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Nachwuchs beim DJV, Adblocker, Piratenradio

1. Aufruf zum Gemeinsamen
(medienwoche.ch, René Zeyer)
Angesichts der Angriffe auf Journalisten fordert René Zeyer, dass Medien zusammenstehen: Es sei nun nicht mehr die Zeit für Schuldzuweisungen, für gegenseitige Einteilungen in “rechtskonservativer Kampfjournalist” versus “linker Gutmensch”. Nun gehe es um die Verteidigung der Pressefreiheit. Wobei auch der Staat durchgreifen sollte: “Sonst versagt er in seinem Kern.” Siehe dazu auch die “Blogrebellen” über Angst und eine “Schere im Kopf”. Einen Überblick zur Gewalt gegen Journalisten gibt es bei n-tv.de und faz.net.

2. DJV-Treffen: “Ah, die Schülerzeitung ist auch da”
(ndr.de, Sabine Schaper)
Zwei “Zapp”-Reporterinnen waren beim Verbandstreffen des DJV. Und nicht nur wegen des Zitats aus der Überschrift können sie sich “über Nachwuchssorgen beim DJV nicht mehr wundern”. Offensichtlich trauen die überwiegend (mittel)alten männlichen Anwesenden zwei jungen Frauen nicht zu, dass diese mehr als “ein schönes, lustiges Stück”, vielleicht “fürs Kinderradio” machen. Thomas Otto Jenny Genzmer nimmt das beim “Deutschlandfunk” zum Anlass, über das “Politikum Frau” nachzudenken, und verlinkt unter anderem die Reaktionen von DJV- und BJV-Verantwortlichen.

3. Wie junge Menschen über Adblocker denken
(statista.com, Andreas Grieß)
“Statista” hat 1002 Personen zwischen 18 und 35 Jahren gefragt, was sie von Adblocker halten — mit einem Ergebnis, das vielen Medien nicht gefallen dürfte: “Von den Befragten gaben mehr als die Hälfte an (53 Prozent), Adblocker zu verwenden.” Außerdem sagen 43 Prozent, dass betroffene Webseiten am besten “An den Ausgaben sparen” sollten, wenn ihnen durch Adblocker Einnahmeverluste entstehen.

4. Gekündigte Pädagogin: Auch “Krone” druckte Namen von Magistratsbeamtin
(horizont.at, Timo Niemeier)
Der Ablauf: Die “Kronen Zeitung” schreibt Quatsch über eine gekündigte Kindergartenmitarbeiterin. Das Medienwatchblog kobuk.at kritisiert die “Krone” dafür. Ein “Krone”-Redakteur kritisiert daraufhin kobuk.at, weil ein Name einer beteiligten Magistratsbeamtin nicht geschwärzt wurde. Eben dieser kritikfreudige “Krone”-Redakteur veröffentlicht einen Artikel, in dem er den Namen einer Magistratsbeamtin nicht schwärzt. Und dafür gibt’s jetzt Kritik von horizont.at und kobuk.at.

5. Anti-ALDI-Rant aus dem SPIEGEL-Kindergarten
(wortvogel.de, Torsten Dewi)
Torsten Dewi nimmt einen “Bento”-Artikel über Aldi Satz für Satz auseinander. Am Ende bleibt davon nicht viel übrig: “Leider habe ich mittlerweile festgestellt, dass bento gerne auch banal, oberflächlich, großmäulig und pubertär auf der Klaviatur nicht des SPIEGELs, sondern der Huffington Post und Buzzfeed spielt.”

6. Illegaler Sender: Radioanarchie an der Grenze
(ndr.de, Joop Wösten, Video, 4:50 Minuten)

Von Notdurft-Afghanen und Hetz-Österreichern

Nach einem kurzen Anflug von Besonnenheit sind die “Bild”-Medien inzwischen ja wieder zurück in ihrer gewohnten Spur.

Die österreichischen Boulevardblätter “Österreich” und “Kronen Zeitung” haben den Panikkurs dagegen gar nicht erst verlassen. Seit Wochen schlagen sie auf den Titelseiten immer wieder Alarm:








(Zum Begriff der “Völkerwanderung” hat sueddeutsche.de ein interessantes Interview geführt.)







(Quelle übrigens: Rainer Wendt.)

Die (vorerst) übelste Panikattacke hat sich die “Kronen Zeitung” am vergangenen Wochenende geleistet.

Ein Mann namens Christoph Biró verfasste für die Steiermark-Ausgabe einen Text, der, wir greifen mal vorweg, die journalistische Qualität eines FPÖ-Wahlplakates besitzt und inhaltlich so viel bietet wie ein Flyer von “Pegida”.

Es fängt schon düster an.

Dann legt Biró los. Und wie.

Wir erfahren von jungen, testosteron-gesteuerten Syrern, sie sich äußerst aggressive sexuelle Übergriffe leisten, um es harmlos auszudrücken.

Beispiele oder Quellen nennt Biró dafür nicht. Es bleibt bei diesem einen Satz.

Da schlitzen Afghanen in den ÖBB-Waggons die Sitze auf und verrichten nicht nur ihre Notdurft. „Da sitzen wir nicht!“, sagen sie, „da sind ja Christen draufgesessen!“

Auch das behauptet Biró einfach so, ohne einen einzigen Beleg.

Wir haben selbst mal nachgeschaut und tatsächlich einen Vorfall gefunden: Letzte Woche wurde ein ÖBB-Sonderzug, der 500 Flüchtlinge von Graz nach Linz gebracht hatte, beschädigt; laut kleinezeitung.at hatten die Passagiere „an mehreren Notfallentriegelungsfenstern die Gummileisten heruntergerissen“. Von “Afghanen”, die in den Zügen Sitze aufschlitzen und „nicht nur ihre Notdurft“ verrichten, ist nirgends auch nur ansatzweise zu lesen — außer bei Biró.

In den Notquartieren verwenden sie die sanitären Einrichtungen nicht, sondern erledigen ihr Geschäft just daneben und fordern weibliche Hilfskräfte dann auf: Mach’s weg, dazu bist du ja da…

Wer „sie“ in diesem Fall sind — die Testosteron-Syrer? Die Notdurft-Afghanen? Alle Flüchtlinge? –, verrät Biró nicht. Quellen? Beispiele? Belege? Auch nicht.

