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“Sehr zurückhaltende” Berichterstattung

Heute lassen wir mal die User von Bild.de zu Wort kommen. Ausnahmsweise sind wir nämlich ziemlich einer Meinung.

Das ist echt eine Sauerrei. Sogar für die BILD.

Da fragt man sich wirklich, auf welchem Niveau sich solch Schreiberlinge befinden? Schlimmer gehts nicht!

Muss man solche details veröffentlichen???schlimm genug für die angehörigen…….

Dieser Artikel hätte schon aus Anstand der Familie gegenüber NIE veröffentlicht werden dürfen. Liebe Bildredakteure, wie tief wollt Ihr eigendlich sinken…..

Völlig Krank das in einer Zeitung zu bringen . Versetzen sie sich mal in die Lage der Angehörigen .

Typisch BILD!!! WIR waren die ersten die darüber Berichteten,arme Angehörige

Ja Bild, andere bloß stellen, kommt ja ganz gut an……………

Auf diese detaillierte Info hätte ich verzichten können

Liebe Bild, zeigen Sie Anstand und Pietät !!!!!
Raus mit diesen Artikel!!!!

[…] diese Scheinheiligkeit ist unglaublich. Wieviel verdient denn ein Journalist für solche Enthüllungen? Ist es das wert?

Bild sudelt sich am Unglück anderer

Dafür müsste man euch fristlos kündigen, sowas der öffenlichkeit preis zugeben

Mir fehlen die Worte

Uns hat es auch die Sprache verschlagen, als wir den Artikel gelesen haben, auf den sich diese Kommentare beziehen. Erschienen ist er vor einem halben Jahr auf Bild.de und in der Dresdner Regionalausgabe der “Bild”-Zeitung:Nackter Mann saß tot im Auto - Keiner will sterben. Aber muss der Tod gerade in einer solchen unangenehmen Situation kommen, wie es [Vorname, abgekürzter Nachname] (68) passierte? - [Bildunterschrift:] [Automarke] auf dem Feld bei [Ort]. Hier fand gestern eine Anwohnerin den toten Mann in seinem Auto. Er verstarb schon am Abend zuvor.

Dort ging es um einen Mann, der mit heruntergelassener Hose tot in seinem Auto gefunden worden war. Im Text hieß es, der Gerichtsmediziner habe festgestellt, dass der Mann dabei war, “sexuelle Handlungen an sich selbst auszuüben”. Dabei soll er einen Herzinfarkt erlitten haben.

“Bild” nannte den Vornamen, sowie den abgekürzten Nachnamen des Mannes; zeigte auf zwei Fotos dessen Auto; beschrieb, in welchem Ort er gefunden wurde — und druckte zu allem Überfluss noch ein riesiges Foto, auf dem die Angehörigen zu sehen sind, während sie trauernd neben dem offenen Sarg knien.

Zumindest für Bekannte der Familie war also mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erkennen, um wen es sich bei dem Toten handeln musste. Auch die Angehörigen, deren Gesichter zwar verpixelt waren, mussten damit rechnen, von ihrem Umfeld identifiziert zu werden.

Die Intimsphäre des Mannes, seine Würde und Persönlichkeitsrechte und selbst die seiner Familie — all das schien bei “Bild” niemanden zu interessieren.

Wir haben uns deshalb beim Deutschen Presserat über diese Berichterstattung beschwert. Wie in so einem Fall üblich, bekam der Verlag die Gelegenheit, Stellung zu nehmen. Doch die Verteidigung der Springer-Juristen war kaum weniger unverschämt als der Artikel selbst.

Die Berichterstattung verletze weder die Menschenwürde der Angehörigen noch die des Verstorbenen, argumentierte der Verlag, “da niemand identifizierbar werde”.

So würden keine Namensangaben der Angehörigen veröffentlicht. Sie seien zudem nur von sehr weit fotografiert worden, ihre Gesichter seien vollständig verpixelt worden. […] Der tatsächliche Wohnort sei bewusst nicht genannt worden.

Die Angaben zu dem Toten seien, so die Springer-Anwälte, “zurückhaltend” erfolgt. “Zurückhaltend” in dem Sinne, dass die Autoren nicht den vollen Nachnamen des Mannes genannt und kein Foto von ihm veröffentlicht haben. Die Abbildung des Autos rechtfertigen sie damit, dass es “ein Allerweltsauto ohne jedes besondere Merkmal” sei.

Und den Angehörigen wird das “Recht auf Privatheit” mit der abenteuerlichen Begründung abgesprochen, dass sie “mit der Art und Weise des Todes des Mannes […] nichts zu tun” hätten.

Die Anwälte betonten außerdem, die Umstände des Todes und der massive Einsatz von Rettungskräften hätten “in der Region Dresden für ein starkes öffentliches und mediales Interesse gesorgt”.

Insgesamt, so das Fazit der Juristen, sei die Berichterstattung angesichts der “außergewöhnlichen und feststehenden Umstände des Falles […] als sehr zurückhaltend zu bezeichnen”.

Das sah der Presserat anders.

Der Beschwerdeausschuss erkannte in dem Artikel eine Verletzung der Ziffer 8 des Pressekodex:

Die Mitglieder sind der Auffassung, dass sowohl der Tote als auch seine Angehörigen – zumindest für einen kleineren Kreis von Personen – identifizierbar werden.

