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Sex-Mob aus der Enten-Fabrik, Trump-Checker, Bulgarien 1946

1. Sexmob in “Bild”: Die Entstehung einer Ente
(ndr.de, Caronline Schmidt & Aimen Abdulaziz-Said, Video, 6:04 Minuten)
“Sex-Mob tobte in der Freßgass'”, schlagzeilte die Frankfurter “Bild”-Ausgabe. In der Silvesternacht sollte es angeblich zu Übergriffen und Diebstählen durch Nordafrikaner und Flüchtlinge gekommen sein, schrieb man 37 Tage später. Andere Journalisten bezweifelten die Horrorstory. Die Polizei sprach nach Ermittlungen von “haltlosen Vorwürfen”, so dass “Bild”-Chef Julian Reichelt nichts anderes übrig blieb, als sich zu entschuldigen. “Zapp” ist der Sache nachgegangen und hat recherchiert, wie es zu dieser Ente kommen konnte. Und jetzt kommen ein umtriebiger US-Amerikaner und Trump-Unterstützer, ein dubioser Szene-Gastronom, eine falsche Kronzeugin und ein AfD-Politiker ins Spiel …

2. Flüchtlinge im Deutschen Paradies
(taz.de, Ewa Wanat)
Die “taz” beschäftigt sich mit einem Beitrag einer polnischen Zeitung, der ein wahres Katastrophenbild von der deutschen Flüchtlingspolitik zeichnet. In einem Aufsehen erregenden Interview mit der Warschauer Tageszeitung “Gazeta Prawna” hätte eine Polin Erschütterndes berichtet: “Ich kehrte Deutschland den Rücken, weil in meinem Dorf Flüchtlinge alles verdreckten, weil sie stahlen und die Touristen verschreckten. Deutsche hingegen zündeten ihre Asylbewerberheime an”. Die Journalistin Ewa Wanat ist dem nachgegangen. Am Ende ihrer Recherche bleibt nicht viel mehr, als dass eine Polin Deutschland verlassen hat.

3. 100 days of Trump claims
(washingtonpost.com)
Die Factchecker der “Washington Post” ziehen eine Zwischenbilanz: In den letzten 35 Tagen hat man 133 falsche oder irreführende Behauptungen gezählt. In einer übersichtlichen Liste zeigt man die Trump-Aussagen nebst Factchecking-Überprüfung und Pinocchio-Rating.

4. Abschreckung per Fernsehserie
(taz.de, Katrin Gänsler)
In Nigeria herrscht eine große Filmbegeisterung. Die Filme haben meist unterhaltenden, aber oft auch erzieherischen Charakter. Dies will sich jetzt die Schweiz zu Nutze machen und produziert eine TV-Serie für Nigeria. Ziel der 13-teilige Reihe: Migranten und Flüchtlinge sollen von der Reise nach Europa abgehalten werden…

5. Interessen schlagen Fakten
(faz.net, Renate Köcher)
Renate Köcher ist Geschäftsführerin des “Instituts für Demoskopie Allensbach” und hat im Auftrag der “FAZ” eine Umfrage zu Trump und den Umgang mit Fakten durchgeführt. Ein Ergebnis: “Auch wenn die überwältigende Mehrheit der Deutschen diesen Präsidenten kritisch sieht, imponiert immerhin jedem Dritten sein radikaler Kollisionskurs. Besonders AfD-Anhänger finden es faszinierend, wie Trump sich durchsetzt. In den Vereinigten Staaten spricht wenig dafür, dass sein Rückhalt bröckelt. Die letzten veröffentlichten Umfragen zeigen Zustimmungsraten zwischen 41 und 45 Prozent der amerikanischen Bevölkerung – dies sind weitaus mehr, als ihn gewählt haben.”

6. Copyright-Streit: Bulgarischer Radiosender spielt nur Musik von vor 1946
(heise.de, Martin Holland)
Nach einer deftigen Preiserhöhung stand das öffentlich-rechtliche Radio Bulgariens vor der Wahl, den vierfachen Preis zu zahlen oder nur noch Musik von vor 1946 abzuspielen. Man entschied sich für Letzteres und fährt überraschenderweise gut damit: Obwohl viele einen Einbruch befürchtet hatten, seien die Zuhörerzahlen im Januar um 20 Prozent gestiegen.

Bild  

Aus Fanboy wurde Ernst. Ernst ist jetzt Ombudsmann.

Als es Ende Oktober 2010 mal wieder eng wurde für “Bild”, war Ernst Elitz direkt zur Stelle. Damals verurteilte das Amtsgericht München einen früheren Redakteur des Blatts zur Zahlung von 14.400 Euro an den Schauspieler Ottfried Fischer. Der Mann, zu der Zeit noch “Bild”-Mitarbeiter, hatte ein illegal aufgenommenes Video gekauft, das Fischer beim Sex zeigen sollte. Er meldete sich bei Fischers PR-Agentin, erwähnte das Sextape und bekam ein Exklusiv-Interview mit dem Schauspieler. Fischer wehrte sich später, sprach von Nötigung. Und das Münchner Amtsgericht gab ihm Recht. Es sah in der Erwähnung des Videos eine konkludente Drohung des “Bild”-Mitarbeiters; eine explizite Drohung, dass man die Aufnahmen anderenfalls veröffentliche könne, sei nicht nötig gewesen.

Zwei Tage später äußerte sich Ernst Elitz zu dem Urteil. Der einstige “Deutschlandradio”-Intendant kommentierte damals schon seit einiger Zeit alles Mögliche in “Bild”. Für das Urteil aus München hatte er überhaupt kein Verständnis:

Elitz schrieb:

Darf ein Journalist mit keinem mehr sprechen, über den er mehr weiß, als dem Angesprochenen lieb sein kann? Das ist bei jeder professionellen Recherche so. Das verletzt keine Grenze.

Und:

Auch mit diesem Urteil wurden Grenzen verletzt. Ein Journalist, der Betroffene mit Recherche-Ergebnissen konfrontiert, nötigt nicht. Er schafft klare Verhältnisse. Unabhängig davon, ob es um einen groß angelegten Betrugsfall oder um ein Sexvideo geht.

Der Ankauf von illegalen Aufnahmen aus dem höchstpersönlichen Bereich und das Unterdrucksetzen mit diesen Aufnahmen sei also “Profi-Recherche”, schrieb Ernst Elitz über die Methoden eines “Bild”-Mitarbeiters in “Bild”.

Zwei Jahre zuvor verteidigte Elitz schon einmal die Arbeitsweise des Boulevardblatts. Damals war er noch Intendant des “Deutschlandradios”, seine regelmäßigen “Bild”-Kommentare gab es noch nicht. Der Deutsche Presserat rügte im Dezember 2008 die “Bild”-Berichterstattung über einen Flugzeugabsturz in Nepal. Auf der Titelseite waren “verkohlte Leichen” zu sehen, im Innenteil unverfremdete Fotos von sechs der zwölf deutschen Opfer.

Ernst Elitz war zufällig Blattkritiker an dem Tag, als “Bild” über den Absturz berichtete. Damals nannte er die Aufmachung “eine akzeptable Lösung”. Als der Presserat dann die Rüge aussprach, äußerte er sich, zusammen mit Kai Diekmann, in einer Pressemitteilung des Axel-Springer-Verlags kritisch zu dieser Entscheidung und verteidigte “Bild”.

Und auch sonst gab sich Elitz stets Mühe, alles super zu finden, was die “Bild”-Zeitung so macht, und ihre Schweinereien als ganz normalen Journalismus zu bezeichnen: Die Griechenland-Hetze der Redaktion war für ihn “keine Griechenland-Hetze”, ein juristischer Sieg für “Bild” war gleich ein “Sieg für die Pressefreiheit”.

Dieser Mann, der sich gern mal an falsche oder einseitige Berichte dranhängt und wiederholt null Verständnis für Kritik an “Bild”-Methoden zeigte, ist neuerdings Ombudsmann bei der “Bild”-Zeitung. Das verkünden das Blatt …

und Bild.de

… heute stolz.