Horden stürmen die Supermärkte, reißen die Packungen auf, nehmen sich, was sie wollen, und verschwinden wieder. Die Polizei ist machtlos.

Und wieder: Keine Quelle, keine Beispiele, keine Belege.

Solche Supermarkt-Geschichten werden im Übrigen auch in Deutschland immer wieder erzählt – und immer wieder als hetzerische Lügen enlarvt:

Auch in Österreich gibt es solche Geschichten. Der „Standard“ ist ihnen erst vor ein paar Wochen nachgegangen. Ergebnis:

Auch in Österreich entbehren die Gerüchte jeder Grundlage, erklärt die Supermarktette Spar. “Selbstverständlich gibt es keine ‘Freigabe’ von Ladendiebstahl für Flüchtlinge”, heißt es dort. Auch bei Rewe (Billa, Merkur, Bipa) verwehrt man sich “gegen Hetze und böse Gerüchte”. Doch was sagt die Diebstahlsstatistik? Laut Rewe kann weder in Filialen nahe Erstaufnahmezentren wie Traiskirchen und Thalham noch am Wiener Westbahnhof ein “signifikant erhöhter Schwund” festgestellt werden.

“Krone”-Autor Biró erwähnt davon natürlich kein Wort. Auch sonst führt er seine Behauptungen nicht weiter aus, stattdessen kommt er zum wilden Finale seiner (im wahrsten Sinne: beispiellosen) Hetztirade:

Integration? Ein schönes Wort, mehr nicht. Integration kann bestenfalls in Einzelfällen funktionieren.

Spätestens seit Freitag, als sämtliche Ordnungskräfte einfach überrannt wurden; spätestens jetzt, da alle Notquartiere übervoll besetzt sind – und trotzdem Tausende wie auf Kommando über unsere Grenzen trampeln…

… spätestens jetzt ist ALLEN klar geworden – ganz egal, ob rechter Hardliner oder linker Sozialromantiker: Die Grenzen müssen dicht gemacht werden. Die humanitäre Katastrophe muss gestoppt werden, vor allem auch FÜR Österreich und seine Einwohner.

Puh.

Zuallererst sollte man vielleicht diese journalistische Katastrophe stoppen. Das würde die Integration jedenfalls um einiges erleichtern.

Und wenn Sie sich jetzt fragen, wer eigentlich dieser Christoph Biró ist, der diese Zeilen in die Steiermark-“Krone” gespuckt hat — es ist ihr Chefredakteur.

Bald wird sich der Österreichische Presserat mit Birós Ergüssen befassen; bis gestern Abend waren 30 Beschwerden zu dem Text eingegangen.

Keine Frage: Medien müssen auch über die Probleme mit Flüchtlingen berichten, Missstände dürfen nicht heruntergespielt oder verschwiegen werden. “Österreich” und die “Kronen Zeitung” aber klären nicht auf, sie vernebeln und vergiften — dort, wo Nüchternheit und Klarheit dringend nötig wären. Sie verbreiten Angst und schüren Hass.

Und so klang es fast wie eine Erfolgsmeldung, als “Österreich” vorgestern verkündete:

Mit Dank an Stephan E.

Nachtrag, 13.55 Uhr: Im „Kurier“ sagt der Sprecher der österreichischen Polizei heute, Birós Kommentar sei „ein absoluter Blödsinn”. Dabei handle es sich um Facebook-Gerüchte, für die Beweise fehlen.

Erst vor drei Tagen hatte der Polizeisprecher im „Standard“ die Geschichten von plündernden Flüchtlingen dementiert:

“Von diesen Leuten geht keine Gefahr aus. Diese ganzen Meldungen sind ein Blödsinn und dienen nur der Verunsicherung der Bevölkerung”, sagt Fritz Grundnig, Sprecher von Polizei und Innenministerium, im Gespräch mit dem STANDARD am Samstagnachmittag. Erst am Morgen habe man sich wieder mit einer Falschmeldung über einen angeblich geplünderten Discounter-Markt im Raum Leibnitz herumgeschlagen. Die angebliche Plünderung erwies sich als glatte Lüge.
“Dabei wollen diese Menschen nur so schnell wie möglich weiterkommen nach Deutschland, sie haben eine extreme Flucht hinter sich und sind erschöpft”, sagt Grundnig weiter. In den vergangenen Tagen habe sich auch die Behauptung im Internet verbreitet, die Polizei warne die Bevölkerung in der Südsteiermark davor, aus dem Haus zu gehen, das sei “alles Blödsinn, die Polizei warnt vor nix, wir versuchen die Bevölkerung zu beruhigen”, betont Grundnig, “es liegt in der Natur der Sache, dass es zu Verkehrsbehinderungen kommt, aber das ist alles”. (…)

Was der Polizei aber tatsächlich extra Arbeit verursache “und einen Riesenaufwand, den wir momentan nicht brauchen können”, sei dieses dauernde Streuen von Gerüchten, so Grundnig.

Und die Sache mit den Flüchtlingen, die nicht die sanitären Einrichtungen verwenden, sondern „ihr Geschäft just daneben“ verrichten und die weiblichen Hilfskräfte zum Putzen auffordern?

“Stimmt nicht”, sagt Grundnig.

Auch die Behauptung von den aufgeschlitzten Sitzen ist offensichtlich Unsinn. Der Sprecher der ÖBB sagte dem „Kurier“:

Wäre das tatsächlich so, würden von uns keine Sonderzüge mehr fahren.

Die steirische Landtagsabgeordnete Sabine Jungwirth (Grüne) hat Christoph Biró heute in einem offenen Brief aufgefordert, die Quellen für seine Behauptungen offenzulegen.

Die Menschenrechtsorganisation „SOS Mitmensch“ hat die Staatsanwaltschaft Graz unterdessen gebeten zu prüfen, ob Birós Kommentar „unter den Verhetzungsparagraphen (§ 283 StGB) und/oder unter die wissentliche Verbreitung falscher, beunruhigender Gerüchte (§ 276 StGB) falle“.

