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Allgemein  

“Was wird aus der kleinen Elisabeth?”

Berlin, den 16. August 2005

An den
Deutschen Presserat
Postfach 7160
53071 Bonn

Beschwerde

Sehr geehrte Damen und Herren,

die “Bild”-Zeitung zeigt mit großer Konsequenz immer wieder Fotos von der einjährigen Tochter der Frau, die in der Nähe von Frankfurt/Oder neun ihrer Kinder getötet haben soll. Gezeigt wird das Kleinkind am 9. August auf Seite 6 in der Badewanne (“Was wird aus der kleinen Elisabeth?”), am 10. August auf Seite 7 auf dem Arm ihrer Mutter (“Todes-Mutter bricht mit ihrer Familie!”), am 15. August auf Seite 8 ebenfalls auf dem Arm ihrer Mutter (“Todesmutter weint im Knast um ihre Kinder”) (alle Seitenangaben Ausgabe Berlin-Brandenburg). Die Fotos sind nicht verfremdet, das Mädchen ist vor allem auf dem Foto in der Badewanne eindeutig zu identifizieren.

Laut Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes genießen Kinder einen besonderen Schutz gegenüber Veröffentlichungen in der Presse. Nach dem Pressekodex ist die Abbildung von Opfern und Tätern in der Berichterstattung über Straftaten in der Regel nicht gerechtfertigt (Richtlinie 8.1, Ziffer 1) und bei Familienangehörigen, die mit der Straftat nichts zu tun haben, grundsätzlich unzulässig (Richtlinie 8.1, Ziffer 3). In der Vergangenheit hat der Presserat auch Veröffentlichungen von Fotos von Kindern, selbst wenn ein Balken über die Augen gelegt wurde (was “Bild” nicht getan hat), als unzulässig gerügt.

Mit freundlichem Gruß
BILDblog.de

Nachtrag, 19. August: Am 18. August war das Gesicht des Mädchens in der “Bild” Berlin-Brandenburg ungekenntlich gemacht.

Pietätvoll

Heute Heute Heute Heute Heute Heute Heute? Am heutigen Mittwoch jedenfalls zeigt “Bild” das Foto vom Grab einer 2003 verstorbenen (und von “Bild” pietätvoll als “Gertrud Z.” anonymisierten) Frau, deren Leichnam jetzt offenbar von der Polizei exhumiert und obduziert werden muss, weil “Gertrud Z.” möglicherweise einem Mord zum Opfer fiel. Das “Bild”-Foto von Grab und Grabstein sieht so aus:

Ach ja: Der schwarze Balken überm Familiennamen von “Gertrud Z.” stammt nicht von “Bild”, sondern wurde von uns nachträglich hinzugefügt.

Mit Dank an Marian S. für Hinweis und Scan.

Nachtrag, 25.9.2005:
Den Ort, an dem sich das Grab befindet, haben wir nachträglich ebenfalls mit einem schwarzen Balken unkenntlich gemacht.

“Bild” zeigt Gysis Gehirn (oder “Gysis Gehirn”)

"Gysi zeigt sein Gehirn"

So steht es heute in der “Bild”-Zeitung. Aber es stimmt nicht. Richtig ist: “Bild” zeigt Gregor Gysis Gehirn. Genauer gesagt, heißt es in “Bild”:

“Exklusiv für BILD öffnete Prof. Vogel die Krankenakte des Politikers: Wir sehen eine Röntgenaufnahme von Gysis Schädel und eine mehrfarbige Computertomographie.”

Die PDS-Zentrale in Berlin weist uns allerdings darauf hin, dass die abgedruckten Fotos aus Gregor Gysis Krankenakte entgegen der Behauptung von “Bild” “ohne Einverständnis von Gregor Gysi” an die Zeitung gelangt seien. Vielmehr habe sein Arzt “die Schweigepflicht verletzt” und “Bild” mit “unrechtmäßig erlangtem Material” die falsche Schlagzeile gemacht, hieß es bei der PDS. Gysi, so steht es mittlerweile auch in einer Pressemitteilung, werde gegen diese “Einmischung in die unmittelbare Privatsphäre, die nicht hinnehmbar ist”, “die notwendigen rechtlichen Schritte einleiten”.

