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Als mit Akif Pirinçci noch gut Currywurst essen war

Die Medien diskutieren momentan, wie Akif Pirinçci seine grässliche KZ-Aussage (“Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.”) am Montagabend bei der “Pegida”-Kundgebung genau meinte. Dass seine Rede in Dresden furchtbar war, darauf können sie sich hingegen einigen. Auch “Bild” und Bild.de:

Das sei eine “Hetzrede des irren Autors” gewesen. Sowieso falle Pirinçci schon seit 2012 “durch rechte Äußerungen in Blogs auf.” Und seine Bücher erst:

Im März 2014 hetzt er in seinem Buch “Deutschland von Sinnen” gegen Frauen, Schwule und Zuwanderer (“Manuscriptum”-Verlag).

Nanu? Damals, “im März 2014”, fanden die “Bild”-Medien Pirinçcis “Deutschland von Sinnen” eigentlich noch ganz spannend:

Von Hetze ist im Currywurstbudenbericht von “Bild am Sonntag”-Reporterin Anja Hardenberg keine Rede. Das Buch sei “schonungslos”, von einem geschrieben, “der politisch völlig unkorrekt ist.”

Ein paar Tage später legte Hardenberg bei einem zweiten Treffen mit Pirinçci noch einmal nach:

Pirinçci — laut Teaser möglicherweise ein Genie — liebe den “kalkulierte[n] Tabubruch”:

Wer ist dieser Pirinçci, der mal eben die politische Korrektheit schreddert?

Antwort:

Pirinçci, in dessen Krimis das Blut in Strömen fließt, ist eigentlich ein sympathisches Weichei.

Und:

Der Mann, der sich so wortmächtig über deutsches Schubladendenken und kulturelle Arroganz ereifert, ist ein verkappter Romantiker.

Während Akif Pirinçci aus heutiger “Bild”-Sicht in “Deutschland von Sinnen” “gegen Frauen, Schwule und Zuwanderer” “hetzt”, hieß es vor eineinhalb Jahren über das “Pöbel-Buch” noch:

Darin ledert er gegen Frauenquote, Homosexuelle, Öko-Fundamentalisten und anmaßende Zuwanderer.

“BamS” und Bild.de fanden das Abledern damals anscheinend so interessant, dass sie nicht nur werbewirksam Preis und Verlag des Buches nannten, sondern ihren Lesern auch noch eine Leseprobe spendierten:

Kurz darauf durfte Akif Pirinçci in “Bild am Sonntag” und auf Bild.de sogar als Gastautor über einen Deutschlandauftritt des türkischen Präsidenten Erdoğan schreiben:

Ein Hetzer als “Bild”-Autor. Unvorstellbar.

Siehe auch:

Wer Hass sät

“Bild” hat also beschlossen, noch ein wenig im Mittelalter zu verweilen.

So viel offener Hass war noch nie in unserem Land! Und wer Hass sät, wird Gewalt ernten. (…) BILD reicht es jetzt: Wir stellen die Hetzer an den Pranger!


(Alle Unkenntlichmachungen von uns.)

So präsentiert “Bild” heute knapp 40 Kommentare von Facebook (ganz prangermäßig natürlich samt Fotos und Namen der Verfasser). Zum Beispiel von Marco W.:

Verpisst euch aus Deutschland

Oder von Waldemar B.:

An die Wand,mit dem Dreckspack.

Oder von von Silvio B.:

Sind wir nicht alle ein bisschen Nazi

Dazu erklärte “Bild”-Chef Kai Diekmann heute:

Man kriegt Angst, wenn man sich dieser Tage die Nachrichten anschaut. Eine Politikerin, die sich für Flüchtlinge einsetzt in Köln, wird einfach abgestochen, niedergestochen. Da gibt es Demonstrationen, da laufen Leute rum mit selbstgebastelten Galgen, an denen Politiker hängen. Und das alles hat angefangen mit diesen Hass-Posts, mit diesen Hass-Tweets in den sozialen Medien. Und da gilt einfach, wir sehen es jetzt: Wer Hass sät, der wird Gewalt ernten. Das können wir nicht zulassen, da müssen wir „Halt, Stopp!“ rufen. Da wird ein Klima erzeugt, was wir nicht wollen. Und deshalb ist es richtig, diese Leute, die glauben, hier mit ihrem Gesicht diesen Hass, diesen Rassismus verbreiten zu müssen – die müssen wir an den Pranger stellen.

Die eigentliche Frage lässt er allerdings unbeantwortet: Warum „Bild“ die Hetzer an den Pranger stellt. Was soll das bewirken? Dass die 40 Abgebildeten jetzt stellvertretend für all die Dumpfnasen sozial geächtet, von ihrer Familie verstoßen und von ihrem Boss gefeuert werden? Oder dass sich die rechtschaffenden Leser dazu aufgefordert fühlen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen?

Der Medienanwalt Christian Solmecke hat die Aktion heute stark kritisiert. In einer Pressemitteilung schreibt er, „Bild“ hätte die Fotos und Nachnamen verpixeln müssen:

Unabhängig davon welche Straftat möglicherweise durch ein Bürger begangen wurde, gilt immer noch die Unschuldsvermutung. Dieses Prinzip gehört zu den fundamentalen Grundlagen unseres Rechtsstaates und wird durch einen solchen undifferenzierten Internetpranger mit Füßen getreten. Hinzukommt, dass die Verfolgung von Straftaten ausschließlich den zuständigen Behörden zukommt. Wer die Namen potentieller Straftäter veröffentlicht, verurteilt diese, bevor die Strafverfolgungsbehörden überhaupt Ermittlungen aufgenommen haben. Dies widerspricht unserem Rechtssystem und greift tief in die Grundrechte der einzeln aufgeführten Personen ein.

