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Projekt: Spracherkennung

Der “Spiegel” berichtet in seiner morgen erscheinenden Ausgabe darüber, dass ein Spähprogramm der NSA auch vom deutschen Geheimdienst eingesetzt werde. “XKeyscore” heiße die Software, schreibt das Magazin in seiner Vorabmeldung.

Viele deutsche Medien berichteten heute über den Artikel. Dummerweise hat gestern ein Journalist einer Nachrichtenagentur die Anführungsstriche falsch gesetzt und aus der Software “XKeyscore” versehentlich “XKeyscorewerde” gemacht. Eigentlich ein kleiner Flüchtigkeitsfehler.

Andererseits:

FAZ.net:

Deutsche Verfassungsschützer testen derzeit eine Software des amerikanischen Geheimdienstes. Laut einem Medienbericht handelt es sich um das Programm “XKeyscorewerde”.

Bild.de:

Mit dem Spionagewerkzeug namens “XKeyscorewerde” werde ein großer Teil der Datensätze aus Deutschland erfasst, auf die die NSA Zugriff habe, schreibt der “Spiegel”.

sueddeutsche.de:

Den geheimen Unterlagen zufolge, die dem Spiegel vorliegen sollen, wird mit der Spähsoftware namens “XKeyscorewerde” ein großer Teil der Datensätze aus Deutschland erfasst, auf die die NSA Zugriff habe.

vox.de:

Mit dem Spionagewerkzeug namens ‘XKeyscorewerde’ werde ein großer Teil der Datensätze aus Deutschland erfasst, auf die die NSA Zugriff habe.

ksta.de:

Mit dem Spionagewerkzeug namens “XKeyscorewerde” werde ein großer Teil der Datensätze aus Deutschland erfasst, auf die die NSA Zugriff habe.

rtl.de:

Mit dem Spionagewerkzeug namens ‘XKeyscorewerde’ werde ein großer Teil der Datensätze aus Deutschland erfasst, auf die die NSA Zugriff habe.

dw.de:

Demnach wird mit der Spähsoftware namens “XKeyscorewerde” ein großer Teil der Datensätze aus Deutschland erfasst, auf die die NSA Zugriff habe.

“RP-Online”:

Das Programm “XKeyscorewerde” werde bislang lediglich getestet, aber nicht im großen Umfang eingesetzt, heißt es vom Verfassungsschutz.

Handelsblatt.com:

Demnach wird mit der Spähsoftware namens “XKeyscorewerde” ein großer Teil der Datensätze aus Deutschland erfasst, auf die die NSA Zugriff habe.

welt.de:

Demnach wird mit der Spähsoftware “XKeyscorewerde” ein großer Teil der Datensätze aus Deutschland erfasst, auf die die NSA Zugriff habe.

Offenbar geht der Fehler auf zwei Meldungen von Reuters zurück, in denen die Nachrichtenagentur gestern geschrieben hatte:

Mit dem Spionagewerkzeug namens “XKeyscorewerde” werde ein großer Teil der Datensätze aus Deutschland erfasst, auf die die NSA Zugriff habe.

Und später:

Demnach wird mit der Spähsoftware namens “XKeyscorewerde” ein großer Teil der Datensätze aus Deutschland erfasst, auf die die NSA Zugriff habe.

Heute schreibt Reuters den Namen der Software wieder richtig. Eine offizielle Korrektur gab es aber offensichtlich nicht.

Bei FAZ.net haben sie den Fehler dennoch bemerkt und inzwischen korrigiert. Alle anderen Medien schreiben immer noch, die Software hieße “XKeyscorewerde”. Was selbst bei den oft etwas seltsamen Bezeichnungen amerikanischer Militär- und Geheimdienstprojekte ein außergewöhnlich bekloppter Name wäre.

Mit Dank an den Hinweisgeber.

