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Zu viel Gas gegeben

Sie heizen mit Gas? Dann haben wir eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie.

Zuerst die schlechte: Gas wird laut den Internetvergleichsportalen Verivox und Check24 um gut zehn bis elf Prozent teurer.

Und jetzt die gute: So hoch, wie Bild.de die Mehrbelastung angibt, ist sie dann doch nicht:

Auf einen durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalt (Jahresverbrauch: 20 000 Kilowattstunden) könnten Mehrbelastungen von gut 100 Euro im Monat zukommen.

Da der “durchschnittliche Vier-Personen-Haushalt” nur in den seltensten Fällen über 1.000 Euro monatlich für Gas bezahlt, darf davon ausgegangen werden, dass die von Bild.de berechnete Mehrbelastung nicht monatlich sondern jährlich anfällt.

Und so sehen das auch die beiden Vergleichsportale, die Bild.de als Quelle angibt.

Verivox:

Ein Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 20 000 Kilowattstunden (kWh) müsse mit einer jährlichen Mehrbelastung von 126 Euro rechnen

Check24:

Im Durchschnitt steigen die Preise für einen Vier-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden (kWh) um 144 Euro oder elf Prozent.

Mit Dank an Hendrik G.

Nachtrag, 28. September: Bild.de hat sich inzwischen — ohne jeglichen Hinweis — korrigiert. Aus den “gut 100 Euro im Monat” wurden “Mehrbelastungen von mehr als 100 Euro im Jahr”.

Meteor, Mailbox, Lobo

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Meteoritenhoax auf Spiegel Online”
(scilogs.de, Jan Hattenbach)
“Spiegel Online” berichtet über ein “spektakuläres Naturschauspiel” am Himmel und kommt zum Schluß: “Es handelt sich offenbar um einen abstürzenden Meteoriten.” Jan Hattenbach sieht das anders: “Da hat wohl jemand in Peru einen Kondensstreifen für einen Meteor (nicht Meteorit) gehalten. Man ersetze ‘Peru’ durch ‘China’ und ‘Kondensstreifen’ durch ‘Sack Reis’, und erhalte ungefähr den Nachrichtenwert dieser Meldung.” Auf den Nachrichtenportalen sueddeutsche.de, faz.net, welt.de und focus.de ist nach wie vor ein Video zu sehen, in dem es heisst: “Dieser mutmaßliche Meteorit steuert geradewegs auf Peru zu.”

2. “Der Inzest-Opa und die Journalisten-Richter-Henker-Meute”
(kobuk.at, Hans Kirchmeyr)
Hans Kirchmeyr erinnert daran, dass gegen einen in Österreich wegen Inzestverdacht festgenommenen Mann kein Gerichtsurteil, noch nicht mal eine offizielle Anklage vorliegt.

3. “‘Gooool!’ aus zweiter Hand”
(sueddeutsche.de, Javier Càceres)
Spanische Radioreporter erhalten im Fußballstadion keine kostenfreie Akkreditierungen mehr.

4. “Making of…”
(cab-log.blogspot.com, Klaus)
Taxifahrer Klaus beobachtet ein Foto-Shooting für die extragroße “Bild”: “Der Kollege schlug dann schließlich ein Honorar von 5 Euro raus. Die Kollegin bekam große Augen: ‘Ich habe nichts gekriegt.'”

5. “How to hack like a News of the World reporter”
(reuters.com, Video, englisch)
Kevin Mitnick erklärt, wie man eine Handy-Mailbox abhört. Und wie man sich dagegen schützt: “You go into your voicemail options and you enable to prompt for a password always.”

6. “Lobo, der Wolf vom Zentralplatz”
(rhein-zeitung.de, Hartmut Wagner)
Lobo trinkt vor allem Bier und Boonekamp, verzichtet auf eine Wohnung, die ihm zusteht, erhält monatlich 370 Euro Grundsicherung, ohne damit ein moralisches Problem zu haben und setzt sich mit einem Becher an die Straße, wenn das nicht ausreicht (Artikel als PDF-Datei, Kommentar des Chefredakteurs).

Apfelkraut und Rüben

Technik und Juristerei sind (wie Abwassersysteme) keine Gebiete, mit denen sich der Durchschnittsbürger gerne befasst: Beides versteht er nicht so richtig, aber es “funktioniert halt irgendwie” und hilft ihm im Leben — und wenn es nicht in seinem Sinne funktioniert, ist das Gemecker groß. Keine guten Voraussetzungen, dass noch irgendjemand den Überblick behält, wenn beide Themengebiete aufeinander treffen.