Nachtrag, 23.28 Uhr: Christoph Biró sieht seinen Kommentar inzwischen als “Fehler”, hat erste Konsequenzen gezogen und wird sich “aus eigenen Stücken für einige Zeit aus der Redaktion zurückziehen”. Er habe das Augenmaß verloren, sagte er laut Agentur APA:

Das war ein Fehler, wie er mir in 39 Jahren noch nicht passiert ist. Fehler passieren? Ja, aber dieser ist besonders bedauerlich. Man muss bei diesem Thema ein ganz besonderes Fingerspitzengefühl haben. Und das habe ich vermissen lassen.

Die “Kronen Zeitung” hat sich von Birós Kommentar distanziert.

“Fan Run”, Kundendienst, Weihnachtsmärchen

1. Fans machen Stimmung gegen “Fan Run”
(sueddeutsche.de, Sebastian Krass)
Nach dem “Wir helfen”-Badge auf den Trikots der Bundesligisten steht in drei Tagen die nächste “Bild”-Aktion in Kooperation mit einem Fußballverein an: der “FC Bayern Fan Run”. Das Bayern-Blog “Miasanrot” hatte bereits im September über die Merkwürdigkeiten bei der Hilfsaktion berichtet, jetzt hat die “SZ” noch einmal bei der veranstaltenden Firma nachgehakt. Und festgestellt: Inzwischen haben sich in den Teilnahmebedingungen einige kritisierte Stellen geändert.

2. Die Sache mit der Berufsjugend
(blogs.taz.de, Daniél Kretschmar)
Menschen über 25 tun sich bisweilen schwer damit, diese Jugend zu verstehen. Wenn man wissen will, was sie denkt, fragt man gerne einen einzelnen Jugendlichen nach seiner Meinung – zu einer neuen Messaging-App (“Das wird das nächste große Ding!”), Facebook (“Facebook ist plötzlich uncool!”) oder einem neu gestarteten Medien-Angebot. Wenn das Testimonial, das sich zufällig im selben Alter befindet wie ein paar Millionen andere Lebewesen aus “der Zielgruppe”, dann mit deftigen Worten zum Verriss ansetzt, wird die Einzelmeinung zur Generalkritik erklärt und Verlagsmanager reiben sich die Hände, da die Konkurrenz offensichtlich immer noch nicht die Zauberformel für die allseits umgarnte Generation Y/Z/Hashtag gefunden hat. Da schreiben bei “Ze.tt” dann “peinlich bemühte Berufsjugendliche”, und aus “Bento” wird das “Portal für junge Babos”. Daniél Kretschmar wundert sich darüber.

3. Das Krone-Weihnachtsmärchen mit der gekündigten Pädagogin
(kobuk.at, Helge Fahrnberger)
Eine Boulevardzeitung behauptet irgendeinen Blödsinn, und ein Politiker argumentiert in einer TV-Talkrunde mit genau dieser falschen Story — das gibt es nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich. In der “Elefantenrunde” kurz vor der Wahl in Wien haben Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Manfred Juraczka (ÖVP) einen Bericht der “Kronen Zeitung” für ihre Zwecke eingesetzt: Eine Wiener Kindergärtnerin soll gefeuert worden sein, weil sie den Kindern Weihnachten nähergebracht hatte. “Kobuk”-Autor Helge Fahrnberger klärt auf, dass das Boulevardblatt ein völlig verzerrtes Bild der Geschichte gezeichnet hat.

4. Bauer-Verlag erleidet Niederlage: Gericht weist Klage gegen Pressegroßhandel ab
(blogs.faz.net, Jan Hauser)
Bislang verhandeln Verleger zentral mit dem Grosso-Verband, zu welchen Konditionen sie ihre Produkte an die Großhändler weitergeben. Der Bauer-Verlag wollte Einzelverhandlung durchsetzen, klagte und bekam in allen Vorinstanzen Recht. Doch der BGH sagt nun: “Das zentrale Verhandlungsmandat ist geeignet, einen flächendeckenden und diskriminierungsfreien Pressevertrieb zu gewährleisten”.

5. „Wenn Kunden mit einem Anwalt drohen, wird das oft ziemlich witzig“
(basicthinking.de, Tobias Gillen)
Der “Kundendienst” wildert im Kommentarbereich großer Firmen auf Facebook und stiftet dort immer wieder Verwirrung bei den Kunden und sorgt ab und an auch für Verzweiflung unter den Social-Media-Mitarbeitern. Dahinter steckt ein 24 Jahre alter Student. Tobias Gillen hat ihn interviewt.

6. 10 ultimative Tipps für bessere Listen
(wuv.de, Peter Breuer)

Rekord-Beschwerden, Radiogeheimnisse, Hart aber fair

1. VICE News-Journalisten in der Türkei inhaftiert
(vice.com)
Seit dem 28. August werden die beiden britischen “Vice”-Journalisten Jake Hanrahan und Philip Pendlebury in der Türkei ohne offizielle Anklage festgehalten. Jetzt müssen sie vor Gericht erscheinen; ihnen wird vorgeworfen, in “terroristische Aktivitäten” des sogenannten Islamischer Staats verwickelt zu sein. NGOs wie Amnesty International und PEN International nennen die Vorwürfe “bizarr”.

2. Rekord-Beschwerden zu “Krone”-Foto mit toten Flüchtlingen
(derstandard.at)
Beim österreichischen Presserat sind bis gestern Mittag 170 Beschwerden zum Foto der “Kronen Zeitung” eingegangen, das die erstickten Flüchtlinge in einem LKW-Laderaum zeigt — so viele wie noch nie zu einer einzelnen Veröffentlichung. Auch dem deutschen Presserat liegen inzwischen Beschwerden vor, da “Bild” und andere Medien das Foto ebenfalls verwendeten.

3. Die Medien und ein närrischer alter Mann
(evangelisch.de, Frank Lübberding)
Frank Lübberding ärgert sich über die Medien, die vor Kurzem noch über Günter Grass den Kopf schüttelten, als der eine “zwangsweise Einquartierung von Flüchtlingen in Privatwohnungen ins Spiel” brachte, und heute große Flüchtlingskampagnen auf ihren Titelseiten bringen: “Aber die gleichen Medien, die noch vor wenigen Monaten die Anmerkungen von Grass als die eines senilen alten Mannes deklarierten, tröten jetzt in dessen Horn, ohne es allerdings zu bemerken.”

