Ein Kommentar eines Journalisten oder einer Journalistin, ob nun in der gedruckten Zeitung oder online, im Radio oder im Fernsehen, spiegelt immer die Meinung des Journalisten oder der Journalistin wider. Die im Kommentar geäußerten Ansichten lassen sich nicht automatisch auf eine Redaktion übertragen. Sowas lernen Kommunikationswissenschaftler bereits im ersten Semester an der Uni. Und trotzdem müssen wir es hier noch mal aufschreiben, weil die “Bild”-Zeitung heute diese Schlagzeile auf ihrer Titelseite hat:
Bei Bild.de war die Sache bereits gestern Abend gut sichtbar auf der Startseite platziert:
Grundlage für beide Artikel ist ein Kommentar des ARD-Korrespondenten Malte Pieper über Bundeskanzlerin Angela Merkel. Darin heißt es unter anderem:
Geschätzte Angela Merkel, nach fast 13 Jahren Kanzlerschaft gibt es auf europäischer Ebene für Sie, außer spürbarer Abneigung, nichts mehr zu gewinnen. Das haben alle Treffen der letzten Monate gezeigt. Helfen Sie deshalb mit, den scheinbar unabwendbaren Trend nach europäischer Spaltung statt Einigung endlich aufzuhalten! Räumen Sie das Kanzleramt für einen Nachfolger, dessen Name nicht so belastet ist, wie es der Ihre ist.
Das ist die Meinung von Malte Pieper, nicht die Meinung der “Tagesschau”. Es ist die Rücktrittsforderung von Malte Pieper, nicht die Rücktrittsforderung der “Tagesschau”.
Die “Bild”-Überschrift “Tagesschau rechnet mit Merkel ab” ist also schon mal irreführend. Und auch beim Texteinstieg von “Bild” und Bild.de wird es nicht besser:
“Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Rücktrittsforderung! Ta-ta!-Ta-ta-ta-taaaa!”
Ausgerechnet die öffentlich-rechtliche “Tagesschau” der ARD überraschte gestern — vor allem in Ton und Schärfe — mit einer Rücktrittsforderung an die Kanzlerin.
Das ist gleich in doppelter Hinsicht falsch. Erstens, weil die Rücktrittsforderung eben nicht vom “Ersten Deutschen Fernsehen” beziehungsweise von der “Tagesschau” kommt, sondern — wir schreiben es hier gern noch einmal — von Malte Pieper. Und zweitens ist Piepers Kommentar nie im Fernsehen gelaufen, sondern im Radio und als Text bei Tagesschau.de.
Etwas weiter hinten im “Bild”-Beitrag darf dann doch noch jemand von der “Tagesschau” erklären, dass es sich nicht um einen Kommentar der gesamten Redaktion handelt, sondern um eine Meinung einer Einzelperson:
Ist DAS eine Meinung eines Korrespondenten oder die Haltung der “Tagesschau”?
Auf BILD-Anfrage teilte Chefredakteur Kai Gniffke mit: “Journalistische Kommentare werden grundsätzlich als solche gekennzeichnet und geben immer nur die Meinung des bzw. der Kommentierenden wieder.”
Die “Bild”-Redaktion weiß also, dass es sich nicht um “die Haltung der ‘Tagesschau'” handelt (natürlich wusste sie das auch schon vor Gniffkes Statement). Und trotzdem knallt sie ihre Schlagzeilen auf den “Bild”-Titel und die Bild.de-Startseite. Bei Bild.de erfahren das alles übrigens nur Abonnenten — es handelt sich schließlich um einen “Bild plus”-Text.
“Bild”-Chef Julian Reichelt verbreitete bereits gestern am Vormittag bei Twitter die falsche Behauptung zur Rücktrittsforderung durch die “Tagesschau”:
Das ist ganz interessant: Reichelt twittert über einen Kommentar eines öffentlich-rechtlichen Journalisten, der sich mit einer Rücktrittsforderung an Angela Merkel wendet. Dazu keine Kritik durch den “Bild”-Chef, etwa wegen des belehrenden Tons. So weit, so okay. Vor nicht mal einer Woche twitterte Reichelt über Markus Grill, den Berliner Bürochef des Investigativressorts von NDR und WDR:
Für Julian Reichelt ist bei der Frage, wie sich ein “öffentlich-rechtlicher Kollege” äußern sollte, am Ende doch wohl nicht entscheidend, gegen wen dieser schießt?
1. “Diese Upload-Filter wären regelrechte Zensurmaschinen” (sueddeutsche.de, Simon Hurtz)
Es ist soweit: Heute stimmt die EU über die Reform des europäischen Urheberrechts und damit auch über die umstrittenen Upload-Filter ab. Kern des dafür einschlägigen neuen Artikel 13: Online-Plattformen wie Youtube und Facebook sollen bereits im Moment des Uploads für etwaige Urheberrechtsverstöße ihrer Nutzer haften. Dem können sich die Plattformen nur entziehen, wenn sie Upload-Filter installieren, die jede Datei auf urheberrechtliche Unbedenklichkeit prüfen. Simon Hurtz hat sich mit der Europapolitikerin und Urheberrechts-Spezialistin Julia Reda unterhalten, die in der Regelung eine Gefährdung des freien Netzes sieht.
Weil es heute ein wichtiges Thema ist, hier drei weitere einschlägige Beiträge: EU kopiert erfolgloses deutsches Gesetz (deutschlandfunk.de, Thomas Otto im Gespräch mit Isabelle Klein) Lobbying für Leistungsschutzrecht: Günther Oettingers Doktrin (taz.de, Anne Fromm & Daniel Bouhs) Die zehn Mythen des Leistungsschutzrechts (golem.de, Friedhelm Greis)
2. “Was bei Claudia Neumann passiert, sprengt alle Grenzen” (spiegel.de)
Wenn Frauen (Männer)Fußball kommentieren, scheint bei einigen Männern alles auszusetzen. Das lässt sich auf unschöne Weise am Beispiel der Fußball-Kommentatorin des ZDF Claudia Neumann zeigen, die im Netz auf übelste Weise angegangen wird.