In seiner neuen Rolle soll Elitz die Schnittstelle zwischen Redaktion und Lesern sein, schreiben “Bild”-Chefredakteurin Tanit Koch und “Bild”-Oberchefredakteur Julian Reichelt:

Wir schaffen die Stelle des Ombudsmannes. Ernst Elitz ist ab sofort Ansprechpartner für Sie! (…)

Sie können ihn kontaktieren, wenn Sie Ihre politische Ansicht oder eine Debatte falsch oder verzerrt dargestellt finden. Aber auch, wenn Sie Zweifel an Fakten haben oder Fragen zu unserer Quellenlage. Er darf in Ihrem Auftrag bei uns in der Chefredaktion recherchieren, ob wir falsch gelegen haben. Wir werden keinen Einfluss auf sein Urteil nehmen und es veröffentlichen, wann immer er es von uns verlangt.

Ja, “wann immer er es von uns verlangt.” Aber dafür müsste erstmal ein Wille da sein, “Bild” kritisch zu betrachten. Zumindest bei der Nötigung von Ottfried Fischer und den “verkohlten Leichen” aus Nepal wären die Zuschriften aus Ernst Elitz’ Posteingang vermutlich direkt in den Papierkorb gewandert — war schließlich alles tiptop.

Dazu auch:

Mit Dank an Eva für den Hinweis!

Keine rauchenden Colts, Merkelselfie, Linken-Fake-News

1. Keine “Smoking Gun” aus Russland
(tagesschau.de, Georg Mascolo)
Die Kanzlerin persönlich hätte nach der Antwort auf die Frage verlangt, ob die russische Regierung versucht, die öffentliche Meinung in Deutschland zu manipulieren. Und so ermittelten BND und Verfassungsschutz fast ein Jahr bis sie nun einen Bericht vorlegten. Nach Informationen von “NDR”, “WDR” und “Süddeutscher Zeitung” hätten sich keine eindeutigen Beweise für eine russische Desinformationskampagne gefunden. Entwarnung gebe man jedoch nicht, so Georg Mascolo auf “tageschau.de”: “Das Kanzleramt ordnete an, die Sache weiter zu untersuchen. Denn aus der schwierigen Suche nach den Beweisen lassen sich zwei Schlüsse ziehen. Entweder gibt es den vermuteten Angriff durch Russland nicht. Oder die russischen Dienste sind schlau genug, sich nicht erwischen zu lassen. Die deutschen Agenten neigen eindeutig zur zweiten Version.”

2. “Ein mieses Thema”
(sueddeutsche.de, Marc Hairapetian)
Harald Lesch ist Professor für Astrophysik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Im ZDF moderiert er die Sendereihe “Leschs Kosmos” und bringt dort seit nun 100
Folgen Themen aus Medizin, Gesellschaft oder Ökologie an sein Publikum. Im Gespräch mit der “SZ” verrät er, wie man Wissen im Fernsehen vermittelt. Eine “Rampensau” müsse man sein: “Im Studio ist es gut, wenn der Typ, der da vorne steht, es gern macht und es auch den anderen Vergnügen bereitet, mit ihm zusammenzuarbeiten.”

3. Digital ist besser: Jetzt fangen auch noch die Linken mit den Fake News an
(wired.de, Johnny Haeusler)
“Wired”-Kolumnist Johnny Haeusler war es bislang nur gewohnt, dass sich vornehmlich Rechte an der Verbreitung von Fake News beteiligen. Nun seien aber auch liberaler Denkende dabei und würden damit Geld in die Taschen der Produzenten spülen, denn, so Haeusler: “Die meisten Fake News sind weder News noch Meinung, sondern Werbeformate.”

4. Das Merkel-Selfie und die Wundermaschine
(spiegel.de, Fabian Reinhold)
Der 19 Jahre alte Syrer Anas Modamani erlangte eine gewisse Berühmtheit mit einem Selfie von sich und Bundeskanzlerin Merkel, das er in den ersten Wochen als Flüchtling in Deutschland aufgenommen hatte. Das Bild mit der positiven Message ging um die Welt, wird auf Facebook jedoch auch immer wieder für Hetze und Verleumdungen missbraucht. Dagegen will er nun mit Hilfe seines Anwalts vorgehen und bei Facebook eine Löschung der verleumderischen Fotomontagen bewirken. Kein leichtes Unterfangen, denn die Gegenseite hat Top-Anwälte und die Richter sind nicht auf Facebook…

5. Freiraum statt Formate
(taz.de, Paul Wrusch)
Beim Münchener Ausbildungsradio “M94.5” haben über 2.500 junge Menschen ihr Handwerk gelernt, doch jetzt droht dem Sender der Entzug der UKW-Frequenz. Die “Bayerische Landesanstalt für neue Medien” (BLM) will diese anscheinend gewinnbringend veräußern. Die “94.5”-Macher befürchten nun die Marginalisierung: sie wären dann nur noch digital oder übers Internet zu empfangen.

6. So natürlich: Dresden wie es singt und lacht
(uebermedien.de, Mats Schönauer, Boris Rosenkranz, Video 2:00 Minuten)
Der “MDR” hat live vom Semperopernball in Dresden berichtet. “Übermedien” hat die authentischsten Momente extrahiert, um vorzuführen wie natürliche Lebensfreude und ungezwungene Geselligkeit funktionieren …

VK-Druiden-Netz, Chinas TV-Pranger, Herausgeberbeef

1. Übergriffe und Wirkungen
(correctiv.org, David Schraven)
“Correctiv”-Gründer David Schraven berichtet von zunehmenden Angriffen auf das journalistische Portal. Nicht alle Attacken seien offen und fair. Bisweilen werde kampagnenartig versucht, die Arbeit des Investigativprojekts zu stören. Das reiche von übler Nachrede bis hin zu konkreten Bedrohungen. Mittlerweile stehe die Redaktion unter polizeilichem Objektschutz und Personenschützer würden in den Redaktionsräumen ein und ausgehen.

2. Es fehlt also der Innenausbau
(faz.net, Jürgen Kaube)
Recht scharfe Kritik eines Herausgebers (Jürgen Kaube, “FAZ”) an einem Herausgeberkollegen (Gabor Steingart “Handelsblatt”). Steingart würde wiederholt gegen den Kanzlerkandidaten der SPD Martin Schulz wettern. Einer der Vorwürfe: Martin Schulz habe kein Abitur. Ein Vorwurf, den Kaube nicht gelten lassen will und Steingart am Ende des Artikels gepflegt um die Ohren haut: “Aber was manches Abitur wert ist, wenn jemand, der eines hat, die Qualifikation für politische Führungsrollen an seinen Besitz knüpft, das wissen wir jetzt schon.”

3. Ö24.tv stellt Chef vom Dienst frei – Der wollte Betriebsrat gründen
(derstandard.at)
Zoff bei “oe24.tv”, dem Online-Portal der Tageszeitung “Österreich”. Dort wurde der Chef vom Dienst rausgeschmissen und mit sofortiger Wirkung von der Arbeit freigestellt. Angeblich eine halbe Stunde nachdem dieser einen Betriebsrat gründen wollte.

4. Im VK-Netz des Druiden
(tagesschau.de, Mareike Aden & Arndt Ginzel)
Hetzer und Rechtsextreme nutzen offenbar das russische Facebook-Pendant “VK” zum ungehinderten Austausch. Hier war auch der selbst ernannte Druide “Burgos von Buchonia” aktiv, der seit kurzem wegen des Verdachts der Gründung einer rechtsextremen Organisation in Untersuchungshaft sitzt. Der Moskauer Journalist Roman Dobrochotow, Chefreporter des investigativen, kremlkritischen Internetportals “The Insider”, glaube, dass es an Sanktionsmöglichkeiten nicht mangele: “Wenn der russische Staat wirklich wollen würde, dass bei ‘Vkontakte’ keine Neonazis aktiv sind, dann wäre alles innerhalb von einem Tag blockiert oder gelöscht.”

5. Das Staatsfernsehen als öffentlicher Pranger
(zeit.de, Kai Biermann)
Finsterstes Mittelalter mit den Methoden der Neuzeit: Die chinesische Regierung erpresst Geständnisse und zeigt sie im Staatsfernsehen einem Millionenpublikum. Um Gegner in der Öffentlichkeit zu erniedrigen und sie ohne einen ordentlichen Prozess zu verurteilen. Und um Kritiker, Dissidenten und Beamte einzuschüchtern.

6. How the media should be covering Donald J. Trump.
(facebook.com/GQ, Keith Olbermann, Video, 2:12 Minuten)
Der amerikanische Moderator Keith Olbermann hat sich mit einer vielbeachteten Videoansprache an die Medien gerichtet. Olbermann schlägt vor, die Liveberichterstattung von Trumps Reden einzustellen: “Use a delay, employ a team of fact checkers, play his rants, and each time he lies, stop the tape and state the facts. Do not participate in Trump’s propaganda game.”