4. 5 echte Radiogeheimnisse, mit denen Radiomacher Euch Hörer verarschen
(fair-radio.net)
Nachdem Buzzfeed eine etwas scherzhafte Liste mit 22 Geheimnissen von Radio-Moderatoren veröffentlicht hat, legt Fair-Radio fünf wirklich fiese Tricks nach: wie Fake-Skandale, vorgetäuschte Live-Schalten oder Schleichwerbung.

5. Schönenborn lässt Plasberg-Sendung wieder in Mediathek
(kress.de, Bülend Ürük)
WDR-Fernsehchef Jörg Schönenborn hat entschieden, die umstrittene — und zwischenzeitlich gelöschte — “Hart aber fair”-Sendung wieder in die Mediathek zu stellen. Schönenborn reagierte damit auf die Kritik von außen: “Die Unabhängigkeit unserer Arbeit ist für uns das höchste Gut. Auch wenn der Vorwurf der Zensur oder Selbstzensur absolut unangemessen ist: Schon wenn der Anschein entsteht, diese Unabhängigkeit sei beeinträchtigt, belastet das unsere Arbeit.” Bülend Ürük kommentiert zum Hin und Her beim WDR: “Der Fall zeigt zumindest, dass öffentlich-rechtliche Führungskräfte bereit sind, ihre Entscheidung auch mal zu überdenken — wenn der Druck und Hohn nur groß genug ist.”

6. Der Mann, der das Fest in Heidenau möglich machte
(jetzt.sueddeutsche.de, charlotte-haunhorst)
Mit dem Fax-Gerät gegen den Freistaat Sachsen: Wie ein Jurastudent das Willkommensfest in Heidenau möglich machte.

Leichen-Foto, Auskunftsverweigerer, Bahlsen und die “Bild”

1. Presserat befasst sich mit Schock-Fotos in “Kronen Zeitung”
(tagesspiegel.de, Markus Ehrenberg)
Nachdem die “Kronen Zeitung” ein Foto der Leichen aus dem Kühllastwagen veröffentlicht hat, sind beim österreichischen Presserat Dutzende Beschwerden eingegangen. Die Zeitung wurde dafür von allen Seiten scharf kritisiert. Medien wie “Bild” und “Le Monde” hatten zu dem Zeitpunkt bereits in der Redaktion angefragt, “Bild” und “BZ” haben das Foto dann auch nachgedruckt. Michael Fleischhacker fragt sich in der “NZZ”, was wäre, wenn nicht die Boulevard-Zeitung, sondern andere Medien das Foto gedruckt hätten — und ob es nicht doch eine Berechtigung dafür gibt.

2. Ohne Gnade
(sueddeutsche.de, Paul-Anton Krüger)
Die drei Journalisten Peter Greste, Mohammed Fahmy und Baher Mohammed wurden in Ägypten zu je drei Jahren Haft im Hochsicherheitsgefändnis verurteilt. Ihnen wird vorgeworfen, in Zusammenarbeit mit der verbotenen Muslimbruderschaft über den Fernsehsender “Al Jazeera” gefälschte Nachrichten verbreitet zu haben. Greste, der inzwischen wieder zurück in seiner australischen Heimat ist und in Abwesenheit verurteilt wurde, spricht von einem “abscheulichen” Urteil.

3. Durchsuchung bei der Berliner Morgenpost verfassungswidrig
(morgenpost.de)
Im November 2012 durchsuchten Beamte des Berliner Landeskriminalamts die Privatwohnung und den Arbeitsplatz eines Chefreporters der “Berliner Morgenpost”. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, die die Durchsuchung veranlasst hatte: Der Journalist habe einen Polizisten bestochen. Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht entschieden: Die LKA-Aktion in den Redaktionsräumen der “Morgenpost” und der Wohnung war verfassungswidrig.

4. Kommentieren nur nach Handy-Registrierung
(ndr.de, Fiete Stegers)
Überall sind Redaktionen momentan auf der Suche nach einer Möglichkeit, ihrer Leserschaft Kommentare zu Beiträgen zu ermöglichen, gleichzeitig aber wenig Raum für Hass und Hetze zu bieten. Beim Schweizer SRF muss man nun nicht nur eine E-Mail-Adresse, sondern auch eine Handynummer angeben, wenn man seinen Senf dazugeben will. Im Interview mit dem NDR-Medienmagazin “Zapp” erklärt der verantwortliche Redakteur Konrad Weber, warum. Siehe dazu auch die “letzte Warnung” von “Cicero”-Chefredakteur Christoph Schwennicke.

5. Geheimniskrämer: Warum wir uns sorgen
(correctiv.org, David Schraven)
In Deutschland tobt ein Streit zwischen Medien und Behörden, die Frage lautet: Wie viel Transparenz ist erlaubt? Für David Schraven geht es dabei um die Grundfesten der Demokratie. An ausgewählten Beispielen zeigt er die Absurdität der Argumentation von Ministerien und anderen Auskunftsverweigerern. Doch die “Seite der Informationsblockierer ist mächtig und sie scheint zu allem bereit. Aus Reportern werden Landesverräter. Aus Informationsverbreitern Urheberrechtsverletzer. Aus Fragern Betriebsgeheimnisbrecher.”

6. #gebtihnenKekse
(twitter.com, Peng Collective)

Michael Jeannée, Drohnen, Kaffee gegen Krebs

1. Die Stille vor dem Schuss
(nzz.at, Barbara Kaufmann)
Florian Klenk, Chefredakteur der Wiener Zeitung “Falter”, hat gemeinsam mit der “Vice” über ein Video berichtet, das Polizeigewalt zeigt. Nun wird er als “Polizistenhasser” verunglimpft: “Kronen Zeitung-Kolumnist Michael Jeannée schießt scharf gegen Klenk, und seine Zeilen lassen andere schießen.” Denn das greift der FPÖ-Politiker Strache auf, unter dessen Facebook-Post Morddrohungen gegen den Journalisten auftauchen. Und der Politiker gibt dem bedrohten Journalisten selbst die Schuld an der Bedrohung. Barbara Kaufmann beklagt nun die ohrenbetäubende Stille: “Die Stille vor dem Schuss ist eine trügerische. Wenn sie vorüber ist, wird man nicht sagen können, man hätte nichts gehört.”