3. Leuchtturm-Preis 2018 für MeToo-Rechercheteam der ZEIT (netzwerkrecherche.org)
Der “Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen” des “Netzwerk Recherche” geht in diesem Jahr an das MeToo-Rechercheteam der “Zeit”. Damit würdigt der Verein die Recherchen und Veröffentlichungen zur Affäre um Dieter Wedel. Die Vorsitzende von “Netzwerk Recherche”, Julia Stein: “Es ist den Autorinnen und Autoren der ZEIT zu verdanken, dass mit ihrer Recherche ein altes Wertesystem ins Wanken geraten ist: Was an Sexismus und bisweilen sogar an Despotismus lange hingenommen wurde, darf nun nicht mehr sein.”
Weiterer Lesehinweis der Vollständigkeit halber: Das Sternchen-System: Thomas Fischers Zeit-kritische Anmerkungen zum Medien-“Tribunal” gegen Dieter Wedel (meedia, Thomas Fischer vom 29.01.2018)
4. Abmahnungen bei Creative Commons: Wer, Warum, Was tun? (irights.info, Paul Klimpel)
Manche Nutzer greifen zur Bebilderung ihrer Beiträge auf freie Inhalte zurück, die mit einer Creative-Commons-Lizenz versehen sind und erleben ihr blaues Wunder, wenn eine Abmahnung des Lizenzgebers bei ihnen eintrudelt. Der Rechtsanwalt Paul Klimpel erklärt die Thematik und gibt konkrete Tipps, worauf zu achten ist.
5. Großteil der Nothilfe für türkische Journalisten (reporter-ohne-grenzen.de)
Passend zum Weltflüchtlingstag hat “Reporter ohne Grenzen” veröffentlicht, wofür der Großteil der Nothilfe verwendet wurde: Für 111 verfolgte Journalisten, von denen 58 im Exil leben müssen. In einem Zweiminuten-Video stellt “Reporter ohne Grenzen” einige der betroffenen Journalisten vor. Lohnenswert, weil aus den abstrakten Zahlen plötzlich Gesichter werden.
6. Die Flüchtlinge waren nur eine Phase (zeit.de, Theresa Krinninger, Carolin Ströbele, Julius Tröger, Andreas Loos und Alsino Skowronnek)
In letzter Zeit hatten viele den Eindruck, dass deutsche Talkshows von Flüchtlingsdebatten dominiert werden. “Zeit Online” hat sich an die Fleißaufgabe gemacht, die Themen und Quoten von 900 Sendungen auszuwerten: “Die überraschendste Erkenntnis war, dass 2017 und im ersten Halbjahr 2018 die Themen Islam, Flüchtlinge, Integration und Terrorismus eher unterrepräsentiert waren. Insofern trifft der Vorwurf die deutschen Talkerinnen und Talker zumindest zum falschen Zeitpunkt.”
Man muss jedoch erwähnen, dass sich die Rechercheure nach eigener Aussage bei der Zuordnung und Kategorisierung der Sendungen nur an den Sendungstiteln und nicht an den tatsächlichen Inhalten und/oder Teildebatten orientiert haben. Diese Überschneidungen könnten das statistische Ergebnis sicher verändern und das subjektive Empfinden mancher Zuschauer in einem anderen Licht erscheinen lassen.
1. Facebook soll Daten von Nutzern und deren Freunden an mehr als 60 Hersteller von Handys, Laptops und Tablets weitergegeben haben (nzz.ch, Marie-Astrid Langer)
Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, wäre es ein unglaublicher Skandal: Facebook soll über Jahre hinweg Nutzerdaten an mehr als 60 Hersteller von Smartphones und anderer Hardware weitergegeben haben. Und zwar, auch wenn die Nutzer einer Weitergabe an Dritte nicht zugestimmt oder sogar explizit widersprochen hatten. Facebook bestreitet die Vorwürfe mit einer, nennen wir sie „kreativen“ Begründung: Es handele sich um keine Weitergabe von Daten, denn die Gerätehersteller seien als „Erweiterung“ von Facebook zu betrachten.
2. ARD-Talkshow gerät wegen umstrittener Themensetzung unter Druck (deutschlandfunk.de)
Themensetzung, Art der Sendungsankündigung, Einwandbehandlung… Die Redaktion der ARD-Talksendung “Hart aber Fair” sah sich wegen ihrer Sendung über „Flüchtlinge und Kriminalität“ gleich drei Mal starker Kritik ausgesetzt. So wurde der Sendung ein „Framing“ vorgeworfen, ein Begriff, mit dem die Redaktion nichts für sich anzufangen wusste (“Framing? Als Journalisten können wir mit diesem Begriff wenig anfangen“). Was einen Journalismus-Professor auf Twitter zu der Anmerkung veranlasste, dass Journalisten an seinem Institut mit diesem Begriff bereits im ersten Semester in Kontakt geräten.
Weiterer Lesehinweis: Hannah Beitzer hat sich die gestrige „Hart, aber fair“-Ausgabe für die „Süddeutsche Zeitung“ angeschaut.
3. Stolzer Osten (sueddeutsche.de, Antonie Rietzschel)
„Wer braucht den Osten?“, fragt eine dreiteilige MDR-Doku (erster Teil bereits in der Mediathek). Als Markt sei die ehemalige DDR für den Westen attraktiv, doch die Folgen der De-Industrialisierung seien bis heute spürbar. Dennoch würden die Filmautoren einen bisweilen stolzen Osten zeigen. Eine Geschichte der Emanzipation sei es, die auch der MDR hinter sich habe: Von der Ostalgie-Schleuder zum Analysten ostdeutscher Verhältnisse.