Gerade diejenigen, „die zwar moralisch verwerfliche Kommentare von sich geben, jedoch die Grenze der Strafbarkeit noch nicht erreichen“, würden „besonders stark in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt“, schreibt Solmecke. Das Gleiche gelte für jene, die einen ähnlichen Namen tragen „und durch die Berichterstattung nun mit rechtswidrigen Äußerungen in Verbindung gebracht werden“.

Beim Presserat sind schon die ersten Beschwerden eingegangen, was in den Springer-Chefetagen freilich nur für eines sorgte:

Aber zurück zu den Hetzern, also denen bei Facebook.

Angefangen habe alles „mit diesen Hass-Posts, mit diesen Hass-Tweets in den sozialen Medien“, sagt Kai Diekmann. Aber das ist nicht ganz richtig.

Ab ins Arbeitslager, und die Alte gleich mit !!!

Garnicht erst reinlassen diesen Abshaum
raus aus der EU und die Grenzen wieder dicht !!!

Die Familie sofort abschieben, meine Steuern sind mir zu Schade für solche Menschen, der wird sonst sein Leben lang auf Kosten der anderen leben. Kein Wunder, wenn die Deutschen immer mehr nach rechts rucken, so kann es nicht weitergehn!!!

Diese Hass-Botschaften sind nicht bei Facebook oder Twitter veröffentlicht worden, sondern in der Kommentarspalte von Bild.de. Und sie waren auch nicht der Anfang, sondern eine Reaktion – auf diesen Artikel:

Dass die beiden in Wirklichkeit Deutsche sind, haben die „Bild“-Medien damals natürlich verschwiegen. Dort war nur von „Roma“ die Rede.

Und dieses Pack füttert der Steuerzahler durch, sofort dort hin wo sie hin gehören.
Sehe es auch so, dass später nur krumme Dinger gedreht werden. Haben doch genug von den Romas in Deutschland Der größte Teil ist wie die oben genannte Sippe. Ein Kind nach dem anderen kriegen. Geld kassieren und nicht arbeiten.

Viele solcher Hass-Posts kamen nicht aus dem Nichts. Sie kamen, weil „Bild“ sie provoziert hat.

Das ist unser D E U T S C H L A N D!!!
Wir, das Volk sollte mitbestimmen dürfen, wen wir hier reinlassen oder nicht!
Ich möchte nicht, mit einer S&W Cal .357 schlafen, bzw. jeden Tag draussen rum laufen müssen,
aus Angst wegen ein paar Cent ausgeraubt zu werden!
Aber, ich denke, das ist so gewollt mit der Unterwanderung anderer Völker in Deutschland.
Siehe I. und II.WK!

Ich bin nur noch traurig. Haben diese Richter keine Verantwortung oder Gespür für das deutsche Volk.
Wer hier schreib es gibt keine Menschen erster od. zweiter Klasse gibt, hat eigentlich recht. Mitlerweile komme ich mir, als hier geborener,also echter Inländer, schon vor wie in der dritten Klasse.

[…] jetzt müssen wir noch Rumänen und Bulgaren, die arbeitsscheu sind unterstützen. Für einen Normalverdiener mit Kindern ist es doch jetzt schonj uninteressant in die Arbeit zu gehen. […] Aber für Asylanten und sonstige haben wir scheinbar genug Geld. Armes Deutschland.

Diese Kommentare sind erschienen, weil „Bild“ geschrieben hatte:


Dabei war das nur ein winziger Teil der Wahrheit. Das Urteil bezog sich nämlich nicht nur auf Rumänen und Bulgaren, sondern auf alle EU-Bürger, die in Deutschland leben und keinen Job finden, völlig unabhängig davon, aus welchem EU-Land sie kommen.

Nächstes Beispiel.

Solche Dreckspatzen sollte man verrecken lassen!!!!!!!

Großes Schiff. Care-Paket für die Reise, Bundeswehr“reisebegleiter“ mit genügend Waffen im Anschlag und gute Heimreise. Ganz einfach.
Wer tatsächlich vor Krieg und Tot fliehen MÜSSTE, benimmt sich nicht so , sondern würde vor Dankbarkeit den ganzen Tag arbeiten und fleißig deutsch lernen, um sich möglichst schnell in die Kultur und Gesellschaft einzubringen und anzupassen…!

Gleich eine Injektion aufziehen mit Fentanyl und Dormicum dazu noch ein bißchen Lidocain und fertig..

All das sind Reaktionen auf den „Bild“-Artikel, in dem behauptet wird, Rettungssanitäter in Bautzen müssten jetzt Schutzwesten tragen – „aus Angst vor Attacken im Asyl-Hotel“. Was überhaupt nicht stimmt.

Nächstes Beispiel.

Der deutsche Steuerzahler blecht dafür, dass brutale Ausländer in Deutschland sicher leben können, muss aber damit rechnen, von ihnen verprügelt zu werden!

Ah, nee. Das stammt von „Bild“ selbst.

Diese hier aber …

bekomme ein immer größeren Hass auf den rückständigen sch**** Islam, und das ist auch gut so. Lange lebe PEGIDA. Und Gauck, du Urmel aus dem Eis, gehe dahin wo die Baumwollpflücker leben….over and out.

WIE BESCHEUERT UND VERRÄTERISCH GEBEN SICH DIESE ISLAM-ARSCHKRIECHER NOCH BEI DER ABSCHAFFUNG UNSERER KULTUR UND UNSERER WERTE?!

Und genau darum bin ich dabei, genau darum werde ich im Neuen Jahr weiter argumentieren, mich streiten, mit linkem PACK anlegen, demonstrieren, zum N.A.S.I gemacht, und ich werde es aushalten, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Und der Gemeinde noch ein schönes Weihnachtsfest !

… sind ebenfalls Reaktionen auf einen zurechtgebogenen „Bild“-Artikel, in dem das Blatt behauptete, Politiker würden „fordern“, dass im christlichen Weihnachtsgottesdienst muslimische Lieder gesungen werden.

Eine Idee, die in Wahrheit von „Bild“ kam, nicht von den Politikern.

