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“Bild” wirkt (2)

Dass ein mutmaßlicher “Nackt-Test für Ausländer” nach niederländischem Vorbild, über den “Bild” gestern groß zu berichten wusste (siehe Ausriss), zumindest in den Niederlanden kein “Nackt-Test” ist, sollte inzwischen eigentlich jedem klar sein, weil viele Medien die Null-Meldung der “Bild”-Zeitung zum Anlass nahmen, selbst darüber zu berichten.

Stellvertretend sei hier nicht Zeit.de, sondern Süddeutsche.de zitiert:

“Von einem ‘Nackt-Test’, auf den die Bild-Zeitung sich fragend bezieht, kann also keine Rede sein. Es geht offenbar darum, einbürgerungswilligen Ausländern ein umfassendes Bild von der Gesellschaft zu vermitteln, in der sie leben möchten — mit allen Facetten.”

Ebenfalls herumgesprochen haben sollte sich eigentlich auch, was beispielsweise die niederländische Regierung über das Einbürgerungsprojekt “Naar Nederland” bzw. über die dazugehörigen Bilder einer barbusige Frau zu sagen hat, die “Bild” und Bild.de so aufgeilte offenbar gar nicht oft genug zeigen konnten:

1.) “Zu den Bildern werden keine Fragen gestellt.”

2.) “Die Auftraggeber haben beschlossen, zwei Versionen des Films herauszugeben. Eine usprüngliche Version, in der die Offenheit niederländischen Zusammenlebens explizit zu sehen ist (Bilder eines Strandes mit einer Frau mit entblößtem Oberkörper, ein Popkonzert und zwei sich küssende Männer), und eine ‘gekürzte’ Version, in der diese drei Bilder nicht vorkommen, weil der Besitz solchen Bildmaterials in einigen Ländern Strafverfolgung nach sich ziehen kann.”
(Übersetzung von uns.)

So ähnlich stand es immerhin am vergangenen Dienstag (nachdem zuvor die “FAS” das Thema in einem Interview mit Innenminister Wolfgang Schäuble aufgebracht hatte) auch bei Spiegel Online:

“Vorbereiten auf den Test und das Leben im einst so liberalen Land hinter den Deichen können sich die Einwanderer mit einem Buch, das es in 14 Sprachen gibt, und mehreren CD-Roms, die auch Videoaufnahmen enthalten. Weil dabei nackt badende Frauen und Schwule zu sehen waren, die sich in der Öffentlichkeit küssen, kam es zu Protesten von Muslimen. Seitdem gibt es eine keusche und eine unkeusche Version – beide kosten stolze 63,90 Euro.”

In “Bild” steht das natürlich nicht. Dort heißt es über das niederländische Projekt bloß:

“Dort bekommen Ausländer, z. B. aus muslimischen Ländern, schon vor der Einreise eine DVD zugeschickt (Kosten: 63,90 Euro), die das typische Leben in den Niederlanden darstellt.

Zu sehen sind unter anderem küssende Schwulen-Paare und Urlauberinnen, die ‘oben ohne’ am Strand planschen.”

Und würden wir uns kritisch mit der Berichterstattung von Spiegel Online auseinandersetzen, müssten wir uns jetzt wohl fragen, warum Spiegel Online am Tag der “Nackt-Test”-Meldung in “Bild” plötzlich nichts mehr zu wissen scheint von den zwei unterschiedliche “keuschen” Versionen und stattdessen (O-Ton Spiegel Online: “einem Zeitungsbericht zufolge”) nur pauschal behauptet, es seien dort “unter anderem Frauen, die in der Öffentlichkeit ‘oben ohne’ baden, und sich küssende Homosexuelle” zu sehen.

Die traurige Antwort würde lauten: weil offenbar auch Spiegel Online irgendwelchen irreführenden “Bild”-Behauptungen mehr traut als den eigenen Berichten.

Mit Dank an Jürgen K. und viele andere für den Hinweis.

Nein, die spinnen nicht

Die Geschichte ist peinlich, in der Tat. Da hatte offenbar das offizielle Internet-Portal der Hansestadt Bremen in ihrem Online-Tourismusführer lauter veraltete Etablissements empfohlen: Diskotheken, die es seit Jahren nicht mehr gibt, Biergarten-Lokale, die gar keinen Biergarten haben – und dort, wo angeblich die leckersten Bratkartoffeln in ganz Bremen zu finden sind, hat längst eine Schwulenkneipe aufgemacht.