4. “Unerträgliche deutsche Arroganz”: Der Spiegel sorgt mit Spaghetti-Galgen als Symbol für Italien-Krise für Kritik (meedia.de, Levin Kubeth & Thomas Borgböhmer)
Das Titelbild der aktuellen „Spiegel“-Ausgabe zeigt Spaghetti, die sich am unteren Ende zu einem Galgenstrick ausformen. Betitelt ist das Cover mit den Worten: „Ciao Amore! Italien zerstört sich selbst – und reißt Europa mit“. Um diese Darstellung wird nun gestritten: Der Titel sei arrogant und überheblich und befeuere Vorurteile. Abgesehen davon lese sich die Story im Heft eher als das Gegenteil der düsteren Abschieds-Metapher.
5. Quo vadis Journalismus? (journalistik.online, Horst Pöttker)
Kostendruck, Outsourcing, Entlassungen, Auflagenrückgang, rapide sinkende Anzeigeneinnahmen… Die Printmedien werden auf vielerlei Weise von den Folgen des digitalen Wandels in die Zange genommen. Welche Perspektiven hat der Journalismus angesichts dieser Herausforderungen? Der Wissenschaftler Horst Pöttker hat sich dazu einige lesenswerte Gedanken gemacht.
6. Das „Stories“-Format erobert das Social Web: Was Unternehmen jetzt wissen müssen (upload-magazin.de, Jan Tißler)
Die Überschrift wendet sich zwar an Geschäftsleute, aber das Thema ist für alle interessant, die im Social Web unterwegs sind. Es geht um die sogenannten „Stories“, wie man sie vor allem von Instagram kennt und die enorme Wachstumsraten aufweisen. Facebooks Produktchef Chris Cox habe gar vorausgesagt, dass „Stories“ im nächsten Jahr zum vorherrschenden Format im Social Web werden würden.
1. Sascha Lobo: der Debatten-Podcast #41. Albrecht, Lobo und die DSGVO (spiegel.de, Audio, 1:18:09 Stunden)
„Spiegel“-Kolumnist Sascha Lobo und Jan Philipp Albrecht, der als einer der Architekten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gilt, haben sich bislang schriftlich einen Schlagabtausch zur DSGVO geliefert (Lobos Kolumne / Albrechts Erwiderung), der bis in die Kommentare reichte. Nun haben sich die beiden für eine Sonderausgabe für Lobos Debatten-Podcast zum Gespräch zusammengesetzt.
3. Zeitungs-Newsletter nach der DSGVO: 80 Prozent der Empfänger verloren? (kress.de, Frank Hauke-Steller )
Müssen sich Versender von Newslettern eine erneute Zustimmung der Bezieher einholen, um den Ansprüchen der neuen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu genügen? Darüber gehen die Meinungen auseinander, selbst bei großen Playern der Medienbranche wie „Süddeutscher Zeitung“ und „Zeit“-Verlag.
5. Von Haien und Putzerfischen (deutschlandfunk.de, Heribert Prantl & Stefan Koldehoff)
Der „Deutschlandfunk“ hat sich mit Heribert Prantl („SZ“) über die Problematik der sogenannten „Hintergrundgespräche“ von Politikern mit Medienvertretern unterhalten, von denen nichts nach außen dringen soll. Prantl hadert mit der Gesamtthematik: „Das vertrackte ist, dass Sie als jemand der Bescheid wissen will, die Nähe zur Politik suchen und zugleich Distanz von ihr halten müssen.“
6. Wie man Teilnehmerzahlen berechnet (faktenfinder.tagesschau.de, Konstantin Kumpfmüller)
Am Wochenende wurde in Berlin von, aber auch gegen die AfD demonstriert. Über die Teilnehmerzahlen gehen die Meinungen bei derartigen Veranstaltungen oft auseinander. Die Veranstalter sind natürlich nicht unbefangen, denn der mediale Erfolg bemisst sich oft nach der Teilnehmerzahl. Schätzungen helfen, es gibt jedoch auch Methoden, um zu genaueren Ergebnissen zu kommen.
… könnte man denken, dass am vergangenen Freitag vermummte Linke und Autonome und Antifa-Aktivisten in Hitzacker Steine geschmissen und Bäume durch die Gegend geworfen, Mülltonnen umgetreten und Randale gemacht haben. Nun ist nicht ganz klar, was in dem Ort in Niedersachsen vor knapp einer Woche genau passiert ist — es steht Aussage (der Polizei) gegen Aussage (der Aktivisten). Aber dennoch ist recht sicher, dass es solche Szenen, wie sie auf den Fotos von Welt.de, shz.de und “Politically Incorrect” zu sehen sind, in Hitzacker nicht gegeben hat. Dennoch verwenden die drei Redaktionen derartige Symbolfotos.
Was ist bislang bekannt? Am frühen Freitagabend ist eine Gruppe linker Aktivisten zum privaten Wohnhaus eines Polizisten gezogen, um dort gegen dessen Arbeits- und Vorgehensweise zu demonstrieren. Es gibt verschiedene Angaben, wie viele Personen es genau waren: wohl irgendwas zwischen 55 und 80. Einige waren vermummt, laut Demo-Teilnehmern rund ein Viertel von ihnen. Am Ende gab es einen Polizeikessel, mehrere Festnahmen und verletzte Demonstranten. Was dazwischen geschah — da gehen die Versionen sehr weit auseinander: Die Polizei spricht in einer Pressemitteilung, die sie noch in der Nacht zu Samstag veröffentlichte, von einer “neuen Qualität der Gewalt” seitens der Aktivisten. Diese wiederum beklagen in einer Pressemitteilung einen “brutalen Polizeiübergriff” während ihres Rückzugs, den sich nach einer guten halben Stunde angetreten seien (auf einen Link verzichten wir, da in der Mitteilung der komplette Name des Polizeibeamten genannt wird). Einig sind sich beide Seiten, dass die Demonstranten Fahnen und Banner der kurdischen YPG am Carport des Beamten befestigt (wohl eine Revanche für eine Polizeiaktion im Februar) und vor dem Haus gesungen haben. Während die Polizei allerdings von “lautstarker Stimmungsmache” spricht, nennen es die Aktivisten “fröhliches” Singen.