Und wir staunen: Joschka Fischer (Die Grünen) sei “zu fett”, der Kopf von Gregor Gysi (PDS) “lädiert” – und zu Angela Merkel (CDU) gibt es in “Bild” die “große Serie: Angela Merkel privat“…

Nachtrag, 19:50:
Laut Süddeutsche.de ist die “Bild”-Veröffentlichung ein “in vielerlei Hinsicht bizarrer Fall” bzw. “eine jener Geschichten im Zwischenreich der Eitlen und der Jongleure vom Boulevard“. “Bild”-Chef Kai Diekmann wird dort mit den Worten zitiert, es handele sich dabei dabei um “eine Positiv-Geschichte”. Weiter heißt es:

“Nach Darstellung Diekmanns hat das Blatt am Donnerstag voriger Woche mit dem PDS-Politiker über dessen Gesundheitszustand und den Wahlkampf gesprochen.

Weil das Interview nicht sehr sexy war und auch Fotos her sollten, wurde am Sonntag ein Termin mit Gysis Arzt, dem Berliner Neurochirurgen Professor Siegfried Vogel, verabredet (…). Zuvor, so Diekmann, habe Vogel beim Patienten die Erlaubnis eingeholt. Was sonst?

(…) Das eigentliche Presse-Opfer scheint der Professor zu sein, der nach Rücksprache mit Gysi die Krankenakte gezeigt hat.”

Nachtrag, 0:57:
Der “Berliner Kurier” hat nun offenbar mit Siegfried Vogel, Gysis Arzt, gesprochen, was den Fall noch bizarrer macht, als von Süddeutsche.de geschildert. Laut “Kurier” nämlich ist das von “Bild” abgedruckte “angebliche Gysi-Gehirn” nur “ein Foto aus einem Lehrbuch für Gehirnoperationen” und das, was in “Bild” stand, “eine Lüge”, wie der “Kurier” unter Berufung auf Gysi und Vogel schreibt. Vogel jedenfalls wird dort mit den Worten zitiert:

“Herr Gysi hatte mir erlaubt, mit der Zeitung ganz allgemein über seinen Gesundheitszustand zu sprechen. Ich habe aber weder die Akte gezeigt, noch geöffnet, noch haben die Reporter die Akte einsehen können. Was in der Zeitung als Akte ausgegeben wird, ist nur die Tüte, in der sich die Röntgenbilder befanden. Und das Foto, das angeblich Gysis Gehirn zeigen soll, ist ein Foto aus einem Lehrbuch. Es ist nicht Gysis Gehirn. Ich berate jetzt mit Gysi, wie ich gegen diese Lügen vorgehen kann und werde.”

Und laut Nachrichtenagentur dpa, die (siehe n-tv.de) den Arzt ebenfalls dahingehend zitiert, “es sei Material gewesen, anhand dessen er in einem Gespräch mit einer ‘Bild’-Reporterin Funktionsweisen eines Gehirns erläutert habe”, widersprach dem nun wieder ein “Bild”-Sprecher:

“Nach dessen Angaben waren einer Reporterin und einem Fotografen des Blattes die Aufnahmen als Fotos von Gysis Gehirn vorgelegt worden. Der Fotograf habe sie dann abgelichtet.”

Nachtrag, 25.6.2005:
Mittlerweile hat “Bild”, so jedenfalls steht es in einer Pressemitteilung der Axel Springer AG, Gysis Arzt “anwaltlich zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zum Widerruf aufgefordert.”

Allgemein  

Betr.: “Thai-Hure boxt deutschen Sex-Tourist k.o.”