Die Bremer “Bild”-Redaktion hat’s gemerkt und am Montag einen Artikel draus gemacht:

Und womöglich stimmt das sogar mit den veralteten Adressen. Dafür spricht, dass sie inzwischen allesamt nicht mehr im “GastroNavigator” der offiziellen Bremen-Website zu finden sind. Falsch ist das, was “Bild” da aufgeschrieben hat, trotzdem. Heißt es doch in dem Artikel:

“Die Seiten sind von der Bremer Touristik-Zentrale (BTZ) zusammengestellt worden.”

Und das, obwohl sie gar nicht von der Bremer Touristik-Zentrale (BTZ) zusammengestellt wurden, wie man wiederum ganz leicht auf der offiziellen Bremen-Website nachlesen kann, wo es nämlich heißt:

“Die Bereichsredaktion Tourismus wird von bremen.online betreut.”

Um es also mit den Worten des BTZ-Geschäftsführers Peter Siemering zu sagen: “Alles, was inhaltlich auf die BTZ bezogen wird, ist falsch.”

PS: Der “Bild”-Artikel über die vermeintlichen “Patzer der BTZ” endet mit den Worten:

“Liebe Tourismus-Zentrale,
vielleicht solltet Ihr mal regelmäßig die Adressen auf Eurer Homepage kontrollieren. Dann kommen vielleicht auch bald mehr Touristen in die Stadt.”

Und vielleicht, liebe “Bild”-Redaktion, solltet Ihr mal die Artikel in Eurer Zeitung richtig recherchieren. Dann kommen vielleicht auch bald weniger Einträge wie dieser zustande.

Mit Dank an Wolfgang L. für Hinweis und Scan.

“davor” = “danach”

Diese Geschichte ist uninteressant. Es ist eine von diesen dummen Wowereit-fast-wieder-umgedreht-Geschichten, die “Bild” so liebt, der Anlass ist ein schlichter Begrüßungsbussi mit Franziska van Almsick bei einer Gala.

Aber da gibt es ein bemerkenswertes Detail. Bei Bild.de heißt das Stück “Hier verzaubert Franzi Berlins Regierenden Bürgermeister”. Und fast der gesamte Artikel beschäftigt sich mit diesem Moment, in dem es — so suggeriert Bild.de — zwischen dem schwulen Bürgermeister und dem ehemaligen Sportstar funkte:

Ich schau dir in die Augen, Süße — und geb dir gleich einen Kuß…

Ein Blick, so verträumt wie bei einem Liebespaar, die Lippen erwartungsvoll gespitzt: Hinreißend – hier verzaubert Franzi Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (51). Der schien ganz begeistert: der Klaus ganz WOWereit! (…)

Kein Wunder, daß selbst der Bürgermeister seinen Blick nicht abwenden konnte.

Doch zu einem Kuß auf Franzis süße Schnute wollte er sich dann doch nicht durchringen: Kurz davor “bog” er ab, drückte ihr einen herzhaften Schmatzer auf die Wange…

All das ist im Grunde nur die Betextung dieses Fotos (Ausriss links), das auch erster Teil einer dreiteiligen Fotogalerie bei Bild.de ist. Bildtext dort: “Klaus Wowereit spitzt schon die Lippen, hat sein Ziel im Visier — und Franzi schmachtet ihn an…” (Auf den nächsten beiden Fotos folgen dann die Bussis.)

Die gleichen Fotos finden sich am 23. September auch in der gedruckten “Bild”, sogar durchnummeriert, aber in anderer Reihenfolge:

Hier soll der Blick von Wowereit und van Almsick nach den Bussis stattgefunden haben, Bildtext: “Danach himmeln sich beide an.”

Wie gesagt: Uns interessiert sehr wenig, in welcher Reihenfolge sich dieses Ereignis wirklich abgespielt hat. Aber wir merken uns: Im Zweifelsfall würde die “Bild”-Zeitung Fotos in jede beliebige Reihenfolge bringen, um zu beweisen, was immer sie beweisen will.