Der amerikanische Unterhaltungselektronikkonzern Apple hat im vergangenen Jahr das iPad auf den Markt gebracht, einen mobilen Computer ohne Tastatur. Auch der südkoreanische Mischkonzern Samsung hat einen solchen Computer produziert, das sogenannte Galaxy Tab 10.1. Apple wirft Samsung vor, das Galaxy Tab beim iPad abgeguckt zu haben, und hat Anfang August vor dem Düsseldorfer Landgericht eine einstweilige Verfügung erwirkt: Samsung verletze den Geschmacksmusterschutz von Apple, das Galaxy Tab darf in Deutschland (ursprünglich sogar in der EU) bis auf Weiteres nicht verkauft werden.

Samsung legte gegen die Entscheidung Widerspruch ein — unter anderem, weil die Fotos, mit denen Apple die optische Ähnlichkeit zwischen den beiden Geräten beweisen wollte, verzerrt waren, so dass die Proportionen des Galaxy Tab denen des iPad viel stärker ähnelten als in echt.

Heute nun begann die mündliche Verhandlung vor dem Düsseldorfer Landgericht und die Nachrichtenagentur dapd bewies schon mal mit ihrer ersten Zusammenfassung um 11.28 Uhr, nicht exakt verstanden zu haben, worum es eigentlich ging:

Das kalifornische Unternehmen wirft den Koreanern vor, bei Gestaltung und Design des eigenen Tablet-PCs Markenrechte von Apple verletzt zu haben und hatte deshalb vor dem Düsseldorfer Gericht ein Verkaufsverbot für den iPad-Rivalen erwirkt.

Nein, ums Markenrecht, das die Bezeichnung von Produkten oder Dienstleistungen regelt, geht es in diesem Prozess nicht, sondern ausschließlich um das Design.

Um 12.46 Uhr berichtete Reuters:

Apple hat im Patentstreit mit seinem Rivalen Samsung erneut einen Sieg vor Gericht errungen. Das Landgericht Düsseldorf bestätigte am Donnerstag die einstweilige Verfügung, wonach Samsungs Tablet-PC Galaxy in Deutschland nicht verkauft werden darf. Die Kammer folgte der Argumentation der Amerikaner, das koreanische Gerät verletze Patentrechte.

Dass es um Geschmacksmuster ging und nicht um Patentrechte ging, ist hier fast zweitrangig, denn das Gericht hatte zu diesem Zeitpunkt die Einstweilige Verfügung noch gar nicht bestätigt — und würde es bis zum Ende des heutigen Verhandlungstages auch nicht mehr tun. Die Entscheidung soll erst am 9. September verkündet werden, bis dahin bleibt die Einstweilige Verfügung weiterhin bestehen, wurde vom Gericht aber noch nicht bestätigt.

Zu den vielen Medien, die die vorschnelle Reuters-Meldung übernahmen, zählte auch tagesschau.de, deren Mitarbeiter aber irgendwann selbst beim Gericht nachfragten und ihren Artikel alsbald korrigierten:

tagesschau.de hat – auf Basis von Agenturmeldungen – zunächst berichtet, die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht Düsseldorf über die einstweilige Verfügung sei bereits zu Ende. Eine Sprecherin des Gerichts stellte aber auf Nachfrage gegenüber tagesschau.de klar, dass die Verhandlung noch laufe und die entsprechenden Meldungen nicht zutreffend seien.

Bei Reuters selbst brauchten sie fast zwei Stunden, um festzustellen, dass sie vorzeitig Fakten berichtet hatten, die noch gar nicht geschaffen waren:

DEUTSCHLAND/APPLE/SAMSUNG (KORREKTUR)
KORRIGIERT-Richterin hält Verbot von Samsung-Tablet für gültig=

(Stellt klar, Richterin hält einstweilige Verfügung für rechtens. Entscheidung der Kammer erst später erwartet.)
Düsseldorf, 25. Aug (Reuters) – Apple hat im Patentstreit mit seinem Rivalen Samsung gute Aussichten in Deutschland. Die Vorsitzende Richterin im Verfahren vor dem Landgericht Düsseldorf erklärte am Donnerstag, sie halte die einstweilige Verfügung, unter der Samsungs Tablet-PC Galaxy in Deutschland nicht verkauft werden darf, weiterhin für rechtens.

Diese Korrektur kam zu spät für Bild.de, das von einer “Niederlage vor Gericht” für Samsung und einem “Sieg” für Apple berichtet.

Die “Deutsche Welle” hat in ihrem Internetauftritt ziemlich genau alles falsch gemacht und beeindruckt im Vorspann mit einem überraschenden Kausalzusammenhang:

Trotz des Rücktritts von Steve Jobs kann Apple einen Erfolg verbuchen. Im Patentstreit mit seinem Rivalen Samsung hat Apple einen Sieg vor Gericht errungen. Samsungs Tablet-PC erhält Verkaufsverbot in Deutschland.