BILDblog hält Winterschlaf (11)

Zack — schon wieder ist ein Jahr (fast) vorbei. Wie schon in der Vergangenheit, machen wir hier jetzt für ein paar Tage Pause. Im Januar 2017 sind wir mit neuen Beiträgen wieder für Sie da!

Ein großer Dank geht an alle Leser! Wir wünschen Ihnen frohe Weihnachten, ein paar schöne freie Tage und einen guten Start ins neue Jahr. Ein besonders großer Dank geht an all jene, die uns in diesem Jahr mit Hinweisen versorgt haben. Leider schaffen wir es zeitlich nie, allen nachzugehen. Vielen aber schon. Und deswegen geht ein ganz besonders großer Dank an diese Personen, deren Hinweise zu Blogeinträgen geführt haben:

@19Rhyno04, @Alyama1, @BalderHelix, @coralandmauve, @dienetzpilotin, @diet_mar, @EFCRODGAU1999, @gabrielvetter, @griboe, @Hasi_Goreng, @herrnkoenig, @HoechDominik, @i_am_fabs, @im_fo, @JimmyRuppa, @KaiOliverKraft, @levinuzz, @macerarius, @mir70, @moethe, @Pertsch, @Pilzeintopf, @ralfheimann, @SteffiinneSonne, @StrohhutPirat, @TanteEla74, @TypischerTyp,@vierzueinser, @VM_83, @Wasserbanane, Alex, Alexander B., Alexander K., Alexander M., Arnd Z., Axel B., Bas Tian, basti, Ben F., Ben, Bernd, Bernhard W., Boris R., C. F., Carsten N., Chris H., Christian H., Conny S., Daniel N., Daniel, David S., Dominik H., Dominik N., Eiko M., Eugen F., Fab, Fabian S., Florian G., Florian, flurfunk-dresden.de, Gabriel M., Gero D., Götz M., Hanuš G., Hauke H., Helena, henry, Herma R., Ingolf L., Jan H., Janna H., Jannis C., Jens L., Johanna, Johannes K., Johannes R., Jonas J., Jonas, Jörn J., Julian H., Julius A., Kai, Katja, Lars B., Lennart, Lukas H., Lutz K., Marcus D., Markus E., Markus M., Martin S., Martin, Matthias K., Matthias M., Michael H., Michael W., Michel M., Micky B., Moritz D., Moritz K., nikita, Nold, Ole, Pascal S., Patrick B., Peter U., Philip W., Philipp S., pwco, Ralf H., Roland B., Rosemarie H., Samuel G., Sander, Sascha K., Sebastian M., Sebastian S., Sebastian, Sinisa M., Sisi T., Stefan K., Stefan N.,Stefan W., Susanne G., Thomas N., Thomas R., Thomas S., Thorsten H., Tobias N., Torben W., Totte, Uwe K., Volker S., Yannik S.

Sollte es in der Zwischenzeit irgendwo medial richtig knallen, unterbrechen wir natürlich unseren Winterschlaf. Außerdem präsentieren wir Ihnen nach Weihnachten jeden Tag ein Best-of aus zwölfeinhalb Jahren BILDblog.

Und damit Ihnen der Lesestoff auf keinen Fall ausgeht, haben wir eine Übersicht mit all unseren Beiträgen aus diesem Jahr zusammengestellt. Klicken Sie sich doch mal durch:

» Terror-Alarm ohne Gewehr
» Nicht alles, was hitler ist, ist verboten (3)
» Heinz Hermann Thiele trinkt keine Entschlackungstees
» Verzettelte Drohungen
» SO kannst Du vortäuschen, dass Du ein journalistisches Portal bist
» Wer hat’s gemunkelt?
» Gute Vorsätze
» Die Opfer der „Bild“-Zeitung
» “Ich dachte, es gibt ethische Grenzen
» Sag mal Klettergerüst
» Wie der „Focus“ jahrelang über kriminelle Ausländer geschwiegen hat
» Die „Welt“ verheimlicht, dass nichts verheimlicht wurde
» Linke Nummer mit Mutti
» Das muss man sich mal vorstellen
» Presserat billigt nacherzählten Terror-Fehlalarm
» “BILD wird jede Chance nutzen, um mir zu schaden”
» “Bild”-Online-Chef: “BILDblog marschiert für Pegida”
» Das Schweigerkartell
» Bei Schwarzarbeit macht den Griechen keiner was vor
» “Ebenso böswillig wie falsch”
» Sie helfen
» So viel Klartext muss sein
» Medien ermitteln: Es war menschliches Versagen!
» Katastrophenjournalismus heute — eine Anleitung
» Aber der Sportteil!
» Journalismus-Irrsinn: Berichten mit Augenmaß!
» Wie gemein! Wer setzt solche Gerüchte in die Welt?
» Foto: Privat
» Völker, klaut die Signale
» Opferfotos bei Facebook klauen — was hält Mark Zuckerberg davon?
» Geier Sturzflug (2)
» “Blick” macht 15-Jährigen zum Dopingsünder
» Peter Lustig war kein Kinderhasser
» Persönlichkeitsrechte? Ehrensache!
» Sein Wort in ihren Ohren
» Der Minister, die Schauspielerin und die Medien
» Bei „Yahoo“ kann man noch ungestört „Todesstrafe für Ausländer“ fordern
» Sehen alle gleich aus (12)
» Gestreckter Stoff mit Hitler
» „Bild“ macht friedliche Moslems zu radikalen Islamisten
» Wenn die „Bild“-Zeitung erscheint, stirbt ein Promi
» 1+1+1+1+1=2
» Bild dir dein Frauenbild
» Der ehrenhafte Julian Reichelt und die grausamen Fotos aus Syrien
» „Der allergrößte Teil der Medien hat sich sehr gut verhalten“
» Wie gut ist „Bild“ wirklich?
» Clickbait aus Leidenschaft
» Die Anschläge von Brüssel im Breaking-News-Modus
» Schnell, schneller, „Focus Online“
» Heute anonym XXVI
» So sieht Journalismus heute aus
» Presserat hält „Galgenmann“-Fotos für unzulässig
» Medien tappen in gigantische Superrattenfalle
» Die grausame Wahrheit über die „Huffington Post“
» „Eigentlich ist es noch viel krasser“
» Nazi-Skandal Reloaded
» Jeder zehnte Journalist berichtet falsch über kriminelle Flüchtlinge
» Bild.de befördert Edward Snowden zum Russen-Spion
» Der Tod eines Toreros in Zeitlupe
» „Focus Online“ fällt auf einen 85 Jahre alten Witz rein
» „Focus Online“ klaut einen erfundenen Asteroiden
» „Extrem drastisches Video“, munter retweetet
» Wie „Bild“ mit „Sex-Mob-Alarm“ Vorlagen für rechte Hetzer liefert
» Die bigotten Hüter des Urheberrechts
» Falsches Spiel des Jahres
» Genies unter sich
» Das besondere „Bild“-Mitgefühl
» „6 vor 9“-Sonderausgabe: Amoklauf in München
» Das Attentat von München und die Medien
» „The European“ wärmt den „Sex-Mob-Alarm“ auf
» Foto-Tumult im Freibad
» Bild.de macht den Deutschen Angst
» Mit gefälschten Tweets zum Schweinsteiger-Wechsel
» Hinterher ist Bild.de immer schlauer
» Dirk Hoerens halbe Hartz-Wahrheit über Ausländer
» Kokain im alten Zopf
» Dirk Hoerens nächste halbe Hartz-Wahrheit über Ausländer
» Verfahrene Verbotsfantasien
» Was, wenn Bild.de den Flüchtlingsdeal platzen lässt?
» Wolf, Du hast die Gans gestohlen
» „500 Euro Bild-Zeitung-Leserreporter? Hör auf jetzt!“
» Überschriften sind kein Kinderspiel
» Heinz Buschkowsky und das falsche „Pokémon“-No-Go im Islam
» Burgerjournalismus beim „Express“
» „Bild“ sucht den verschwundenen Chinesen. Wir suchen mit.
» Und wer denkt mal an uns?
» Bild.de und die offizielle Nominierung für den Friedensnobelpreis
» „Bild“ urlaubt mit Rainer Wendt in sicheren Herkunftsländern
» „Bild“ schon wieder am Grab von Andreas L.
» Das Phantom der Burka
» 25 lesenswerte Medienreflexionen zu #Rio2016
» Es war nicht ihr Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu Strandburkini
» Den Papageien zum Kolumnisten machen
» Durchfall! Kollaps! Schenkelklopfer!
» Der „Express“ erklärt Köln zum Kriegsgebiet
» Herbert Grönemeyer hat keine 28-Jährige geheiratet
» „Blitz-Heilungen“ kann nicht mal „Bild“ voraussehen
» Das ist doch wohl ein schlechter Witz
» Hallöchen Voyeurchen
» Völlig versemmelt
» Und arbeitslos ist er auch noch
» Mit Bindestrich und ohne Würde
» Falsches über die Fälscher
» Bei Anruf Witwenschütteln
» Lach- und Unsachgeschichten
» Auch mal die andere Seite zeigen
» Telling Lies
» Die nackte Halbwahrheit
» Des Kaisers neuer Name
» Ob rot, ob braun, Bild.de schreibt nur über blonde Frau’n
» Diagnose: eine ernst zu nehmenden Computerspielwerbesucht
» Die Rügen-Könige aus dem Axel-Springer-Hochhaus
» „So wird aus positiv plötzlich negativ“
» „Pixel-Irrsinn“-Irrsinn bei Bild.de
» Einen wichtigen Punkt vergessen
» Das falsche Senegalesen-Zitat von Andreas Scheuer und die Medien
» Zum „Sex-Killer“ erklärt
» „Bild“ zeigt private Fotos von getöteten Menschen
» „Wir helfen“ – beim rechten Verwirrspiel
» Besondere Aufmerksamkeit
» „Die Moral der Moralapostel“
» Das Oktoberfest in den Medien
» Linke Nummer mit der/die ComputerIn
» Recherchieren? „An einem Sonntag ein bissl schwierig“
» „Bild“ wühlt in Gerwald Claus-Brunners In­tim­sphä­re
» „Focus Online“ fällt auf Simpsons-Wiesn-Witz mit Schwarzenegger rein
» Krankgeschrieben
» Was für eine Katastrophe
» Aus dem Gerichtssaal auf die Titelseite
» Heute beginnt das Kandidatinnen-Vergessen
» „Das war noch nicht die Pointe“
» „Völlig absurd!“
» Gabor Steingart und „Bild“ pöbeln im Geistersupermarkt gegen die EU
» Uwe Böhnhardts DNA war nicht an Peggys Skelett
» „Österreich“ sprach mit Bob Dylan, als es die Zeitung noch gar nicht gab
» Tatsachsenbehauptung
» Die Horror-Clown-PR-Kampagne von Bild.de
» „Spiegel Online“ widerlegt Propaganda-Vorwurf mit Propaganda
» Mit „Bild mobil“ jetzt nicht das Mindeste bekommen
» So eine Erde kann man schon mal übersehen
» Bild.de schiebt Wladimir Putin ein britisches Kriegsschiff unter
» Bild.de wärmt einen Grusel-Clown in altem Frittenfett auf
» „6 vor 9“-Sonderausgabe: US-Wahl
» We are BILDblog. And we don’t approve this message.
» Prinz Harry wehrt sich gegen den britischen Boulevard
» D’oh!
» Wie haben die Fake-Promis reagiert?
» Atomkoffer! Trump! Apokalypse!
» Donald Trump will weiter einen Einreisestopp für Muslime
» Antworten auf kritische Fragen? Nicht mit Nikolaus Blome
» Spannerfotos von Kindern? Das wird man ja wohl noch andeuten dürfen
» Lob im Tarnanzug
» Hohe Fehlerquote
» „Die Sensation liegt in der Luft“
» „Bild“ spricht Reisewarnung für Bochum aus
» Schlecht, schlechter, Geschlechtertrennung
» ARD-Fusions-Irrsinn bei „Bild“
» Opfer bringen
» Ein Einschub voller Verachtung
» Alfred Draxlers 84 Cent zu den „Zwangsgebühren“
» ÜBER
» „Bild“ beschneidet Foto und Urheberrecht
» Herbert Grönemeyer wurde immer noch nicht auf „La Fabrique“ getraut
» Im Westen leider viel Neues
» „Bild“ bietet Rainer Wendt Plattform für Generalverdacht
» Die Fotobeschaffer von Hameln
» „Bild“ der Frau
» Warum neu recherchieren, wenn’s anderswo schon falsch steht?
» Stilecht ohne Recherche
» Nichts ist so alt wie die falsche Burkini-Meldung von vor vier Monaten
» Thilo Sarrazins falsche Fakten über Flüchtlinge
» Fehlierer des Tages
» „Merry Christmas“ über Aleppo
» Wo ein Kläger, da eine Unterlassungserklärung
» „Bild“ liefert falsches Futter für Islamhasser und rechte Hetzer
» Der Anschlag von Berlin und die Medien
» Absage von Wagner
» „6 vor 9“-Sonderausgabe: Anschlag in Berlin

