und ein Bier für 1,99 Euro!
(“einen ausgeben” für “1,99 Euro” — sowas schafft auch nur “Bild”)

Sechs Rostbratwürstchen, dazu eine Büchse Bier und ein Brot für 1,99 Euro. Sechs Rostbratwürstchen sind 540 Gramm Fleisch. Zu diesem “PREIS-IRRSINN” können wir nur noch einmal Bild.de zitieren:

Fleisch zieht, vor allem billiges Fleisch. Darauf setzen die Werber — allen Debatten über Gesundheit und Tierschutz zum Trotz.

LeFloid lässt satirischen Adolf Hitler auf Youtube auferstehen

Gestern titelte die “Bild”-Zeitung riesengroß: “Hitlers Silber-Schatz gefunden”, dabei hätte es eine noch eine viel größere Adolf-Hitler-Story gegeben: “Youtube-Star findet Hitler”.

Wobei — genauer müsste die Schlagzeile heißen: “LeFloid findet einen Typen, der meint, er sei Adolf Hitler, dabei ist die gesamte Geschichte nicht echt und stammt von einer englischsprachigen Satireseite, was LeFloid aber nicht checkt und das Ganze seinen meist jungen Zuschauern als echte Irrsinnsgeschichte verkauft”.

Fangen wir vorne an. Es geht um dieses Video, das 3,1-Millionen-Abonnenten-Youtuber LeFloid gestern in seinem Kanal hochgeladen hat:

Gleich zu Beginn die erste Story: “Typ behauptet er sei Adolf Hitler”. LeFloid sagt dazu:

Es ist ja tatsächlich so, dass eine der populärsten Verschwörungstheorien besagt, dass Hitler sich damals gar nicht selber umgebracht hat, sondern in Wirklichkeit nach Argentinien geflohen ist. Nun geistert doch tatsächlich eine unglaubliche Geschichte durchs Netz, nämlich ein 128 Jahre alter Argentinier. (…) Der hat sich jetzt an die Öffentlichkeit gewandt und behauptet steif und fest, er sei Adolf Hitler. Okay, what? Zeitlich und optisch kommt das Ganze wohl hin, behaupten zumindest Beobachter und eben Leute in einschlägigen Foren.

In dem 2:40 Minuten langen Part über das angebliche Wiederauftauchen Hitlers geht LeFloid noch verschiedene mögliche Motivationen des alten Mannes durch, jetzt “mit dieser Geschichte, mit dieser Behauptung an die Öffentlichkeit zu gehen und sich zu stellen”. Und er äußert auch gewisse Zweifel, dass es sich bei dem Argentinier wirklich um Adolf Hitler handelt:

Nun bleibt abzuwarten, ob es sich hierbei tatsächlich um eine unfassbare Sensation handelt oder ob wir es doch einfach mit einem armen alten verwirrten Nazi-Opi zu tun haben, dessen Windungen ein bisschen zu sehr unter seiner Gesinnung und seinem Alter gelitten haben.

Nee, wir müssen gar nicht abwarten. Denn es handelt sich weder um eine “unfassbare Sensation” noch um einen sonstwie “Nazi-Opi”. Bei dem Mann, den LeFloid zeigt …

… handelt es sich um Francis Morris. Und der stammt nicht aus Argentinien (oder aus Österreich), sondern aus dem englischen Ort Quarmby. Und er ist auch nicht 128 Jahre alt, sondern feierte vor etwa zweieinhalb Jahren seinen 100. Geburtstag:

Wie kommt es nun aber, dass der bemitleidenswerte Francis Morris im besten Fall als Hitler-Hochstapler und im schlimmsten als Hitler höchstpersönlich im Videokanal eines der größten deutschen Youtuber landet?