Und während dapd weiter ahnungslos mit dem Begriff “Markenrecht” hantiert, fasst dpa den Sachverhalt in zwei Sätzen korrekt zusammen:

In dem Verfahren geht es ausschließlich um das sogenannte Geschmacksmuster, also Design und Äußeres aussehen. Bei der Bewertung, ob ein Geschmacksmuster verletzt wurde, geht es darum, ob ein Produkt vom Gesamteindruck her mit einem anderen identisch ist.

Mit Dank an Patrick D. und Gabriel W.

Nachtrag, 26. August: Gestern in der “Tagesschau” um 20 Uhr:

Patentstreit

Am Text, den Marc Bator vorlesen musste, war so ziemlich alles falsch:

Im Patentstreit mit seinem Konkurrenten Samsung hat Apple einen Etappensieg errungen. Das Düsseldorfer Landgericht bestätigte heute in mündlicher Verhandlung eine Einstweilige Verfügung gegen die Koreaner. (…) Es gebe deutliche Hinweise, dass Markenrechte von Apple verletzt worden seien.

Mit Dank an Klaus M., Kiki W., Dennis R. und Johannes.

Der Sauerstoff, aus dem Legenden sind

Die österreichische Bergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner hat als erste Frau alle Achttausender der Welt ohne zusätzlichen Sauerstoff bestiegen.

Bild.de schrieb dazu gestern:

Als erste Frau hat Gerlinde Kaltenbrunner (40) alle Achttausender-Gipfel der Welt bezwungen – ohne zusätzliche Sauerstoff-Versorgung. Das hatte vor ihr nur Reinhold Messner geschafft.

Das war teils irreführend, teils falsch — entstand doch der Eindruck, Frau Kaltenbrunner hätte als erste Frau überhaupt aller Achttausender bezwungen. In Wahrheit ist sie (je nach Zählweise) die zweite oder dritte Frau. Vor allem aber hatten nach Reinhold Messner und vor Gerlinde Kaltenbrunner noch neun weitere Männer alle Achttausender ohne Sauerstoffmaske bestiegen.

Diesen Fehler hatte Bild.de mutmaßlich von der Nachrichtenagentur AFP übernommen, die gestern zunächst berichtet hatte:

Bislang war Reinhold Messner der einzige, der alle 14 Achttausender ohne Sauerstoffmaske bezwang.

Und:

Bislang war der Südtiroler Reinhold Messner der einzige Mensch der Welt, der alle 14 Achttausender ohne Sauerstoffmaske bezwungen hat.

Um 17.15 Uhr korrigierte AFP seine Meldung:

+++ Berichtigung: Im dritten Satz sowie im letzten Satz des vierten Absatzes heißt es nun richtig, dass Messner der erste (nicht der bisher einzige) Bergsteiger war, der alle 14 Achttausender ohne Sauerstoffmaske bezwang. Diese Korrektur gilt auch für die diesbezügliche Meldung von 15.09 Uhr. +++

Zu spät für die heutige “Bild”-Zeitung:

Bisher war es nur Reinhold Messner gelungen, alle 14 Achttausender ohne Sauerstoffmaske zu besteigen.

Mit Dank an Mithrandir und Florian B.

“In Loriots unverwechselbarem Tonfall”

Die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” hat sich dafür entschieden, mit diesem Bild des verstorbenen Humoristen Loriot zu gedenken:

Er läuft nicht mehr

Es entstammt dem Trickfilm “Auf der Rennbahn”, den Loriot 1970 zu einer alten Tonaufnahme gezeichnet hatte.

Und damit kommen wir zu einem kleinen Problem: Auch wenn die Bilder von Loriot sind, so sind die Stimmen die von Franz Otto Krüger und Wilhelm Bendow, letzterer hat den Sketch auch geschrieben.

Dieses Randwissen hilft einem vielleicht irgendwann mal bei der Beantwortung der 500.000-Euro-Frage bei “Wer wird Millionär?” — und es hätte einige Nachrufer vor Fehlern bewahrt:

n-tv.de:

Er rettete den Ruf des deutschen Humors. Seine Schöpfungen: “Ja, wo laufen sie denn?” und “Früher war mehr Lametta” kennt jeder.

“Zeit Online”:

Mit seinen Sketchen prägte Loriot nicht zuletzt die deutsche Umgangssprache. Sentenzen wie “Ein Klavier, ein Klavier”, “Ich schreie dich nicht an!”, “Die Ente bleibt draußen!”, “Ja, wo laufen Sie denn?” oder “Sagen Sie jetzt nichts” sind längst in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen.