Nachtrag, 23. Juli: Kurz nach Erscheinen unseres Eintrags hat sueddeutsche.de den Fehler transparent korrigiert. Alle anderen Medien haben es heimlich gemacht. Bis auf rtl.de, wo immer noch der falsche Name steht.

Er so wie er so

Express.de, vergangene Woche:Fan-Liebling im FC-Trainingslager - Ujah: "Ich zerreiße mich für den FC" [auf dem Foto zerreißt der Spieler das Trikot, das er anhat.]

Bild.de, gestern: Nordveit-Schwur - "Ich zerreiße mich für die Borussia!" [auf dem Foto zerreißt der Spieler das Trikot, das er anhat.]

Wer selbst keine Ideen hat, muss sich eben bei anderen bedienen. Das haben nicht nur die “Bild”-Autoren längst erkannt, sondern auch deren Leser.

Die wurden, wie wir gestern berichtet haben, jüngst dazu aufgefordert, Rap-Texte gegen Bushido zu verfassen. Gestern druckte die “Bild”-Zeitung dann stolz ein paar dieser Zeilen ab. Darunter auch diese hier:
"Hey Bushido, dein Rap ist doch nur so 'ne Mode-Droge / So 'ne Berg und Talfahrt / So 'ne Toblerone. Dreh 'nen Clip mit zehn Bitches oben ohne / Und halt dazu 'n paar homophobe Monologe."

(Unkenntlichmachung von uns.)

Der Text kommt Ihnen bekannt vor? Nun, vielleicht, weil Sie ihn schon mal woanders gehört haben:

Und er so: Rap ist doch nur ‘ne Modedroge
So ‘ne Berg- und Talfahrt, so ‘ne Toblerone, ja
Dreh ‘n Clip mit zehn Bitches oben ohne
Und halt dazu ‘n paar homophobe Monologe

(Aus: “ErSoIchSo” von Dendemann.)

Mit Dank an Jan V. und Dennis S.

Vom Bordstein bis zur Headline

Sie haben es vielleicht mitbekommen: Bushido ist zurück. Und weil er in einem neuen Song Politiker bedroht und weil gerade Sommerloch ist, drehen die Medien jetzt völlig am Rad.

Die Berichterstattung nimmt aktuell dermaßen besorgniserregende Züge an, dass es Zeit ist, sich den Fall mal etwas näher anzuschauen. Damit wir nicht durcheinanderkommen, fangen wir am besten gleich bei der Wahrheit an:Morddrohungen als PR-Masche - Die billige Wahrheit hinter Bushidos Hass

Zuletzt inszenierte sich Bushido als braver Familienvater. Doch in einem neuen Video bepöbelt und bedroht der Rapper Politiker und Prominente. BILD am SONNTAG enthüllt die abgefeimte Marketingstrategie hinter der Hass-Attacke

Die “Bams”-Reporter sind zu der Erkenntnis gelangt, dass Bushido dieses Video vor allem deshalb veröffentlicht hat, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Und um sein Gangster-Image mal wieder ein bisschen aufzupeppen. Nach der “altbewährten Methode: ‘gut ist, was provoziert'”. Kurzum: Bushido benutze die “Morddrohungen als PR-Masche”.

Im Hause Springer sind sie sich also völlig im Klaren darüber, dass es Bushido “bei der ganzen Sache vor allem um PR geht”. Und trotzdem schenken sie ihm seit Tagen genau das, was er will: Aufmerksamkeit.

Los ging es am Freitag mit dieser Schlagzeile auf Bild.de:Hass-Song auf Youtube - Bushido droht Politikern mit Mord

Am Tag darauf legte die gedruckte “Bild” mit einer Titelgeschichte nach:Neues Hass-Video mit Mord-Drohungen gegen Politiker - Strafanzeige gegen Bushido

Im Innenteil sah der Artikel so aus:Bushido in seinem neuen Hass-Video - "Du Schwuchtel wirst gefoltert!"

Die härtesten Passagen des Songs hat “Bild” natürlich abgedruckt — stilecht samt Einschussloch.