Alle Ausgaben unserer werktäglichen “6 vor 9”-Linkliste finden Sie hier. Die Arbeitsnachweise unserer Clickbait-Taskforce hier. Die “Perlen des Lokaljournalismus” hier. Benedikt Franks Kolumne “Mut zur Wirrheit” über das “Compact”-Magazin hier. Johannes Krams Kolumne “Politically Correct!” hier. Ralf Heimanns Kolumne “Im Abseits” hier. Und Leo Fischers “Bildbetrachtung” hier.

Viel Spaß damit!

Weihnachtsmärchen von den “Lügenpresse”-Rufern

Wenn “Bild”, wie vor einigen Tagen, 32 Zeilen darüber schreibt, dass in Deutschland “aus Rücksicht auf Muslime die christlichen Wurzeln des Weihnachtsfestes unterschlagen” würden, ist das keinesfalls nur in der Theorie Futter für rechte Hetze.

Das “Compact”-Magazin hat in seiner Dezember-Ausgabe auf drei Seiten eine ganz ähnliche Geschichte zum Thema veröffentlicht. Weil der Grundton von “Compact” aber noch ein bisschen hysterischer ist als der von “Bild”, schreibt man dort über einen angeblichen “Krieg gegen Weihnachten”:

Martin Müller-Mertens, Chef vom Dienst bei “Compact”, probiert sich als Science-Fiction-Autor und denkt sich für seinen Artikeleinstieg folgende Weihnachtsgeschichte im Berlin des Jahres 2030 aus:

Leise rieselt der Schnee auf die dunklen Straßen. Eilig hasten Menschen nach Hause. Die Zeit der Weihnachtsbescherung ist längst angebrochen. Doch seit die Bundesregierung den Heiligen Abend im Austausch für das islamische Zuckerfest zum vollen Arbeitstag erklärte, bleibt kaum mehr Muße für die einst besinnlichen Stunden. Nur die allgegenwärtigen Wintermärkte lassen erahnen, was der Tag früher bedeutete. Doch an diesem Abend kommen kaum Besucher zu den Buden mit türkischem Tee und Halal-Speisen. Der Schein des Mondes wirft den Schatten eines Minaretts auf einsam wachende Märchenfiguren aus Tausendundeiner Nacht.

Er findet das wohl selbst etwas übertrieben und schreibt, seine Geschichte lese sich “heute noch wie eine Dystopie pessimistischer Untergangspropheten”. Ein seltener Moment der Selbsterkenntnis des “Compact”-Autoren, der ihn aber nicht daran hindert, gleich prophetisch weiterzumachen: In einigen Jahren könne sein Szenario ernsthaft diskutiert werden, es laufe schließlich ein “Feldzug gegen das Christuskind”. Und das auch noch im Verborgenen. Bei “Compact” mag man Verschwörungstheorien.

Die vermeintliche Heimlichtuerei der politisch Korrekten, die “per Salamitaktik” Weihnachten “aus den Kinderherzen vertreiben” wollten, hindert den Autoren nicht daran, lauter Fälle zur Unterstützung seiner These zu finden, die in der Presse öffentlich geworden sind. Da wären:

  • Die Wiener Kindergärtnerin

Eine Kindergärtnerin aus Wien soll entlassen worden sein, weil sie Kinder über “die Bedeutung des christlichen Weihnachtsfests aufgeklärt” habe. Die Geschichte geht auf einen Bericht der “Kronen Zeitung” zurück, des größten österreichischen Boulevardblatts.