2. Amnesty will gegen Jeannée vorgehen
(derstandard.at, Oliver Mark)
Der bereits zuvor erwähnte Kronen-Kolumnist Michael Jeannée (eine Art Franz-Josef Wagner Österreichs) hat derzeit nicht nur mit dem “Falter” und dem Presserat, sondern auch mit Amnesty International Ärger. Denn die Menschenrechtsorganisation will den jüngsten Ausritt des Kolumnisten “nicht einfach hinnehmen”, wie Generalsekretär Heinz Patzelt dem “Standard” sagte. Jeannée machte sich über Amnesty-Mitarbeiter lustig, die zur Flüchtlingsunterkunft Traiskirchen gereist sind. Der Kolumnist leugnete die kritischen Zustände und verunglimpfte die Amnesty-Berichterstatter, schreibt Oliver Mark. Dagegen wehrt sich die Organisation nun.

3. Kaffee schützt vor erneutem Darmkrebs – oder auch nicht
(medien-doktor.de, Marcus Anhäuser)
Marcus Anhäuser hat in der “Rheinischen Post” gelesen, dass “vier Tassen Kaffee vor Darmkrebs-Rückfall schützen”. Allein: Das behaupten die Wissenschaftler gar nicht, die die Studie erstellt haben, auf die sich zuerst die AFP und dann die RP beziehen. Schließlich handelt es sich nur um eine Beobachtungsstudie über einen Zeitraum von sechs Monaten, die nach Aussage der Forscher keinen Kausalitätsschluss zulässt. Korrekterweise müsste es zum darmkrebsheilenden Kaffee also heißen: “Kann sein oder kann nicht sein.”

4. „Laßt uns doch mal eine Drohne einsetzen!“
(get.torial.com, Max Ruppert)
“Copter-Blogger” Max Ruppert erklärt, was Journalisten beachten sollten, wenn sie eine Drohne einsetzen wollen.

5. 10 neue Podcasts, die du dir anhören solltest
(t3n.de, Luca Caracciolo)
Luca Caracciolo stellt zehn Podcasts vor, “bei denen ein genauerer Blick lohnt”.

6. Feinderklärungen in den Medien
(taz.de, Rudolf Walther)
Wolfgang Storz hat für die Otto-Brenner-Stiftung eine “Recherche-Studie” über rechte Medien-Netzwerke erstellt. Das “Querfront-Netzwerk” rund um Jürgen Elsässer (“Compact”) und Ken Jebsen (“Ken.fm”) sowie dem Kopp-Verlag “versteht sich als jenseits von links und rechts, wirbt für die aktuelle Politik des Kremls und für die AfD, agitiert gegen die EU, Israel und die Westorientierung der BRD und warnt vor dem ‘moralisch-kulturellen Zerfall’ der Demokratie infolge der Zuwanderung von Muslimen.” Storz sieht darin eine große Gefahr und befürchtet “eine Demontage von qualifizierter Öffentlichkeit und Demokratie”.

Sportjournalismus, Lokalmedien, “Wahrheit” über Cannabis

1. Hetzt die “Bild”-Zeitung gegen Flüchtlinge?
(de.nachrichten.yahoo.com, Jan Rübel)
Ex-Springer-Mitarbeiter Jan Rübel hat sich einige differenzierte Gedanken zu unserer Auseinandersetzung mit Bild.de-Chef Julian Reichelt gemacht.

2. Der Sportjournalismus trägt Mitschuld an der Doping-Problematik
(andreasgriess.de, Andreas Grieß)
Auf die jüngsten Doping-Enthüllungen der ARD reagierten viele Vertreter der Leichathletik-Verbände empört. Das deute “eklatant darauf hin, dass diese Menschen kritischen Journalismus gar nicht gewohnt sind”, glaubt Andreas Grieß. Es sei kein Zufall, dass der Doping-Skandal von einem “kritischen Außenstehenden” aufgedeckt wurde, und nicht etwa von einem Leichtathletik-Journalist. Sein bitteres Fazit: “Damit passiert auch im Sport, was bereits im Lokalen geschieht: Es wird kaputt gespart. Es gibt in Deutschland Sportberichterstattung, aber kaum Sportjournalismus.”

3. Bitte, kein Kommentar!
(de.ejo-online.eu, Fabian Prochazka und Patrick Weber)
Kommunikationswissenschaftler der Universität Hohenheim wollen herausgefunden haben, dass sich das Niveau der Leserkommentare auf Nachrichtenseiten auf die wahrgenommene Qualität der Artikel auswirkt: Je mehr Trolle, desto schlechter werden auch die Texte beurteilt. Besonders erstaunlich: “Auch höfliche Kommentare und solche mit Argumenten verschlechtern die wahrgenommene Qualität eines Artikels im Vergleich zu einer Version ganz ohne Kommentare.”

4. Trennung zwischen Arm und Reich wirkt sich auf Lokalnachrichten aus
(netzpiloten.de, Laura Hazard Owen)
Wohlhabende Städte haben besseren Zugang zu Lokaljournalismus, dort werden die Bewohner häufiger und umfassender informiert, als in ärmeren Städten. Allerdings ist die Stichprobe der Rutgers-Untersuchung sehr klein, nur drei Städte im US-Bundesstaat New Jersey wurden untersucht. Trotzdem müsse man anhand dieser Ergebnisse annehmen, dass die demokratischen Werkzeuge nicht gleichmäßig verteilt sind, sagt Philip M. Napoli, Professor für Journalismus und Leiter der Studie – “was uns Sorgen machen sollte”.

5. Germanwings: Klage gegen “Österreich” wegen falschem Co-Piloten
(derstandard.at)
Nach dem Germanwings-Unglück hatten unter anderem die “Kronen Zeitung” und “Österreich” das unverpixelte Foto eines Mannes gedruckt, das aber nicht, wie angegeben, den Co-Piloten Andreas L. zeigte, sondern einen Unbeteiligten. Mit der “Krone” gab es eine außergerichtliche Einigung, “Österreich” steht nun vor Gericht.