Auch auf Bild.de werden die bösen Zitate ausführlich wiedergegeben, zum Beispiel in diesem Artikel:Hass-Video! Strafanzeige! - Jetzt spricht der Politiker, dem Bushido den Tod wünscht

Oder in diesem:"Clip verstößt gegen unsere Richtlinien" - YouTube sperrt Bushidos Hass-Video

(Auf Bild.de waren einige der umstrittenen “Hass-Video”-Passagen bis heute übrigens immer noch zu sehen.)

Am Wochenende schickte “Bild” dann extra zwei Reporter auf Recherchereise in eine “Dorf-Disko”. Dort hatte Bushido nämlich seinen ersten Auftritt “nach der Veröffentlichung seines Skandal-Videos”. Zurückgekommen sind die Autoren mit einem Video des Auftritts (in dem die besonders bösen Stellen säuberlich untertitelt sind), einer neunteiligen Fotostrecke (davon neun Mal Bushido in Aktion) und jeder Menge aufgeschnappter “Hassparolen”, die sie im Artikel ausführlich zitieren:

Vor nur 400 Zuschauern - Bushido hetzt in Dorf-Disko

Dazu gibt’s nochmal die Szenen aus dem Video, eine Umfrage unter Jugendlichen, zwei weitere Fotos (einmal Bushido, einmal Bushido und Shindy) und die Einschätzung eines Rechtsexperten.

Am Montag folgte dann die nächste Titelgeschichte der “Bild”-Zeitung, Kategorie: Höchstform.

Heino geht auf Proll-Rapper los - Bushido gehört ins Gefängnis! ... oder in die Psychiatrie

Und selbst Franz Josef Wagner richtete am Montag seinen Brief an die “dumme Wurst” Bushido, obwohl es seiner Meinung nach ja eigentlich mehr Sinn machen würde, “an Brüllaffen oder lärmende Frösche zu schreiben”. Das Video sei jedenfalls “so eklig, wie Ratten essen”.

Bild.de setzte die Artikelflut im Laufe des Tages fort und veröffentlichte vier weitere Texte:

Nach Hass-Video und Anzeige - Jetzt spricht Bushido! ++ Klaus Wowereit stellt Strafanzeige gegen Bushido ++

Autogrammstunde abgesagt - Saturn lädt Bushido-Kumpel Shindy ausErstes Interview nach dem Skandal - Bushido bricht sein Schweigen ++ Ich werde mich nicht entschuldigen ++ Ich schieße nur mit Worten ++ Der Song ist kein Aufruf zur Gewalt ++Bushido - "Ich schieße nur mit Wörtern"

Gestern musste sich Bushido zwar mit etwas weniger Platz auf der Titelseite der “Bild”-Zeitung zufrieden geben, im Innenteil spendierte ihm das Blatt aber erneut einen großen Artikel:

Hass-Video - Was sagen Bushidos Freunde jetzt?

Auch online ging es munter weiter:FDP-Politiker Serkan Tören zeigt Rapper an - "Bushidos Rechnung wird nicht aufgehen"

Skandal-Song - Das denken die Promis über Bushido

Künstler, Familienvater, Geschäftsmann - Bushido - Sein lauter Weg zum Pöbel-Rapper

Im TV-Interview - Bushido zofft sich mit ORF-Moderatorin

Hass-Video - Was verdient Bushido an dem Skandal?

Skandal-Album "NWA" indiziert - Bushidos Hass-Rap kommt auf den Index

Und so dreht sich bei “Bild” seit Tagen und auf allen Kanälen alles nur um einen. Und Bushido selbst lacht sich währenddessen ins Fäustchen — wenn er denn eine Hand frei hat:

Screenshot: http://instagram.com/p/btLkDyILyL/#

In einem Fernseh-Interview sagte er am Montag, das Album sei mittlerweile “in den Trends auf Platz 1”. Aus “Geschäftsmann-Perspektive” sei die Sache also “super gelaufen”.