Das liege vor allem an der Nennung seines Namens und der Abbildung des Autos.

Die Mitglieder erkannten jedoch kein Informationsinteresse der Öffentlichkeit, mit dem diese Identifizierung zu rechtfertigen wäre. Sowohl das Persönlichkeitsrecht des Toten als auch das seiner Hinterbliebenen wird daher verletzt […].

Der Verstoß werde “noch deutlich durch die Umstände des Todes des Mannes verstärkt. Durch die Berichterstattung erfährt zumindest ein bestimmter Kreis von Personen, in welcher Situation er gestorben ist. Insbesondere für seine Hinterbliebenen entsteht somit eine äußerst unangenehme Situation, die durch eine vollständige Anonymisierung zu verhindern gewesen wäre.”

Der Presserat sprach deshalb eine “Missbilligung” aus, bei der es den “Bild”-Leuten allerdings frei gestellt ist, ob sie sie abdrucken – oder es einfach bleiben lassen.

Der Artikel beginnt übrigens mit einer bemerkenswerten Feststellung:

Er hätte ein würdevolleres Ende verdient.

Ja, “Bild”. Das hätte er.

Der “Junta-Kumpel” und andere Rügen

Die drei Beschwerdeausschüsse des Deutschen Presserates haben Anfang Juni getagt und anschließend sieben öffentliche Rügen, zehn Missbilligungen und 19 Hinweise ausgesprochen.

Eine der Rügen ging an die “taz”, die mit einem Kommentar zur Papstwahl nach Ansicht des Presserates zwar “keine religiösen Gefühle geschmäht”, aber “grob gegen das Sorgfaltsgebot verstoßen” hatte. In der Print-Ausgabe war der Text unter der Überschrift “Junta-Kumpel löst Hitlerjunge ab” erschienen. Die Bezeichnung als “Junta-Kumpel” stelle “eine nicht bewiesene Tatsachenbehauptung” dar und verletze den Papst in seiner Ehre, urteilte der Ausschuss. Scharfe Bewertungen wie “Alter Sack I. folgte auf Alter Sack II.” seien hingegen zwar provokativ und polemisch, aber vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Fast 50 Beschwerden waren zu dem “taz”-Kommentar von Deniz Yücel eingegangen.

Die “Maßnahmen” des Presserates:

Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:

  • einen Hinweis
  • eine Missbilligung
  • eine Rüge.

Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.

Drei weitere Rügen sprach der Presserat für die Laufmagazine “Condition”, “Laufzeit” und “Running” aus, die auf ihren Titelseiten jeweils ein PR-Foto eines Sportartikelherstellers veröffentlicht hatten. Der Presserat sah darin Schleichwerbung und damit einen Verstoß gegen Richtlinie 7.2 des Pressekodex.

Ebenfalls gerügt wegen einer Verletzung der Ziffer 7 wurde die Zeitschrift “Kanzlei Life!”, die sich an Rechtsanwalts- und Notarkanzleien richtet. Die Zeitschrift hatte in mehreren Artikeln auf Produkte eines Softwareunternehmens hingewiesen, Konkurrenzprodukte aber nicht genannt. Die Publikation wird von einem Schwesterunternehmen dieses Softwareentwicklers herausgegeben und kostenlos an Kunden verteilt. Der Presserat beurteilte die Zeitschrift “als reine Werbepublikation”, was für den Leser allerdings nicht ersichtlich sei.

Bild.de erhielt eine Rüge für die Berichterstattung über ein Tötungsdelikt, bei dem der Hauptverdächtige als überführter “Killer” bezeichnet wurde. In den Artikeln wurde der Eindruck erweckt, als habe erwiesenermaßen ein Mord stattgefunden und der Mann sei der Täter. Beides stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aber nicht fest. Der Presserat erkannte darin einen Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht (Ziffer 2) und einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Mannes und des Opfers (Ziffer 8), weil über beide identifizierend berichtet worden war.

Schließlich gab es noch eine Rüge für die Münchener “tz”, die – ebenfalls identifizierend – über einen Mann geschrieben hatte, dem die Entführung und Vergewaltigung Minderjähriger in Thailand vorgeworfen wird. Darin erkannte der Presserat zudem eine Verletzung der Unschuldsvermutung (Ziffer 13).

Einen sogenannten Hinweis erteilte der Beschwerdeausschuss der Bremer “Bild”-Regionalausgabe sowie Bild.de, weil diese unter der Überschrift “Wir sind Bremens coolste Fahrschule” Schleichwerbung für eine, nun ja, Bremer Fahrschule gemacht hatten.

Keinen ethischen Verstoß stellte das Gremium hingegen bei zwei Beschwerden zur Berichterstattung über den Bombenanschlag in Boston fest. Bild.de hatte mehrere Fotos gezeigt, auf denen unter anderem verletzte Menschen zu sehen waren. “Die Fotos dokumentieren die schreckliche Realität dessen, was sich ereignet hat, überschreiten jedoch nicht die Grenze zur Sensationsberichterstattung” (Ziffer 11), so der Presserat. Ein grenzwertiges Foto, das einen verletzten Mann im Rollstuhl zeigte, “hatte die Zeitung kurz nach Erscheinen bereits wieder von sich aus aus dem Online-Angebot entfernt”.