“Kobuk”, das lesenswerte Medienwatchblog des Publizistikinstituts der Uni Wien, hat die Geschichte bereits vor über einem Jahr nachrecherchiert. Ergebnis: Die “Kronen Zeitung” zeige ein verzerrtes Bild, indem sie nur einen kleinen Ausschnitt eines Protokolls zitiere, das insgesamt nahelege, dass die Frau eine allgemein unkooperativ arbeitende Missionarin gewesen sei.

  • Hausverbot für den Nikolaus

Da Wien nun als garstiger Grinch etabliert ist, behauptet “Compact”, dass es dort auch noch ein Besuchsverbot für den Nikolaus in Kindergärten gebe.

Richtig ist, dass 2006 der damalige Vizebürgermeister keine Nikolaus-Agenturen mehr beauftragen wollte, da diese die Kinder teils erschreckt haben sollen. Stattdessen sollten die Pädagogen oder die Kindergartenkinder selbst in die Rolle des Nikolaus’ schlüpfen. News.at hat bereits 2013 darauf hingewiesen, dass seit einiger Zeit alle Jahre wieder das gleiche Weihnachtsspiel in Wien aufgeführt werde: Die FPÖ behauptet, die Stadtregierung wolle Weihnachten verbieten; die regierende SPÖ antwortet, dass es kein Verbot der Nikolausfeiern gebe. Das geht bis heute so. Hier die aktuelle Antwort im Blog des SPÖ-Parlamentsklubs.

  • Kita in Kassel

Irgendwie muss Martin Müller-Mertens ja noch die Brücke zu seiner Wahnidee eines weihnachtslosen Deutschlands schlagen. Darum ein Ortswechsel von Wien zur städtischen Kindertagesstätte Sara-Nussbaum-Haus in Kassel.

Dort solle es laut Müller-Mertens kein Weihnachtsfest geben, der Grund sei “offensichtlich vorauseilender Gehorsam gegenüber dem Islam.” Allerdings stimmt die Meldung, die auch “Bild” verbreitet, so nicht. An Weihnachten hat die Kita immer geschlossen, Nikolaus wurde gefeiert.

  • Schulen in Breisgau-Hochschwarzwald

Der “Compact”-Autor zieht auch andere Kleinigkeiten für seine falsche Beweisführung heran: Etwa dass das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald 2014 aus Brandschutzgründen seinen Schulen verboten hatte, Weihnachtsbäume aufzustellen.

Ein kurzer Anruf bei der Pressestelle des Landratsamts genügt, um zu erfahren, dass man in den entsprechenden Schulen nach wie vor Weihnachten feiere und es auch keine weiteren Verbote von weihnachtlicher Dekoration gebe, etwa von Adventskränzen. Den ziemlich harmlosen Kontext hätte Martin Müller-Mertens aber auch einfach nachlesen können: Lokale Medien berichteten sehr ausführlich über die Provinzposse.

  • Wintermarkt in Berlin-Kreuzberg

Der “Compact”-CvD erzählt dann noch das alte Weihnachtsmärchen, das BILDBlog-Leser schon lange kennen:

Auch aus dem öffentlichen Raum soll die Feier von Christi Geburt verdrängt werden — selbst dort, wo sie weitgehend zum säkularen Freizeitspaß geworden ist. Den Vorreiter gab der Berliner Multikulti-Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Auf öffentlichem Raum untersagte eine Mehrheit aus Grünen, Linken und Piraten 2013 Feste mit christlichem Bezug.

Nein, das haben die Parteien nicht. “Compact” ist auf eine drei Jahre alte falsche Schlagzeile aus der “B.Z.” reingefallen, die das Magazin selbst auch noch einmal abdruckt:

Wir haben über die Geschichte bereits gebloggt, als sie vor zwei Jahren erneut von “Bild am Sonntag” aufgegriffen wurde: Dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg war schon damals völlig egal, wie die Veranstalter ihre Weihnachts-, Winter- oder Wasauchimmermärkte nennen. Auf eine erneute Nachfrage von uns antwortete der zuständige Stadtrat, dass “das Bezirksamt stets offen für alle Religionen” sei. Es habe auch keine Anweisung seitens des Amtes gegeben, “die Weihnachtsmärkte im Bezirk in ‘Wintermärkte’ umzubenennen”.

“Bild” hatte diese Ente ebenfalls kürzlich wieder aufgegriffen. Wie schon bei der falschen Meldung der “Kronen Zeitung” kehrt der Unsinn, den Boulevardmedien irgendwann mal in aufregende Schlagzeilen umwandelten, nun bei “Compact” als faktenresistenter Zombie zurück. “Compact” widmet dieser Stimmungsmache gegen “Islamisierer und linksgrüne Kirchenhasser” allerdings nicht, wie die Boulevardblätter, nur ein paar Zeilen und eine große Überschrift, sondern steigert sich auf drei Seiten in eine Verschwörungstheorie hinein.

Das Magazin liefert auch gleich die Bilder und Bräuche mit, die es zu erhalten gelte. In der Rubrik “Leben”, in der “Compact” regelmäßig rechte Lifestyle-Geschichten präsentiert, schreibt Klaus Faißner romantisch verklärt über den Krampus im ländlichen Österreich. Dort könne man “noch richtig deutsche Bräuche” erleben, “leichter als bei uns” sogar:

Von wem angeblich Gefahr ausgehe, sagt “Compact” auch hier:

Probleme hat der Nikolaus nur in Städten mit hohem Ausländeranteil und sozialistischen Bürgermeistern.

Dass es innerhalb des Christentums durchaus unterschiedliche Traditionen zur Weihnachtszeit gibt, die sich im Lauf der langen Geschichte auch schon verändert haben, kann für das Magazin jedenfalls keine Erklärung sein. Das ganze Geschreibe vom Nikolaus und von der Christlichkeit ist für “Compact” aber ohnehin nur ein Feigenblatt. Im nächsten Artikel geht es nämlich schon um eine “Germanische Weihnacht”:

Pia Lobmeyer schlägt den Bogen von heidnischen Wintersonnenwende-Ritualen zu Weihnachtsbräuchen, die erst viel später entstanden sind. Vor allem hat es ihr der Weihnachtsbaum angetan, der erst im 18. Jahrhundert richtig populär wurde, als sich der christliche Glaube im Gebiet des heutigen Deutschlands schon längst ausgebreitet hatte.

Aber noch einmal zurück zu Martin Müller-Mertens’ Märchen über den angeblichen “Krieg gegen Weihnachten”. Der Artikel wird unter anderem mit dem Nürnberger Christkind bebildert, das in einem Kindergarten Geschichten vorliest:

Bildunterschrift: “Immer mehr Kindergärten verzichten im Advent auf christliche Lieder und Bräuche.”

Das sieht zunächst nur nach einer widersprüchlichen Text-Bild-Schere aus, weil das Christkind auf dem Foto ja genau das tut, was es laut Bildzeile nicht mehr geben soll. Die Fotowahl ist aber, wohl eher unfreiwillig, aus noch einem anderen Grund interessant: Das Christkind an sich ist ursprünglich eine protestantische Erfindung. Das Nürnberger Christkind gibt es aber erst seit 1933. Es ist keine alte christliche Tradition — es ist eine Erfindung der Nazis. Und ein gutes Beispiel dafür, wie völkische Erzählungen einer Bedrohung des Weihnachtsfestes damals wie heute funktionieren.

In einem Prolog, den in der Zeit des Nationalsozialismus eine Schauspielerin im Engelskostüm bei einer auf sakral aufgemachten Inszenierung vortrug, behauptet das Christkind, es sei aus der Stadt vertrieben worden. Aber jetzt, da Deutschland “erwacht” sei — gemeint ist: jetzt, nachdem Hitler an der Macht ist –, da sei der alte Brauch wieder zurückgekehrt und die Kinder könnten sich wieder freuen, wie sie sich früher einmal gefreut hätten.

Später wurde dieser Prolog politisch entschärft. Enthalten sind aber bereits die Elemente, mit denen Boulevardzeitungen heute reißerische Schlagzeilen machen, und mit denen die Neue Rechte auch heute wieder Weihnachten in ihrem Sinne politisieren will.

“Bild” bietet Rainer Wendt Plattform für Generalverdacht

Rainer Wendt durfte bei “Bild” und Bild.de mal wieder was sagen. Der Bundesvorsitzende der “Deutschen Polizeigewerkschaft” ist immer schnell zur Stelle/immer schnell angerufen, wenn irgendwo etwas passiert, das mit den Themen Sicherheit und/oder Polizei zu tun hat. Erst im August, als sein Buch “Deutschland in Gefahr” erschien, machten die “Bild”-Medien groß Werbung für Wendts Werk.