LeFloid, der einst Angela Merkel Fragen stellen durfte, gibt als Quelle seiner Geschichte einen am Dienstag erschienenen “Sputnik”-Artikel an:

Nun sollte man bei “Sputnik”, gegründet vom staatlichen russischen Medienunternehmen “Rossija Sewodnja”, sowieso schon mal skeptisch sein. Dass in dem Text keine konkrete Quelle, außer ziemlich schwammig “lokale Medien”, angegeben wird, sollte einen vielleicht auf die Idee bringen, noch etwas zu recherchieren, bevor man den Kindern und Jugendlichen, die einem regelmäßig zuschauen, irgendeinen Blödsinn erzählt.

Man stößt dann ziemlich schnell auf einen Artikel der Seite “World News Daily Report” vom 13. Juni:

Der 128-Jahre-Hitler steht dort zwischen Artikeln mit Überschriften wie “BABYSITTER TRANSPORTED TO HOSPITAL AFTER INSERTING A BABY IN HER VAGINA” oder “TORNADO CARRIES MOBILE HOME 130 MILES, FAMILY INSIDE UNHARMED”. Machen wir es kurz: “World News Daily Report” ist eine Satireseite, wie man ohne Probleme im Disclaimer nachlesen kann.

Nun hat LeFloid nie behauptet, dass der Mann aus Argentinien tatsächlich Adolf Hitler ist. Aber er tut so, als würde der Argentinier tatsächlich existieren, als hätte dieser tatsächlich Interviews gegeben und die Hitler-Behauptung aufgestellt. LeFloids Video hat — Stand: 22. Juni, 10:06 Uhr — bereits über 460.000 Aufrufe.

Mit Dank an Nic S. für den Hinweis!

Nachtrag, 17:51 Uhr: Einige Leser weisen zu Recht darauf hin, dass schon das angebliche Alter von 128 Jahren hätte stutzig machen müssen. Der Rekord des höchsten erreichten (und nachgewiesenen) Lebensalters liegt bei 122 Jahren. Die Französin Jeanne Calment hält ihn.

Mit Dank an @Hogachaka und Stefan S. für die Hinweise!

Gratis-“Titanic” gegen Gratis-“Bild” reloaded

Morgen könnte, wir berichteten bereits gestern darüber, in Ihrem Briefkasten eine Gratis-“Bild” stecken. Bisher hatten sie dann vier Möglichkeiten bei Ihrem weiteren Vorgehen:

  • alles völlig egal finden
  • den Briefkasten nie wieder leeren
  • genüsslich die “Bild”-Zeitung lesen

Dank der Partei “Die PARTEI” gibt es seit heute aber noch eine fünfte Möglichkeit: Sie können Ihre Gratis-“Bild” gegen eine Gratis-“Titanic” tauschen. Zumindest, wenn Sie morgen zwischen 13 und 18 Uhr in Hannover sind (weitere Orte siehe “Nachtrag” weiter unten).

In einer Pressemitteilung von heute unterbreitet “Die PARTEI Hannover” folgenden Vorschlag, was Sie morgen mit Ihrem Gratis-“Bild”-Exemplar anfangen könnten:

Der Axel-Springer-Verlag wird am morgigen Donnerstag, den 22.06.2017, erneut an alle Haushalte in der BRD ungefragt eine Bildzeitung zustellen. Doch was tun mit einem Geschenk, das doch eigentlich keiner will? (…)

Eine wünschenswerte Heizstoffspende nach Syrien oder Irak kommt aus logistischen Gründen nicht in Frage, so dass sich Die PARTEI Hannover mit Hilfe ihres exklusiven Sponsors, dem Titanic-Magazin, eine praktikable Lösung des Papierproblems erdacht hat und der Bevölkerung folgendes großzügige Angebot unterbreitet:

Die PARTEI Hannover wird am morgigen Donnerstag, den 22.06.2017 (direkt am Kröpcke, zwischen 13.00 – 18.00h) jede* (in Versalien: JEDE*) “Gratisbild” gegen eine Ausgabe des Faktenmagazins der Marke “TITANIC” umtauschen. Ohne Wenn und Aber!*

* Solange der Vorrat reicht! Danach werden bereits eingenommene Gratis-BILD-Zeitungen gegen Gratis-BILD-Zeitungen getauscht. Abgabe nur in haushaltsüblichen Mengen, max. 3 pro Person!