“Die Zeit” berichtet in ihrer aktuellen Ausgabe unter dem Titel “Zum Abschuss freigegeben” über Menschen, die zu “Medienopfern” werden. Es geht — natürlich — auch um “Bild”, unter anderem um Friedrich F.:

Friedrich F., 53 Jahre alt. Der gebürtige Bayer lebt seit geraumer Zeit in Thailand, in einem kleinen Bungalow im Urlauberparadies Pattaya. (…)

Vergangenen Sommer ist der Deutsche in seinem Bungalow von zwei Unbekannten überfallen und ausgeraubt worden. Das Opfer wurde dabei verprügelt, das Gesicht war voller Blutergüsse und Schwellungen. Als Friedrich F. zur Polizeistation kam, sei da “ein Haufen Reporter” gewesen. Keiner habe mit ihm gesprochen, sagt er, aber es seien Fotos von seinem zerschundenen Gesicht gemacht worden. Eines davon fand den Weg zur Bild-Zeitung. Und die kolportierte eine passende Geschichte dazu, Überschrift: Thai-Hure boxt deutschen Sex-Tourist k. o. Im Text heißt es, “Geschäftsmann Friedrich F.” habe “ein Thai-Mädchen” engagiert und ihr “viel Geld für ein privates Pornovideo” versprochen. Nach dem Sex habe F. nicht zahlen wollen. Wie von Sinnen habe dann “die Hure” auf ihn eingeschlagen. “Vergeblich versuchten andere Prostituierte und die Bordellchefin dazwischenzugehen.” In das Foto mit F.s malträtiertem Gesicht hat Bild noch vier spärlich bekleidete thailändische Prostituierte im Hintergrund montiert.

Die Mutter von Friedrich F. in Bayern hatte den Bericht als Erste entdeckt. Ihr fiel niemand anderes ein als Günter Wallraff, an den sie sich wenden konnte. Der vermittelte den Hamburger Anwalt Helmuth Jipp. Eine Unterlassungserklärung habe Bild schon abgegeben, sagt er, nun wolle er noch auf Widerruf klagen und ein Schmerzensgeld von 30.000 Euro für seinen Mandanten erstreiten. Das Landgericht Hamburg hat Friedrich F. dafür Prozesskostenhilfe bewilligt — was das Gericht nicht getan hätte, hielte es die Klage für aussichtslos. (…) Zur Stützung [der eigenen] Version hat Bild inzwischen einen Journalisten für eine “Nachrecherche” nach Thailand geschickt; er soll belegen, dass sich alles so, wie beschrieben, oder zumindest so ähnlich zugetragen habe. Dabei behält Bild sich vor, die Kosten der Recherche bei F. mittels einer “Widerklage” einzutreiben. Opferanwalt Jipp weist darauf hin, dass die umstrittenen Filme von der örtlichen Polizei bislang nicht gefunden wurden, auch sei das gegen F. eingeleitete Verfahren mittlerweile eingestellt worden. “Die Filme gibt es nicht.”

Chefredakteur der “Zeit” ist übrigens Giovanni di Lorenzo, über dessen Privatleben “Bild” gestern rein zufällig groß und faktenarm auf Seite 1 berichtete.

Nachtrag, 10. Juni: Giovanni di Lorenzo hat nach Informationen von fairpress.biz vor Gericht durchgesetzt, dass “Bild” nicht über seine angebliche Beziehung berichten darf.

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Keiner stoppt “Bild”

“Bild” ist eine sehr moralische Zeitung. Sie hat Wertevorstellungen, die man teilen kann – aber nicht muss. Das ist so.

Im vergangenen Sommer berichtete “Bild” über die 14-jährige Anne, die von zuhause auszog, um mit ihrem 42-jährigen Freund zusammenzuleben. Die Mutter war verzweifelt, “Bild” witterte einen Skandal und berichtete mehrere Tage empört über Details des Falls. Während “Bild” berichtete, kehrte Anne zu ihrer Mutter zurück. “Bild” schien zufrieden, der Skandal beendet.

Bis zum vergangenen Montag. “Bild” fand heraus, dass Anne, inzwischen 15 Jahre, zu ihrem Freund zurückgekehrt ist und fragte:

“Was treibt die kleine Anne (15) nur immer wieder in die Arme dieses tätowierten Liebesmonsters? Und warum unternehmen die Behörden nichts? Es ist ein Skandal.”