Es gibt unzählige solcher Beispiele: Islam-Rabatt, Weihnachtsmarktverbot, Sonne-Mond-und-Sterne-Fest, Schnitzelkrieg, Moslem-Feiertag, Sarrazin, Ehrenmorde, Roma, Griechen, kriminelle Ausländer und so weiter und so weiter. Seit Jahren verschweigen die „Bild“-Medien bei diesen Themen entscheidende Tatsachen, sie verdrehen die Fakten zu knalligen Schlagzeilen, sie tricksen und lügen, sie heizen die Stimmung an, sie säen den Hass, über den sie sich heute empören.

Oder anders:

Mit Dank auch an Saskia K., Geesje R., Thomas R., Christian B. und bluspot.

Siehe auch:

Wie „Bild“ Ausländerfeindlichkeit fördert
Wie „Bild“ den Hass gegen Flüchtlinge schürt
„BILD lässt Vorurteile wachsen“

Datenhehlerei, Sputniknews, heulende Kinder

1. Datenhehlerei? Das ist ein absoluter Gummiparagraf!
(journalist.de, Richard Gutjahr)
Nach der Sommerpause berät der Bundestag über einen Gesetzesentwurf zur Datenhehlerei. Der Rechtsanwalt und Blogger Udo Vetter nennt das Vorhaben einen “absoluten Gummiparagrafen”. Dem geplanten Gesetz nach “wäre Beckedahl eben kein Journalist und damit […], genau wie der Whistleblower selbst, ein Straftäter.” Zwei weitere Interviews von Richard Gutjahr zur Netzpolitik-Affäre und dem vermeintlichen Landesverrat: mit Markus Beckedahl und Andre Meister und mit dem Grünen-Politiker Konstantin von Notz.

2. Türkische Polizei durchsucht regierungskritischen Medienkonzern
(dw.com)
In der Türkei durchsuchten gestern Polizisten die Zentrale der “Koza-Ipek-Holding”, die Privatwohnungen der Eigentümerfamilie sowie eine zum regierungskritischen Medienkonzern gehörende Universität. Ob die Polizeiaktion eine Reaktion auf einen Artikel der Zeitschrift “Bugün” war, in dem das Blatt über angebliche Waffenlieferungen der Türkei an die Terrormiliz “Islamischer Staat” berichtet hatte, ist noch nicht klar.

3. NZZ a.S. schürt falsche Hoffnung und falsche Angst
(infosperber.ch, Urs P. Gasche)
Die “NZZ am Sonntag” verbreitete auf ihrer vergangenen Titelseite eine gute Nachricht: Fortschritte in der Medizin ließen Krebspatienten so viele Jahre länger leben, dass die Zahl der Menschen mit einer Krebsdiagnose in kurzer Zeit um die Hälfte gestiegen sei. Für Urs P. Gasche ist das Quatsch: “Das wäre eine gute Nachricht. Es trifft aber eher die schlechte Nachricht zu, dass die Früherkennung vor allem von Prostata- und Brustkrebs enorm viele Frauen und Männer ‘krebskrank’ macht, die früher — ohne Früherkennung — ihr Leben lang nie etwas von diesen Tumoren gespürt hätten.” Daneben sollen laut Gasche demografsiche Aspekte eine Rolle spielen und nicht, wie von der “NZZ am Sonntag” behauptet, medizinische Fortschritte.

4. Beleidigungen, Hetze, Verschwörungstheorien: Warum News-Seiten ihre Kommentarfunktion abschaffen sollten
(t3n.de, Martin Weigert)
Martin Weigert, lange Zeit eigentlich ein Verteidiger der Kommentarsektionen, plädiert nun dafür, diese (zumindest bei reichweitenstarken Leitmedien) abzuschaffen: „Mir erschließt es sich nicht, wer aus den vielen hässlichen Kommentardebatten einen Nutzen ziehen soll. Ich kenne niemanden, der aus purem Bedürfnis nach ergänzenden Informationen die Kommentare unter Artikeln zu Feminismus, Flüchtlingskrise, Nahost- oder Russland-Ukraine-Konflikt liest.“ Ein Problem sei außerdem, „dass Hater sich mit ihren Online-Kommentaren gegenseitig in dem Irrtum bestätigen, eine mehrheitsfähige Meinung zu besitzen. Das erhöht ihr Selbstbewusstsein, sorgt für Gruppendynamik und verschärft den Tonfall.”

5. Liniengrüße aus Moskau
(sueddeutsche.de, Julian Hans)
Derzeit erreichen deutsche Radioredaktionen Mails mit einem interessanten Angebot, schreibt Julian Hans: “Sender in der ganzen Bundesrepublik erhielten in den vergangenen Wochen eine E-Mail, deren Absender sich als Nikolaj Kutscherow von der Agentur Sputniknews vorstellt. […] Dazu folgt ein Angebot: ‘Wir sind daran interessiert, bei Ihnen eine Sendezeit von 1-2 Stunden pro Tag bzw. einige Nachrichtenblöcke von jeweils 20 Minuten zur Ausstrahlung unserer Inhalte auf Deutsch in Ihrem Radiosender zu erwerben’.” Sputniknews gehöre, genauso wie RT (früher “Russia Today”), zur Medienholding “Rossija Segodnja”. Die suche nun offenbar neue Wege, ihre “‘alternativen Nachrichteninhalte zum Weltgeschehen'” zu verbreiten.

6. TV station takes ‘Curious George’ off the air and kids just won’t stop crying
(mashable.com, Ariel Bogle, englisch)
In Australien hat ABC die Kindersendung „Curious George“ (deutsch: „Coco, der neugierige Affe“) aus dem Programm genommen – und erntet nun viele Protestkommentare empörter Eltern und verheulter Kinder.

Brandstifter im Löscheinsatz

Also gut, reden wir noch einmal über die Flüchtlings-Berichterstattung der „Bild“-Zeitung.