“taz”:

Loriot hingegen sollte sich mit seinen gezeichneten oder gespielten Sketchen tief ins kulturelle Gedächtnis der Deutschen einschreiben. Man denke nur an Erwin Lindemann, “seit 66 Jahren Rentner”, die Akademiker Kloebner und Müller-Lüdenscheid in ihrer Badewanne (“Herr Doktor Kloebner, ich leite eines der bedeutendsten Unternehmen der Schwerindustrie und bin Ihnen in meiner Badewanne keine Rechenschaft schuldig”), man denke an Zitate wie “Ja, wo laufen sie denn?”, “Früher war mehr Lametta”, “Morgen bringe ich sie um!” oder Hamanns konsterniertes “Ach was!”

news.de:

Jahr für Jahr fällt in unzähligen weihnachtlich geschmückten Haushalten der Satz “Früher war mehr Lametta!”. Geprägt hat ihn Loriot, während der Weihnachtsfeier bei Hoppenstedts. Auch Formulierungen wie “Das Bild hängt schief”, “Ein Klavier, ein Klavier!”, “Ach was?!” und “Ja wo laufen sie denn?” haben Einzug in den alltäglichen Sprachgebrauch gehalten.

“Focus Online”:

Zu seinen berühmtesten Szenen gehört zweifellos der Sketch mit der Nudel im Gesicht eines Restaurantbesuchers und dem Zitat “Sagen Sie jetzt nichts, Fräulein Hildegard”. Auch viele andere Redewendungen aus seinen Szenen wurden zu geflügelten Worten, etwa “Ein Klavier, ein Klavier”, “Wo laufen sie denn?” oder “Früher war mehr Lametta”.

dpa:

Und Sprüche aus Loriot-Sketchen wie “Hildegard, warum sagen Sie denn nichts?” oder “Wo laufen sie denn?”, “Früher war mehr Lametta” und das knappe und doch alles umfassende “Ach was!?” sind längst zu geflügelten Worten in der deutschen Umgangssprache geworden.

“Financial Times Deutschland”:

Um es vorwegzunehmen: Loriot war ein Ausnahmekünstler, ein genialer Kopf- und Baucharbeiter, dessen Humor quer durch alle Gesellschaftsschichten ging. Vielleicht war er sogar der wichtigste Humorist, den Deutschland bislang hervorgebracht hat – und der uns geflügelte Worte schenkte wie “Wo laufen Sie denn?”, “Im Herbst eröffnet der Papst mit meiner Tochter eine Herrenbutike in Wuppertal” oder “Früher war mehr Lametta”.

Das Pferd Den Vogel abgeschossen hat aber “Der Freitag”, der unter der Überschrift “Ja wo laufen Sie denn?” behauptet:

Einige seiner Sketche wurden zu Klassikern des deutschen Humors, etwa jener mit der Nudel, auf deren unstatthafte Existenz die Tischdame mit allerlei unauffälligen Andeutungen vergeblich hinweist, oder “Auf der Rennbahn” mit dem immer wieder zitierten Spruch “Ja wo laufen sie denn?” in Loriots unverwechselbarem Tonfall.

Mit Dank an M. Sch. und Stefan K.

Nachtrag, 15.05 Uhr: “Der Freitag” hat den Absatz geändert:

Einige seiner Sketche wurden zu Klassikern des deutschen Humors, etwa jener mit der Nudel, auf deren unstatthafte Existenz die Tischdame mit allerlei unauffälligen Andeutungen vergeblich hinweist, oder auch der Zeichentrickfilm zu Wilhelm Bendows “Auf der Rennbahn” mit dem immer wieder zitierten Spruch “Ja wo laufen sie denn?”.

Autor Thomas Rothschild schreibt in den Kommentaren:

Sie haben Recht. Ich fühle mich beschämt. Das hätte auch in der Eile eines Nachrufs nicht passieren dürfen. Danke jedenfalls für die Korrektur.

Die dpa hatte ihren Fehler sogar schon gestern Nachmittag korrigiert, bei zahlreichen OnlineMedien steht aber immer noch die ursprüngliche, fehlerhafte Version.

Störfall im Netz

Wir würden inzwischen bezweifeln, dass bei “Focus Online” die Agenturmeldungen überhaupt noch gelesen werden, bevor sie online gehen. Das wäre nicht schlimm (und weitgehend üblich), wenn “Focus Online” nicht die Angewohnheit hätte, diesen Agenturmeldungen eigene Vorspänne und Überschriften voranzustellen. Und da wird’s dann schwierig, wenn niemand die Meldung gelesen hat.