Protokoll eines Behörden-Skandals: Ihre Liebe ist verboten! Aber keiner tut etwas dagegen

“Bild” schrieb weiter, der 42-Jährige hätte Anne “geschlagen, geschwängert, die Jugend geraubt”. Weder Polizei noch Jugendamt würden etwas dagegen unternehmen:

“Die Polizei ist machtlos. (…) Das Jugendamt gibt auf.”

Am Dienstag schilderte “Bild” die Situation unter der Überschrift “Warum stoppt keiner diese verbotene Liebe?” noch drastischer:

“Die kleine Anne wurde von ihrem Liebhaber Manfred W. geschlagen und geschwängert, sie muß seinen kleinen Sohn Justin (19 Monate) großziehen, putzt für ihn, geht kaum noch zur Schule (…). Die Behörden reden sich raus, berufen sich auf ihre Vorschriften.”

Außerdem fragte die Zeitung:

“Warum tut die Polizei eigentlich nichts? Sex zwischen einem Erwachsenen und einer 15jährigen ist laut Paragraph 182 verboten.”

Das stimmt nicht. Entgegen der Auffassung von “Bild” verbietet Paragraph 182, Abs. 2 den Geschlechtsverkehr zwischen Jugendlichen und Personen über 21 Jahren nicht grundsätzlich, sondern nur dann, wenn der Erwachsene “die fehlende Fähigkeit des Opfers zur sexuellen Selbstbestimmung ausnutzt”.

Weder die Staatsanwaltschaft Cottbus noch das zuständige Jugendamt gehen davon aus, dass das in diesem Fall passiert ist. Wie die Staatsanwaltschaft bestätigt, war der 42-Jährige zwar wegen Missbrauchs der 15-Jährigen im vergangenen Jahr angezeigt worden. Anne bestritt den Missbrauch: Sie habe freilwillig mit dem Mann geschlafen. Das Verfahren wurde eingestellt.

Marion Losehand vom zuständigen Jugendamt sagt, es gebe keine Möglichkeit, Anne dazu zu zwingen, sich von ihrem Freund fernzuhalten, auch wenn das die Mutter gerne sähe. Das Jugendamt stehe mehrmals monatlich in Kontakt mit Anne, ihrer Mutter und dem 42-Jährigen. Es gebe kein Indiz dafür, dass Anne gezwungen werde, bei dem Mann zu bleiben. Sie hat sich offenbar aus freiem Willen dazu entschieden.

Man kann damit – wie “Bild” – nicht einverstanden sein, gesetzlich “verboten” – wie “Bild” behauptet – ist daran aber nichts.

Das ist das eine. Das andere ist, dass “Bild” den Eindruck erweckt, sie wäre im Gegensatz zu den Behörden an Annes Wohlergehen interessiert. Der Zeitung macht es aber nichts aus, umfassend über Anne zu berichten, in ihrer Privatsphäre herumzuschnüffeln, sie beim Einkaufen auf der Straße zu fotografieren, das Foto anderntags in der Zeitung abzudrucken und die Situation für die 15-Jährige damit noch zu verkomplizieren – bereits zum zweiten Mal.

Dass sich inzwischen nicht nur “Bild”-Reporter, sondern auch das Fernsehen für Annes private Angelegenheit interessiert, “tut dem Fall nicht gerade gut”, so Losebach vom Jugendamt.

Vielleicht sollte die 15-Jährige tatsächlich mal in Schutz genommen werden. Fragt sich bloß, vor wem alles.

Allgemein  

Die “hübsche Schülerin aus Cottbus”

Nachdem gestern vorm Landgericht Cottbus die mutmaßliche Vergewaltigung einer Minderjährigen durch fünf junge Männer verhandelt wurde, hat sich “Bild” entschieden, darüber zu berichten. Bei Bild.de wiederum hat man sich entschieden, den “Bild”-Bericht (wie schon bei letzten Gerichtstermin vor drei Wochen) im Wortlaut zu übernehmen. Und wie schon vor drei Wochen haben sich “Bild” und Bild.de außerdem dafür entschieden, die Berichterstattung mit einem Foto der “hübschen Schülerin aus Cottbus” (“Bild”) zu illustrieren, ihr Gesicht aber unkenntlich zu machen, was man rücksichtsvoll und verantwortungsbewusst nennen könnte. Schließlich geht es um den Fall – und nicht darum, wie das Opfer aussieht.