Also, an alle Hannoveranerinnen und Hannoveraner: Morgen tagsüber ab zum Kröpcke und sich endlich mal ein ordentliches journalistisches Produkt sichern.

Und ja: Dieses Angebot ist ernst gemeint, wie uns auf Nachfrage bestätigt wurde. Vor knapp drei Jahren gab es schon einmal eine große, erfolgreiche “Bild”-gegen-“Titanic”-Tauschaktion.

Nachtrag: An folgenden Orten können Sie am Donnerstag, 22. Juni, ebenfalls die Gratis-“Bild” gegen eine Gartis-“Titanic” eintauschen:

  • Göttingen: 13:15 bis 16:45 Uhr, Reinhäuser Landstr. 4, Raum 232 P² Fraktion

“Maria W. hat ihre Geschichte frei erfunden”

Es verdichten sich die Hinweise, dass “Bild” auf eine Betrügerin reingefallen ist.

Am 28. März 2015, vier Tage nach dem Absturz des “Germanwings”-Flugs 4U9525 in den französischen Alpen, veröffentlichte die “Bild”-Zeitung diese Titelgeschichte, die auch Bild.de aufgriff:



Die angebliche “Ex-Freundin” von “Germanwings”-Co-Pilot Andreas Lubitz lieferte “Bild”-Reporter John Puthenpurackal genau die Bausteine, die wenige Tage nach dem Unglück für das Psychogramm eines Wahnsinnigen noch fehlten: Ausraster, Drohungen, die Ankündigung einer aufsehenerregenden Tat. Es passte alles wunderbar in das Bild, das Puthenpurackals Redaktion die Tage zuvor gezeichnet hatte.

In dem Artikel vom 28. März 2015 schrieb “Bild”:

Die Stewardess Maria W. (26) war eine zeitlang die Freundin von Todes-Pilot Andreas Lubitz (27).

Fünf Monate lang flogen sie im vergangenen Jahr zusammen durch Europa und übernachteten heimlich gemeinsam in Hotels.

BILD-Reporter John Puthenpurackal hat ihre Identität überprüft. Er ließ sich u.a. ein Foto zeigen, das die Stewardess und den Amok-Piloten bei einem Flug in derselben Crew zeigt.

Bereits im März dieses Jahres schrieb die Journalistin Petra Sorge in der “Zeit”, dass es trotz der Identitätsprüfung durch “Bild” erhebliche Zweifel an der Geschichte von Maria W. gebe. Der für den “Germanwings”-Absturz zuständige Düsseldorfer Staatsanwalt Christoph Kumpa sagte damals: “Ich gehe davon aus, dass ihre Geschichte erfunden ist.” “Bild”-Oberchef Julian Reichelt startete daraufhin eine ganz beachtliche Twitter-Kampagne gegen Sorge.

Heute liefert Petra Sorge in einem Artikel für “Buzzfeed” neue Indizien dafür, dass Maria W. eine Hochstaplerin ist, und dass die “Bild”-Medien auf sie reingefallen sind.

Da ist zum Beispiel die Tatsache, dass die Einsatzpläne bei “Germanwings” aus Kostengründen so konzipiert waren, dass die Piloten am Ende eines Diensttages so gut wie immer in ihren Heimatflughafen zurückkehrten. Das Personal schlief dann meist in der eigenen Wohnung. Das passt kaum mit der Aussage von Maria W. zusammen, dass sie mit Andreas Lubitz durch Europa geflogen sei und heimlich mit ihm in Hotels übernachtet habe.

Außerdem ist es ausgesprochen unwahrscheinlich, dass Andreas Lubitz und Maria W. “fünf Monate lang” zusammen flogen. Bei “Buzzfeed” sagt ein Sprecher von Lubitz’ früherer Fluggesellschaft, dass die Crew täglich wechsle und man nur in Ausnahmefällen und durch Zufall mehrere Tage hintereinander gemeinsam fliege.