Kurzum: Auch eine Woche später lässt sich von außen nicht exakt beurteilen, was vergangenen Freitag in Hitzacker passiert ist. Dennoch haben sich viele Redaktion schon sehr früh festgelegt — und dabei fast ausschließlich die Version der Beamten verbreitet. “60 Vermummte stürmen Grundstück eines Polizisten”, titelt etwa Bild.de, obwohl von “stürmen” und “60 Vermummten” nicht mal die Polizei spricht. Welt.de schreibt, dass “rund 60 zum überwiegenden Teil vermummte Personen das Grundstück und private Wohnhaus eines Polizisten im niedersächsischen Hitzacker gestürmt” hätten.
Die Gegenseite kam in den ersten Tagen — und kommt teilweise bis heute — nicht zu Wort, die Angaben der Polizei wurden nicht hinterfragt. Dabei gibt es durchaus Punkte in der Pressemitteilung, die fragwürdig erscheinen: Was meinen die Beamten beispielsweise mit der Aussage, es handele sich um eine “neue Qualität der Gewalt”? Diese Behauptung wurde von vielen Medien kommentarlos zitiert, sicher auch, weil sie verkaufs- und klickträchtig klingt.
Natürlich heißt das alles nicht, dass die Aktion der Aktivisten, das Aufsuchen eines privaten Wohnhauses mit mehreren Dutzend Personen, nicht kritikwürdig ist. Manche von ihnen haben nach eigener Angabe die Frau und Kinder des Polizisten auch schon um Entschuldigung gebeten. Und natürlich heißt das auch nicht, dass die Version der Polizei auf keinen Fall stimmen kann. Aber es reicht für Redaktionen einfach nicht, nur auf Grundlage einer Polizeimeldung zu berichten, erst recht nicht, wenn die Polizei nicht mehr nur neutrale Behörde ist, sondern wie in Hitzacker auch Beschuldigter und Akteur. Das hat vor Kurzem erst ein Beispiel aus Hessen gezeigt. Gleiches gilt selbstverständlich für die Erzählung der Aktivisten: Das 2:10 Minuten lange Video zum Beispiel mit dem Titel “Hitzacker 18.05.2018 — Was wirklich geschah”, in dem das “Medienkollektiv Wendland” das friedliche Singen zeigt, beweist erstmal nur, was in den im Video zu sehenden Szenen “wirklich geschah” (auf einen Link verzichten wir, da in dem Video der Name der Straße, in der der Polizist wohnt, sowie dessen Haus gezeigt werden).
Mit den eingangs gezeigten Fotos gehen manche Redaktionen dann noch einen Schritt weiter: Sie plappern nicht nur willfährig die Pressemitteilung der Polizei nach, sondern bebildern das Ganze auch noch passend. In diesem Fall und bei der derzeitigen Informationslage ist ein solches Symbolbild dann nicht mehr nur Symbolbild, sondern eine gewagte Festlegung: Wenn nicht genau so, dann war es jedenfalls so ähnlich.
Es ist etwas erschreckend, dass wir Redaktionen, die eigentlich ernst genommen werden wollen (hier: “Welt” und shz.de), in diesem Fall problemlos in eine Reihe stellen können mit den Hetzern von “Politically Incorrect”, von denen man keine sauberere Arbeit erwartet. Und es ist noch erschreckender, dass von diesen drei Portalen lediglich “Politically Incorrect” das verwendete Foto überhaupt als “Symbolbild” deklariert hat. Im “Welt”-Tweet sowie im Artikel bei shz.de fehlt ein solcher Hinweis. Twitter-Follower beziehungsweise Leserinnen und Leser könnten ohne Weiteres denken, dass die Aufnahmen die Geschehnisse in Hitzacker zeigen, vor allem in Kombination mit dem Text im “Welt”-Tweet respektive der Bildunterschrift bei shz.de (“60 teils vermummte Personen haben in Hitzacker das Privatgelände eines Polizeibeamten gestürmt”). Dabei ist auf dem Foto im Tweet der “Welt”-Redaktion etwa ein Anti-Atom-Protest im November 2011 zu sehen.
Andere Redaktionen haben sich ebenfalls für Symbolbilder entschieden. Die mögen etwas zurückhaltender sein, die Wahrnehmung drücken aber auch sie in Richtung “vermummter Mob”:
Man muss Mesut Özil und Ilkay Gündogan dankbar sein. Rechtzeitig vor der nächsten Fußball-Weltmeisterschaft räumen sie mit einem Missverständnis auf, einem von Medien und DFB gepflegten Missverständnis, das den Sieg der deutschen Mannschaft beim vergangenen Turnier zu etwas verklärte, was er nicht war. Es reichten ein paar Fotos der beiden Fußballer mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, die in vielen Redaktionen aktuell für Verwunderung und Entsetzen sorgen.
“Die Mannschaft”, wie sie seit 2015 aus Vermarktungsgründen heißt, ist nämlich keine Wertegemeinschaft. Sie ist, ja!, eine Fußball-Mannschaft. Sie besteht aus Fußballspielern. Fußballspieler sind keine dümmeren Menschen, aber auch keine schlaueren, keine mit edleren Werten als andere.
All das, was Theaterautor, Blogger und Marketingexperte Johannes Kram schon so gemacht hat, würde nicht in diese Box passen. Deswegen hier unvollständig und im Schnelldurchlauf: Nicht nur, aber auch wegen seiner Medien-Kampagne ist Guildo Horn zum “Eurovision Song Contest” gekommen. In seinem neuen Buch “Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber” prangert er die “schrecklich nette Homophobie” auch in den Medien an. Sein “Nollendorfblog” bekam eine Nominierung für den “Grimme Online Award”. Und mit “Seite Eins — Theaterstück für einen Mann und ein Smartphone” hat er Boulevard-Kritik auf die Bühne gebracht. Dafür ein herzliches Dankeschön vom BILDblog.