Tatsächlich beziehen die „Bild“-Medien seit einigen Tagen ganz klar Position – für Flüchtlinge und gegen Hetze.

So nennt „Bild“ die rassistischen Übergriffe und Hass-Parolen betont „eine Schande für unser Land“; bezeichnet die rechten Idioten unverblümt als „rechte Idioten“; verdeutlicht immer wieder, wie schlecht es vielen Flüchtlingen ergangen ist und immer noch ergeht; zeigt Möglichkeiten auf, wie man persönlich helfen kann; begleitete Flüchtlinge über mehrere Tage auf ihrem harten Weg nach Deutschland.

In der Titelgeschichte von gestern „entlarvt“ die Zeitung „die sieben größten Lügen über Asylbewerber“, zum Beispiel: „Flüchtlinge sind besonders häufig kriminell“ oder „Flüchtlinge kriegen mehr Geld als Hartz-IVler“.

… und zeigt nebenbei, dass sie durchaus in der Lage ist, ihre reißerischen Boulevardmethoden auch für gute Zwecke einzusetzen. Angekündigt wird die Geschichte nämlich so:

Das ist ziemlich clever, denn die düstere Aufmachung lockt wohl am ehesten diejenigen, die sich dahinter eine Bestätigung ihrer Vorurteile erhoffen – aber dann genau das Gegenteil vorfinden.

Gegen all das können und wollen wir auch überhaupt nichts sagen. Nur muss man bedenken, dass die Berichterstattung bis vor Kurzem noch völlig anders aussah. Und dass die „Bild“-Zeitung genau die Vorurteile, die sie heute „entlarvt“, in den vergangenen Jahren immer und immer wieder mit voller Absicht befeuert hat.

Als „Bild“ das letzte Mal „Die Wahrheit“ versprach …

… hatte das Blatt Statistiken verzerrt, Zitate falsch wiedergegeben und wichtige Fakten verschwiegen, um rumänische und bulgarische Armutsflüchtlinge krimineller wirken zu lassen, als sie in Wahrheit waren.

Ohnehin das Thema Ausländer und Kriminalität:

Oder das Thema Ausländer und Hartz IV:

Auch hier hatte „Bild“ entlastende Fakten einfach unter den Tisch fallen lassen, um sich diese „bittere Wahrheit“ zu konstruieren.

Das Blatt führte seine Leser in die Irre, nahm Hetzer in Schutz, ließ Hetzer gewähren, verdrehte die Wahrheit, dachte sich allerlei schlimme Theorien und Szenarien aus und bereitete damit die Kerbe, in die der Rassistenmob heute so wütend reinhackt.

Nochmal: Man kann die „Bild“-Zeitung natürlich dafür loben, dass sie jetzt mithilft, die rechten Geister zu bekämpfen. Man sollte aber immer im Hinterkopf behalten, dass sie jahrelang dabei mitgeholfen hat, sie zu rufen.

Fußball ohne Journalisten, Netzhass, Pressemitteilungen

1. Wie aus Netzhass Gewalt wird und was dagegen hilft
(spiegel.de, Sascha Lobo)
Die rassistische Hetze im Netz lässt viele ratlos zurück; sie reagieren mit Wut und Unverständnis, wissen aber nicht, was sie dagegen tun sollen. Sascha Lobo macht in seiner Kolumne einen Vorschlag. Er verweist auf die Forschungsergebnisse der Wissenschaftlerin Susan Benesch. So sprach sich der Amsterdamer Bürgermeister nach dem islamistischen Mord an Theo van Gogh öffentlich gegen anti-muslimische Racheakte aus. Das Ergebnis: “In den Tagen nach dem Mord geschahen im ganzen Land Racheakte gegen Muslime – außer in Amsterdam.” Lobos Fazit: “Hassrede im Netz kann zu Gewalt führen – aber mit nicht hasserfüllter Gegenrede kann die Gesellschaft das verhindern helfen.”

2. Bauer Verlag: Mit Leid und Gier auf Klickjagd im Social Web
(medienrauschen.de)
Die “TV Movie” ist nicht das einzige Medium aus dem Hause Bauer, das bei Facebook auf hemmungsloses Clickbaiting setzt. Auch die “Bravo” und die “Auto Zeitung” (und die “Intouch”) wollen die Leser mit geschmacklosen Rätseln auf ihre Seiten locken — mit Erfolg, wie Medienrauschen schreibt: “Schaut man auf die Klick-Zahlen der Links, gibt die Strategie des Bauer-Verlages den Machern zumindest im Teil Recht.”

3. Geldentschädigung – (k)eine ernste Gefahr für Journalisten?
(fachjournalist.de, Frank C. Biethahn)
Die Androhung hoher Entschädigungsforderungen wird immer wieder benutzt, um Medien von ihrer Berichterstattung abzubringen. Gerade freie Journalisten, die keine Redaktion (und Hausjuristen) im Rücken haben, könnte sowas schnell einschüchtern. Frank C. Biethahn erklärt, was der Unterschied zwischen Schadensersatz und Geldentschädigung ist – und warum der zweite Fall nur äußerst selten zum Thema für Journalisten werden kann.

4. Fußballclubs brauchen keine Journalisten mehr
(zeit.de, Fabian Scheler)
Glasgow, Southampton, Sunderland, Blackpool, Port Vale, Rotherham, Newcastle, Nottingham Forest und Swindon Town – in den Stadien der Fußballvereine aus diesen Städten sind Journalisten nicht mehr willkommen: Die Clubs haben die Pressevertreter ausgeschlossen. Damit steht Großbritannien an der Spitze einer Entwicklung, die auch in Deutschland zu beobachten ist: Sportjournalisten werden hofiert, solange sie wohlwollend berichten; sobald Medien ihren eigentlich Job machen und nicht bloß Jubelmeldungen wiederkäuen, stoßen sie auf Widerstand.