Neues aus Lampukistan

Der Parkplatz der Uni Siegen gehört nicht unbedingt zu den allerspektakulärsten Orten der Republik. Dennoch erfährt er momentan eine ganze Menge Aufmerksamkeit.

Der Grund dafür ist ein Foto, das eine Studentin vor ein paar Tagen bei Facebook hochgeladen hat. Zu sehen sind drei Autos, die derart dicht nebeneinander stehen, dass das Mittlere nur noch über den Kofferraum erreichbar ist. Wessen Schuld diese nicht ganz einfache Parksituation war, sei mal dahingestellt.

Das Foto wurde jedenfalls zum viralen und medialen Hit, etliche Kommentatoren machten sich über die Szenerie lustig und bastelten allerlei Fotomontagen daraus. Unter anderem diese hier:Screenshot: Bild.de

Bild.de schreibt dazu:

Die Flut an kuriosen Fotomontagen reißt nicht ab: Auf einer grüßt Papst Benedikt den geschickten Golf-Fahrer, auf einer weiteren berichtet RTL-Reporterin Antonia Rados aus dem “Krisengebiet”

Nur leider ist das nicht die echte Antonia Rados, sondern die von “Switch Reloaded”.

Aber es ist ja nicht das erste Mal, dass sich Bild.de so blöd anstellt.

Mit Dank an Matthias M.

Wenn Sprache die Wirklichkeit besiegt

Am Montag haben wir gezeigt, dass die Ansprache “Herr Professorin”, die angeblich an der Uni Leipzig eingeführt werden soll, einzig und allein eine Erfindung von “Spiegel Online” ist – und nichts mit der tatsächlichen Entscheidung der Uni zu tun hat.

Einige Medien haben es aber immer noch nicht kapiert.

Die “Aachener Zeitung” schrieb am Mittwoch unter der Überschrift “Guten Tag, Herr Bürgermeisterin”:

An der Universität Leipzig müssen sich männliche Dozenten künftig “Herr Professorin” schimpfen. Kein Scherz.

Auch kein Scherz: Im ZDF-morgenmagazin wurde am Dienstag im “richtig oder falsch”-Gewinnspiel die Frage gestellt, ob sich die Ansprache an der Uni Leipzig in “Herr Professorin” ändern werde. Die “moma”-Tassen gab es dann für die Antwort “richtig”.

Und in einem Blogeintrag der “Leipziger Volkszeitung” findet sich dieser schöne Schlusssatz:

Putzende Jungs wären auf jeden Fall ein stärkeres Zeichen für Geschlechtergerechtigkeit im Alltag als ein Wissenschaftler, der sich mit “Herr Professorin” ansprechen lassen muss.

Und so gibt es immer noch Journalisten (und Journalistinnen), die sich über etwas lustig machen, das niemand (!) jemals (!) in Erwägung gezogen hat.

Besonders bescheuert aber sind jene Geschichten, in denen die Journalisten das Kunststück vollbringen, den Sachverhalt sowohl richtig als auch falsch wiederzugeben.

So heißt es im Feuilleton der aktuellen “Zeit”:

[…] das generische Femininum soll in der neuen Verfassung der Alma Mater verankert werden. Damit seien, so versichern Fußnoten, alle gemeint, Frauen wie Männer.

Das stimmt. Endlich mal. Und doch schafft es die “Zeit”, noch im selben Satz wieder alles kaputt zu machen:

In Leipzig wird es bald “Herr Professorin” heißen […].

Ein paar Sätze später heißt es:

In Leipzig etwa, wo es bald “Herr Professorin” heißt […].

Die “Rheinische Post” machte es nicht besser und schrieb am Montag:

[…] in der Grundordnung der Universität soll künftig nur noch die weibliche Personenbezeichnung stehen. Eine Fußnote ergänzt, dass diese Bezeichnung sowohl für Personen männlichen als auch weiblichen Geschlechts gilt.

Das ist korrekt. Im Gegensatz zu dem Unsinn, der im nächsten Satz folgt:

In Leipzig lehrt also der Herr Professorin den Herrn Studentin demnächst die Germanistik.

Die “Bunte” haut derweil mal richtig auf den Putz:DIE SPINNEN, DIE SACHSEN! - Die Uni Leipzig hat die Einführung der einhitlichen Bezeichnung für Professoren beider Geschlechter beschlossen - und die neue Hochschulverfassung sieht nur noch weibliche Bezeichnungen vor! "Herr Professorin" heißen dann offiziell auch Männer. Die Leipziger Hochschuldirektorin Beate Schücking geht aber davon aus, dass Studenten ihren Professor auch in Zukunft mit "Herr Professor" anreden. Ja, was soll das Ganze dann?

Und auch die “Stuttgarter Zeitung” schafft es in einer verschwurbelten Kolumne, Realität und Fiktion bedenkenlos zu verquicken:

[An der Leipziger Universität] hat ein Senatsbeschluss für die neue Verfassung den Professoren männlichen Geschlechts zumindest sprachlich den Garaus gemacht. Sie werden nun alle als Professorinnen geführt, auch wenn das, wie die Rektorin jetzt verkündet, keine Auswirkung im alltäglichen Umgang haben wird. Trotzdem gilt: So besiegt man mit Sprache die Wirklichkeit.