Klar sollen Spitzenspieler Vorbilder sein, das ist Teil ihres Jobs, sie sollten also möglichst wenig Unsinn in der Öffentlichkeit veranstalten, der von ihren minderjährigen Fans nachgemacht werden könnte. Darüber hinaus ist aber das Gerede von den “Werten der Mannschaft” vor allem Marketing-Geschwätz, Marketing-Sprech, der von den allermeisten Medien kritiklos weiterverbreitet wird. In der Pressemitteilung zum Launch der Marke “Die Mannschaft” ließ der DFB verlauten:
“Die Mannschaft zeichnet ihr Zusammenhalt aus. Wir sind immer füreinander da, wir gehen respektvoll miteinander um, und natürlich stehen wir für den Erfolg”, sagt Mesut Özil. Benedikt Höwedes pflichtet seinem Weltmeister-Kollegen bei. “Das wir in aller Welt als ‘Die Mannschaft’ bezeichnet werden, ist echt etwas Besonders”, sagt er.
Das Unverständnis, das Per Mertesacker von ehemaligen Profis, Experten und auch Medien entgegenschlug, als er im März 2018 über seine Ängste als Profifußballer und früherer Nationalspieler sprach (“irgendwann realisierst du, (…) dass es null mehr um Spaß geht, sondern dass du abliefern musst, ohne Wenn und Aber. Selbst wenn du verletzt bist”), liegt auch darin begründet, dass viele Redaktionen PR-Floskeln wie in der zitierten DFB-Mitteilung allzu gerne unreflektiert weiterverbreiten.
Das Gerede von den Werten ist vor allem dafür da, Produkte zu verkaufen, und vor allem solche, die sich einen Imagetransfer erhoffen. Einen Imagetransfer haben besonders die Marken nötig, die ein Imageproblem haben. Der neue Hauptsponsor VW zahlt deutlich mehr als sein Vorgänger Mercedes, hauptsächlich wohl, weil er es nötig hat. Der Konzern darf sich berechtigte Hoffnungen machen, dass seine Vergehen an der hiesigen Bevölkerung von dieser mit Milde betrachtet werden. Lieber, als in Aufklärung, transparentere Konzernstrukturen und möglichst saubere Autos zu investieren, investiert er in Wohlfühl-Propaganda. Die Spieler der deutschen Nationalmannschaft müssen also bei ihren Fans für Dinge werben, die gegen deren Interesse sind. Ohne das VW-Engagement beim DFB wäre der Druck auf den Konzern vermutlich größer.
Das Problem ist, dass Medien die PR-Geschichten um die Nationalmannschaft weitererzählen, als wären es keine PR-Geschichten, sondern Nachrichten; sie also nicht nur den verlogenen Kern, das Inszenierte, das Verkäuferische an diesen Geschichten nicht offenbaren und problematisieren, sondern — im Gegenteil — durch ihre Berichterstattung Reklame zur Wahrheit machen.
Über einen gemeinsamen PR-Termin im Vorfeld der WM 2010 mit den beiden Mercedes-Werbeträgern Niko Rosberg und Deutsche Nationalmannschaft, einen Termin also, der keinen anderen Grund hat, als die Marke Mercedes über die von ihr bezahlten Sportler zu erzählen, schreiben die “Bild”-Medien:
Mercedes-Pilot Nico Rosberg (24) glaubt fest daran, dass die deutsche Nationalmannschaft Weltmeister werden kann. Und sagte es Poldi & Co. gleich ganz persönlich — in Eppan (Südtirol).
Rosberg besuchte das Trainingslager von Jogi Löws (50) Jungs. Schoss wie ein ganz normaler Fan Erinnerungsfotos mit dem Busfahrer, dem Bundestrainer und Bayern-Profi Philipp Lahm (26).
Doch nicht nur das von Mercedes nahegelegte Storytelling übernimmt “Bild”, sondern auch die direkte Verknüpfung mit dem Markenzeichen:
Lahm spielte mit 21 Jahren seine erste Europameisterschaft (2004 in Portugal). Rosberg fuhr mit 21 seinen ersten Formel-1-Grand-Prix (2006 in Bahrain). Seitdem sind beide Sportler Stars. Und tragen Sterne auf der Brust. Freizeit-Kicker Rosberg (mit dem Mercedes-Stern) wünscht Lahm und dessen Kollegen den vierten Weltmeister-Stern.
Die Penetration des Begriffes des “vierten Sterns” war damals einer der Schwerpunkte der gemeinsamen Markenkampagne von DFB und Mercedes.
Die meisten Medien, allen voran “Bild”, spielen die Marketing-Märchen solange mit, bis es kracht. Und auch danach. Als es während der WM-Vorbereitung 2014 bei einer gemeinsame PR-Autorfahrt mit Rosberg und Spielern der Nationalmannschaft zu einem lebensgefährlichen Unfall kommt, widerspricht kaum jemand, als Team-Manager Oliver Bierfhoff sagt:
Man hat immer im Leben ein Restrisiko, das müssen wir so klein wie möglich halten. Wir werden aber auch weiterhin Aktivitäten und Teamaktivitäten anbieten, wo ein geringes Restrisiko vorhanden ist, uns nicht einigeln und auf eine Sache konzentrieren. Meine Meinung, mit der Mannschaft auch außerhalb des Platzes Aktivitäten zu starten, hat sich nicht geändert.
… und dabei eine Werbeaktion zu einer Art sportlichem Teambuilding umdeklariert.
Die Spieler sind es gewohnt, dass ihre “Werte” zur Promotion entgegengesetzter Anliegen verscherbelt werden. Aktuell müssen sie nicht nur für Autos einer Schummel-Marke werben, sondern auch Kinder zu Süßigkeiten verführen, die zu einem pervers hohen Anteil aus Zucker bestehen. “Nur vollwertige und abwechslungsreiche Kost gewährleistet auch volle körperliche und geistige Leistung. Das Risiko von Sportverletzungen sinkt, die Konzentrationsfähigkeit steigt”, schreibt Nationalmannschaftskoch Holger Stromberg auf der DFB-Website über die “Philosophie” der “Mannschaft”, was natürlich auch reines Marketing-Geschwätz ist. Die offiziellen Sammelkarten der deutschen Nationalmannschaft für die WM 2018 liegen unter anderem dem Ferrero-Produkt Kinder-Riegel bei, bei dem Foodwatch 2016 gesundheitsgefährdende Mineralöle entdeckt hatte.