5. Wie wichtig ist die Pressemitteilung heute noch? (Teil II)
(sacharklein.de, Sachar Klein)
Sachar Klein hat Redakteure verschiedener Medien gefragt, wie wichtig Pressemitteilungen heute noch für sie sind. Im ersten Teil hatten PR-Leute geantwortet.

6. Neues vom Bilderklärungs-Beauftragten
(noemix.twoday.net)

Pegida-Lügen, Journalisten als Aktivisten, Ai Weiwei

1. Warum macht ihr nicht den Mund auf?
(jetzt.sueddeutsche.de, Friedemann Karig)
Im Jahr 2015 gab es bereits mehr als 150 Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, andere Quellen sprechen von 200. Das ist “unfassbar schlimm. Es ist eine Schande. Es darf nicht sein”, schreibt Friedemann Karig in einem Brandbrief, der mit drei wütenden Fragen endet: “Was ist mit Dir, lieber Politiker? Was machst Du so im Sommer 2015? Worauf verfickt noch mal wartest Du?” Auch die Kolumnisten von “Spiegel Online” haben sich am Wochenende damit beschäftigt, wie Medien über Flüchtlinge berichten: Sibylle Berg wirft Journalisten unnötige Panikmache vor, während Georg Diez dazu auffordert, sich endlich von der “gläserne[n] Wand der Objektivität” zu verabschieden und zu Aktivisten zu werden: “Um auf die neue Gegenwart zu reagieren, braucht es auch einen anderen Journalismus, analytischer, individualistischer, klarer, härter, aktivistischer, mutiger, offener, verständlicher, entschlossener, leidenschaftlicher.”

2. Mit Lügen gegen die “Lügenpresse”: Pegida fälscht “Spiegel Online”-Überschrift
(stefan-niggemeier.de, Stefan Niggemeier)
“Asylbetrüger besteigen Eurocity aus Mazedonien Richtung Germany” – so lautete ein “Spiegel Online”-Artikel, den “Pegida” gestern bei Facebook geteilt hat. Diese Überschrift kam aber nicht von “Spiegel Online”, sondern von “Pegida”, wie Stefan Niggemeier schreibt: “Die Pegida-Leute aber sind nicht nur Lügner, sondern auch Stümper. Denn die falsche Überschrift, die sie ‘Spiegel Online’ untergeschoben haben, kann schon formal gar keine ‘Spiegel Online’-Überschrift sein. ‘Spiegel Online’-Artikel-Überschriften enthalten immer einen Doppelpunkt.” Siehe dazu auch: “Wie Rechtsaußen-Desinformanten gegen Flüchtlinge hetzen” (netz-gegen-nazis.de).

3. Wie Putin in Russland den Journalismus abschafft
(welt.de, Oliver Bilger)
Oliver Bilger schreibt über die Situation der Presse in Russland: Seit Maidan und der Krim-Krise habe Putin “die Daumenschrauben noch einmal schmerzhaft angezogen. Strengere Gesetze erschweren die Arbeit der Journalisten, Propaganda und gezielte Desinformation flutet das ganze Land”, was vor allem die kritischen Journalisten der “Nowaja Gaseta” zu spüren bekommen.

4. Die posthume mediale Vergewaltigung der Gabriele Z.
(rheinneckarblog.de, Hardy Prothmann)
Vergangene Woche druckte der “Mannheimer Morgen” das Foto einer Studentin, die 2013 in Mannheim vergewaltigt und ermordet wurde. Das Foto ist Teil des “MM-Sommerrätsels”: Wer unter anderem das Herkunftsland der ermordeten Frau kennt, kann einen von “drei attraktiven Hauptgewinnen” gewinnen. Für Hardy Prothmann sind die verantwortlichen Redakteure “journalistische Schwerverbrecher”: “Das Andenken an die junge Frau wird auf ordinärste Art und Weise geschändet, indem man sie zum Teil eines ‘Rätselspaßes’ macht.”

5. Die fehlenden Worte des Ai Weiwei
(tagesspiegel.de, Christiane Peitz)
Der chinesische Künstler Ai Weiwei wirft der “Zeit” vor, ein Interview mit ihm sinnentstellend gekürzt zu haben. Die Autorinnen verwehren sich gegen die Anschuldigungen und veröffentlichen ihrerseits die chinesische, englische und deutsche Version des Gesprächs.

6. Flucht
(zoebeck.wordpress.com, Zoë Beck)
Ein Freund von Zoë Beck hat einen Text über die Situation in Syrien geschrieben, den man als Antwort verwenden könne, “wenn sich, wie gerade immer wieder geschieht, auf Facebook Menschen melden, die der Meinung sind, dass Flüchtlinge noch viel zu gut in unserem Land behandelt werden” und “dass die doch alle nur herkommen, um was vom Kuchen abzubekommen”.

Chemtrail-Wahnsinn, Fußballtrainer, Pressefreiheit in Tschechien

1. Die Medien als Megafon der Rechten
(tagesanzeiger.ch, Jean-Martin Büttner)
Die Schweizerische Volkspartei (SVP) dominiert die Medien seit Jahren; ganz gleich, was die rechte Partei fordert, es taucht in den Schweizer Zeitungen auf. Dass die Partei in die Öffentlichkeit will, ist klar. Doch beunruhigend sei ihr Erfolg dabei, schreibt Jean-Martin Büttner. “Pauschalbehauptungen gegen Flüchtlinge werden verbreitet, das Dementi liest keiner.” Büttner listet sechs Gründe dafür auf, darunter die Beschleunigung der Berichterstattung und der Zwang, auch extreme Positionen zu verbreiten, “um nicht am Volk vorbeizumeinen”. Siehe dazu auch den Blogeintrag des Tagesanzeigers, in dem Patrice Siegrist nachgezählt hat, wie oft Politiker in den Medien aufgetaucht sind. Ganz vorne liegt – Überraschung – der Vertreter der SVP.