Die Kolumne trägt den Titel: “Grüß Gott, Herr Professorin”. Tja – so besiegt man mit Sprache die Wirklichkeit.

Wir haben am Donnerstag bei “Spiegel Online” nachgefragt, warum die irreführende Überschrift, auf der dieser ganze “Herr Professorin”-Quatsch beruht, immer noch nicht geändert wurde.

“Spiegel Online” antwortete uns:

[…] die Zeile “Guten Tag, Herr Professorin” ist keine Nachrichtenüberschrift, sondern lediglich unser Versuch, humorvoll mit dem Thema der verweiblichten Grundordnung der Universität Leipzig umzugehen. Als Überschrift ist sie eine Anspielung auf die häufig verwendete Formulierung “Frau Professor”. Ähnlich wie die Uni Leipzig in ihrer neuen Grundordnung haben wir die Geschlechterrollen für die Überschrift spielerisch vertauscht und eine Zeile gewählt, die leider mehrfach missverstanden und abgeschrieben wurde. Ein Grund, die Überschrift zu ändern, ist das nicht. Darüber hinaus wurde im Text sowohl das Verfahren als auch die künftige Verwendung der Begriffe genau beschrieben.

Soso.

Die ganze Aufregung um die Entscheidung der Leipziger Uni wirkt noch viel absurder, wenn man sieht, dass an der Universität Karlsruhe schon vor einigen Jahren das generische Femininum eingeführt wurde. Dort ist seither nicht von “Studenten” die Rede, sondern ausschließlich von “Studentinnen”. Zumindest in der Studien- und Prüfungsordnung (PDF) des Studiengangs Maschinenbau.

Übrigens: Auch die Entscheidung aus Leipzig ist eigentlich keine Neuigkeit mehr. Schon im Dezember 2011 berichteten die “Leipziger Volkszeitung” (PDF) und die Leipziger Hochschulzeitung “student!” über die Pläne des Senats. Einen Aufschrei gab es damals nicht.

Mit Dank auch an die vielen Hinweisgeber.

Nachtrag, 16. Juni: Wie uns einige Leser mitgeteilt haben, hat das “Morgenmagazin” seinen Fehler am nächsten Tag richtiggestellt. Und “Spiegel Online” hat den Teaser schon vor der Veröffentlichung unseres Eintrags geändert. Statt “setzt [die Uni Leipzig] nur noch auf weibliche Bezeichnungen” heißt es jetzt: “setzt [die Uni Leipzig] in ihrer Grundordnung nur noch auf weibliche Bezeichnungen”.

Manche haben es aber immer noch nicht kapiert.

Bild  

Irrer ist menschlich

Sie wollen auf die Schnelle eine Million Dollar verdienen? Gut. Dann brauchen Sie jetzt zwei Dinge: einen E-Mail-Account und Ihr Mathebuch aus der neunten Klasse.

Bereit? Na dann los:Wer ist der Irre, der für die Lösung dieser Mathe-Aufgabe 1 Mio $ zahlt? - Wenn Ax + By = Cz ist und A, B, C, x und z positive ganze Zahlen sind, dann haben A, B, und C einen gemeinsamen Faktor. Stimmt das? - Washington - Er heißt Andrew Bale, lebt in den USA und hat ein Vermögen von 8 Milliarden Dollar. Bale vergibt ein Preisgeld für die Lösung dieser mathematischen Vermutung, die er selbst eufgestellt hat. Wer das Ergebnis kennt, schickt eine Mail: bealprize@ams.org.

Das dürfte mit ein bisschen Grübelei auf jeden Fall machbar sein. Lassen Sie sich ruhig Zeit. Und wenn Sie so weit sind: Mail rausjagen, abwarten, Kontoauszug überprüfen. Vielleicht dauert’s ein paar Tage, aber schon bald werden Sie um eine Million Dollar reicher sein. Herzlichen Glückwunsch!

Kleiner Scherz. Ganz so einfach, wie “Bild” das alles schildert, ist es natürlich nicht.

Zunächst einmal: Der gute Mann heißt Beal, nicht Bale. Und er ist kein Irrer, sondern Unternehmer. 1997* veröffentlichte er die “Beal-Vermutung” und lobte einen Preis aus für denjenigen, der einen Beweis oder einen Gegenbeweis dafür liefern kann.

Im Original lautet die Vermutung so:

If Ax +By = Cz, where A, B, C, x, y and z are positive integers and x, y and z are all greater than 2, then A, B and C must have a common prime factor.

Dummerweise hat “Bild” die Aufgabe falsch abgeschrieben und aus A hoch x kurzerhand A mal x gemacht — was die Aufgabe dann doch ein wenig ändert. Außerdem vergisst das Blatt zu erwähnen, dass x, y und z größer als 2 sein müssen.

Und es reicht auch nicht, einfach nur eine Mail zu schreiben, wenn man glaubt, “das Ergebnis” gefunden zu haben. In der Regel muss ein Beweis zunächst in einer angesehenen Fachzeitschrift veröffentlicht werden, bevor sich das “Beal Prize Committee” der Sache annimmt.