Vor drei Wochen wurde so aus der Forderung eines Papstkritikers eine Forderung des Papstes (BILDblog berichtete), gestern ging einer der (weitgehend zerstörten) Unglücksreaktoren von Fukushima weltexklusiv bei “Focus Online” wieder ans Netz.

Und das kam so: AFP hatte gestern Vormittag unter der Überschrift “Reaktor nimmt erstmals nach Fukushima wieder vollen Betrieb auf – Japanische Behörden geben grünes Licht” eine kurze Meldung verschickt. Ihre ersten Sätze lauteten:

Erstmals nach der Katastrophe im japanischen Atomkraftwerk Fukushima hat die Regierung des Landes die Wiederaufnahme des wirtschaftlichen Betriebs eines Atomreaktors genehmigt. Reaktor 3 der Atomanlage Tomari auf der Nordinsel Hokkaido nahm am Mittwoch wieder den vollen Betrieb auf, nachdem die Behörden dafür grünes Licht gegeben hatten, wie der Betreiber Hokkaido Electric Power (Hepco) mitteilte.

Von einigen vielleicht unbekannten Wörtern mal ab sollten Kinder der vierten Klasse diesen Sätzen entnehmen können, dass Reaktor 3 der Atomanlage Tomari auf der Nordinsel Hokkaido am Mittwoch wieder den vollen Betrieb aufgenommen hat.

Und das hat “Focus Online” diesen Sätzen entnommen:

Fukushima: Reaktor nimmt wieder vollen Betrieb auf. Erstmals nach der Atomkatastrophe in Fukushima nimmt der Reaktor 3 des Atomkraftwerks wieder den vollen Betrieb auf. Die japanische Behörde gab dafür grünes Licht, wie die Betreiber Hokkaido Electric Power mitteilte. Seit der Katastrophe sind fast drei Viertel der Atomreaktoren wegen Sicherheitschecks und zur Wartung außer Betrieb.
Mit Dank an Stefan.

Nachtrag, 19. August: “Focus Online” hat Überschrift und Vorspann unauffällig korrigiert. Beim Papst war es noch transparent gewesen.

2. Nachtrag: Unser Leser Andre Sch. weist uns darauf hin, dass “Focus Online” die Fehler nicht komplett “unauffällig” korrigiert hat. Wer sich durch die Leserkommentare klickt, findet dort einen kleinen Hinweis:

Erster Satz ist falsch. "Erstmals nach der Atomkatastrophe in Fukushima nimmt der Reaktor 3 des Atomkraftwerks wieder den vollen Betrieb auf." Eben gerade nicht der Reaktor 3 von Fukushima... Anmerkung der Redaktion: Vielen Dank für den Hinweis. Wir haben den Fehler inzwischen korrigiert.

Wir sind Papst!

Im Hinblick auf den anstehenden Papst-Besuch im September hat die “Rhein-Zeitung” mit Christian Weisner gesprochen, dem Sprecher der Kirchen-Volksbewegung “Wir sind Kirche”.

Weisner sagt in dem Interview unter anderem:

RZ: Wo brennt es in der Kirche?

Weisner: Dazu gehören vor allem der fehlende Nachwuchs an Priestern, die unbefriedigende Rolle der Frau, der fehlende theologische Diskurs, die mangelhafte Bereitschaft zur Ökumene und der sexuelle Missbrauch. (…)

Die Nachrichtenagentur dapd hat daraus eine kleine Meldung gemacht, die unter der Überschrift “Papst soll etwas für die Ökumene bewegen” bei verschiedenen Medien veröffentlicht wurde.

Auch “Focus Online” hat sich der Meldung angenommen und ihr einen eigenen Vorspann und eine eigene Überschrift verpasst. Und so kann die Internetseite jetzt weltexklusiv eine Sensation vermelden:

Katholische Kirche: Papst Benedikt XVI. fordert mehr Ökumene. Papst Benedikt XVI. hat im Vorfeld seines Deutschland-Besuches die „mangelnde Bereitschaft in der katholischen Kirche zur Ökumene“ kritisiert. Er nimmt damit Stellung zur wachsenden Kritik, dass die Kosten für den Papst-Besuch zu hoch seien.

Mit Dank an Wolfgang.

Nachtrag, 31. Juli: “Focus Online” hat den Fehler heute transparent korrigiert.

Journalismus zum Davonlaufen

Torsten Oletzky, Chef der Ergo-Versicherungsgruppe, hat der “Rheinischen Post” für ihre Samstagsausgabe ein Interview gegeben. Darin sprach er auch über die Folgen, die das Bekanntwerden von Lustreisen für Versicherungsmitarbeiter gehabt hatte:

“Verloren haben wir mit konkretem Bezug darauf etwa 500 Kunden – von insgesamt immerhin 20 Millionen.”