Konterkariert wird diese an sich begrüßenswerte Entscheidung, die Identität des mutmaßlichen Opfers zu schützen, von Bild.de allerdings durch die bodenlose Dummheit Entscheidung, das Foto der Schülerin in den entsprechenden Ankündigungen (O-Ton: “Sie hielten mich fest, zerrten meinen Slip herunter”) sowohl auf der Start- als auch auf Nachrichten-Seite von Bild.de abzubilden, dort allerdings auf jegliche Unkenntlichmachung des Fotos zu verzichten…

Mit Dank an Sebastian L. und andere für den Hinweis.

Nachtrag, 13:37:
Na, so was: Inzwischen hat Bild.de das Foto in den Ankündigungen dann doch notdürftig mit einem schwarzen Balken unkenntlich gemacht.

Nachtrag, 8.4.2004, 11:04:
Wie arglos skrupellos fahrlässig gewissenhaft die Identitätsschützer im Hause “Bild” allerdings vorgehen, zeigt sich indes darin, dass das ursprüngliche, offenbar versehentlich veröffentlichte Foto des “hübschen” Opfers bei Bild.de auch jetzt noch mühelos auffindbar ist.

Nachtrag, 8.4.2004, 15:00:
Nach Aufforderung hat Bild.de das unverfremdete Originalbild schließlich doch noch vom Server genommen.

Mit Dank an Andi K., Werner G., Tobias K., und andere dafür.

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Sterben in “Bild”

Am gestrigen Mittwoch ist ein Serienkiller im Iran öffentlich ausgepeitscht und dann aufgehängt worden. Es war ein grausames Ritual; die Behörden hatten eigens mit Lautsprecherdurchsagen dafür gesorgt, dass sich viele Schaulustige am Platz der Hinrichtung versammeln.

Die “Bild”-Zeitung illustriert heute mit mehreren großen Fotos den Tod des Mörders. (Bei Bild.de sind teils andere Bilder und Bildtexte.) Ihr Artikel beginnt mit dem Autorennamen und der Ortsmarke “Teheran”, doch der Autor des Textes war vermutlich nicht in Teheran und ganz sicher nicht Augenzeuge der Hinrichtung. Denn seine Beschreibung ist in einigen wesentlichen Punkten falsch.

“Bild” zeigt ein Foto, auf dem der an einen Pranger gefesselte Mörder zu sehen ist. Hinter ihm steht ein Mann im weißen Hemd und schwarzen Jackett. Laut “Bild” zeigt das Foto folgendes:

…dann rammt ihm der Bruder eines Mordopfers ein Messer in den Rücken…

Dies gehöre zu einer “Hinrichtung nach iranischer Tradition”, behauptet “Bild”. Tatsächlich handelt es sich, wie FAZ.net erklärt, bei dem Mann im weißen Hemd nicht um den Bruder eines Mordopfers, sondern allem Anschein nach um einen Beamten. Er rammt ihm auch kein Messer in den Rücken, sondern beaufsichtigt die Schaulustigen. Zwar hat wirklich ein Mann den Mörder am Pranger mit einem Messer angegriffen. Aber es war weder der Mann, den “Bild” zeigt, noch gehörte die Attacke zur rituellen Handlung, wie “Bild” behauptet: Laut Nachrichtenagentur AP und BBC News hat ein Angreifer die Sicherheitsabsperrung durchbrochen und wurde schnell weggeführt.

Auch der von “Bild” erweckte Eindruck, solche grausamen öffentlichen Hinrichtungen seien Alltag im Iran, ist falsch. Der Korrespondent der australischen Zeitung “The Age” schreibt, öffentliche Hinrichtungen seien “relativ selten” im Iran; AP berichtet, solche Hinrichtungen seien auch im Iran umstritten, weil sie dem Bild des Landes im Ausland schadeten.