Schwerwiegender als diese Indizien ist eine Stellungnahme von RTL zu dem Fall. Maria W. hat sich nach der Veröffentlichung bei “Bild” mit ihrem Anliegen nämlich auch bei dem TV-Sender gemeldet. Nach fünf Monaten Recherche stand für die Redaktion fest: Maria W. ist eine Betrügerin. Petra Sorge zitiert in ihrem “Buzzfeed”-Text einen RTL-Pressesprecher: “‘Wir können vollumfänglich bestätigen, dass Maria W. ihre Geschichte frei erfunden hat. Dies hat sie bei einem 4. Treffen im Dezember 2015 explizit zugegeben'”.

Bei diesem vierten Treffen soll Maria W. laut eines RTL-Abteilungsleiters auch gesagt haben, dass sie überrascht gewesen sei, wie viel Arbeit sich der Sender mit der Recherche gemacht hat. Das kannte sie von ihrem Kontakt mit der “Bild”-Redaktion und John Puthenpurackal offenbar nicht.

Heiße “Bild”-Altherren könnten Finger nicht von Frauen-Body lassen

Manchmal reicht eine einzige Zeile unter einem Foto, und schon schüttelt’s einen vor lauter “Bild”-Breitbeinigkeit. Zum Beispiel diese hier:

Aber mal ehrlich: An Jörns Stelle könnten wir auch nicht die Finger von diesem knattergeilen Body lassen

Die Frau mit dem “knattergeilen Body”, von der die ehrlichen “Bild”-Redakteure die Finger nicht lassen könnten, war mit dem Schauspieler Jörn Schlönvoigt im Urlaub. Die “Bild”-Zeitung brachte am vergangenen Freitag eine ganze Fotoserie mit Bildern der beiden — er in Badehose, sie im silbernen Bikini –, die sie auf einer Jacht vor der Küste Mallorcas zeigen:

Ausriss Bild-Zeitung - Schauspieler Jörn Schlönvoigt mit neuer Freundin - Sexy Silber-Nixe geht GZSZ-Star ins Netz
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns.)

Bild.de berichtete bereits am späten Donnerstagabend:

Ausriss Bild.de - Sexy Silber-Nixe geht GZSZ-Star ins Netz

Die acht (“Bild”) beziehungsweise 14 (Bild.de) Fotos, die in “Bild” riesig ausgebreitet werden und bei Bild.de nur mit einem “Bild plus”-Abo zu sehen sind, haben alle eine gewisse Paparazzo-Ästhetik; wir wollen aber nicht ausschließen, dass sie gestellt sind. Da wir nicht sicher sein können, ob die Aufnahmen mit den Personen, die sie zeigen, abgesprochen waren, haben wir sie lieber verpixelt.

Die Fotos und die eventuelle, damit zusammenhängende Verletzung der Privatsphäre sind eine Sache. Eine andere sind der dazugehörige Text und vor allem die Bildunterschriften. Dort gibt es neben der “knattergeil”-Zeile die gesammelte Altherrenwitzigkeit der “Bild”-Medien:

Jörn Schlönvoigt und seine brünette Sex-Bombe — schwer verliebt auf Mallorca

Alle J-ACHTung: Jörn Schlönvoigt und seine Hanna bei Hoppe-Hoppe-Reiter-Spielen an Deck

Der Silberpfeil will geölt werden: Jörn Schlönvoigt cremt seine neue Freundin Hanna ein

Kaum zusammen, da nimmt sich Jörn seine Hanna schon zur Brust

Aufschwung zur Liebe. So schön kann Nahkampf sein

Gemeinsames Sonnenbaden — da wird uns schon beim Zuschauen ganz heiß

Auf ihrem Tagesprogramm: DECKungsarbeit an Bord! Es wird getätschelt, geplanscht und gaaanz viel geknutscht.

Ein bisschen planschen im kalten Wasser würde auch den Altherren von “Bild” und Bild.de ganz gut tun.

Mit Dank an @Fluxcompensator, @RA_Conrad und Lukas H. für die Hinweise!

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