Wirklich neu war diese vergleichsweise niedrige Zahl nicht: Ergo-Personalvorstand Ulf Mainzer hatte der “Berliner Zeitung” rund eine Woche vorher fast exakt das Gleiche gesagt, was Dank der Nachrichtenagentur dapd auch recht ordentlich verbreitet worden war.

Diesmal nannte also Oletzky die Zahl und die Nachrichtenagentur dpa verbreitete sie. Allerdings klingt das in der dpa-Variante schon eine Spur beunruhigender:

Die Affären um Lustreisen und Riester-Verträge haben den Versicherer Ergo nach eigenen Angaben mehrere hundert Kunden gekostet. “Verloren haben wir mit konkretem Bezug darauf etwa 500 Kunden”, sagte Ergo-Chef Torsten Oletzky der “Rheinischen Post” (Samstag).

(Die Relationsgröße von insgesamt 20 Millionen Kunden hat dpa* einfach mal weggelassen. Dabei wäre es dem Verständnis natürlich durchaus zuträglich gewesen, zu wissen, dass es um 0,025 Promille der Ergo-Kunden geht.)

Richtig irre wurde die Meldung dann aber im “Spiegel Online”-Remix:

Sexparty-Skandal: Versicherer Ergo laufen die Kunden davon

Kunden nehmen dem Versicherer Ergo die Skandal-Serie der vergangenen Wochen übel. Mindestens 500 Versicherte kündigten infolge der Negativ-Schlagzeilen ihren Vertrag, sagte Ergo-Chef Oletzky. Sein Job scheint aber nicht in Gefahr.

Mit Dank an Markus Sch. und Philipp K.

*) Nachtrag, 21. Juli: Die Deutsche Presseagentur hat uns nach eingehender interner Prüfung mitgeteilt, dass sie das Zitat zunächst deshalb verkürzt wiedergegeben hatte, weil die “Rheinische Post” es selbst so verbreitet hatte. In einer späteren Wochenendzusammenfassung vom Sonntag zitiert dpa Oletzky dann ausführlicher.

Die Nachrichtenagentur dapd, die bereits Anfang Juli über die rund 500 Kündigungen berichtet hatte (s.o.) verbreitete die Meldung am Samstag dann übrigens ein weiteres Mal.

dapd  

Lohnsteuermann über Bord

Der Unterschied zwischen einem Einkommensnachweis (oder auch Entgeltnachweis) und einer Lohnsteuerkarte mag sich einem Laien vielleicht nicht gleich erschließen, aber er ist gewaltig. Der Einkommensnachweis wird beispielsweise von Banken und Behörden zur Einstufung bei der Kreditvergabe bzw. bei der Klärung von Unterhaltsverpflichtungen genutzt, während eine Lohnsteuerkarte dem Arbeitgeber zur Berechnung der Lohnsteuer dient. Die einzige Gemeinsamkeit eines Einkommensnachweises und einer Lohnsteuerkarte ist, dass es beide in elektronischer Form gibt — oder gab.

Die Nachrichtenagentur dapd hatte diesen Unterschied nicht begriffen, als sie gestern zusätzlich zum Aus des elektronischen Entgeltnachweisverfahrens ELENA das Ende der elektronischen Lohnsteuerkarte erklärte:

Bund verabschiedet sich von elektronischer Lohnsteuerkarte

Berlin (dapd). Die Bundesregierung will die Einkommen der deutschen Steuerzahler nun doch nicht elektronisch erfassen. (…) Der elektronische Entgeltnachweis sollte ab 2014 die alte Lohnsteuerkarte endgültig ersetzen. (…)

Auch in der eine Stunde später folgenden Zusammenfassung hieß es in der Überschrift:

Regierung beerdigt digitale Lohnsteuerkarte – Elektronischer Entgeltnachweis Elena vor dem Aus

Zwar steht das seit Jahren umstrittene ELENA-Verfahren tatsächlich vor dem Aus, mit der digitalen Lohnsteuerkarte hat das jedoch rein gar nichts zu tun. Sie soll, wie geplant, im Jahr 2012 unter dem Namen ELStAM (Elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale) eingeführt werden.

Die “Berichtigung”, die die Agentur dann heute morgen nachlegte (“Damit wird klargestellt, dass die elektronische Lohnsteuerkarte nicht vom Aus für Elena betroffen ist”), kam leider zu spät für die heute erschienenen Printausgaben der “Berliner Morgenpost”, von “Welt Kompakt” und vielen anderen.