Nachdem am Wochenende bekannt wurde, dass die Polizei den mutmaßlichen Vergewaltiger und Mörder einer 19-jährigen Studentin aus Freiburg gefasst hat und dass dieser Tatverdächtige ein 17-jähriger Junge ist, der vor einem Jahr als Flüchtling aus Afghanistan nach Deutschland gekommen ist, fragt “Bild” heute:

Mit Ausnahme von einigen wenigen Feststellungen (etwa: “Es ist ein grausames Verbrechen. Und es birgt enorme politische Brisanz.” oder: “Fakt ist: Unter Gewaltkriminellen sind sie [unbegleitete minderjährige Flüchtlinge] keine besonders auffällige Gruppe.” oder: “Fakt ist aber auch: Wäre der mutmaßliche Täter 2015 nicht nach Deutschland gekommen, hätte er hier nicht töten können.”) bezieht die Redaktion gar nicht selbst groß Stellung, sondern lässt andere Leute “MIT DIESER WAHRHEIT” umgehen. Bild.de hat die Aussagen ebenfalls veröffentlicht:

So sagt zum Beispiel Wolfgang Huber, der frühere Ratsvorsitzende der “Evangelischen Kirche in Deutschland”, zu dem Fall:

“Menschengruppen pauschal zu verdächtigen, hilft dagegen nicht weiter.”

Oder Julia Klöckner, die stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU:

“Solche Grausamkeiten werden leider von In- wie Ausländern begangen, das ist leider kein neues Phänomen.”

Oder der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel:

“Auch deshalb dürfen wir es nicht zulassen, dass diese abscheuliche Tat jetzt für Hetze und Verschwörungspropaganda missbraucht wird.”

Oder der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer:

“Ich habe vollstes Verständnis für die Empörung und Entrüstung der Bürger. Dennoch wäre es grundlegend falsch, alle Migranten und Flüchtlinge unter Generalverdacht zu stellen.”

(Dies sind nur Auszüge aus den Stellungnahmen. In den beiden Artikeln von “Bild” und Bild.de sind die jeweiligen Aussagen länger.)

Alles recht besonnene Aussagen bei einem Thema, das für hitzige Debatten sorgt. Der gemeinsame Tenor: Ruhe bewahren, nicht verallgemeinern, kein Generalverdacht gegen Geflüchtete.

In den Artikeln von “Bild” und Bild.de gibt es dann aber noch die bereits erwähnte Aussage von Polizeigewerkschafter Rainer Wendt:

“Dieses und viele andere Opfer würde es nicht geben, wäre unser Land auf die Gefahren vorbereitet gewesen, die mit massenhafter Zuwanderung immer verbunden sind. Und während Angehörige trauern und Opfer unsägliches Leid erfahren, schweigen die Vertreter der ‘Willkommenskultur’. Kein Wort des Mitgefühls, nirgends Selbstzweifel, nur arrogantes Beharren auf der eigenen edlen Gesinnung. Die grausame Seite dieser Politik wird abgewälzt auf die Opfer und auf eine seit Jahren kaputt gesparte Polizei und Justiz. Und so wachsen die Gefahren für unser Land beständig.”

(In “Bild” ist Wendts Aussage etwas kürzer.)

Wendt macht genau das, wovor Huber, Klöckner, Gabriel und Mayer warnen: Er verknüpft den tragischen Tod der 19-jährigen Studentin mit der “massenhaften Zuwanderung”. Er konstruiert aus einem Einzelfall einen Generalverdacht. Er spielt Zuwanderer und “viele andere Opfer” gegeneinander aus. Er beschwört wachsende “Gefahren für unser Land” herauf. Er schürt Ängste. Er macht Stimmung.

All das kann Rainer Wendt bei “Bild” und Bild.de ohne Einordnung, ohne redaktionellen Widerspruch tun. Die “Bild”-Medien bieten ihm eine Plattform.

Dass Wendts Aussagen nicht unproblematisch sind, haben die Leute bei Bild.de offenbar auch gemerkt. Inzwischen haben sie nach dem langen Zitat des Polizeigewerkschafters diese zwei Tweets des stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden Ralf Stegner zitiert:

Da es in diesem Beitrag um grässliche Verallgemeinerungen geht, hier noch ein wichtiger Punkt: Rainer Wendt spricht als Bundesvorsitzender der “Deutschen Polizeigewerkschaft” nicht für alle Polizisten. Er spricht nicht einmal für alle gewerkschaftlich organisierten Polizisten. Es gibt neben der “DPolG” nämlich noch einige weitere Polizeigewerkschaften. Zum Beispiel die deutlich größere “Gewerkschaft der Polizei”. Deren Bundesvorsitzender Oliver Malchow hat Wendts Aussagen bereits kritisiert:

Pistenbully-PR-Gag, Olympia im Privaten, Regenbogen-Klon

1. Pistenbully auf Abwegen war PR-Aktion
(ndr.de, Jörg Jacobsen)
Ein LKW-Fahrer mit einem Bully für Schneepisten auf der Ladefläche fährt nach Seefeld (Schleswig-Holstein) statt nach Seefeld (Tirol). Haha, hihi, große Freude auf den Panorama-Seiten von Zeitungen und Online-Portalen. Jetzt zeigt sich: War alles nur eine PR-Aktion, und viele Medien sind drauf reingefallen. Manchen Redaktionen kann man durchaus Vorwürfe machen, weil sie die Story zu leichtgläubig aufgeschrieben haben; anderen aber nicht: Sie haben recherchiert, bei den zuständigen Personen nachgefragt — und die blieben frech bei ihrer Mogelgeschichte. Auch die “dpa” ist auf den PR-Gag reingefallen und nun selbstkritisch der Angelegenheit nachgegangen.

2. Die dunkle Seite der Macht
(spiegel.de, Jan Fleischhauer)
Die Geschichte zu dieser Geschichte geht zusammengefasst so: Nach der Wahl von Donald Trump lässt der Mediendienst “Meedia” unter anderem “Weltwoche”-Boss und Rechtsaußen-Politiker Roger Köppel die Leistung deutscher Medien bewerten. Überschrift: “‘Am schlimmsten ist der Spiegel’: Weltwoche-Chef Köppel rechnet mit deutscher Trump-Berichterstattung ab”. Gestern antwortete “Spiegel Online”-Kolumnist Jan Fleischhauer und schoss gegen Medienkritik im Allgemeinen und “Meedia” im Speziellen: “Köppel zu Blättern wie dem SPIEGEL oder der ‘Süddeutschen’ zu befragen, ist in etwa so, als ob man eine katholische Nonne bitten würde, Herrenmagazine zu rezensieren.” Daraufhin meldete sich “Meedia”-Chef Georg Altrogge: “Leider gibt es zu ‘positiver Berichterstattung’ über den Spiegel aktuell wenig Anlass, und genau das scheint der Grund zu sein, warum die Nerven in der Chefredaktion blank liegen.” Das Popcorn steht bereit.

3. Was ARD und ZDF mit den gesparten Olympia-Ressourcen machen müssen
(sueddeutsche.de, Hans Hoff)
Die Olympischen Sommer- und Winterspiele 2018 bis 2024 wird es nicht live im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu sehen geben. “Für ARD und ZDF sieht das Scheitern der Verhandlungen auf den ersten Blick natürlich aus wie eine Niederlage”, schreibt Hans Hoff, doch: “Richtig ist aber auch, dass ARD und ZDF weiter über Probleme hinter den Kulissen berichten können, berichten müssen. Das ist der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Und vielleicht gelingt die Erfüllung dieses Auftrags noch ein Stückchen besser, wenn man nicht abgelenkt ist, weil man nebenbei noch die Übertragung stemmen muss.”

4. Die Lügner sind immer die anderen
(deutschlandradiokultur.de, Nana Brink & Mark Heywinkel, Audio, 6:26 Minuten)
Mal poltern sie heftig gegen Hillary Clinton, mal geben sie Tipps, welche Waffen man am besten an Weihnachten verschenken kann: Die Website “Breitbart” ist eines der großen Sprachrohre der sogenannten “Alt-Right”-Bewegung in den USA, “Breitbart”-Chef Steve Bannon inzwischen Chefstratege von Donald Trump. “Ze.tt”-Redakteur Mark Heywinkel hat eine Woche lang “Breitbart” gelesen. Bei “Deutschlandradio Kultur” erzählt er, was er dort entdeckt hat.

