Suchergebnisse für ‘focus’

Fast ohne Zutun, Rechtstrend “Dark Social”, Digital Darlings unter Druck

1. Wie ein privates Video fast ohne Zutun von Journalisten “an die Öffentlichkeit kam”
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Ein an die Öffentlichkeit gelangtes, privat gedrehtes Video einiger junger Kommissaranwärterinnen sorgt für einen Mix von künstlicher Aufregung, Heuchelei und Doppelmoral. Stefan Niggemeier fasst zusammen: “Und so ist nun ein privates Video in der Welt und alle reden über die Verantwortung junger Polizistinnen und die Gefahren von Social Media — nur für die Journalisten von “Focus” und “Bild”, die es hochgeladen und für seine Verbreitung gesorgt haben, ist die Sache erledigt.”

2. Bremer Ex-AfD-Vorstand Lührssen: Der Preis des politischen Engagements
(weser-kurier.de, Jürgen Theiner)
Als der Journalist Hinrich Lührssen (u.a. Radio Bremen, “Stern TV”) vor einigen Monaten Teil des Bremer AfD-Landesvorstandes wurde, sorgte dies in der Branche für Verwunderung. Lührssen bezeichnet seine Zeit bei der AfD heute als “Trip nach Nordkorea und zurück”, was vor allem an seinen gescheiterten Karriereplänen liegt: Der Journalist konnte sich nicht als AfD-Spitzenkandidat für die Bürgerschaftswahl durchsetzen und fühlt sich ausgebootet.

3. Dark Social ist auch Trend bei Rechtsextremen
(belltower.news, Simone Rafael & Miro Dittrich)
Nachdem einige rechtsextreme Gruppierungen aus den sozialen Netzwerken geschmissen wurden, verlagerten sie ihre Aktivitäten zu Messengerdiensten wie Whatsapp und Telegram. Miro Dittrich vom Monitoring-Projekt “De:hate” der Amadeu Antonio Stiftung erklärt die Hintergründe.

4. Digital Darlings unter Druck
(spiegel.de, Isabell Hülsen & Martin U. Müller)
Die drei Medienmarken “BuzzFeed”, “Vice”, “Huffpo” mussten jüngst kräftig Federn lassen: “BuzzFeed” entlässt 15 Prozent seiner Belegschaft, bei “Vice” verlieren 250 der weltweit 2500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Job, die deutsche “Huffington Post” hat den Betrieb komplett eingestellt. Das liege vor allem an der Werbe-Übermacht von Facebook, Google und Amazon. Außerdem gebe es eine wachsende Konkurrenz durch klassische Medienhäuser, die immer mehr zahlende Abonnentinnen und Abonnenten für ihren Journalismus im Netz gewinnen.

5. Das Fragezeichen passt besser zu unserem Beruf als das doppelte Ausrufezeichen
(journalist-magazin.de, Georg Mascolo)
Der ehemalige “Spiegel”-Chef Georg Mascolo leitet seit 2014 den Rechercheverbund von NDR, WDR und “Süddeutscher Zeitung”. In einem Beitrag für das Medienmagazin “journalist” beschäftigt er sich mit der mangelnden Selbstkritik und Fehlerkultur von Journalistinnen und Journalisten und bezieht sich durchaus auch selbst mit ein: “Seit mehr als 30 Jahren bin ich nun im Beruf. Meine Arbeitgeber waren und sind das, was man “Qualitätspresse” nennt. Aber ich habe nicht immer “Qualität” abgeliefert. Manche meiner Fehler erinnere ich bis heute schmerzlich, vor allem, weil ich sie meinem Publikum verschwiegen habe.”

6. Ein TV-Sender mit Gaulands Zahnarzthelferin
(deutschlandfunk.de, Doris Anselm)
Der sächsische AfD-Bundestagsabgeordnete Tino Chrupalla plant der “Sächsischen Zeitung” zufolge eine Liste mit Namen “unseriöser” Journalistinnen und Journalisten. Das hat Doris Anselm in ihrer Glosse zu weiteren “guten Vorschlägen” inspiriert. Sie gibt der AfD zum Beispiel den Tipp, selbst eine AfD-kritische Zeitung zu gründen: “Man würde erfahren, dass Jörg Meuthen früher Rastalocken hatte oder dass Alexander Gauland insgeheim in seine Zahnarzthelferin verknallt ist, die ein Kopftuch trägt und ihn natürlich nicht mehr mit dem Arsch anguckt, aber genau da drauf steht er auch ein bisschen und so weiter, und so weiter — alles erfunden natürlich. Aber kritisch! Das wird toll.”

Gängelung durch VW, “Don Alphonso” in der Jury, Unterirdische Klopapiere

1. Wie Volkswagen Journalisten gängelt
(horizont.net, Ulrike Simon)
Volkswagen lädt Journalistinnen und Journalisten zu einer Veranstaltung ein. So weit, so normal. Ab da wird’s aber bemerkenswert: Der Konzern schreibt vor, dass nicht fotografiert werden darf, nicht gefilmt werden darf, nicht mitgeschrieben werden darf. Und sollte anschließend doch jemand etwas veröffentlichen wollen, dann nur, nachdem er oder sie VW die Zitate “und auch die Fakten”, “die Sie gedenken zu verwenden”, zuvor zugeschickt hat. Man könne den Zugang zur Veranstaltung “leider nur gewähren, wenn wir die Artikel vor Veröffentlichung einmal sehen und ggf. ändern können”. Ulrike Simon fragt: “Heißt das mit anderen Worten: Ist der Ruf erst ruiniert, zensiert es sich ganz ungeniert?”