Anscheinend reichte es der “Bild”-Zeitung nicht, die entsetzlichen Bilder zu drucken, die die grausamen letzten Minuten im Leben eines Menschen zeigen. Sie wollte auch noch ein Foto zeigen vom Gesicht des Mannes in dem Augenblick, in dem ihm jemand ein Messer in den Rücken stößt. Dass es dieses Foto nicht gibt, ist für “Bild” — wie man sieht — kein Hindernis.

(“Focus Online”, das häufig Artikel aus “Bild” und Bild.de ungeprüft abschreibt, hat übrigens auch in diesem Fall den Fehler von “Bild” übernommen und das Foto vom angeblichen Angreifer falsch beschriftet.)

Nachtrag, 21.03.: “Focus Online” hat den Beitrag inzwischen aus seinem Angebot entfernt.

Allgemein  

Auszüge aus dem “Medien-Pranger”

Aus gegebenem Anlass soll hier doch einmal in aller Deutlichkeit auf Ziffer 13 des Presskodexes hingewiesen werden und insbesondere auf die Richtlinien dazu:

Bis zu einer gerichtlichen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung, auch im Falle eines Geständnisses. Auch wenn eine Täterschaft für die Öffentlichkeit offenkundig ist, darf der Betroffene bis zu einem Gerichtsurteil nicht als Schuldiger im Sinne eines Urteilsspruchs hingestellt werden. (…)Vorverurteilende Darstellungen und Behauptungen verstoßen gegen den verfassungsrechtlichen Schutz der Menschenwürde, der uneingeschränkt auch für Straftäter gilt. Ziel der Berichterstattung darf in einem Rechtsstaat nicht eine soziale Zusatzbestrafung Verurteilter mit Hilfe eines “Medien-Prangers” sein. Daher ist zwischen Verdacht und erwiesener Schuld in der Sprache der Berichterstattung deutlich zu unterscheiden.

Hier einige Zitate aus Artikeln, die seit der Festnahme des mutmaßlichen Mörders von Levke und Felix, Marc H., in “Bild” und/oder auf Bild.de erschienen sind:

31 Wochen nach dem brutalen Mord an der 8jährigen Levke ist der Täter endlich gefaßt: Es ist Marc H. (31) (…)
Bild.de vom 9.12.04

Unfaßbar: Der Killer hat selbst zwei kleine Töchter!
Bild.de vom 9.12.04

Wer ist dieses Monster?
Bild.de vom 9.12.04

Levkes Mörder – Seine geschockte Ex-Frau: Er war so ein lieber Vater…
Bild.de vom 10.12.04

Der Mann, den sie liebte, ist der Mörder der kleinen Levke.
Bild.de vom 10.12.04

Der Killer machte eine Lehre zum Installateur (…)
Bild.de vom 10.12.04

Vor zwei Jahren bekam der Killer mit Ehefrau Anja Töchterchen Sophie-Andrea.
Bild.de vom 10.12.04

Hat der Killer auch Tochter Laura mißbraucht?
Bild.de vom 10.12.04

Levkes Mörder: Schon als Junge haßte er Mädchen
Bild.de vom 12.12.04

Der Junge heißt Marc. 25 Jahre später wird er zum Mörder der kleinen Levke († 8).
Bild.de vom 12.12.04

Sein letztes Opfer wurde Levke.
Bild.de vom 12.12.04

Jetzt spricht die Mutter des Levke-Killers
Bild.de vom 13.12.04

Ihr Sohn hat ein 8jähriges Mädchen bestialisch getötet.
Bild.de vom 13.12.04

Fünf Tage nach der Festnahme und dem Geständnis des Mädchenmörders Marc H. (…)
Bild.de vom 13.12.04

Bei der Suche nach möglichen weiteren Opfern des Doppelmörders (…)
Bild.de vom 8.1.05

Aber der Mann hat Levke ermordet und jetzt den kleinen Felix.
“Bild” vom 10.1.05

(…) Marc Hoffmann (31), der Mörder von Levke (8) und Felix (8) (…)
“Bild” vom 11.1.05