5. Bürgerjournalismus belebt das Mediensystem
(de.ejo-online.eu, Tobias Eberwein & Colin Porlezza)
Graswurzeljournalismus, Laienberichterstattung, Jekami-Journalismus (“Jeder kann mitmachen”) — das war vor einigen Jahren ein großes Thema, verbunden mit einigen Hoffnungen für die Medienbranche. Tobias Eberwein und Colin Porlezza haben geschaut, wie es heute “in sechs europäischen Ländern” beim digitalen Bürgerjournalismus ausschaut. Ihre Studie zeigt: Zur Medienvielfalt habe er zwar beigetragen, die einst prophezeite Revolution von unten sei allerdings weitgehend ausgeblieben.

6. Wunderheilung durch Wiederholungsdrama
(uebermedien.de, Mats Schönauer)
Die große Titelgeschichte des zweimonatlich erscheinenden Regenbogenblatts “Freizeit Total” im Dezember/Januar: “Familien-Drama”. Im Februar/März: “Familien-Drama”. Im April/Mai: “Schock-Nachricht”. Im Juni/Juli: “Familien-Drama”. Im August/September: “Familien-Drama”. Im Oktober/November: “Familien-Drama”. Erkennen Sie ein Muster?

“Compact” begeht Asylbetrug

Asylthemen haben eigentlich einen Stammplatz auf dem Cover des “Compact”-Magazins. Im Oktober verkündete das Rechtsaußen-Blatt auf seiner Titelseite beispielsweise eine “Invasion aus Afrika”. In der aktuellen November-Ausgabe kommt Asyl im Vergleich zu den Vormonaten hingegen nur am Rande vor. Vorne auf dem Titel geht es um einen angeblichen “Angriff auf deutsche Sparer”, den Kampf der “Presstituierten (sic) gegen Trump” und Andreas Gabalier (“Alpen-Elvis” — “Der Heimat-Rocker”). Erst im Heftinnern findet man die übliche Hetze gegen Flüchtlinge. Ein genauerer Blick auf Martin Müller-Mertens’ Artikel zur “heimlichen Kolonisierung” lohnt sich aber.

Die amtliche Asylstatistik sei falsch, so Müller-Mertens’ These, weil sie den Familiennachzug verschweige. “Unter diesem Schwindeletikett werden in den nächsten Jahren Millionen Muslime zu uns geholt — auch auf Druck der EU”, heißt es im Teaser. Ob damit zwei Millionen Muslime in den nächsten zehn Jahren oder zehn Millionen in zwei Jahren gemeint sind, verrät Müller-Mertens nicht. Stattdessen peitscht er sein Publikum mit Schlagworten der extremen Rechten auf:

Rund zwei Jahre nach Beginn der Siedlerinvasion staut sich die nächste Welle von Fremden gerade auf. Nach Abschluss ihrer Aufnahmeverfahren dürfen sogenannte Flüchtlinge Teile ihrer Familien legal nach Deutschland holen — und zwar auf direktem Weg. Quasi unbemerkt, vorbei an jeder Asylstatistik, führt sie ihr Weg in Angela Merkels gelobtes Land.

Er stütz seine Argumentation auf eine Kleine Anfrage der Grünen an die Bundesregierung (PDF). Den politischen Hintergrund der Anfrage nennt der “Compact”-Autor nicht: Die Grünen fragten nach der Datengrundlage für die Behauptung von Teilen der Bundesregierung, es würden demnächst besonders viele Flüchtlinge über den Familiennachzug nach Deutschland kommen.

Zu Teilaspekten der Anfrage lieferte die Bundesregierung keine Daten, “da für § 29 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) kein separater Speichersachverhalt zur Verfügung steht” — die einzige Passage des langen, 20-seitigen Antwortschreibens, die “Compact” zitiert. Übersetzt heißt das: Beamte können im Datensatz des Ausländerzentralregisters kein Häkchen für einen Aufenthaltstitel nach diesem speziellen Paragraphen 29 setzen, er wird statistisch also nicht erfasst.

Martin Müller-Mertens fragt: “Kennen die Behörden tatsächlich keine Zahlen — oder sollen diese vor der Öffentlichkeit verschleiert werden?” Eine Antwort auf die Frage spart sich der Autor, suggeriert doch allein die Überschrift des Artikels (“Die heimliche Kolonisierung”), dass Letzteres stimme.

Wer unsere Serie “Mut zur Wirrheit” kennt, kann ahnen, was jetzt kommt. Die Antwort auf die Frage von “Compact” lautet: Natürlich kennen die Behörden entsprechende Zahlen. Sie machen sie auch regelmäßig öffentlich.

Was stimmt: Fälle nach Paragraph 29 des Aufenthaltsgesetztes sind im Ausländerzentralregister tatsächlich nicht eigens aufgeführt. Der Paragraph regelt die allgemeinen Grundsätze des “Familiennachzugs zu Ausländern”. Die Beamten der Ausländerbehörden haben trotzdem einige Felder, bei denen sie Häkchen zum Familiennachzug im Sinne des Aufenthaltsgesetzes setzen können: der Ehegattennachzug nach Paragraph 30, der Kindesnachzug nach Paragraph 32 sowie der Nachzug der Eltern und sonstiger Familienangehöriger nach Paragraph 36 wird im Ausländerzentralregister einzeln erfasst (PDF, ab Seite 33).

“Compact” ist das nicht aufgefallen oder egal, weil es nicht zur Linie des Blattes passt. Dabei nennt Autor Martin Müller-Mertens sogar selbst Zahlen, die es laut ihm ja eigentlich gar nicht geben dürfte:

Stellten deutsche Botschaften im Jahre 2005 insgesamt noch 80.000 Visa für Familienangehörige aus, waren es von Januar bis Oktober 2015 nur 49.000.

Sein Artikel basiert zu großer Wahrscheinlichkeit auf dem “Wikipedia”-Eintrag zur Familienzusammenführung. Dort findet man jedenfalls die von ihm genannten Zahlen, mit Verweis auf zwei Texte der “Zeit” beziehungsweise von “Zeit Online”. Die erste Zahl, die “Wikipedia” als Fakt präsentiert, ist eine vorläufige Schätzung aus dem Jahr 2006 — und somit nicht, wie von “Compact” behauptet, die Zahl der tatsächlich ausgestellten Visa.

Diese findet man im Migrationsbericht von 2014 (PDF, Seite 37): Für 2005 sind dort genau 53.213 Visa zum Zweck des Ehegatten- und Familiennachzugs ausgewiesen. Auch die 49.000 Visa für die ersten neun Monate des Jahres 2015 findet man im Migrationsbericht (Seite 10). Und noch mehr:

Auch das Ausländerzentralregister (AZR) bestätigt einen Anstieg des Familiennachzugs für das erste Halbjahr 2015 um 22% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Es gibt also sehr wohl Zahlen zum Familiennachzug, sogar im Ausländerzentralregister. Mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das das Zentralregister betreibt, und dem Auswärtigen Amt, das die Visastatistik erstellt, gibt es somit zwei Institutionen, die jeweils eigene Zahlen zum Familiennachzug kennen — zwei mehr, als “Compact” seinen Lesern nennt.

Und was ist nun mit der “Compact”-Prognose, nach der “in den nächsten Jahren Millionen Muslime zu uns geholt” würden? An dieser Stelle bietet sich ein Rückblick an: Addiert man die Zahlen des Migrationsberichts zum Familiennachzug von 2005 bis 2014, kommt man nicht mal auf eine halbe Million Menschen in den vergangenen zehn Jahren. Wohlgemerkt: Menschen insgesamt, also nicht nur die Familien von muslimischen Flüchtlingen, sondern etwa auch die ausländischen Familien deutscher Staatsbürger, Menschen aus vielen Ursprungsländern und aller Religionen.

Wenn, wie “Compact” behauptet, demnächst tatsächlich “Millionen Muslime” so nach Deutschland kommen sollten, müsste sich also die Zahl der Familiennachzügler vervielfachen und nicht nur um 22 Prozent steigen. Martin Müller-Mertens glaubt auch schon zu wissen, wie es zu so einem Anstieg kommen werde:

Dank einer weitgehend unbekannten Neuregelung vom August 2015 können Asylanten “einen Antrag auf Familiennachzug stellen, auch wenn sie nicht ausreichend Wohnraum und einen gesicherten Lebensunterhalt vorweisen können”, freute sich seinerzeit der Flüchtlingsrat Bayern in einem Merkblatt.