Sie können das Mathebuch also wieder wegpacken.

Mit Dank an Torben Z., Markus W. und Martin B.

Nachtrag/*Korrektur, 16. Juni: Einige Leser haben uns darauf hingewiesen, dass “Bild” außerdem unterschlägt, dass es sich bei dem gemeinsamen Faktor um einen Primfaktor handeln muss. Die “Beal-Vermutung” wurde im Übrigen nicht im Jahr 1997 aufgestellt, sondern schon im Jahr 1993. Vier Jahre später wurde dann erstmals ein Preisgeld ausgelobt.

Mein lieber Frau Gesangsverein

Ein Shitstorm ist für die, die drinstehen, keine angenehme Sache. Doch wenn sie zu Unrecht drinstehen, wird es besonders beschissen.

Die Uni Leipzig muss sich derzeit viele Vorwürfe gefallen lassen. Der Stammtisch ist entsetzt, die Feuilleton-Chefs genauso, die sozialen Netwerke schreien auf. Und das alles wegen einer ziemlich banalen Entscheidung.

Rektorin, Dozentinnen, Wissenschaftlerinnen – da, wo früher in der Grundordnung der Universität Leipzig die sogenannte Schrägstrich-Variante genutzt wurde, also etwa Professor/Professorin, steht künftig ausschließlich die weibliche Personenbezeichnung. Eine Fußnote ergänzt, dass diese feminine Bezeichnung sowohl für Personen männlichen als auch weiblichen Geschlechts gilt.

Bevor es jetzt zu Missverständnissen kommt, wollen wir das mal kurz erklären.

Der erweiterte Senat der Uni Leipzig hat in seiner Sitzung unter anderem über die Grundordnung, also die Verfassung der Hochschule diskutiert. Dabei ging es auch um die Frage, wie man die Personen bezeichnen soll, die in diesem Dokument vorkommen.

Bisher hatte die Uni die Schrägstrich-Variante genutzt. Das sah dann so aus:

Die Vertreter/innen der Gruppe der Hochschullehrer/innen, der Gruppe der akademischen Mitarbeiter/innen und der Gruppe der sonstigen Mitarbeiter/innen im Fakultätsrat, die Dekane/Dekaninnen, Prodekane/Prodekaninnen und Studiendekane/Studiendekaninnen sowie die Gleichstellungsbeauftragten werden für eine dreijährige Amtszeit gewählt.

Statt “Vertreter/innen” könnte die Uni auch “Vertreter_innen” schreiben. Oder “VertreterInnen”. Oder “Vertreter/Vertreterinnen”. Oder “Vertreterinnen und Vertreter”. Sie könnte auch — wie es bisher jahrzehntelang üblich war — einfach nur “Vertreter” schreiben und in einer Fußnote klären, dass damit auch Frauen gemeint sind.

Sie könnte aber auch — und damit kommen wir zur neuen Variante an der Uni Leipzig — einfach nur “Vertreterinnen” schreiben und in einer Fußnote klären, dass Männer damit auch gemeint sind.

In der Grundordnung – und zwar nur in diesem Dokument – sollen künftig also ausschließlich weibliche Personenbezeichnungen benutzt werden. Dies sei eine “spontane Entscheidung ohne politische Ziele” gewesen, sagte der Professor, der die Variante vorgeschlagen hatte.

So viel zum Kern der Geschichte.

Nachzulesen war das alles erstmals in einem Artikel der Universitätszeitung “duz”:

Geschlechtergerechtigkeit - Uni Leipzig verweiblicht ihre Grundordnung - Nach 600 Jahren Männerdominanz setzt sich die Uni Leipzig auf feminine Personenbezeichnungen. Die Schrägstrich-Variante "Professor/Professorin" ist Geschichte. Ein Novum in Deutschland.

Der Artikel erschien am 31. Mai, danach geschah ein paar Tage lang erst mal gar nichts. Kaum jemand nahm Notiz von den Neuigkeiten aus Leipzig.

Bis der “UniSpiegel” kam. Der übernahm den Text zu Beginn der Woche. Und “Spiegel Online” verpasste ihm gleich mal eine knackigere Überschrift:

Sprachreform an der Uni Leipzig: Guten Tag, Herr Professorin

Fatalerweise hat sich der Erfinder dieser Schlagzeile den Artikel nicht richtig durchgelesen. Denn sie hat rein gar nichts mehr mit der eigentlichen Nachricht zu tun. Geschweige denn mit der Wahrheit.

Der Teaser macht es nicht gerade besser:

Das ist ein Novum in Deutschland: Nach 600 Jahren Männerdominanz schwenkt die Uni Leipzig radikal um und setzt nur noch auf weibliche Bezeichnungen: Der Titel “Professorin” gilt künftig auch für Männer. “Jetzt läuft das mal andersrum”, freut sich eine Befürworterin im Hochschulmagazin “duz”.

Der “UniSpiegel” erweckt in der Überschrift und im Teaser den Eindruck, als müssten die Studierenden künftig auch die männlichen Professoren als “Professorin” ansprechen.

Doch das größte Problem ist: Einige haben diesen Unfug tatsächlich geglaubt.