Aber Bushido ist schon lange nicht mehr der Einzige, der den “Wirbel” um den Song als “PR-Masche” nutzt.

Die “Bild”-Zeitung macht es im Grunde genauso. Nur eben auf ihre Weise. Das ist spätestens seit dieser Aktion klar:

Hey, Bushido! Jetzt rappt BILD zurück - Wir suchen IHRE Rap-Antwort an den Rüpel-Rapper +++ 1000 Euro Belohnung

BILD.de veröffentlicht die besten Ideen. Zusätzlich darf sich der kreativste Kopf über eine Belohnung von 1000 Euro freuen.

Jetzt geht sie erst richtig los, die wilde Fahrt auf dem Trittbrett: Die Leser werden dazu aufgefordert, zurückzuschlagen. Auf die Idee muss man erst mal kommen. Die “BundesRAPublik” ließ sich jedenfalls nicht lange bitten und schickte “tausende Texte, Videos und Audio-Dateien” an die Redaktion, wie “Bild” heute stolz mitteilte:

Bushido bekommt Gegenwind aus dem Internet - Deutschland rappt zurück!

(Unkenntlichmachung von uns.)

In den veröffentlichten “Raps” finden sich dann solche Zeilen:

Guten Tag Bushido, Seit wann bist du denn Salafist? Dein Gandalf-Bart ist echt der letzte Mist.

Oder solche:

Bildleser zersägen dich wie eine Fräse, und jetzt kriegst DU Löcher wie ein Schweizer Käse!

Oder solche:

[…] die Zunge dir in den Hals zu stecken, du kannst mich mal an meinem schwulen Arschloch lecken.

Den vorläufigen HöheTiefpunkt dieser irrsinnigen Geschichte lieferte aber ein ganz besonderer Pöbel-Poet:

Sprechen möchte der Kolumnist nicht mit Bushido, aber auf die Bitte von BILD hat Franz Josef Wagner den Brief vorgelesen, seine Stimme wurde mit Musik unterlegt. Wagners erster eigener Rap – im VIDEO oben!

“Wagners erster eigener Rap” — oder anders:Post von Wagner - Franz Josef Wagner im Gangsta-Style

Das hat womöglich nicht mal Bushido verdient.

Anno 1887

Die Online-Redakteure des “Hamburger Abendblatts” sind entsetzt, als sie diese Zeilen schreiben.

Die Mitglieder des Kulturvereins “MaLiMu” sind entsetzt, als sie vor dem Glashütter Kulturhaus […] stehen. Auf der gerade im vergangenen Jahr frisch gestrichenen Wand neben dem Eingang prangt in mannshohen schwarzen Lettern eine hässliche Nazi-Schmiererei. “Hools 1887”.

Mutmaßlich sind die Täter Hooligans – Menschen, deren Freizeitbeschäftigung darin besteht, sich mit Gleichgesinnten zu prügeln oder anderweitig Randale zu machen. Mit den Ziffern “1887” geben die schlichten Gesellen ihrer Nazi-Gesinnung Ausdruck. Die Ziffern stehen für die Buchstaben im Alphabet. Mit diesem Code lassen sich aus “1887” zum Beispiel die Initialen von Adolf Hitler, Heinrich Himmler und Hermann Göring bilden.

Und wer richtig clever ist, der kann aus den Ziffern “1887” sogar das Gründungsjahr des Hamburger SV bilden. Aber das ist nichts für schlichte Gesellen.

Mit Dank an Seppl und Till.

Nachtrag/Korrektur, 12. Juli: Gar nicht mal so clever muss man hingegen sein, um zu erkennen, dass der Artikel schon 2008 veröffentlicht wurde. Wir haben’s trotzdem übersehen und kommen deshalb leider einige Jahre zu spät. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.