2. Der ganz eigene Wahnsinn
(zeit.de, Marc Brost, Daniel Erk und Tina Hildebrandt)
Eine kleine Reise in die Welt der Verschwörungstheorien. Die “Zeit”-Autoren haben dafür unter anderem mit Wissenschaftlern, Chemtrail-Gläubigen und dem Chef des Kopp-Verlags gesprochen. “Die Verschwörungstheorie ist einfacher und somit stimmiger als die Wirklichkeit. Anders gesagt: Mit dem Vertrauen ist es wie mit dem Geld. Es ist nicht weg, es ist nur anderswo. Für die Demokratie ist das ziemlich katastrophal.”

3. Die Imagemacher
(tagesspiegel.de, Dominik Bardow)
Fußballtrainer “bekommen nach Abpfiff mittlerweile mehr Mikrofone unter die Nase gehalten als die Spieler” und seien zu den medialen Aushängeschildern ihrer Vereine geworden. Eine Agentur hat nun untersucht, wie oft, wie positiv und wie negativ in den vergangenen beiden Spielzeiten und während dieser Sommerpause über Vereine und ihre Trainer berichtet wurde. Das Ergebnis: “Nur Trainer wie Jürgen Klopp und Pep Guardiola haben verstanden, dass sie auch über die Sportseiten hinaus kommunizieren müssen.” Obwohl beispielsweise Markus Weinzierl bei Augsburg “herausragende Arbeit” geleistet habe, sei er auf lediglich zehn Berichte auf Titelseiten und in Nachrichtensendungen gekommen. Wer Aufmerksamkeit über die Sportseiten hinaus anstrebe, der brauche “Charakterköpfe wie Guardiola oder Klopp”.

4. Die Sonne der eigenen Anständigkeit
(fraumeike.de, Meike)
Meike Lobo schämt sich: für die Nazihetze im Netz, für eine Politik, die verzweifelte Menschen allenfalls duldet, aber niemals willkommen heißt – vor allem aber schämt sie sich “für alle, die immer noch glauben, das alles habe nichts mit ihnen zu tun”. Es sei nicht genug, sich innerlich von der Hetze zu distanzieren und “nichts zu sagen, weil das alles Idioten sind.” Das sei eine “gefährliche Beschönigung dafür, zum Hass und der Verfolgung von Menschen zu schweigen und sie damit zu dulden”. Sie fordert ihre Leser auf, sich nicht “in der eigenen Anständigkeit zu sonnen”, sondern laut zu sein: “Bloggt, twittert, facebookt, kommentiert Eure Haltung gegen den Menschenhass.”

5. Der Niedergang der Pressefreiheit in Tschechien
(edito.ch, Janosch Tröhler)
Janosch Tröhler schreibt über die prekäre Pressesituation in unserem Nachbarland: “Obwohl Tschechien im Ranking von Reporter ohne Grenzen mit Platz 13 weitaus höher rangiert als etwa die Schweiz oder die USA, sah sich das Land in den vergangenen Jahren mit einer zweifelhaften Entwicklung konfrontiert: Die Medien werden von einer massiven Konzentration der Eigentümer erschüttert. Die Verleger in Tschechien und anderen Teilen des ehemaligen Ostblocks in einem alarmierenden Ausmass mit der Politik vernetzt.” Heute seien “die fünf grössten Zeitungen in den Händen von Oligarchen und gefährden die Pressefreiheit durch Selbstzensur der Journalisten. Die junge Demokratie der tschechischen Republik befindet sich am Scheideweg.”

6. ….!!!! …! !!! …! !???!, ….!, …!!!! () ()…. …!! ..!!!! !!!!: !!! !!!!, …!!!!! …. : : …..!!!!
(twitter.com, presseschauer)

Terroristen-Propaganda, Jon Stewart, Hass im Netz

1. “Bild” erliegt der “dunklen Faszination” der IS-Bilder
(stefan-niggemeier.de, Stefan Niggemeier)
Immer wieder verbreiten die “Bild”-Medien die grausamen Propagandabilder des “Islamischen Staats”, sie zelebrieren “jede neue Gräueltat, jedes besonders abscheuliche Video, nicht nur in großen Buchstaben, sondern auch in großen Bildern und ausführlichen Videosequenzen” — und wer das kritisiert (so wie wir gestern), wird von den “Bild”-Verantwortlichen als “gestört” oder Terroristenfreund bezeichnet. Stefan Niggemeier über die Macht der Bilder, das Dilemma der Redaktionen und die Selbstblindheit der “Bild”-Chefs.

2. Wie die Krone für den Islamischen Staat wirbt
(nzz.at, Christoph Zotter)
Auch die Online-Ausgabe der österreichischen “Kronen Zeitung” verbreitet IS-Propagandamaterial, neulich etwa ein Video, in dem ein Mann per Kopfschuss hingerichtet wird. “Für die Dschihadisten kann es nicht besser laufen”, schreibt Christoph Zotter. “So hilft eines der größten Medienhäuser Österreichs für ein paar Klicks der Gruppe Islamischer Staat, ihre Propaganda ins Land zu tragen.” Siehe dazu auch: Zur Manipulation der Angst – Ein Plädoyer für Statistik und gegen Bilder (nachdenkseiten.de).

3. Ist Publikums-Bashing hilfreich?
(deutschlandradiokultur.de, Stephan Karkowsky)
Am Mittwoch wünschte sich Anja Reschke in den “Tagesthemen” einen “Aufstand der Anständigen” gegen rassistische Hetze im Netz — und sprach damit vielen Menschen aus dem Herzen. “Mehr als 12 Millionen Menschen bekommen das Thema mit, etwa vier Millionen mal wird das Video des Kommentars geklickt”, schreibt Kai Gniffke im Tagesschau-Blog. Doch ist es gerechtfertigt, den Zuschauern Untätigkeit vorzuwerfen und sie dazu aufzufordern, Hetzer an den Pranger zu stellen? Stephan Karkowsky hat darüber mit der Publizistin Mely Kiyak gesprochen, die bei der antirassistischen Leseshow “Hate Poetry” vor Publikum die Hassmails vorträgt, die sie geschickt bekommt. Siehe dazu auch: Die Reaktionen auf den Flüchtlings-Kommentar der ARD nach Dummheit sortiert (vice.com).