Die kursierende Falschmeldung sorgte sogar für eine Richtigstellung des saarländischen Finanzministeriums:

Saarbrücken: Elektronische Lohnsteuerkarte bleibt
Trotz der geplanten Einstellung des Verfahrens zum elektronischen Entgeltnachweises (Elena) bleibt den Arbeitnehmern die elektronische Lohnsteuerkarte erhalten.

Darauf hat das saarländische Finanzministerium hingewiesen. Ein Sprecher sagte, die elektronische Lohnsteuerkarte habe mit Elena nichts zu tun. Elena betreffe nur die Sozialversicherung.

Während heute.de und focus.de ihre zwischenzeitlich falschen Meldungen korrigiert haben, scheint sich bei anderen Online-Ausgaben niemand für die sechs Stunden alte dapd-Berichtigung zu interessieren. Obwohl sich die digitale Lohnsteuerkarte bester Gesundheit erfreut, heißt es etwa in den Online-Auftritten der “Sächsischen Zeitung” und der “Augsburger Allgemeinen” immer noch:

Bund begräbt elektronische Lohnsteuerkarte

"Elena" scheitert am Datenschutz Das Ende der elektronischen Lohnsteuerkarte

Vielleicht wäre es am besten, wenn Nachrichtenagenturen gleich Zugriff auf alle Redaktionssysteme bekämen. Dann könnten sie im Falle mögliche Fehler gleich selbst korrigieren. Denn die Online-Medien überprüfen die Meldungen vor Veröffentlichung ja offensichtlich sowieso nicht.

Mit Dank an Jens G. und Christoph T.

Nachtrag, 21:03 Uhr: Als könnte es Bild.de nicht auf sich sitzen lassen, wenn andere Medien Fehler machen. Gut zehn Stunden nachdem dapd die Falschmeldung von gestern zurückgenommen hat und rund eine Stunde nachdem wir diesen Beitrag veröffentlicht haben, ist ein Artikel erschienen, der alles bisher dagewesene in den Schatten stellt. Bild.de glaubt allen Ernstes immer noch, dass das Aus von ELENA gleichzeitig das Aus für die elektronische Lohnsteuerkarte bedeutet:

Projekt "Elena" gescheitert Aus für digitale Lohnsteuerkarte

Dazu gibt es einen Screenshot von einer Website, die für ELENA wirbt (oder warb), mit diesem Bildtext:

Die digitale Lohnsteuerkarte hat ausgedient. (…)

Im Text heißt es fälschlicherweise:

„Elena” sollte ab 2014 die herkömmliche Lohnsteuerkarte ablösen und die Erstellung von Einkommensbescheinigungen erheblich erleichtern.

Noch größerer Unfug ist jedoch das:

Zwar erhalten sie ihre Lohnsteuerkarte im Gegensatz zu früher weiter auf elektronischem Weg. Diese Form enthält jedoch wesentlich weniger sensible Daten, als das bei „Elena“ der Fall gewesen wäre.

Die Lohnsteuerkarte erhält man nicht “weiter auf elektronischem Weg” wie Bild.de schreibt, sondern im Jahr 2012 zum ersten Mal. Bis dahin gilt die Lohnsteuerkarte von 2010. Der zweite Satz ergibt überhaupt keinen Sinn, wenn man bedenkt, dass ELENA mit der Lohnsteuerkarte rein gar nichts zu tun hat.

Mit Dank an Thomas, Michael M. und Joachim K.

Nachtrag, 20. Juli: Bild.de hat reagiert und die elektronische Lohnsteuerkarte ohne jeden Hinweis aus dem Artikel entfernt.

Das kann nicht Euer ERNSTL sein

Vergangene Woche stellte ein Mann namens Paul Awe bei eBay ein ganz besonderes Objekt zur Versteigerung ein:

GLÜCKSRAD - Original aus dem TV - Ikone der 80/90er

Diese Produktbezeichnung war womöglich etwas missverständlich, denn Awe versteigert nicht das Glücksrad aus der unfassbar erfolgreichen Sat.1-Sendung “Glücksrad” (1988 – 1998), sondern das Glücksrad aus der erfolglosen 9Live-Reinkarnation der Sendung (2004 – 2005) — deutlich zu erkennen etwa an den Euro-Beträgen auf dem Rad.

Das steht so ähnlich auch in der Produktbeschreibung:

Die zu versteigernde Version des Glücksrads drehte sich zuletzt auf 9Live. Es wurde mit Genehmigung des amerikanischen Lizenzgebers hergestellt und dürfte das einzig verfügbare Glücksrad in Deutschland sein.