Angriff der Kreuzritterinnen

Wir werden angegriffen. Eine grausame Splittergruppe von Extremistinnen mit perversen Fantasien und gewaltigem Manipulationsvermögen ist auf dem besten Wege, die Weltherrschaft an sich zu reißen. Und wir lassen es ahnungs- und tatenlos geschehen.

So in etwa kann man den Text von Bettina Röhl zusammenfassen, der am Dienstag auf der Internetseite der “Wirtschaftswoche”erschienen ist. Er heißt:Kolumne - Bettina Röhl direkt - Der Irsinn der Entmännlichung unserer Gesellschaft

Es geht um jenen Kreis von Menschen, den Bettina Röhl die “Gender-Mafia” nennt. Wahlweise auch die “Gender-Fanatiker”, die “Gender-Fighterinnen” oder die “Kreuzritterinnen der Gender-Ideologie”.

Zwar weiß die Autorin selbst nicht so genau, was dieses “Gender” überhaupt bedeutet, aber eines weiß sie umso besser: Dass es böse ist. Verdammt böse.

Was Gender wirklich ist, weiß Niemand so ganz genau. Dass Gender eine unwissenschaftliche, die Realität ganz offensichtlich auf den Kopf stellende, fanatische Ideologie einer Minderheit ist, die die Mehrheit in ihren Zangengriff genommen hat, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt, steht fest.

“Die Gender-Ideologie” sei “in Wahrheit ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit”, ihre Ziele seien “größenwahnsinnig”, “grausam” und “unmenschlich”, zuweilen gar “widernatürlich, verfassungsbrechend und kriminell”. Sie sei “die schmutzige Phantasie von einer kleinen Clique von Extremistinnen, die von der Frauenweltherrschaft, gemeint ist ihre persönliche Weltherrschaft, träumen.”

Es geht noch ewig so weiter. Ein 19.000 Zeichen langes Thesenfeuerwerk, das uns von zwei Dingen überzeugen soll.

Punkt 1, wie gesagt: Gender sei böse, denn die Gesellschaft werde entmännlicht. Im Übrigen kein neues Thema für Bettina Röhl: Schon vor acht Jahren befürchtete sie, der Mann könne vom “lautlos heranrollende[n] Tsunami namens ‘Gender Mainstreaming'” fortgespült werden.

Punkt 2: Gender gewinne an Macht.

“Gender Mainstreaming”, schreibt Röhl, sei “geistige Brandstiftung” und “eine menschenverachtende Fiktion, die nicht trotz dieser Tatsache, sondern mutmaßlich wegen ihres Irrsinns so grausam erfolgreich ist”.

Diesen grausamen Erfolg, diese “Machteroberung durch die Gender-Ideologie” macht Bettina Röhl an einem ganz bestimmten Ereignis fest. Ohnehin ist dieses Ereignis das einzige konkrete Beispiel im gesamten Artikel, der einzige Beleg, den Bettina Röhl anführt, um ihre wilde These von der “Entmännlichung unserer Gesellschaft” zu untermauern.

Und dieses Ereignis liest sich so:

An der Universität Leipzig wird seit kurzem ein (männlicher) Professor mit Herr Professorin angesprochen. Die Gender-Ideologen blasen zum Angriff auf die Sprache und leiten damit einen neuen Orbitalsprung bei der Durchgenderung der Gesellschaft ein.

Das ist er also, der große Erfolg der “Gender-Mafia”, der Meilenstein des Extremfeminismus: Herr Professorin!

Der Herr Professorin, die neue Anrede von Professoren an der Universität Leipzig und nun auch Potsdam, ist kein Scherz, keine Satire. Ironie ist Ideologen unbekannt, das gehört förmlich zur Definition von Ideologie dazu. Es handelt sich auch nicht um einen bloße Volte des Schicksals. Vielmehr wird hier ein Orbitalsprung im Wachstum der Genderkrake exemplarisch sichtbar.