4. Facebook, das Netzwerk mit dem Herz für Hass
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Thomas Lückerath meldet seit einiger Zeit hasserfüllte und fremdenfeindiche Aussagen bei Facebook ans dort zuständige Community-Management. “Das schockierende Ergebnis: Bis heute war jedes von mir gemeldete Posting, soweit ich das noch überblicken kann, mit den Gemeinschaftsstandards von Facebook vereinbar.” Ihn mache es wütend, dass das größte soziale Netzwerk “gänzlich verantwortungslos” agiere und nicht einmal dann handele, wenn er die Mitarbeiter auf problematische Beiträge aufmerksam macht. Dass Facebook “wissentlich die Vergiftung des öffentlichen Raums mit Hassbotschaften” toleriere, könnte laut Lückerath bald als Boomerang zurückkommen.

5. Jon Stewart’s Final Episode
(thedailyshow.cc.com, Video, 49:10 Min.)
Jon Stewart hat in der Nacht seine letzte Ausgabe der Daily Show moderiert — und Medien und Kollegen sagen Danke. Nils Minkmar schreibt in seiner Ankündigung auf “Spiegel Online”: “Stewart wird mit Ehrfurcht verabschiedet, ein Held der populären Kultur, wie es früher die großen Sportler waren, oder die Raumfahrer — und ohne jede Häme. (…) Das Lob ist nicht übertrieben.” Die “New York Times” hat ihre Leser gefragt, was ihre Lieblingsmomente von Jon Stewart waren: Der Monolog in der ersten Sendung nach dem 11. September wurde dabei am häufigsten genannt. Jahrelang war Stewart das komödiantische Gewissen Amerikans. Schon im Februar hatte Matthias Kolb, USA-Korrespondent der “Süddeutschen Zeitung”, in einem lesenswerten Stück geschrieben, wie ihm Stewart Amerika erklärte. In seiner letzten Sendung wurde Stewart nun von Stephen Colbert verabschiedet — er selbst sagte ganz leise auf Wiedersehen: “I’m just gonna say, I’m going to get a drink. And I’m sure I’ll see you guys before I leave.”

6. Jetzt lernen Sie meine Oma kennen – und meine Meinung
(kurzhaarschnitt.wordpress.com, Kurt Saar-Schnitt)
In der Debatte über den Umgang mit Flüchtlingen erinnert sich “Kurt Saar-Schnitt” an seine Oma, die 1945 aus ihrem Heimatort in Pommern vertrieben wurde und ohne Hab und Gut in Schleswig-Holstein landete. Er erzählt ihre Geschichte und schließt mit einer Bitte: “Falls Sie nicht in der Lage dazu sind, zu spenden, so teilen Sie einfach anderen mit, warum Sie für die Aufnahme von Menschen ohne Heimat und Besitz sind, auch das kann eine Hilfe sein. Schweigen Sie nicht. Und bitte werden Sie kein ‘besorgter Bürger’, bitte zünden Sie keine Unterkünfte für Hilfsbedürftige an.”

“Asylkritiker”, Ferrari-Werbung, mit 10 Franken durch die Schweiz

1. “Asylkritiker” oder “Rassist”? Die Suche nach den richtigen Worten
(sz-online.de, Julia Kilian)
Wenn man über die deutsche Flüchtlingsproblematik … Nein, da fängt es schon an: Wenn man über die deutsche Debatte über den Umgang mit Geflüchteten schreibt, ist es wichtig, seine Worte mit Bedacht zu wählen. Zuerst warnte David Hugendick vor dem Euphemismus “Asylkritiker”, daraufhin reagierte die dpa und kündigte an, künftig auf solche verharmlosenden Begriffe zu verzichten. Das veranlasste Julia Kilian, Sprachwissenschaftler zu Ausdrücken wie “Asylgegner”, “Asylanten” oder “Wirtschaftsflüchtlinge” zu befragen. Noch einen Schritt weiter geht Sascha Lobo, der fordert: “Nennt sie endlich Terroristen!”

2. Attacken gegen Flüchtlinge: Terror in Deutschland
(spiegel.de, Maximilian Popp)
Mehr als 200 Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte im ersten Halbjahr 2015 — und Politiker und Journalisten haben eine Mitverantwortung, meint Maximilian Popp. Er wirft etwa dem “Focus” vor, populistisch Stimmung gegen “falsche Flüchtlinge” zu machen, nimmt seinen Arbeitgeber aber nicht aus: “DER SPIEGEL hat in den Neunzigerjahren den Populismus, den er heute zu Recht beklagt, mit Titeln wie ‘Zu viele Ausländer?’ selbst befeuert.” Auch Kai Budler übt im Störungsmelder-Blog Medienkritik: “Und auch die Medien haben in den vergangenen 20 Jahren offenbar nichts gelernt, denn wieder einmal hantieren sie mit Angstmetaphern wie dem ‘Das Boot ist voll’-Bild.” Und Tagesschau-Chefredakteur Kai Gniffke appelliert, den Ressentiments Fakten entgegenzusetzen und Menschen zu portraitieren, die sich für Flüchtlinge engagieren.

3. Talkshow-Kritik: Völlige Einseitigkeit und ein nationaler Wir-Diskurs
(heise.de, Marcus Klöckner)
Die Medienwissenschaftler Matthias Thiele und Rainer Vowe haben die zahlreichen Griechenland-Runden der politischen Talkshows im deutschen Fernsehen untersucht. Die Sendungen seien “vor allem von Polemiken, Ressentiments und einer arroganten Haltung gegenüber der neuen griechischen Regierung und den Griechen dominiert” gewesen, erzählt Thiele im Interview. Fast durchgehend sei “mit der symbolischen Frontstellung von ‘Wir’ versus ‘die Anderen'” operiert worden.