Bild.de, 4. Juni:

Irsinn an der Uni Leipzig - Ab heute sagt man: "Herr Professorin"
Dass die Männer an den Universitäten dominieren, das war einmal. In Leipzig denkt man jetzt völlig neu: An der Uni heißen jetzt auch die Männer “Professorin”.

Bild.de, 5. Juni:

Gleichberechtigungs-Irrsinn in Leipzig - An der Uni heißen alle Dozenten jetzt Herr ProfessorinEs klingt wie ein Kalauer aus der Emanzen-Ecke: Ab sofort heißen männliche Dozenten an der Uni Leipzig nicht mehr “Herr Professor”, sondern “Herr Professorin”.
Mehr noch: Die neue weibliche Personenbezeichnung soll von nun grundsätzlich an der Uni verwendet und sogar im Statut der 600 Jahre alten Alma Mater festgeschrieben werden.

Bild.de, 5. Juni:

Jörg Junhold an der Uni-Leipzig - Zoo-Chef wird ProfessorinJörg Junhold übernimmt eine Honorarprofessur an der Uni Leipzig. Eine neue Regel an der Uni legt fest, dass künftig alle Dozenten mit Herr Professorin angesprochen werden – also auch Junhold. […] Die Bezeichnung Professorin ist künftig an der Leipziger Uni vorgeschrieben, unabhängig vom Geschlecht.

Berliner Kurier, 4. Juni:

Bald heißt es also Herr Doktorin, Herr Professorin etc. Und das ist gut und richtig – endlich Schluss mit plumper männlicher Dominanz.

Focus.de, 5. Juni:

Feminisierte Sprachreform - An der Uni Leipzig heißen nun auch Herren ProfessorinHerr Professorin? Ja, Herr Professorin, sollen Studenten der Uni Leipzig ihre männlichen Hochschullehrer künftig nennen.

rtl.de, 4. Juni:

"Guten Tag, Herr Professorin!": Gender-Wahn an der Uni LeipzigAlle männlichen Professoren sind jetzt Professorinnen. Der Rektor wird zur Rektorin – zumindest an der Universität Leipzig. Hier werden die männlichen Kollegen künftig mit weiblichen Titeln angeredet, auch in offiziellen Schreiben.

Berliner Zeitung, 4. Juni:

Sprachreform Uni leipzig - Hallo, Herr Professorin!
Mit einer kleinen Begriffsreform will die Universität Leipzig als erste in Deutschland umständliche sprachliche Gleichstellungsversuche beenden. In Texten künftig soll es nur noch eine Form geben: Professorin.

Heute.at, 5. Juni:

Gleichberechtigung - "Herr Professorin": 1. Uni schafft männliche Titel abKein Scherz! Die Universität in Leipzig (D) orderte jetzt an, außschließlich weibliche Bezeichnungen zu verwenden. Mit dem Wort “Professorin” sind künftig auch Männer gemeint.

Süddeutsche.de, 6. Juni:

Ein Sprachstreit ist entbrannt, seit an der Uni Leipzig männliche Dozenten mit “Herr Professorin” tituliert werden.

Die Welt, 7. Juni:

Sprachstreit - Herr Professorin, was denken Sie sich dabei?An der Uni Leipzig werden männliche Dozenten jetzt als “Herr Professorin” bezeichnet. Problematisch ist daran nicht die falsche Grammatik, sondern das Sprach-Opfer im Namen des Feminismus.

All diese Journalisten und Kommentatoren waren also entweder zu faul, den ganzen Artikel zu lesen — oder sie haben ihn einfach nicht verstanden.

Doch selbst solche Medien, die die Entscheidung der Uni korrekt wiedergegeben haben, konnten sich nicht von dieser bescheuerten Formulierung lösen:

Kleinezeitung.at, 4. Juni:

"Herr Professorin" eckt an

“Süddeutsche Zeitung”, 5. Juni:

feminin12

Berliner Kurier, 5. Juni:

"Herr Professorin" - Leipziger Universität macht alle Männer zu Frauen

BR.de, 5. Juni:

Uni Leipzig wird weiblich - Respekt, Herr Professorin!

“Spiegel Online”, 5. Juni:

Sprachreform: Uni Leipzig verteidigt Herr Professorin

Tagesspiegel.de, 4. Juni:

Uni Leipzig schafft die männliche Schreibweise ab - Hallo, Herr Professorin!

Tagesspiegel.de, 5. Juni:

Gender-Debatte an der Uni Leipzig - Auch die FU Berlin erwägt den "Herrn Professorin"

Derwesten.de, 7. Juni:

Bildung - "Herr Professorin" - Nicht in Essen

Genau. Nicht in Essen, nicht in Leipzig, nicht in Sonstwo. “Herr Professorin” gibt es nicht und wird es auch nicht geben! Ein für allemal: Diese Ansprache ist nichts weiter als eine Erfindung von “Spiegel Online”.

Dennoch entwickelte sich vergangene Woche eine hitzige Debatte, die zu großen Teilen auf diesem Trugschluss basierte. Viele Kommentatoren ereiferten sich über die (nie dagewesenen!) Pläne, “alle Fachkräfte nur noch als Frauen” anzusprechen, in sozialen Netzwerken forderten Tausende den Rücktritt der Uni-Rektorin.