6. Sagt die Bild wirklich “die Wahrheit über Cannabis”?
(vice.com, Michael Knodt)
“Zugegeben, ein wenig mehr Mühe als sonst hat die Redaktion sich im Rahmen der Recherche schon gegeben. Aber man muss nicht lange lesen, um zu verstehen, dass die Bild immer noch keine Ahnung von Weed hat.”

Terroristen-Propaganda, Jon Stewart, Hass im Netz

1. “Bild” erliegt der “dunklen Faszination” der IS-Bilder
(stefan-niggemeier.de, Stefan Niggemeier)
Immer wieder verbreiten die “Bild”-Medien die grausamen Propagandabilder des “Islamischen Staats”, sie zelebrieren “jede neue Gräueltat, jedes besonders abscheuliche Video, nicht nur in großen Buchstaben, sondern auch in großen Bildern und ausführlichen Videosequenzen” — und wer das kritisiert (so wie wir gestern), wird von den “Bild”-Verantwortlichen als “gestört” oder Terroristenfreund bezeichnet. Stefan Niggemeier über die Macht der Bilder, das Dilemma der Redaktionen und die Selbstblindheit der “Bild”-Chefs.

2. Wie die Krone für den Islamischen Staat wirbt
(nzz.at, Christoph Zotter)
Auch die Online-Ausgabe der österreichischen “Kronen Zeitung” verbreitet IS-Propagandamaterial, neulich etwa ein Video, in dem ein Mann per Kopfschuss hingerichtet wird. “Für die Dschihadisten kann es nicht besser laufen”, schreibt Christoph Zotter. “So hilft eines der größten Medienhäuser Österreichs für ein paar Klicks der Gruppe Islamischer Staat, ihre Propaganda ins Land zu tragen.” Siehe dazu auch: Zur Manipulation der Angst – Ein Plädoyer für Statistik und gegen Bilder (nachdenkseiten.de).

3. Ist Publikums-Bashing hilfreich?
(deutschlandradiokultur.de, Stephan Karkowsky)
Am Mittwoch wünschte sich Anja Reschke in den “Tagesthemen” einen “Aufstand der Anständigen” gegen rassistische Hetze im Netz — und sprach damit vielen Menschen aus dem Herzen. “Mehr als 12 Millionen Menschen bekommen das Thema mit, etwa vier Millionen mal wird das Video des Kommentars geklickt”, schreibt Kai Gniffke im Tagesschau-Blog. Doch ist es gerechtfertigt, den Zuschauern Untätigkeit vorzuwerfen und sie dazu aufzufordern, Hetzer an den Pranger zu stellen? Stephan Karkowsky hat darüber mit der Publizistin Mely Kiyak gesprochen, die bei der antirassistischen Leseshow “Hate Poetry” vor Publikum die Hassmails vorträgt, die sie geschickt bekommt. Siehe dazu auch: Die Reaktionen auf den Flüchtlings-Kommentar der ARD nach Dummheit sortiert (vice.com).

4. Facebook, das Netzwerk mit dem Herz für Hass
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Thomas Lückerath meldet seit einiger Zeit hasserfüllte und fremdenfeindiche Aussagen bei Facebook ans dort zuständige Community-Management. “Das schockierende Ergebnis: Bis heute war jedes von mir gemeldete Posting, soweit ich das noch überblicken kann, mit den Gemeinschaftsstandards von Facebook vereinbar.” Ihn mache es wütend, dass das größte soziale Netzwerk “gänzlich verantwortungslos” agiere und nicht einmal dann handele, wenn er die Mitarbeiter auf problematische Beiträge aufmerksam macht. Dass Facebook “wissentlich die Vergiftung des öffentlichen Raums mit Hassbotschaften” toleriere, könnte laut Lückerath bald als Boomerang zurückkommen.

5. Jon Stewart’s Final Episode
(thedailyshow.cc.com, Video, 49:10 Min.)
Jon Stewart hat in der Nacht seine letzte Ausgabe der Daily Show moderiert — und Medien und Kollegen sagen Danke. Nils Minkmar schreibt in seiner Ankündigung auf “Spiegel Online”: “Stewart wird mit Ehrfurcht verabschiedet, ein Held der populären Kultur, wie es früher die großen Sportler waren, oder die Raumfahrer — und ohne jede Häme. (…) Das Lob ist nicht übertrieben.” Die “New York Times” hat ihre Leser gefragt, was ihre Lieblingsmomente von Jon Stewart waren: Der Monolog in der ersten Sendung nach dem 11. September wurde dabei am häufigsten genannt. Jahrelang war Stewart das komödiantische Gewissen Amerikans. Schon im Februar hatte Matthias Kolb, USA-Korrespondent der “Süddeutschen Zeitung”, in einem lesenswerten Stück geschrieben, wie ihm Stewart Amerika erklärte. In seiner letzten Sendung wurde Stewart nun von Stephen Colbert verabschiedet — er selbst sagte ganz leise auf Wiedersehen: “I’m just gonna say, I’m going to get a drink. And I’m sure I’ll see you guys before I leave.”

6. Jetzt lernen Sie meine Oma kennen – und meine Meinung
(kurzhaarschnitt.wordpress.com, Kurt Saar-Schnitt)
In der Debatte über den Umgang mit Flüchtlingen erinnert sich “Kurt Saar-Schnitt” an seine Oma, die 1945 aus ihrem Heimatort in Pommern vertrieben wurde und ohne Hab und Gut in Schleswig-Holstein landete. Er erzählt ihre Geschichte und schließt mit einer Bitte: “Falls Sie nicht in der Lage dazu sind, zu spenden, so teilen Sie einfach anderen mit, warum Sie für die Aufnahme von Menschen ohne Heimat und Besitz sind, auch das kann eine Hilfe sein. Schweigen Sie nicht. Und bitte werden Sie kein ‘besorgter Bürger’, bitte zünden Sie keine Unterkünfte für Hilfsbedürftige an.”