Paul Awe hätte klar sein müssen, dass sein Angebot falsch verstanden werden könnte — zum einen von möglichen Bietern, ganz sicher aber von Journalisten.

Die Deutsche Presseagentur (dpa) berichtete bereits letzten Montag:

Das “Glücksrad” und die Buchstabenwand werden jetzt versteigert. Das kündigte der Münchner Medienunternehmer Paul Awe, dem die Kulissen gehören, am Montag an. Awe hatte das Glücksrad aus dem Fundus des Privatsenders Neun live übernommen, der im Jahr 2005 den Spielshowklassiker zuletzt übertragen hatte.

Das war (bis auf Awes Berufsbezeichnung, zu der wir später kommen) nicht falsch. Irreführend wurde die Meldung durch den darauf folgenden Absatz, der nichts mit dem angebotenen Glücksrad zu tun hatte:

Das “Glücksrad”, das im amerikanischen Original “Wheel of Fortune” heißt, war mit der meist stummen Buchstabenfee Maren Gilzer sowie den Moderatoren Frederic Meisner und Peter Bond im Jahr 1988 bei Sat.1 auf Sendung gegangen und wechselte 1998 zu Kabel eins, wo es sich bis 2002 drehte. 2004 und 2005 probierte es Neun live noch einmal. Awe kündigte an, er werde das mehrere hundert Kilo schwere Rad samt Buchstabenwand von Dienstag an im Online-Auktionshaus ebay anbieten – Mindestgebot: ein Euro.

Am Mittwoch berichtete “Welt Online”:

Online-Versteigerung: Glücksrad und Buchstabenwand landen bei Ebay. Vor über zwei Jahrzehnten drehte sich das "Glücksrad" erstmals im deutschen Fernsehen. Nun können Nostalgiker das berühmte Requisit im Internet ersteigern.

“Welt Online” hatte sich sogar die Mühe gemacht, die legendäre “Buchstabenfee” Maren Gilzer zu befragen, was sie von der Versteigerung halte (“Besser, als wenn es in einem Kulissenkeller irgendwo verstaubt.”) und ob sie selbst mitbieten werde (“Ich nicht, denn mein Hund Tinka interessiert sich nicht für Buchstaben.”).

Auch “Focus online” hatte einen schicken O-Ton aufgetan:

Auch Frederic Meissner, der “Das Glücksrad” 14 Jahre lang moderiert hat, denkt gerne an diese Zeit zurück. “Natürlich kommt auch etwas Wehmut auf, wenn die Studioeinrichtung nun versteigert wird”, so Meissner gegenüber FOCUS Online.

Gegen Ende der Woche hatten die “B.Z.”, die “Hamburger Morgenpost” und sogar die “Süddeutsche Zeitung” über die Auktion berichtetet. Letztere, obwohl die Sendung im Rückblick “dermaßen dämlich” sei, “dass es fast schade um jede Zeitungszeile ist, die man darüber verliert”.

Nachdem Paul Awe übereinstimmend als “Medienunternehmer” bezeichnet worden war, stellte er am 30. Juni in einem Update auf der Auktionsseite klar:

Ich bin KEIN “Medienunternehmer” (wie in der Presse dargestellt), sondern ein ganz normal arbeitender Mensch – jetzt mit ein bisschen Glück, hoffentlich!

Am gleichen Tag beantwortete er die Frage eines eBay-Mitglieds, um welches Glücksrad es sich denn jetzt eigentlich handle, so:

Die zur Verstiegerung stehende Version ist nicht die, die 1988 auf SAT.1 zu sehen war, sondern lief auf 9 Live.

Zwei Tage später war die Auktion auch zu Bild.de durchgedrungen:

Auktion bis 7. Juli: Das "Glücksrad" wird bei Ebay versteigert

Die Auktionsseite hatte die Autorin für ihren Artikel offensichtlich nicht gelesen, denn sie schrieb:

Der Münchner Medien-Unternehmer Paul Awe versteigert die Original-Requisite aus der gleichnamigen TV-Sendung jetzt im Online-Auktionshaus Ebay.​

Außerdem schrieb Bild.de:

Demnächst soll auch noch die dazugehörige Buchstabenwand, die bei der Show jahrelang das Reich von Buchstaben-Fee Maren Gilzer war, bei Ebay unter den Hammer kommen.

Die Buchstabenwand, die deutlich kleiner ist als die, vor der Maren Gilzer jahreland auf und ab schritt, stand da bereits seit mehreren Tagen zur Versteigerung.

Die Kabel-1-Variante des Glücksrads war übrigens bereits im Jahr 2002 für einen guten Zweck versteigert worden.

Mit Dank an Axel Sch. und Jens L.

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