Selbst der Dekan der Juristenfakultät ließ in einer Erklärung (PDF) verkünden:

Wir missbilligen den Beschluss des Senats. Wir werden ihm nicht folgen. Kein männlicher Student der Juristenfakultät Leipzig muss damit rechnen, als “Studentin” angesprochen zu werden.

Ähm, ja.

Natürlich darf man die Entscheidung der Uni kritisieren. Aber dann sollte man doch bitteschön bei den Fakten bleiben.

Die Uni sah sich jedenfalls gezwungen, eine Richtigstellung zu veröffentlichen. Darin heißt es, bei der “umfangreichen Berichterstattung zur neuen Grundordnung der Universität” sei “ein klares Missverständnis zu Tage getreten”. Die Rektorin schreibt:

“Da wird von vielen ein Missverständnis gesät, als ob die neue Grundordnung so furchtbar viel verändern würde. Zur Klarstellung möchte ich sagen, dass diese Neuerung auf den Alltag an der Universität und auf den universitären Sprachgebrauch keinerlei Auswirkungen haben wird.”

Doch das Märchen vom deutschen “Herrn Professorin” wird inzwischen sogar schon im Ausland erzählt.

Mit Dank an Simon, Thomas D. und Benjamin M.

Quelle: “Bild”

Vor sechs Jahren drehte ein aus Halbwahrheiten, Spekulationen und Großbuchstaben zusammengeschustertes Geschichtenkonstrukt der “Bild”-Zeitung eine große Runde durch die Medienlandschaft. Damals ging es um das Video eines Fallschirmspringers, der “[Jürgen] Möllemanns Todessprung mit einer Kamera” gefilmt hatte.

“Bild” hatte auf der Titelseite groß verkündet:Möllemann - Todes-Video aufgetaucht!

Dabei war das Video in Wahrheit schon vier Jahre zuvor “aufgetaucht” — die Staatsanwaltschaft hatte es bereits kurz nach Möllemanns Tod im Jahr 2003 ausgewertet.

Doch viele andere Medien verbreiteten die Nachricht vom plötzlich aufgetauchten Video und die Spekulationen der “Bild”-Zeitung kopflos weiter, obwohl viele von ihnen schon im Jahr 2003 selbst über das Video berichtet hatten.

Wir haben diesen Fall und sein juristisches Nachspiel (denn das Video war noch dazu geklaut) seinerzeit hier, hier und hier dokumentiert.

Leider haben die Medien seither nichts dazugelernt.

Am Mittwoch verkündete “Bild” groß auf der Titelseite:10 Jahre nach Todessprung - Möllemanns letzter Brief aufgetaucht

Dabei war der Brief in Wahrheit schon vor sechs Jahren “aufgetaucht” (wie wir am Mittwoch berichtet haben).

Doch viele andere Medien verbreiten die Nachricht vom plötzlich aufgetauchten Brief und die Spekulationen der “Bild”-Zeitung kopflos weiter. Mal wieder.

Die dpa veröffentlichte Meldungen über den “jetzt bekanntgewordene[n] Brief”, “Spiegel Online” und Handelsblatt.com erzählen vom “bisher unbekannten Abschiedsbrief “, auch n-tv.de, T-Online.de, “RP Online”, Tagesspiegel.de, Welt.de, das “Hamburger Abendblatt” und viele andere zogen mit — in den meisten Fällen beriefen sie sich dabei allein auf den “Bild”-Artikel.

Nur wenige Medien haben sich die Mühe gemacht, selbst ein bisschen zu recherchieren. So wie (überraschenderweise) stern.de:

Tatsächlich hatte sich FDP-Politiker Kubicki schon vor über zwei Wochen mit der “Bunten” über den Tod seines Freundes, dieses Schreiben und die Übergabe vor zehn Jahren unterhalten. Auch in einer TV-Dokumentation aus dem Jahr 2007 (“Der Tag als Jürgen W. Möllemann in den Tod sprang”) hält Kubicki den Brief in die Kamera.

Es wäre auch für andere Journalisten kein Ding der Unmöglichkeit gewesen, das herauszufinden: Die “Süddeutsche Zeitung” hatte die Szene in einer TV-Kritik von 2007 explizit erwähnt: “Ziemlich am Ende des Films zitiert [Kubicki] aus einem Brief, den Möllemann ihm für den Fall der Fälle geschrieben hatte […]”.

Doch wenn das Leitschafmedium einmal losgetrampelt ist, lässt sich die Herde nicht mehr aufhalten. Inzwischen ist die Geschichte sogar schon in der Wikipedia gelandet:
Am 5. Juni 2013 wurde ein Brief bekannt, den Möllemann im April 2013 im Hamburger Hotel

Als Quelle aufgeführt ist: “Bild”.

Zu Gaffern gemacht

Nach all den schlimmen Hochwasser-Nachrichten der letzten Tage wollte “Bild” am Donnerstag auch mal eine positive Seite der “Jahrhundertflut” zeigen. Im Grunde ist es also eine ganz schöne Geschichte, die das Blatt da veröffentlicht hat:

SCHIPPEN, SCHLEPPEN, SCHRUBBEN - Tausende packen freiwillig bei der Jahrhundertflut an

Es ist eine Welle der Solidarität, Deutschland krempelt die Ärmel hoch! So schlimm die Jahrhundertflut über den Osten und Süden hereinbrach, so groß ist die Hilfsbereitschaft! Zehntausende Freiwillige schippen, schleppen, schrubben!