Stille Post

In der “Welt” stand gestern die etwas seltsame “Geschichte einer wundersamen Freundschaft”. Anlass war der 15. Jahrestag des tödlichen RAF-Attentats auf den Deutsche Bank-Chef Alfred Herrhausen. “Welt”-Autor Ulli Kulke war nämlich damals, am 30. November 1989, Wirtschaftsredakteur bei der “taz” und erinnerte sich nun, 15 Jahre später, für die “Welt” an Herrhausens Todestag – und an Tanja Neumann. Denn Neumann (damals 27 Jahre alt, Studentin und “taz”-Autorin) hatte Kulke unmittelbar nach dem Attentat erzählt, dass sie Herrhausen bereits 1982 als Schülerin bei einer TV-Diskukussion kennengelernt hatte. Und was Neumann vor 15 Jahren noch erzählt hatte, fasste Kulke gestern in der “Welt” zusammen:

“Drei, vier Mal wöchentlich hatte sie mit dem Bankenchef telefoniert, mal länger, mal kürzer. Seit sieben Jahren. Sie schrieb ihm Briefe, 300, 400 lange Briefe; er rief sie an, tagsüber, abends. (…) Während Tanja über all die Jahre den Kontakt geheim hielt (…), scheute sich Herrhausen nicht, sein Umfeld über seinen Draht zur Szene auf dem Laufenden zu halten. Die Sekretärin stellte durch; die Ehefrau Traudl Herrhausen zu Hause ebenso. (…) Seine Neugier war eben unbändig, wenn es um die nachwachsenden Köpfe ging, egal ob 68er oder 86er, Generation Käfer oder Golf.”

So, und was macht “Bild” heute? Erzählt die irgendwie rührende Erinnerung an Herrhausen nach und macht daraus:

Und die ebenso schwüle wie irreführende Überschrift zu der Nacherzählung lautet in “Bild” natürlich:

Mon cher ami

Franz-Josef Wagner schreibt heute einen Brief an Klaus Wowereit, und wir müssen ein bisschen ausholen.

Der Regierende Bürgermeister von Berlin musste sich nämlich gestern im Abgeordnetenhaus dafür rechtfertigen, dass er bei einer öffentlichen Veranstaltung Désirée Nick geküsst hat. Einige Fotos von diesem Moment machten in Berlin und in “Bild” Schlagzeilen. Nachdem ein CDU-Abgeordneter gefragt hatte, ob das mit der Würde seines Amtes vereinbar sein, rechtfertigte sich Wowereit ausführlich.

Franz-Josef Wagner fühlte sich bei dieser Rede an die Sätze von Willy Brandt und Richard von Weizsäcker im Abgeordnetenhaus erinnert, bzw.: nicht erinnert. Denn die hätten die Freiheit verteidigt, Wowereit aber sein “Fundi-Schwulsein”.

Unter “Fundi-Schwulsein” versteht Wagner dem Anschein nach das, was gemeinhin “Homosexualität” genannt wird: Männer, die nicht schwach werden, wenn plötzlich, sagen wir, Paris Hilton vor ihnen steht. Das ist ein bisschen unflexibel, aber das gibt es. “Fundi” ist natürlich alles andere als ein positiv besetzter Begriff in der Welt von “Bild”.

Wagner weiter:

Sie verwahrten sich gegen Unterstellungen, Désirée Nick habe Sie umgedreht.

Das ist typisch, riefen Sie in den Plenarsaal, da ist ein schwuler Mann und eine schöne Frau (na, na, der Kolumnist) und schon heißt es “umgedreht”. Das sei wie bei Frau Schavan, die als lesbisch diskriminiert wird. Es sei gegen die Menschenwürde, ereiferten Sie sich.

Mon cher ami, ist es wirklich so schrecklich, in den Verdacht zu geraten, nicht 150prozentig schwul zu sein?

“Nein”, rufen natürlich an dieser Stelle die “Bild”-Leser im Chor, die nicht aufgepasst haben. Denn darum ging es Wowereit nicht. Als diskriminierend bezeichnete er die Annahme, dass man Schwule nur mit einer schönen Frau konfrontieren müsse, und schon könne man sie ändern.

Das ist genau, was “Bild” mit seiner Titel-Schlagzeile getan hat, und das ist in der Tat diskriminierend. Es ist auch mehr als nur ein lustiger Boulevardzeitungswitz, wie man zum Beispiel hier nachlesen kann.

Wagner suggeriert weiter, Wowereit hätte sich mit dem Thema in die Öffentlichkeit gedrängt, anstatt wichtigere Dinge zu verhandeln. Jedenfalls ist zu vermuten, dass er das suggerieren will, wenn er diese Sätze hintereinander schreibt:

Mon cher ami, ist es wirklich so schrecklich, in den Verdacht zu geraten, nicht 150prozentig schwul zu sein? Ist es nicht viel schrecklicher, daß 40 Prozent unserer Berliner Türken arbeitslos sind. Die Quote der türkischen Sozialhilfeempfänger ist dreimal so hoch. Ist es nicht schrecklich, daß ein Türke, der Deutsch lernen will, in Berliner Volkshochschulen abgelehnt wird – kein Geld, keine Lehrer.