Die Organisation warf dem Hersteller damals vor, “grob fahrlässig” zu handeln und forderte ihn auf, diese Produkte vom Markt zu nehmen, was dieser verweigerte. Dafür, dass Ferrero sich dazu bis heute nicht erklären muss, werben die Spieler der Nationalmannschaft mit ihrem Imagetransfer. Auch ohne den DFB verkaufen sich Fußballspieler hemmungslos an die Werbeindustrie, während der DFB die Marke “Mannschaft” mit Charaktereigenschaften aufbläst, die sich dem Allgemeinwohl verpflichtet geben. Die Fußballspieler haben das längst begriffen. Sie haben gelernt, sich, ohne viel nachzudenken und nachzufragen, neben irgendwelche Marken zu stellen, in die Kamera zu lächeln und irgendwas Nettes zu sagen. Nicht viel mehr und nicht viel weniger haben Mesut Özil und Ilkay Gündogan jetzt bei Erdogan getan.
1. Streit ums UKW-Netz: Betreiber drohen mit Funkstille (ndr.de, Daniel Bouhs & Kathrin Drehkopf)
Die nachteiligen Folgen von Privatisierung kann man derzeit beim Streit ums UKW-Netz beobachten: Die Privatisierung von UKW-Antennen könnte im schlimmsten Fall das Aus für das UKW-Radio bedeuten. Natürlich liegt es wieder mal am Geld: Sendenetzbetreiber und Antennenbesitzer können sich nicht auf neue Preise einigen. Die „Zapp“-Autoren Daniel Bouhs und Kathrin Drehkopf erklären die verschiedenen Positionen und Interessenlagen in diesem kniffligen Konflikt.
2. VG Media darf Google weiterhin bevorzugen (golem.de, Friedhelm Greis)
Der Suchmaschinenkonzern Google profitiert weiterhin vom Leistungschutzrecht und von der Bevorzugung durch die Verwertungsgesellschaft der Medienunternehmen, der „VG Media“: Das Verwaltungsgericht München hat den Prozess um das Verbot der Gratislizenz ausgesetzt.
Weiterer Lesetipp: Tabea Rösner, Sprecherin für Netzpolitik und Verbraucherschutz (Bündnis90/Die Grünen), schreibt unter Leistungsschutzrecht: Kostet Millionen – bringt nichts: „Es ist unverantwortlich, dass die Bundesregierung weiterhin die seit Jahren versprochene Evaluation des Leistungsschutzrechtes für Presseverleger schuldig bleibt. Allerdings wurde nun mal wieder doppelt bestätigt, dass das Gesetz Unmengen Kosten verursacht und Gerichte über Jahre beschäftigt – indes für die eigentlichen Probleme der Presseverlage in keiner Weise hilfreich ist.“ Laut Jahresbericht habe die VG Media letztes Jahr mehr als zwei Millionen Euro Rechtskosten aufgewendet, um einen Betrag von 30.000 Euro einzunehmen.
3. Das Beste, was dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk passieren konnte (sueddeutsche.de, Claudia Tieschky)
Demnächst entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit der pauschalen Rundfunkabgabe. Claudia Tieschky kann dem Streit um die heftig kritisierte Abgabe auch etwas Positives abgewinnen: „Die Sender müssen sich mit denen auseinandersetzen, die sie nicht mögen. Finanzen können zwangseingezogen und bombenfest sein, ohne die Liebe des Publikums geht Rundfunk einfach nicht.“
4. “Apples Podcast-Charts können leicht manipuliert werden” (t-online.de, Marc Krüger)
Radio-„Futurologe“ und Podcast-Experte James Cridland spricht im Interview ein grundsätzliches Problem der Podcast-Szene an. Es gebe derzeit keine unabhängigen Podcast-Statistiken, welche die gesamte Podcast-Branche widerspiegeln – von kleinen Herzensprojekten bis hin zu den Multi-Millionen-Unternehmen. Apples Podcast-Charts seien intransparent und leicht manipulierbar. Eine Firma würde beispielsweise für Summen zwischen 5.000 und 10.000 Dollar Top-Platzierungen in den Podcast-Charts bei iTunes anbieten. Apples Podcast-Charts seien für ihn dadurch nicht mehr glaubwürdig.
5. Wikimedia-Chefin Maher im Interview: “Vielleicht gibt es nur Platz für eine Organisation wie uns” (heise.de, Torsten Kleinz)
Seit zwei Jahren leitet Katherine Maher die Wikimedia-Foundation und verantwortet damit auch Wikipedia. Im Interview mit „heise online“ spricht sie über Zensur, Motivation und die Unausgewogenheit der Autoren-Community. Absolut lesenswert für uns alle, die wir täglich das Online-Lexikon verwenden, aber viel zu wenig über die Hintergründe wissen.
Weiterer Tipp: Katherine Mahers Auftritt auf der re:publica 2018: “You gotta fight for your right to free knowledge!” (Video, 54 Minuten)
1. Rant: Warum die DSGVO eine Datenschutz-Karikatur ist (t3n.de, Enno Park)
Enno Park hat sich in einem lesenswerten und gut begründeten Rant seinen Frust mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) von der Seele geschrieben. Diese bürde zahllosen Menschen umfangreiche bürokratische Pflichten auf und schaffe Rechtsunsicherheit. Und er schlägt einen großen Bogen zum Staat, der sich zahllose Ausnahmen im Datenschutz gegönnt und ein Überwachungsgesetz nach dem anderen eingeführt hätte: „Angesichts dessen, was die Verfassungsrichter einst bezwecken wollten, ist das heutige Datenschutzrecht mit seiner für zahllose Menschen überbordenden Bürokratie eine traurige Karikatur.“
2. Die Bundesregierung sieht keinen Rechtsextremismus bei Reconquista Germanica – wir schon (motherboard.vice.com, Anna Biselli)
Die rechtsextremen Mitglieder der „Reconquista Germanica” betreiben rassistische Hetze im Netz und verabreden sich zu Online-Angriffen auf politische Gegner. Nun hat sich auch die Bundesregierung zu der Gruppierung geäußert. Der Befund der Regierung: Die Gruppe werde zwar “von Personen des rechtsextremistischen Spektrums genutzt“, aber „es mangele an “tatsächlichen Erkenntnissen über rechtsextremistische Bestrebungen”. „Motherboard“ sieht das anders: Man verfüge über Screenshots und Chatverläufe, die solche “rechtsextremistischen Bestrebungen” durchaus nahelegen würden.