Der Angriff auf die Sprache zwecks Manipulation der Realität ist nicht nur eine strategische Variante, sondern wird jetzt mit Macht getestet und voran getrieben. Herr Bundespräsidentin ist nicht mehr so weit entfernt. Und die Erzwingung der Akzeptanz, dass Männerunterdrückung keine Diskriminierung ist, sondern schlimmstenfalls berechtigte Strafe für 20 000 Jahre Männerdominanz […].

Die Professoren, die sich fröhlich Professorin nennen lassen, wissen nicht ganz genau, was sie mit dieser “Akzeptanz” tun und bewirken. Hier geht es ja nicht um einen Gag machen wir es doch zur Abwechslung einfach mal anders herum und machen die weibliche Form zum Gattungsbegriff für beide Geschlechter, sondern es geht im Kontext um die Machteroberung durch die Gender-Ideologie.

So. Und jetzt nochmal für alle. Die Anrede “Herr Professorin” ist ein Märchen! Fiktion! Reine Fantasie! Eine Erfindung der Medien! Sie hat nichts, aber auch gar nichts mit der tatsächlichen Entscheidung der Uni Leipzig zu tun. Und mit der an der Uni Potsdam genauso wenig.

Wenn am “Herrn Professorin” überhaupt irgendetwas “exemplarisch sichtbar” wird, dann ist es ein Orbitalsprung im Wachstum der Recherchefaulheit mancher Journalisten. Und Journalistinnen.

Mit Dank an Kai, Eberhart L. und NaturalBornKieler.

Bild  

Kaum zu ertragen (2)

“Die traurigste Geschichte des Tages kommt aus Indien”, schrieb “Bild” am Samstag.

Es ging um ein neugeborenes Baby, das offenbar lebendig begraben wurde.

Mit einem rosa Tuch bedeckt, sollte das Mädchen sterben. Und obwohl es noch lebendig gefunden wurde, kam am Ende jede Hilfe zu spät …

Irgendjemand hat ein Foto von dem halb verscharrten Baby gemacht; der Kopf ist mit einem Tuch bedeckt, das Ärmchen blutverschmiert.

Es ist ein Foto, das kaum zu ertragen ist.

… schreibt die “Bild”-Zeitung.

Doch das hält sie — wie wir schon aus Erfahrung wissen — natürlich nicht davon ab, es trotzdem zu zeigen:Die traurigste Geschichte des Tages kommt aus Indien - Neugeborenes Mädchen lebendig begraben

(Unkenntlichmachungen von uns.)

Mit Dank an den Hinweisgeber.

Alles nur Munchelei

Vor 150 Jahren wurde Edvard Munch geboren. Seine Heimatstadt Oslo ehrt ihn deshalb zurzeit mit einer großen Jubiläumsausstellung. Und die “Bild”-Zeitung ehrte ihn Anfang Juni mit ein paar klug klingenden Zeilen ihrer Adelfeder Alexander von Schönburg.

Und weil von Schönburg nicht nur Royal- und Promi-, sondern offenbar auch noch Kunstexperte ist, erklärt er uns darin mal genau, was es mit Munch und diesem Expressionistenzeugs eigentlich auf sich hat. Und warum er Munchs Gemälde “Der Schrei” sogar vor der Sintflut retten würde. Und dass es in Oslo nun “zwei Mega-Ausstellungen” zu Ehren des “große[n] Maler[s]” gibt.

Am Ende der kleinen Lehrstunde schüttelt er dann noch lässig ein paar spannende Fakten aus dem Ärmel, “Motto: ‘Munch zum Mitreden'”.

Da wäre zum Beispiel:

Edvard Munch (gesprochen “Munk”, † 1944) war der größte aller Expressionisten, weil er todunglücklich war. Genauer: manisch-depressiv.