Doch die Skandal-Spürnasen von “Bild” haben selbst inmitten all der Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe noch etwas gefunden, über das sie sich empören können:

Andere gaffen nur! - Gaffer betrachten das Hochwasser! Psychologe Thiel:

Oder nochmal in der Online-Variante:

Andere gaffen nur! - Gaffer betrachten das Hochwasser! Psychologe Thiel:

“Bild” schwingt also voller Entsetzen die Moralkeule — und haut sie, was der Leser dann allerdings nicht mehr mitbekommt, mit Schmackes ins Leere.

Denn im System des dpa-Bildfunks trägt das Foto folgende Beschreibung:

Sonniges Wetter in Düsseldorf
02.06.2013 16:45:19
Bei strahlendem Sonnenschein und Temperaturen um die 20 Grad sitzen am 02.06.2013 in Düsseldorf-Wittlaer (Nordrhein-Westfalen) Ausflügler auf Stühlen auf dem Rheindeich in einem Biergarten. Foto: Horst Ossinger/dpa

Das, was die “Gaffer” in den Gartenstühlen “betrachten”, sind also keine Katastrophenszenen – sondern Schiffe.

Mit Dank an Bernd W. und Mo.

Nachtrag, 10. Juni: “Bild” hat heute eine Berichtigung abgedruckt:

Berichtigung - In der Ausgabe vom 6. Juni berichteten wir mit einem Foto von Flut-Gaffern. Dabei ist uns ein bedauerlicher Fehler unterlaufen. Auf dem Foto sind keine Schaulustigen zu sehen, sondern Ausflügler am Rhein. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

Bild  

“Bild” schlachtet alten Möllemann-Brief aus

Gestern titelte “Bild”:

10 Jahre nach Todessprung - Möllemanns letzter Brief aufgetaucht

Auf den Tag genau zehn Jahre nach dem Freitod von FDP-Politiker Jürgen W. Möllemann († 57) gibt ein bisher unbekannter Brief neue Rätsel auf.

Nun ja. “Aufgetaucht” ist der Brief streng genommen schon vor zehn Jahren. Denn Möllemann hatte ihn wenige Wochen vor seinem Tod an Parteifreund Wolfgang Kubicki gegeben.

Und die Zitate aus dem “bisher unbekannten” Brief, die “Bild” als neu verkaufte, sind der Öffentlichkeit größtenteils schon seit 2007 bekannt — Kubicki hatte damals in einer Dokumentation des Hessischen Rundfunks aus dem Brief vorgelesen.

Aber was das Ausschlachten von Möllemanns Tod angeht, sind solche Methoden für “Bild” ja nichts Neues mehr.

Mit Dank an Chris G., Insider, Boludo und Anonym.

Mein neuer Freund

Die “Süddeutsche Zeitung” widmete ihren Aufmacher im Ressort “Wissen” gestern einer Studie zum Thema Online-Dating:
Der Klick zum Glück
Der Teaser lautete:

Immer häufiger finden Menschen ihre Lebensgefährten über das Internet. Zugleich mehren sich die Hinweise, dass online angebahnte Ehen mindestens so glücklich verlaufen und so lange halten wie traditionell gebildete Partnerschaften

Selbst auf der Titelseite wurde der Text angerissen:
Der Klick zum Glück: Online-Dating stiftet die besseren Ehen > Wissen
Auch “Spiegel Online” schreibt:
Online-Dating: Im Netz gestiftete Ehen halten länger

Wer sich zuerst online begegnet ist, dessen Ehe hält länger – das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie aus den USA. Wer seinen Partner aus dem Netz kennt, ist mit seiner Beziehung demnach auch zufriedener

Und AFP vermeldet in Bezug auf dieselbe Studie (und mit leichten grammatikalischen Schwächen):
Großteil der US-Ehen kommen über das Internet zustande
Was die Journalisten allerdings nicht erwähnen — und zwar weder in der “Süddeutschen Zeitung” noch bei “Spiegel Online” noch bei AFP: Diese Studie wurde von “eHarmony” in Auftrag gegeben — einer amerikanischen Online-Partnerbörse.

Einige der beteiligten Wissenschaftler arbeiten außerdem schon seit Längerem mit dem Unternehmen zusammen: Der leitende Forscher etwa ist wissenschaftlicher Berater von “eHarmony”, ein anderer Autor der Studie war mal Leiter der “eHarmony Laboratories”.

So etwas muss nicht zwingend Einfluss auf die Studienergebnisse haben. Dass “eHarmony” in der Studie unter den Dating-Seiten am besten abgeschnitten hat, kann natürlich auch Zufall sein.

Aber man sollte diesen Interessenskonflikt doch zumindest erwähnen, wenn man als Journalist über die Studie berichtet. Vor allem, weil man dafür gar nicht lang hätte recherchieren müssen: Im Aufsatz (PDF), auf den sowohl “Spiegel Online” als auch Süddeutsche.de verlinken, weisen die Wissenschaftler in einem “Conflict of interest statement” nämlich selbst darauf hin.

Mit Dank an Basti.

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