3. “Ich fühle mich schuldig” (zeit.de, Leonie Seifert & Björn Stephan)
Mehrere Frauen werfen dem WDR-Filmchef Gebhard Henke sexuelle Belästigung vor, darunter auch die Autorin Charlotte Roche. Die „Zeit“ hat mit Roche gesprochen, unter anderem auch über die Frage, warum sie sich nicht gewehrt und warum sie bislang geschwiegen habe. Lesenswert auch für all diejenigen, die meinen, mit derlei Fragen Opfer pauschal abqualifizieren zu müssen.
4. Was gilt in der Fotografie nach dem 25.05.2018? (djv.de, Benno H.-Pöppelmann)
Ab dem 25. Mai gilt die neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und viele Fotografen sind verunsichert wegen der neu eintretenden Regelungen. Der Justiziar des Deutschen Journalisten-Verbands DJV hat sich um Erklärungen bemüht. Nicht unbedingt als entspannte Gutgemacht-Lektüre zu empfehlen, aber das ist dem spröden Thema geschuldet.
Und noch ein Lesehinweis: Stayfriends darf Fotos nicht automatisch weitergeben (spiegel.de): Viele Mitglieder des Schulfreunde-Portals „Stayfriends“ (nach eigenen Angaben 20 Millionen Nutzer) haben ihre Profile mit Bildern versehen, die bei einer Google-Suche auch Nichtmitgliedern angezeigt wurden. Dagegen haben nun Verbraucherschützer geklagt und Recht bekommen.
5. Eine Umfrage, die nichts aussagt, aber Stimmung macht (stefan-fries.com)
Der Journalist Stefan Fries ist mal wieder über eine Umfrage gestolpert, die mit einseitigen Vorbemerkungen Einfluss auf das Abstimmungsergebnis nimmt. Eingeleitet von verschiedenen Argumenten gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird dort gefragt: „Wie viel würden Sie monatlich pro Haushalt für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bezahlen, wenn Sie selbst entscheiden könnten?“ Wenig überraschend das Abstimmungsergebnis: Mehr als 40 Prozent der derart Befragten wollten „nichts“ bezahlen…
6. Klötzchengrafik, knapp und präzise (deutschlandfunk.de, Jan Schilling, Audio, 5:08 Minuten)
Man mag es nicht glauben, aber noch immer nutzen Millionen Menschen den Videotext. Jan Schilling erklärt im „Deutschlandfunk“, woran das liegt und wie bei der „ARD“ gevideotextet wird.
1. Immer mehr Betroffene melden sich beim WDR (sueddeutsche.de, Hans Hoff)
Mittlerweile haben sich 16 Frauen bei der vom WDR eingerichteten Anlaufstellen für Betroffene von sexueller Belästigung gemeldet. Als externe Ermittlerin wurde die frühere Gewerkschaftsfunktionärin Monika Wulf-Mathies eingesetzt, die sich um die Aufarbeitung der Fälle kümmern soll. “Der Schaden nach außen ist groß, aber der Schaden intern scheint viel größer“, so das stellvertretende Mitglied des WDR-Rundfunkrats Karin Knöbelspies.
2. Angriff aus der Werbebranche (deutschlandfunk.de, Christopher Ophoven, Audio, 4:43 Minuten)
Die Firma Ströer ist der größte Werbevermarkter Deutschlands. Seit einiger Zeit will man jedoch nicht nur mit der Vermietung von Werbeplakaten und elektronischen Werbetafeln, sondern auch mit journalistischen Inhalten Geld verdienen. Die neueste Ströer-Investition: Das Nachrichtenportal für junge Leute „Watson.de“.
3. Aktion gegen rechten Hass im Netz (faktenfinder.tagesschau.de, Wolfgang Wichmann)
Mit “Reconquista Internet” will der Satiriker und Moderator Jan Böhmermann das Internet zurückerobern. Dem Hass im Netz sollen „Liebe und Vernunft” entgegengesetzt werden. Mehr als 50.000 Leute schlossen sich bislang der Gruppe an („Wir haben aus Versehen eine Bürgerrechtsbewegung ins Leben gerufen“). Doch es gibt auch Kritik. So wirft FDP-Generalsekretärin Nicola Beer Initiator Böhmermann “Blockwart-Denke in schlimmster Tradition beider deutscher Diktaturen“ vor.
4. Die Bundeswehr bei der rp18 – eine Chronologie. Und ein paar Fragen. (18.re-publica.com, Andreas Gebhard & Johnny Haeusler & Markus Beckedahl & Tanja Haeusler )
Die Republic-Macher haben ihre Sicht zur Guerilla-Marketing-Aktion der Bundeswehr aufgeschrieben. Die Chronik endet mit Worten, denen man die nachhaltige Verstörung anmerkt: „Es ist verrückt: Wir diskutieren auf der re:publica unter anderem die Folgen von Missinformation und Fake News, wie sie entstehen, wie man sie verhindern kann. Welche schwerwiegenden Folgen sie haben können. Und dann das. Von der Bundeswehr. Einer Verteidigungsarmee, die schützen und in Konfliktfällen deeskalierend wirken soll. Die völlige Unsensibilität der Bundeswehr gegenüber einer Veranstaltung wie der re:publica wirft die Frage auf, wie diese Armee wohl in fremden Kulturen, gegenüber Menschen in Krisengebieten agiert.“
Weiterer Lesetipp: Bundeswehr & re:publica – eine Materialsammlung (augengeradeaus.net, Thomas Wiegold)
5. Reporterfabrik startet im Spätsommer (journalist-magazin.de, Monika Lungmus)
Der Aufbau der „Reporterfabrik“ von Correctiv-Gründer David Schraven und dem langjährigen Spiegel-Journalist Cordt Schnibben schreitet voran: Im Sommer soll die „Journalistenschule für jeden“ mit zwölf Workshops an den Start gehen.