Ist Doppelmörder Marc Hoffmann etwa auch der „schwarze Mann“ (…)
“Bild” vom 11.1.05

Zweifacher Kindermörder Marc Hoffmann – Wieso bekam die Bestie das Sorgerecht für die kleine Tochter?
“Bild”vom 12.1.05

Der Killer hatte ausgesagt, das Rad dort ins Wasser geworfen zu haben.
“Bild” vom 12.1.05

Hier versteckte er nach dem Mord an Levke auch die Habseligkeiten des Mädchens.
“Bild” vom 12.1.05

Zärtlich umarmt die Tochter (10) ihren Vater Marc Hoffmann, den Kinderkiller.
Bild.de in einer Fotogalerie

Kindermörder Marc Hoffmann
Fotounterzeile auf Bild.de in diversen Artikeln über Marc H.

Kindermörder Hoffmann nach Bedrohung durch Häftlinge verlegt
Bild.de vom 12.1.05

Diese Zusammenstellung ist nicht vollständig.

Hinter vorgehaltener Hand

Nein, wir haben keinen Gegenbeweis. Nein, die 150 Euro, die das Hamburger Büro der Fotoagentur Colourpress von uns verlangen würde, wenn wir ein Paparazzifoto von Kurt Russell aus dem Colourpress-Angebot abdrucken wollten, sind uns zuviel.

Zu sehen ist Russell auf dem unscharfen Foto übrigens nackt.

Zu sehen ist er so auch auf der letzten Seite der heutigen “Bild”-Zeitung (fotografiert beim privaten Sonnenbad mit Frau Goldie Hawn auf der Terrasse einer Palafito Master Suite des Hotelito Desconocido im mexikanischen Puerto Vallarta). Und weil Russell auf dem Paparazzifoto bis auf eine Baseballkappe wirklich ganz nackt ist, hat “Bild” ein anderes Foto aus der selben Serie derart geschickt montiert, dass Hawns linke Hand Russells Gemächt verdeckt. Und so steht’s auch in “Bild”:

“Kurt Russell (…) und sein Kurti (hinter Goldies Hand) unter mexikanischer Sonne”

Betextet sind die Fotos von Christiane Hoffmann. Und Hoffmann weist noch einmal darauf hin, dass Russells Geschlechtsteil (O-Ton: “sein faltiger Kurti”) “in BILD schamvoll unter Goldies Hand versteckt” sei. Allerdings hat Hoffmann das Foto offenbar auch ohne Goldies Hand gesehen, denn sie schreibt:

“(…) dahinter befindet sich deutscher Durchschnitt,
ca. 14,67 Zentimeter”

Und schon deshalb, weil Russell unseres Wissens auf dem ohnehin unscharfen Paparazzifoto nicht mit einem eregierten Penis abgelichtet wurde, hat Christiane Hoffmann wahrscheinlich (in Anspielung auf diese oder jene “Bild”-Meldung) nur einen Witz machen wollen. Man könnte auch sagen: Sie hat gelogen. Hat ohne Grund, ohne Not, ohne nachzudenken die Wahrheit einer überflüssigen Pointe geopfert! Saß also bei der Arbeit und füllte ihre “Ich weiß es”-Kolumne mit Wörtern, die keinen Sinn haben!! Mit Zeilen, die sie sich einfach nur ausgedacht hat!!! Oder, nun ja, mit mindestens einem Halbsatz, von dem wir ziemlich sicher wissen, dass er überhaupt nicht stimmt – auch wenn wir uns diesmal den Gegenbeweis (nicht nur aus Kostengründen) sparen.

Mon cher ami

Franz-Josef Wagner schreibt heute einen Brief an Klaus Wowereit, und wir müssen ein bisschen ausholen.

Der Regierende Bürgermeister von Berlin musste sich nämlich gestern im Abgeordnetenhaus dafür rechtfertigen, dass er bei einer öffentlichen Veranstaltung Désirée Nick geküsst hat. Einige Fotos von diesem Moment machten in Berlin und in “Bild” Schlagzeilen. Nachdem ein CDU-Abgeordneter gefragt hatte, ob das mit der Würde seines Amtes vereinbar sein, rechtfertigte sich Wowereit ausführlich.