4. Wofür das “F” in “FAZ” steht
(stefan-niggemeier.de, Boris Rosenkranz)
Auf der Internetseite der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” erschien in dieser Woche ein Video, in dem ein “FAZ”-Redakteur den Formel-1-Piloten Sebastian Vettel interviewt. Dabei sitzen die beiden in einem Ferrari, machen eine Spritztour mit dem Ferrari, tragen Mützen von Ferrari, sprechen über Ferrari, und produziert wurde das Ganze — von Ferrari. Nach der Kritik von Boris Rosenkranz nahm faz.net den Werbeclip offline.

5. Chronistenpflicht, Chronistenkür
(wortvogel.de, Torsten Dewi)
Eigentlich wollte Torsten Dewi die alte, dicke “Chronik des 20. Jahrhunderts” in einer Bücherkiste vor dem eigenen Haus verschenken, machte sie dann aber doch zu seiner “Frühstücks/Badezimmer/Bett-Lektüre”:

Und tatsächlich: Das Buch hat auch im Zeitalter von Wikipedia und YouTube seine Existenzberechtigung. Weil es strikt chronologisch vorgeht, Entwicklungen nachvollziehbar macht, Kontext liefert. Information nicht punktuell und im luftleeren Raum, sondern als Bestandteil eines riesigen Puzzles aus Kultur, Politik, Natur und Wissenschaft.

Beim Blättern stößt Dewi beispielsweise auf eine ihm bisher unbekannte und völlig desaströse ARD-Fernsehshow zum Geburtstag des Automobils, die der damalige Daimler-Benz-Chef höchstpersönlich abbrechen ließ.

6. Die Grand Tour of Switzerland mit 10 Franken in 10 Tagen
(herrfischer.net, Tin Fischer)
Tin Fischer wurde zu einer Pressereise durch die Schweiz eingeladen, mit luxuriöser Unterkunft, einem eigenen Auto und “geballter Spitzenkulinarik”. Stattdessen erkundet der Journalist nun alleine die Strecke der Reise. Mit nur 10 Franken und der Hoffnung, auf hilfsbereite Menschen zu treffen.

Und noch ein anderes Journalisten-Projekt aus der Schweiz: Unser lieber Kollege und Ex-6-vor-9-Kurator Ronnie Grob will ebenfalls auf Tour gehen und für das Projekt “Nach Bern!” sechs Wochen lang den Schweizer Wahlkampf beobachten. Dafür sucht er noch finanzielle Unterstützung.

Unpolitische Politikmagazine, Brustwarzen, Perlen aus Freital

1. „Politikmagazine immer unpolitischer?“
(daserste.ndr.de, Anja Reschke, Volker Steinhoff & Andrej Reisin)
„Panorama“ widerspricht den Anschuldigungen einer neuen Studie der „Otto Brenner Stiftung“, Politikmagazine im TV würden immer unpolitischer, und weist neben der ungenauen Kategorisierung durch Studien-Autor Bernd Gäbler auf den kurzen Betrachtungszeitraum von fünfeinhalb Wochen hin.

So ordnet Gäbler etwa Panorama-Beiträge über die „Share Economy“ der Kategorie „Digitalisierung“ zu und nicht etwa „Wirtschaft“. Ein Beitrag über Vorsorgevollmachten, bei dem es darum ging, dass das Gesetz Menschen nicht schützt, wenn jemand an ihr Hab und Gut will, landet in der Kategorie „Gesundheit“. Da die Magazine logischerweise thematische Abwechslung suchen und brauchen, wäre ein Jahr Beobachtung aus unserer Sicht unerlässlich gewesen.

2. „Tengelmann, Edeka und die Medien: der Kampf der Mitarbeiter um die Deutungshoheit“
(welt.de, Christian Meier)
Welt-Redakteur Christian Meier zeigt am Beispiel des offenen Briefes zum Kaiser’s-Tengelmann-Verkauf, wie schnell es passieren kann, dass in der Berichterstattung von einer kleinen Gruppe auf eine unbestimmte Zahl bis hin zu 16.000 Mitarbeiter geschlossen wird.

3. „Brustwarze ist nicht gleich Brustwarze”
(sueddeutsche.de, Simon Hurtz)
„Aus der Nähe betrachtet sehen sich männliche und weibliche Brustwarzen sehr ähnlich. Für Facebook ist das noch lange kein Grund, sie gleich zu behandeln.“ Die No-Nippel-Policy verbannt Fotos von weiblichen, nicht aber von männlichen Brüsten auf den Plattformen Facebook und Instagram. Die kanadische Künstlerin Micol Hebron wehrte sich und postete eine satirische Bastelanleitung, um Oben-ohne-Fotos akzeptabel zu gestalten. Diese findet im Netz nun Anwendung.

4. „When journalists take a vacation, do they actually take a break?“
(poynter.org, Melody Kramer, englisch)
Was heißt Urlaub für Journalisten, die nonstop auf zahlreichen Kanälen vertreten, per E-Mail und Handy erreichbar sind? Melody Kramer hat bei Kollegen nachgefragt. Bei Twitter kursiert zu dem Thema das Hashtag #journovacation.

5. „Ich könnte schreien”
(horizont.net, Volker Schütz)
Richard Gutjahr spricht im Interview über die späte Einsicht seiner Kollegen, die ihn lange für seine Social-Media-Aktivitäten belächelten und heute für künstliche Reichweite bezahlen: „Meine Artikel, meine Kommentare, meine Filme sind nur Teaser für das eigentliche Produkt. Und das Produkt, das wird mir jetzt immer mehr bewusst, bin ich.“

6. „Perlen aus Freital“
(perlen-aus-freital.tumblr.com)
Worst of Hetze in der sächsischen Stadt Freital – ein Tumblr sammelt Posts von Menschen, die „sich gegen die vermeintliche Bedrohung durch Flüchtlinge“ wehren.

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