6. Zweierlei Volk (robert-habeck.de)
Robert Habeck, Bundesvorsitzender der Grünen, sollte in einem Interview zu einzelnen Begriffen seine Assoziationen in einem Satz nennen. Bei „Volksverräter“ assoziierte er: „… ist ein Nazibegriff. Es gibt kein Volk und deshalb auch keinen Verrat am Volk. Das ist ein böser Satz, um Menschen auszugrenzen und zu stigmatisieren.“ Seit ein paar Tagen würden nun Rechte einen Twitter-Feldzug gegen ihn führen, bei der sie seine Aussagen sinnverfälschend umarrangierten. Und als er dachte, der Spuk sei zu Ende, beteiligte sich eine seriöse Zeitung an der Sache.
1. Der Journalist, dein Freund und Helfer (taz.de, Marco Carini)
Unterstützen einige Hamburger Medien die Polizei bei der Verfolgung mutmaßlicher G20-Straftäter und fungieren dabei gar als willfährige Hilfssheriffs? Der Eindruck könnte zumindest entstehen, wenn man liest, was Marco Carini für die „taz“ aufgeschrieben hat.
2. „Wir wissen, dass es keine Einzelfälle sind“ (journalist-magazin.de, René Martens)
Journalisten vom „Recherchezentrum Correctiv“ und dem „Stern“ haben über mehrere Fälle sexueller Belästigung beim „WDR“ berichtet. Im Interview erzählen die beiden Autoren, wie es zu der Geschichte gekommen ist, ob noch mit weiteren Fällen zu rechnen ist und wie sie damit umgehen, dass von Seiten des rechten Milieus versucht wird, die Recherchen für den Propagandakampf gegen das öffentlich-rechtliche System zu instrumentalisieren.
Weiterer Lesetipp: Frauen machen sich für freigestellten WDR-Mann stark (sueddeutsche.de)
3. Liebesgrüsse aus Moskau (medienwoche.ch, Adrian Lobe)
Vom 14. Juni bis zum 15. Juli 2018 findet in Russland die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 statt. Pünktlich dazu hätten Russlands Auslandmedien eine mediale Charmeoffensive gestartet voller Positiv-Geschichten und Promis, so Adrian Lobe. Der TV-Sender „RT“ würde sich das Unternehmen einiges kosten lassen und hätte eine Menge Geld für Prominenz aus dem Westen aufgewendet.
4. #journalistenschule (2018.djs-online.de)
Zum Tag der Pressefreiheit (3. Mai 2018) besuchten Absolventen der Deutschen Journalistenschule ihre ehemaligen Schulen, um über Journalismus zu sprechen, von ihrer Arbeit in Redaktionen und Pressestellen zu berichten und über ethische Grundsätze, Fehlerquellen und “Fake News” zu diskutieren. Im Blog berichten sie nun von ihren Erlebnissen und Eindrücken in den von ihnen besuchten Schulen.
5. Fotografieren in Zeiten der DSGVO – Große Panikmache unangebracht (rechtambild.de, Florian Wagenknecht)
Die ab dem 25. Mail geltende Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sorgt bei vielen Menschen für regelrechte Panik. Besonders Fotografen sehen sich durch die neuen Regelungen bedroht, manche sogar existenziell. Der Jurist Florian Wagenknecht hält derlei Panik für übertrieben und ordnet die Regelungen ein.
6. Spam: 40 Jahre Werbe-Mails (heise.de, Detlef Borchers)
Hurra, die Spam-Mail wird 40! Am 3. Mai vor 40 Jahren wurde die erste Werbe-Mail an 320 Postfächer von Nutzern des damaligen Arpanets verschickt. Detlef Borchers erinnert an das denkwürdige Datum und erzählt noch einmal die Geschichte nach, wie es zu dem Begriff um das „Frühstücksfleisch in Dosen“ kam.
Sondertrack re:publica 2018: Empfehlungen für Besucher und Daheimgebliebene
1. Erfrischend, erstaunlich, bedrückend – ein Zwischenfazit (tagesspiegel.de, Sebastian Leber & Hendrik Lehmann & Carsten Werner & Kurt Sagatz & Jana Demnitz & Marius Mestermann & Markus Lücker)
Das „Tagesspiegel“-Team hat den kompletten zweiten Konferenztag im Newsblog begleitet und seine Eindrücke in gut lesbaren Häppchen zusammengeführt.
2. “Keinen Rekrutierungsstand für ihre Cyberarmee” (deutschlandfunk.de, Markus Beckedahl, Antje Allroggen)
Republica-Gründer Markus Beckedahl bleibt im Gespräch mit dem Deutschlandfunk dabei, dass es die richtige Entscheidung war, die uniformierte Bundeswehr nicht auf der Konferenz zuzulassen: “Wir haben gesagt, dass wir keinen Rekrutierungsstand für ihre Cyberarmee haben möchten.“
3. re:publica: Sascha Lobo plädiert für offensiven Sozial-Liberalismus (heise.de, Torsten Kleinz)
Torsten Kleinz fasst bei „heise“ den Republica-Vortrag von Sascha Lobo zusammen, in dem dieser vor einem Abdriften Europas in autoritäre Gesellschaftsstrukturen warnte. Den für Populismus anfälligen Bevölkerungsschichten müssten bessere Alternativen aufgezeigt werden, so Lobo. Außerdem plädierte er für mehr Toleranz: “Lasst die Leute einfach tun – solange es im Rahmen der Werte der liberalen Demokratie bleibt.”
Der Vortrag ist auch auf YouTube verfügbar: Pop und Anti-Pop – Wie das Internet uns lehrte zu kämpfen. Und wofür. (65 Minuten)