Damit lässt sich beim nächsten Grillabend sicherlich Eindruck schinden. Mit der Information, dass Munch den “Schrei” gleich in vierfacher Ausführung gemalt hat, bestimmt auch. Vorsichtig aber sollten Sie sein, wenn Sie folgende Anekdote zum Besten geben wollen:

Die schönste Version (in Pastell) gehört dem New Yorker Milliardär Leon Black. Er hat sich überreden lassen, es für die Dauer der Ausstellung Oslo zu leihen. Er traut den Norwegern aber nicht, hat dem Bild zwei Leibwächter mitgeschickt.

Das klingt eigentlich zu gangsterfilmmäßig, um wahr zu sein. Und wie wir dank unseres Lesers Johannes H. wissen, hat diese Geschichte tatsächlich nicht viel mit der Wahrheit zu tun. Genauer: gar nichts.

Johannes H. ist beim Lesen des Artikels misstrauisch geworden, denn er hatte die Ausstellung in Oslo zuvor selbst besucht – der “Schrei” wurde zwar auch gezeigt, nicht aber die Pastell-Version von Leon Black. Er fragte also beim Osloer Munch-Museum nach, wie viel Wahres an der “Bild”-Geschichte dran sei. Man antwortete ihm:

Es gibt, das ist korrekt, vier gemalte Versionen von “Der Schrei” – zwei Pastelle und zwei Ölgemälde.

Zwei der Bilder (eine Pastell-, eine Öl-Version) seien im Besitz des Munch Museums in Oslo, die Nationalgalerie habe ein weiteres (Öl), und das Vierte gehöre Herrn Black (Pastell). Allerdings:

In der Jubiläumssausstellung zeigen wir im Munch Museum unsere Öl-Version […] und die Nationalgalerie hat ihre. Die Version von Herrn Black wird definitiv nicht gezeigt, und ich weiß nicht, auf welche Quellen oder Informationen die “Bild”-Zeitung ihren Artikel stützt.

Johannes H. fragte auch bei Herrn von Schönburg nach, wie es zu dieser Behauptung kommen konnte. Eine Antwort bekam er nicht.

Immerhin nimmt es das Museum mit Humor. Die erste Reaktion auf den “Bild”-Artikel lautete: “What a brilliant story!”

Mit Dank an Johannes H.

Mit Wikipedia wär’ das nicht passiert

Man darf sich als Journalist ja nicht allzu sehr auf Wikipedia verlassen. Es gibt aber auch Fälle, bei denen ein kurzer Recherche-Abstecher dorthin gar nicht so verkehrt gewesen wäre.

Drei kleine Beispiele.

***

In der morgendlichen Belanglosigkeits-Klickstrecke “10 um 10” präsentierte Bild.de heute “zehn witzige Fehlermeldungen aus dem Internet”. Darunter auch diese hier:[Bilunterschrift:] Für alte Hasen: Wer früher mit MS-DOS gearbeitet hat, bekommt beim Aufruf dieser 404-Seite einen gehörigen Schreck

Kleiner Hinweis für die “alten Hasen” von Bild.de: Diese Fehlermeldung trat bei AmigaOS auf – nicht bei MS-DOS.

***

Zu einem ganz anderen Thema. Gestern wurde in einem Glascontainer in Meerbusch der Kopf eines Tieres gefunden. Laut Bild.de handelte es sich dabei um “den fachmännisch abgetrennten Kopf eines Rotwild-Rehs.” Ah ja. Interessant. Vor allem, weil Rehe und Rotwild in etwa so viel gemeinsam haben wie AmigaOS und MS-DOS.

***

Moment – eine Gemeinsamkeit fällt uns da doch ein: Sie leben beide nicht auf Hashima. Dort lebt allerdings auch sonst nicht besonders viel. Denn Hashima ist eine verlassene Insel im Ostchinesischen Meer. Sie diente als Vorlage für einige Kulissen im James Bond-Film “Skyfall”. Bild.de erklärt nun, was es mit dieser Geister-Insel auf sich hat:

Die ehemalige Residenz von 5000 Minenarbeitern wurde 2009 geschlossen, weil die Bausubstanz der Gebäude so schlecht war, dass die Sicherheit der Bewohner nicht mehr gewährleistet werden konnte. In kürzester Zeit wurde die Insel evakuiert und ist seither verlassen. Heute dürfen Touristen nur noch mit einem Boot daran vorbei fahren.