Franz-Josef Wagner fühlte sich bei dieser Rede an die Sätze von Willy Brandt und Richard von Weizsäcker im Abgeordnetenhaus erinnert, bzw.: nicht erinnert. Denn die hätten die Freiheit verteidigt, Wowereit aber sein “Fundi-Schwulsein”.

Unter “Fundi-Schwulsein” versteht Wagner dem Anschein nach das, was gemeinhin “Homosexualität” genannt wird: Männer, die nicht schwach werden, wenn plötzlich, sagen wir, Paris Hilton vor ihnen steht. Das ist ein bisschen unflexibel, aber das gibt es. “Fundi” ist natürlich alles andere als ein positiv besetzter Begriff in der Welt von “Bild”.

Wagner weiter:

Sie verwahrten sich gegen Unterstellungen, Désirée Nick habe Sie umgedreht.

Das ist typisch, riefen Sie in den Plenarsaal, da ist ein schwuler Mann und eine schöne Frau (na, na, der Kolumnist) und schon heißt es “umgedreht”. Das sei wie bei Frau Schavan, die als lesbisch diskriminiert wird. Es sei gegen die Menschenwürde, ereiferten Sie sich.

Mon cher ami, ist es wirklich so schrecklich, in den Verdacht zu geraten, nicht 150prozentig schwul zu sein?

“Nein”, rufen natürlich an dieser Stelle die “Bild”-Leser im Chor, die nicht aufgepasst haben. Denn darum ging es Wowereit nicht. Als diskriminierend bezeichnete er die Annahme, dass man Schwule nur mit einer schönen Frau konfrontieren müsse, und schon könne man sie ändern.

Das ist genau, was “Bild” mit seiner Titel-Schlagzeile getan hat, und das ist in der Tat diskriminierend. Es ist auch mehr als nur ein lustiger Boulevardzeitungswitz, wie man zum Beispiel hier nachlesen kann.

Wagner suggeriert weiter, Wowereit hätte sich mit dem Thema in die Öffentlichkeit gedrängt, anstatt wichtigere Dinge zu verhandeln. Jedenfalls ist zu vermuten, dass er das suggerieren will, wenn er diese Sätze hintereinander schreibt:

Mon cher ami, ist es wirklich so schrecklich, in den Verdacht zu geraten, nicht 150prozentig schwul zu sein? Ist es nicht viel schrecklicher, daß 40 Prozent unserer Berliner Türken arbeitslos sind. Die Quote der türkischen Sozialhilfeempfänger ist dreimal so hoch. Ist es nicht schrecklich, daß ein Türke, der Deutsch lernen will, in Berliner Volkshochschulen abgelehnt wird – kein Geld, keine Lehrer.

Nach Darstellung verschiedener Medien hat Wowereit wohl tatsächlich sehr, sehr lange zu dem Thema geredet. Tatsache ist aber auch, dass Wowereit das Foto und das Thema nicht groß in die Öffentlichkeit gebracht hat (das war “Bild”) und dass er es auch nicht auf die Tagesordnung im Berliner Abgeordnetenhaus gesetzt hat (das machte die Opposition durch ihre Frage danach).

O-Ton Wagner:

Die Würde der Schwulen geht mir langsam auf den Keks – und Ihr Markenzeichen schwul auch. Schwulsein ist nicht besser.

Noch einmal zum Mitdenken: “Bild” stellt ein Foto vom knutschenden Wowereit auf die Titelseite und bringt es in absurder Weise in Verbindung mit seinem Schwulsein. Und wenn Wowereit sich darüber beschwert, schreibt “Bild”, er soll doch aufhören, dauernd sein Schwulsein in den Vordergrund zu stellen.

Den Satz “Die Würde der Schwulen geht mir langsam auf den Keks” muss man sich merken. Das ist ungefähr so, als würde sich ein Schläger darüber beklagen, dass die Schreie seiner Opfer immer so einen ruhestörenden Lärm verursachen.

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