Nach Darstellung verschiedener Medien hat Wowereit wohl tatsächlich sehr, sehr lange zu dem Thema geredet. Tatsache ist aber auch, dass Wowereit das Foto und das Thema nicht groß in die Öffentlichkeit gebracht hat (das war “Bild”) und dass er es auch nicht auf die Tagesordnung im Berliner Abgeordnetenhaus gesetzt hat (das machte die Opposition durch ihre Frage danach).

O-Ton Wagner:

Die Würde der Schwulen geht mir langsam auf den Keks – und Ihr Markenzeichen schwul auch. Schwulsein ist nicht besser.

Noch einmal zum Mitdenken: “Bild” stellt ein Foto vom knutschenden Wowereit auf die Titelseite und bringt es in absurder Weise in Verbindung mit seinem Schwulsein. Und wenn Wowereit sich darüber beschwert, schreibt “Bild”, er soll doch aufhören, dauernd sein Schwulsein in den Vordergrund zu stellen.

Den Satz “Die Würde der Schwulen geht mir langsam auf den Keks” muss man sich merken. Das ist ungefähr so, als würde sich ein Schläger darüber beklagen, dass die Schreie seiner Opfer immer so einen ruhestörenden Lärm verursachen.

“Bild” sprach zuerst mit… dem Friseur

(Nur nicht aufregen!)
Es stimmt, dass dieser Schnappschuss in der gestrigen “Bild”-Zeitung kurzzeitig Beachtung fand. Kaum ein TV-Promimagazin beispielsweise, das ihn (im Zusammenhang mit der Berichterstattung über eine Aids-Gala, während der das Foto entstand) nicht beiläufig gezeigt hätte: RTL-Dschungelshow-Gewinnerin Désirée Nick und Klaus Wowereit, Berlins Regierender Bürgermeister, küssen sich inmitten einer von zahlreichen Kamerateams und Journalisten besuchten Benefizveranstaltung, zu der Wowereit in Begleitung seines langjährigen Lebensgefährten gekommen war.

Und wer weiß, vielleicht stimmt es ja wirklich, vielleicht hat “Bild” ja Recht, wenn sie heute, groß, auf der Titelseite, unter der völlig sinnentleerten Überschrift “Wowereit nicht mehr schwul?” behauptet: “Ganz Deutschland diskutiert über einen Zungenkuss.” Wer weiß. (Wir wissen ja alle nicht mal, ob das, was der Schnappschuss zeigt, überhaupt ein Zungenkuss war: Nicks “Bild”-Statement gestern war gewohnt kokett, und Wowereit hatte “nicht die Absicht, das zu kommentieren.“)

Allerdings nennt “Bild” heute für die Behauptung, dass “ganz Deutschland diskutiert”, keinerlei Belege. Nein, stattdessen hat “Bild” offenbar ausschließlich mit “Promi-Friseur Udo Walz (60)” gesprochen – und mit dem Sexualwissenschaftler Wilhelm Preuss (keine Altersangabe). Doch dazu später.

Walz jedenfalls sagt laut “Bild” nicht, wie diese zur Titelstory gehörige Schlagzeile suggeriert: “Solche Küsse küsst doch kein schwuler Mann!” Nein, Walz plaudert nur ein wenig drauflos, findet, solche Küsse gehörten “nicht in die Öffentlichkeit”, und beendet sein längliches “Bild”-Statement mit den nichtssagendem Worten:

“Aber bei Wowi reden wir ja nur von einem Kuß. Und abgesehen davon, daß es wirklich wichtigere Probleme auf der Welt gibt als so ein Bussi. Ein Kuß, ganz egal zwischen wem, ist und bleibt doch eine der schönsten Sachen der Welt.”

Das war’s. Beziehungsweise war’s das noch nicht ganz. Denn “BILD-Medizin-Redakteur Dr. Christoph Fischer” hat ja noch mit erwähntem Sexualforscher gesprochen, der auf die drängenden Fragen der “Bild”-Macher (“Ist Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (51, SPD) gar nicht mehr schwul?” bzw. “Kann ein Schwuler wieder Frauen lieben?” und “Kann ein Schwuler wieder Frauen sexuell begehren?” usw.) sogar eine Antwort hat. Sie lautet zusammengefasst:

“Das ist ganz unwahrscheinlich.”