Die Regelung ist so “unbekannt”, dass sie nur im gleichen “Wikipedia”-Artikel zu finden ist, aus dem der Autor vermutlich seine Zahlen zieht. Als Quelle dient dort das von ihm genannte Merkblatt des Bayerischen Flüchtlingsrats (PDF). Dass sich dieser darin freue, ist Müller-Mertens Interpretation einer nüchternen Erklärung in Form einer kurzen FAQ.

Anders als von “Compact” behauptet, bestand die Neuregelung auch nicht darin, dass alle “Asylanten” ohne gesicherten Lebensunterhalt den Antrag auf Familiennachzug stellen können. Anerkannte Flüchtlinge konnten das beispielsweise auch schon vorher. Die genannte Neuerung bezog sich nur auf die sogenannten “subsidiär Schutzberechtigten”, die nicht als Flüchtlinge nach der Genfer Konvention anerkannt werden, aber auch nicht abgeschoben werden, weil ihnen in ihren Heimatländern Schaden droht. Sie konnten den Antrag auf Familiennachzug zudem nur für kurze Zeit stellen: Zum 1. August 2015 wurde der Familiennachzug für sie erleichtert, bis er im Januar 2016 für zwei Jahre ausgesetzt wurde.

“Compact”-Autor Müller-Mertens meint wohl diese Verschärfung des Asylrechts Anfang des Jahres, wenn er in seinem Artikel von einer “nur für eine Minderheit relevanten Zwei-Jahres-Sperre” schreibt. “Minderheit” trifft es nun auch nicht mehr ganz, denn im Juli 2016 wurde bei fast jedem dritten Asylantrag nur noch der subsidiäre Schutz bewilligt, berichtet etwa “Spiegel Online”.

Die Redaktion von “Compact” stellt nicht nur falsche Behauptungen auf, sondern berichtet treffsicher das genaue Gegenteil der Faktenlage. Dahinter dürften keine Fehler oder einfach nur schlampige Recherche stecken. Die “Lügenpresse”-Rufer von “Compact” treiben so ihre politische Agenda voran, sie machen Propaganda.

Allein die Synonyme, die das Magazin für geflohene Menschen verwendet, zeigen, wo es politisch zu verorten ist. Es nannte Flüchtlinge in den letzten Ausgaben etwa “Asylforderer”, “Invasoren”, “Siedler”, “Vaterlandsverräter” oder “Rapefugees”. Es finde eine “Islamisierung” statt, eine “Siedlerinvasion”, es herrsche “Kolonialismus”, bei dem Deutschland die Kolonie sei, es gebe eine “schwarze Flut” oder gleich einen “Asyl-Tsunami”. Es fällt auch das alte NPD-Schlagwort der “Völkervermischung”. Wer nicht in diesem Stil gegen Flüchtlinge hetzt, ist laut “Compact” Teil eines “Gutmenschenclubs”, der “Multikulti-Religion”, der “Vielfaltlobby” oder gleich der “Refugee-welcome-Sturmtruppen” und betreibe wahlweise “linksgrünen Tugendterror” oder “Gesinnungsterror”.

Bei der Bebilderung des Magazins gehört die Agitation ebenfalls zum festen Programm. Nur ein besonders dreistes Beispiel aus der April-Ausgabe, das neben einem Artikel zu finden ist, der sexuelle Übergriffe von Asylbewerbern auf junge Mädchen zum “Alltag in Deutschland” erklärt:

Die Illustration ist natürlich keine Anleitung zur Vergewaltigung. Sie stammt aus einer internationalen Kampagne zur sexuellen Aufklärung, die sich an alle richtet, die diese nötig haben, und die sich auch gegen jegliche Form des sexuellen Missbrauchs ausspricht.

“Compact” behauptet von sich selbst, weder rechtsradikal noch ausländerfeindlich zu sein. Die Redaktion sieht sich als Opfer von Verleumdungskampagnen und Zensurbemühungen. Ihre Zeitschrift befindet sich weiterhin deutschlandweit im Vertrieb und verkauft — nach eigenen Angaben — monatlich 41.000 Exemplare.

AfD, Hasslawine, Game of Schund

1. Journalisten nicht willkommen
(djv.de, Eva Werner)
Journalisten nicht willkommen! Die AfD Baden-Württemberg will auf ihrem Landesparteitag keine Medien dabeihaben. Der Deutsche Journalisten-Verband wertet dies als Zeichen für ein massiv gestörtes Demokratieverständnis. DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall: “Geradezu lachhaft ist, dass die AfD Baden-Württemberg statt der Teilhabe am Landesparteitag Journalisten mit einer Pressekonferenz mit vorgefilterten Informationen abfrühstücken will.“

2. Warum “Programmatic Advertising” der eigenen Marke schaden kann: Wenn Werbung Wunder verspricht, haben Medien ein Problem
(kress.de, Bülend Ürük)
Von den politisch motivierten Fake-Nachrichtenseiten war die letzten Tage oftmals die Rede. Doch es gibt noch andere Desinformationsseiten und mit denen wird viel Geld verdient. Dabei geht es um Themen wie Diätpillen, Nahrungsergänzungsmittel, Glücksspiel und Kosmetik. Daniel Brückner von “testbericht.de” berichtet, dass die Werbung dieser Fakenachrichtenseiten auf 72 von 100 überprüften seriösen Nachrichtenseiten erscheint. Schuld daran sei unter anderem das “Programmatic Advertising” das Brückner als “Hintertürchen für Fake-Nachrichten” bezeichnet.

3. Obama sollte Manning die Reststrafe erlassen
(reporter-ohne-grenzen.de)
“Reporter ohne Grenzen” appelliert an US-Präsident Barack Obama vor seinem Ausscheiden aus dem Amt, der inhaftierten Whistleblowerin Chelsea Manning den Rest ihrer Freiheitsstrafe zu erlassen: “Chelsea Manning sitzt schon jetzt länger im Gefängnis als jeder andere verurteilte Whistleblower in der US-Geschichte und hat während ihrer Haft grausam gelitten. Ihre unverhältnismäßige Strafe weiterhin zu vollstrecken, wäre eine unnötige Verlängerung ihrer Qualen. Schon jetzt zeichnen sich schwere Zeiten für die Pressefreiheit in den USA unter dem künftigen Präsidenten Donald Trump ab. Gnade für Chelsea Manning und Jeffrey Sterling wäre eine späte Gelegenheit für Obama, sich nach seinem erbitterten Feldzug gegen Whistleblower mit einem positiven Signal aus dem Amt zu verabschieden.”

4. Totficken, Steinigen, Kreuzigen – Wir haben getestet, ob Facebook Hetze und Morddrohungen löscht
(vice.com, Stefan Lauer)
“Vice”-Autor Stefan Lauer hat eine Woche lang mehr oder weniger wahllos, wie er sagt, auf den Facebook-Seiten von NPD, diversen Pegida-Ablegern, anderen rechten Facebook-Seiten und öffentlich einsehbaren privaten Profilen Hasskommentare gemeldet und abgewartet, was passiert. Die Ergebnisse sind, nunja, ernüchternd: “Facebook scheint in einer braunen Hasslawine zu versinken und nicht zu wissen, wie damit umzugehen ist. Oder sie wollen sich gar nicht darum kümmern.”

5. Ein Urteil gegen Ankara
(taz.de, Reinhard Wolff)
Die Türkei hatte beim Satellitenbetreiber Eutelsat einen Ausstrahlungsstopp des kurdischen TV-Kanals “Newroz” bewirkt. Dies hat ein Gericht nun kassiert: Der Sendestopp wurde für rechtswidrig erklärt, Eutelsat muss das Programm wieder ausstrahlen.

6. Was soll der Hype um “Game of Thrones”?
(sueddeutsche.de, Luise Checchin)
Luise Checchin metzelt für die “SZ” die US-amerikanische Fantasy-Fernsehserie “Game of Thrones” nieder: “Wäre Game of Thrones einfach nur platt und redundant, es wäre alles halb so schlimm. Aber da ist eben auch diese schmierige Grundstimmung, die ab der ersten Episode vorhanden ist und die nach und nach bei jedem einigermaßen kritisch denkenden Menschen einen fundamentalen Selbst- und Fremdekel auslösen müsste. Game of Thrones ist eine Aneinanderreihung von sexistischem und gewaltverherrlichendem Schund.”

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