Dirk Hoerens verrenkte Rentenrechnung

Dirk Hoeren ist bei der “Bild”-Zeitung der Mann für die Zahlen. Wenn die Redaktion mal wieder eine Statistik so verbogen haben will, dass sie damit Stimmung gegen Hartz-IV-Empfänger/Rumänen und Bulgaren/Griechen/ARD und ZDF machen kann, setzen sie ihren Europa-Chefkorrespondenten an die Sache. Heute hat Hoeren mal wieder die Griechen ins Visier genommen:

Okay, dann schauen wir uns das mal an.

Hoeren behauptet, schon jetzt würden …

rund 17 % der Wirtschaftsleistung […] in Griechenland allein für die Altersgelder aufgewendet — zweithöchster EU-Wert (hinter Italien), errechnete der IWF. Das sind 42 Milliarden Euro.

Stimmt. Doch die 17 Prozent sagen nichts über die angeblich unbezahlbaren griechischen Renten aus. Wenn ich im Monat 300 Euro verdiene und davon 90 Prozent für die Miete ausgebe, bedeutet das nicht, dass die Wohnung überteuert ist, sondern mein Einkommen recht niedrig. Soll heißen: Der relative Anteil der Rentenzahlungen ist in Griechenland auch deswegen so hoch, weil er sich an einer krisengebeutelten Wirtschaftsleistung bemisst; und nicht nur, weil der Staat eine Luxusrente nach der anderen spendiert.

Daneben unterschlägt Dirk Hoeren einen noch wichtigeren Aspekt: Die hohen Rentenkosten entstehen in Griechenland auch, weil es dort mehr alte Menschen als anderswo gibt. 20,5 Prozent der Griechen sind 65 Jahre und älter — der dritthöchste Wert in der Eurozone.

Weiter schreibt Hoeren:

Die Durchschnittsrente liegt in Griechenland bei 960 Euro, in Deutschland bei 792 Euro (FAZ).

Die Angabe zur deutschen Durchschnittsrente dürfte in etwa stimmen: Laut Deutscher Rentenversicherung lag sie Ende 2013 bei 682 Euro in Westdeutschland und 801 Euro in Ostdeutschland (PDF).

Bei der griechischen Durchschnittsrente ist es hingegen deutlich komplizierter, an belastbare Zahlen zu kommen, was vor allem am aufgeblähten System aus 133 Pensionsträgern liegt. Hoeren bezieht sich bei seinen 960 Euro auf einen Artikel der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung”, der sich wiederum auf einen Artikel aus der “Welt” bezieht, der sich auf Angaben aus “Verhandlungskreisen in Brüssel” bezieht. Zwei Tage, nachdem Hoerens Kronzeugentext in der “FAZ” erschienen ist, musste die Redaktion enorm zurückrudern:

Es gibt keine aktuellen Berichte der EU-Kommission oder des Internationalen Währungsfonds über das griechischen [sic] Rentensystem und die aktuelle Höhe der Rentenzahlungen. Dennoch kursieren in der deutschen Debatte Zahlen über die Renten in Griechenland, die Vorurteile über „Luxusrenten“ zu bestätigen scheinen, aber die griechische Wirklichkeit nicht wirklich abbilden.

Und diese Vorurteile befeuert Dirk Hoeren selbst zweieinhalb Monate nach der “FAZ”-Klarstellung zu den 960 Euro fröhlich weiter.

Deutlich andere Zahlen zur durchschnittlichen griechischen Rente nennt aktuell die “Financial Times”: Sie spricht von 700 Euro, dazu gebe es eine freiwillige Zusatzrente, die durchschnittlich 170 Euro pro Monat betragen soll. Rund 45 Prozent der griechischen Renter sollen weniger als 665 Euro monatlich bekommen und somit unter der Armutsgrenze liegen. Auch die Zahlen der “Financial Times” sind natürlich mit Vorsicht zu betrachten.

Der nächste Punkt, den Dirk Hoeren bei der “Griechen-Rente” anprangert:

Etwa zwei Drittel der griechischen Senioren bekommen zwei Renten gleichzeitig, in Deutschland sind es nur knapp 20 % (z. B. Witwenrenten).

Die damit angedeutete — vermeintliche — Ungerechtigkeit ergibt sich unter anderem aus dem bereits erwähnten 133-Pensionsträger-System. Wenn Griechen durch verschiedene Tätigkeiten mehrere Rentenansprüche erworben haben, die von unterschiedlichen Trägern verwaltet werden, werden ihnen auch mehrere Renten gleichzeitig ausgezahlt. Gleiches gilt, wenn sie für freiwillige Zusatzrenten eingezahlt haben und diese nun bekommen oder ihnen Witwenrenten zustehen.

Hoeren poltert weiter:

Das griechische Rentenniveau liegt bei 63% des Bruttolohns, bei uns sind es 48%.

Hierbei verschweigt er, wie sich in Griechenland in der Regel das Einkommen zusammensetzt. Einen großen Teil bilden nämlich Zuschläge, im öffentlichen Dienst mitunter sogar den größeren. Die Rente bemisst sich aber am Grundgehalt. Deren Anteil ist dadurch scheinbar hoch; bezogen auf das gesamte Gehalt relativiert sich das aber wieder.

Den krönenden Abschluss seines gesammelten Unfugs hat sich Dirk Hoeren aber fürs Ende seines Artikels aufgehoben:

Wegen der vielen Frühpensionen beträgt das tatsächliche Durchschnitts-Rentenalter in Griechenland 56,3 Jahre. Deutsche Rentner gingen vergangenes Jahr im Schnitt mit 64 Jahren aufs Altenteil.

Eine Quellenangabe für die 56,3 Jahre gibt’s im “Bild”-Text nicht. Auf Nachfrage reagierte Hoeren heute so:

Die Tabelle, die er seinem Tweet angehängt hat, stammt aus einem aktuellen Reformvorschlag der griechischen Regierung (PDF). In der linken Hälfte (“PS Δημóσιο”) gibt sie an, dass sie für das Jahr 2016 im öffentlichen Dienst ein durchschnittliches Renteneinstiegsalter von 56,3 Jahren anpeilt.