PS: Und nachdem das gesagt ist, kann man das, was darüber hinaus “Bild”-Kolumnist Franz Josef Wagner zum Thema beizutragen zu haben glaubt, bestenfalls ignorieren — und (mit Dank an Tommy für den sachdienlichen Hinweis) daran erinnern, dass “Bild” am 16.2.2002 unter der Überschrift “Kann Sabine Christiansen Wowereit umdrehen?” schon mal fast dieselbe Story druckte, was die “Zeit” damals übrigens “praktizierte Offenheit gegenüber dem Schwachsinn” nannte…

ARD inkonsequent, “Bild” nur ein bisschen

Bei der ARD spinnen sie alle. Erinnern Sie sich?

“Als ARD-Moderator wurde Max Schautzer (64) gefeuert – zu alt!“,

stand Ende August in “Bild am Sonntag”, nachdem die ARD Schautzers Langweiler-Show “Immer wieder Sonntags” an den 26-jährigen Sebastian Deyle abgegeben und Schautzer ein Buch mit dem merkwürdigen Titel “Rock’n’Roll im Kopf, Walzer in den Beinen” geschrieben hatte, siehe Google-Cache). Einen Tag später legte “Bild” empört nach (siehe noch mal Google-Cache und Bildblog):

“Bei ARD und ZDF sitzen die Alten in der letzten Reihe.”

Zwei Monate später nun der nächste Rausschmiss bei der altenfeindlichen ARD: Der Sender wird bei der Show “Wenn das kein Grund zum Feiern ist” künftig ohne Schlagersänger Patrick Lindner (44) feiern. Die Sensation: Lindner wird “ersetzt durch den 13 Jahre älteren Michael Schanze”. Übel, übel. Und was titelt “Bild” dazu? Etwa:

“ARD feuert Patrick Lindner (44) – weil er zu jung ist“?

Nein, nein. Sondern:

“Flog Patrick Lindner bei der ARD, weil er schwul ist?

Muss ein ganz schöner Sauhaufen sein, diese ARD.
Glauben Sie nicht?

Hof ohne Berichterstatter

“Bild” will als Konsequenz auf das “Caroline-Urteil” bis auf weiteres auf Homestories über Politiker verzichten. Nach dem “Straßburger Maulkorburteil” sei rechtlich unklar geworden, was an kritischer Berichterstattung über Prominente, vor allem über Politiker, noch erlaubt sei, sagte Chefredakteur Kai Diekmann dem “Focus”. “Deshalb müssen wir umgekehrt beim Leser jetzt von vornherein jeden Anschein vermeiden, wir würden mit eingebauter Schere im Kopf nur noch Hofberichterstattung betreiben.”

“Homestories” ist natürlich ein Begriff, der Fragen offen lässt: Würden wir in Zukunft nicht mehr aus “Bild” erfahren, dass die dreijährige Adoptivtochter der Schröders schon “Papa” zum Kanzler sagt? Oder wie das aussah, als er das Grab seines Vaters besuchte? Dass Guido Westerwelle einen Freund hat?

Ist das das Ende von allem?

Zum Weglaufen

In seiner “Bild”-Kolumne “Mein Tagebuch” erzählt Claus Jacobi ohne ersichtlichen Zusammenhang unter anderem folgende Anekdote:

Vorsicht

Ein Mann mit Koffer hastete durch Berlins Flughafen Tegel. “Wohin so eilig?”, fragte ein Freund. Der Mann setzte seinen Koffer ab und sagte: “Im NS-Reich wurde es verfolgt. Unter Adenauer war es verboten. Unter Kohl wurde es erlaubt. Jetzt werden sie als Pärchen in der Kirche gesegnet.” Er nahm den Koffer wieder: “Ich will weg sein, bevor es Pflicht wird.”

Die Anekdote handelt offensichtlich von Homosexualität. Im Dritten Reich wurden rund 100.000 Menschen wegen ihrer Homosexualität in Konzentrationslager verschleppt und gefoltert, zwei Drittel davon ermordet. Viele weitere wurden zwangskastriert. Bis 1969 stellten die Paragraphen 175 und 175a homosexuelle Handlungen unter Strafe und trieben viele Schwule in die Isolation oder den Selbstmord. Erst 1994 wurde das Sonderstrafrecht für Homosexuelle abgeschafft.

Und Claus Jacobi erzählt einen Witz darüber, dass die Situation nicht 1933, nicht 1945, nicht 1954, nicht 1969 zum Weglaufen war, sondern heute, wo Schwule und Lesben viele Rechte haben und sichtbar in verantwortlichen Positionen sind. Was will er uns damit sagen?

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