Na ja, das ist höchstens viertelrichtig. Denn geschlossen wurde die Insel schon 1974. Und seit 2009 ist sie wieder zugänglich für Touristen.

Mit Dank an Henning, Dieter S., Jens G. und Kai-Oliver K.

Und: Action!

Bei einer Auto-Show in Polen sind am Wochenende 17 Menschen zum Teil schwer verletzt worden. Ein Sportwagen war mit hoher Geschwindigkeit von der Straße abgekommen und hatte einige Zuschauer erfasst.

In Deutschland berichteten nur vereinzelte Medien über den Unfall, einige beließen es bei einer knappen Meldung und ein paar Fotos von dem kaputten Sportwagen. Bild.de nicht.

Dort widmete man dem “Horror-Crash” gleich einen Platz auf der Startseite sowie einen umfassenden Artikel samt Video und Klickstrecke. Im Video wird der Unfall aus mehreren Perspektiven gezeigt, ganze dreimal sehen wir, wie der Sportwagen in die Menschenmenge fährt und die Verletzten umhergeschleudert werden. Einmal sogar in Zeitlupe.

“Ein gelber Sportwagen rast in eine Menschenmenge, Körper fliegen durch die Luft”, stellt die Off-Sprecherin fest. Das Aufmacherfoto des Artikels, das zeitweise auch auf der Startseite zu sehen war, zeigt genau diese Szene – “Körper fliegen durch die Luft” – als Standbild.

Und wenn Sie sich auch schon mal gefragt haben, was wohl in den Köpfen der Bild.de-Autoren vorgeht, während sie solche Artikel schreiben – nach dem folgenden Absatz dürften Sie eine Ahnung bekommen:

Posen (Polen) – Auf gerader Strecke kommt der gelbe Sportwagen plötzlich von der Straße ab, schleudert mehrere Zuschauer meterhoch durch die Luft! Beim neunten “Gran Turismo Polonia”-Autorennen in Posen (Polen) wurden am Sonntag 17 Menschen verletzt – bei einem Unfall, der an den US-Actionfilm “The Fast and the Furious” erinnert.

Bei Bild.de war man offenbar dermaßen stolz auf diesen dämlichen Vergleich, dass er sogar als Dachzeile dient.

Unfall wie bei "The Fast an the Furious" - 17 Verletzte! Luxus-Auto rast in Menschenmenge

Mit Dank an Michael H. und Daniel M.

Ein Foto, das für Empörung sorgt

Am vergangenen Dienstag berichtete die “Hamburger Morgenpost” über die Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizisten in der Türkei. Auf Seite 3 druckte die “Mopo” dieses große Foto:

[Bildunterschrift:] Ein Foto, das für Empörung sorgt: Ein Polizist tritt einer Demonstrantin, deren Hände auf den Rücken gefesselt sind, gegen den Kopf.

In der Bildunterschrift steht:

Ein Foto, das für Empörung sorgt: Ein Polizist tritt einer Demonstrantin, deren Hände auf den Rücken gefesselt sind, gegen den Kopf.

Und im Text heißt es:

Das brutale Vorgehen der türkischen Polizei gegen die Demonstranten sorgt für immer mehr Empörung. Ein Foto zeigt, wie ein Polizist einer jungen Frau, die offenbar zuvor festgenommen und gefesselt wurde, gegen den Kopf tritt.

Allerdings wurde das Foto nicht vor kurzem aufgenommen, sondern vor vier Jahren. Und zwar nicht in der Türkei, sondern in den USA.

Via Migazin.
Mit Dank an Marty C., Sejfuddin, Steffen E. und Zafe.

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