Also: das angepeilte Renteneinstiegsalter für den öffentlichen Dienst. Dirk Hoeren macht daraus das aktuelle Renteneinstiegsalter aller Griechen.

Dass der Wert so niedrig ist, weil er beispielsweise Soldaten und Feuerwehrmänner einrechnet, die regelmäßig früher mit ihrem Dienst aufhören, und weil er die Frühverrentung Tausender Staatsdiener im Zuge der Sparauflagen beinhaltet, interessiert Dirk Hoeren nicht. Ebenso wenig, dass vier Spalten weiter rechts das für 2016 anvisierte Renteneinstiegsalter bei der größten Rentenversicherung für Angestellte in der Privatwirtschaft mit 60,6 Jahren angegeben wird. Im Gegenteil: Er packt die knackigen 56 Jahre in die Dachzeile seines Artikels:

Da es noch einige weitere griechische Versicherungsträger gibt, handelt es sich aber auch bei den 60,6 Jahren nicht um das durchschnittliche Renteneintrittsalter aller Griechen. Das gab die OECD 2012 (Excel-Tabelle) mit 61,9 Jahren bei Männern und 60,3 Jahren bei Frauen an. Nun liegt bei Dirk Hoerens Altersangaben aber nicht nur das “Durchschnitts-Rentenalter in Griechenland” (er meint das Renteneintrittsalter) völlig daneben, sondern auch das in Deutschland. Die 64 Jahre hat er nach eigener Angabe von der “Deutschen Rentenversicherung”:

In der Statistik “Rentenversicherung in Zahlen 2014” (PDF) findet man tatsächlich ein “Rentenzugangsalter” von 64,1 Jahren. Dieser Wert bezieht sich allerdings nur auf die Personen, die wegen ihres Alters in Rente gegangen sind. Rechnet man diejenigen hinzu, die beispielsweise aufgrund einer Krankheit früher ihre Arbeit aufgeben musste, ergibt sich ein Renteneinrittsalter von 61,3 Jahren. Diese Angabe deckt sich in etwa mit der der OECD von 2012 (Männer: 62,1 Jahre, Frauen: 61,6, Jahre).

Wenn man es genau betrachtet, ist der Unterschied zwischen dem griechischen und dem deutschen Renteneintrittsalter also gar nicht mehr so groß. Wenn man es genau betrachtet, ist es aber auch viel schwieriger, den Hass gegen die Griechen zu schüren:

Mit Dank an Michalis P.!

Wikileaks, DHL, Germania

1. “Mit Vollgas in die Vertrauenskrise”
(infosperber.ch, Christof Moser)
Christof Moser befragt Mitarbeiter von Schweizer Onlineportalen zu ihren Arbeitsbedingungen: “Journalisten müssen damit beginnen, den Journalismus gegen seine Feinde zu verteidigen. Zu diesen gehören auch die Medienkonzerne, bei denen sie heute noch angestellt sind.”

2. “Wie die Presse versucht, WikiLeaks zu diskreditieren”
(wolfgangmichal.de)
Wolfgang Michal beleuchtet die Beziehung zwischen Wikileaks und den etablierten Medien: “Die pressetypische Umsetzung von Leaks gleicht heute in ihrer seriellen Herstellung in verblüffender Weise der Zurückhaltung staatlicher Behörden gegenüber parlamentarischen Untersuchungsausschüssen: Immer wenn es konkret wird, sind die Dokumente ‘geschwärzt’. So heißt es in der groß aufgemachten ‘Swiss Leaks’-Story der SZ über Steuerhinterzieher aus dem Hochadel, dem Sportbusiness und dem Rotlichtmilieu: ‘Die Süddeutsche Zeitung wird deren Namen nicht nennen’. Man möchte zwar den Pelz waschen, aber er soll nicht nass werden.”

3. “Germanwings-Foto: Presserat rügt ‘Krone’ und ‘Österreich'”
(derstandard.at)
“Kronen Zeitung” und “Österreich” erhalten eine Rüge des österreichischen Presserats, weil sie einen Unbeteiligten zum Copilot des abgestürzten Germanwings-Flugs 9525 machten: “Auf der Titelseite der ‘Kronen Zeitung’ wurde das beanstandete Foto am 28. März 2015 klein und dieses Mal verpixelt mit einem kurzen Begleittext mit der Überschrift ‘Ich wurde mit dem Copiloten verwechselt’ noch einmal gebracht und der Fehler eingestanden.”

4. “Bull-Analyse: Die neuen Diener der Datenkraken”
(blogs.taz.de/hausblog, Andreas Bull)
“Taz”-Geschäftsführer Andreas Bull kommentiert die Zusammenarbeit anderer Zeitungsverlage mit Google und Facebook: “Der Verlust der Entscheidungshoheit, was die Marke ihrem Publikum zeigen und zumuten will, wird dabei dem Altar purer pekuniärer Prosperität geopfert.”

5. “Zur Demokratie gehört eine freie Diskussionskultur”
(hpd.de, Frank Nicolai)
Hamed Abdel-Samad erzählt von seinen Erfahrungen mit der Burschenschaft “Germania” in Marburg: “Ich geh nicht zu Rassisten, zu Leuten, die zu Gewalt aufrufen, nicht zu Menschen, die sich nicht zum Grundgesetz bekennen. Aber sonst rede ich mit jedem. Denn ich finde, man sollte mit jedem reden, auch wenn mein Gegenüber ein anderes Geschichtsbild oder Gesellschaftsbild hat als ich. Es hilft überhaupt nichts, wenn man eine Gruppe in die Isolation treibt, weil das genau das ist, was zur Radikalisierung führt.”

6. “der marktführer”
(wirres.net, Felix Schwenzel)
Felix Schwenzel verfolgt ein Paket: “niemand fühlt sich zuständig. der versandhändler (der nicht amazon war) will mit den versandproblemen nichts zu tun haben und nicht intervenieren. DHL schiebt die schuld auf den kunden (weil der kunde nicht anwesend war, mussten wir das paket nach speyer fahren und die rücksendung ankündigen). der kunde (wir) fühlt sich von DHL verarscht. die auslieferungsfahrer sind überfordert und unglücklich.”

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