2. Jury-Berufung von “Don Alphonso” in der Kritik
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers)
Rainer Meyer, besser bekannt als “Don Alphonso”, sitzt in diesem Jahr erstmals in der Jury des Medienpreises des Bundestages. Dass einer, der in seinen Blog-Beiträgen und Tweets immer wieder von “Merkels Medienpaladinen”, “Relotiusmedien” und “Systemredakteuren” spricht, nun über einen renommierten journalistischen Preis mitentscheiden soll, können einige kaum fassen.

3. Raus aus der Blase: Pfleger wird Politikchef
(ndr.de, Sebastian Friedrich)
Laut einer Studie haben drei Viertel der Journalistinnen und Journalisten in Deutschland einen Hochschulabschluss. Das Medienmagazin “Zapp” hat mit einem gesprochen, der über einen deutlich anderen in den Journalismus gekommen ist: Jan Jessen ist ausgebildeter Krankenpfleger, war Sänger in einer Punk-Band, wohnte in besetzten Häusern und leitet heute das Politik-Ressort der “Neuen Ruhr Zeitung”. Für ihn sei die soziale Öffnung überlebenswichtig für die Branche.

4. Ich dachte naiverweise, dass der Focus Ärzte empfiehlt, weil sie gut sind
(facebook.com/yael.adlerdr, Yael Adler)
1900 Euro plus Mehrwertsteuer kostet es, um laut “Focus” ein guter Arzt, Pardon, ein “empfohlener Arzt in der Region” zu sein. Soviel will die BurdaNews GmbH haben, damit man ein entsprechendes “FOCUS-Empfehlungssiegel” verwenden darf. Yael Adler, selbst Ärztin, hat ein solches Angebot “von einem empörten Kollegen” zugespielt bekommen und bei Facebook veröffentlicht.

5. Soziale Netzwerke: Wo Mitgefühl überbewertet wird
(nordbayern.de, Christian Urban)
Nach den Meldungen zum Tod zweier Jugendlicher in Nürnberg und zum Tod eines Zweijährigen in Spanien habe er mit Mitgefühl und Anteilnahme gerechnet, schreibt Christian Urban: “Das wären die Reaktionen, die man nach solch tragischen Ereignissen erwarten sollte. Nicht gerechnet hatte ich allerdings mit den Kommentaren zahlreicher Nutzer auf unseren Facebook-Seiten.” In einer recht deftigen “Wutrede” richtet sich der Online-Redakteur an jene Nutzer: “Haltet einfach die Klappe. Eure noch nicht komplett abgestumpften Mitmenschen werden es Euch danken. Und ich sowieso.”

6. Pressefreiheit auch für Saftpressen
(instagram.com, Jan Josef Liefers)
“Steht er jetzt noch zu ihr?” steht in großen Buchstaben auf der Titelseite eines Klatschmagazins, dahinter die Fotos von Schauspielerin Anna Loos und Schauspieler Jan Josef Liefers. Diese Schlagzeile hat die zehnjährige Tochter der beiden offenbar so verunsichert, dass sie bei ihren Eltern in einer Familien-Whatsapp-Gruppe nachfragte, was da los sei. Liefers veröffentlichte den Chatverlauf und schrieb dazu: “Eines dieser unterirdischen Klopapiere hat es mal wieder geschafft. Seid ihr stolz auf Euch?”

Reichweitenverlust, Geld verdirbt den Sportjournalismus, Gefakte Werbung

1. Focus und Stern verlieren jeweils neun Prozent an Reichweite
(horizont.net, David Hein)
Die Media-Analyse “ma Pressemedien” erfasst die Reichweiten der Publikumszeitschriften in Deutschland, und die sind gegenwärtig meist rückläufig. Vor allem die aktuellen Magazine haben es schwer. So haben “Focus” und “Stern” jeweils neun Prozent an Reichweite verloren. Gegen den Trend zulegen konnten Wochenzeitungen wie “FAZ”, “Welt am Sonntag” und “Zeit”.

2. Böhmermanns Anwalt zieht vor Bundesgerichtshof
(sueddeutsche.de)
Der Rechtsstreit um Jan Böhmermanns Schmähgedicht über Recep Tayyip Erdogan geht in die nächste Instanz: Nachdem der Satiriker letztes Jahr im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Hamburg gescheitert war, hat Böhmermanns Rechtsanwalt Christian Schertz nun Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt.

3. Fußball und Fernsehen: Das Geld hat den Sportjournalismus versaut
(120minuten.net, Jérôme Grad)
Können Fußballübertragungen und die Berichterstattung drumherum wirklich kritisch sein? Angesichts der Tatsache, dass Fernsehsender und andere Bewegtbild-Plattformen jedes Jahr einen Milliardenbetrag für die Übertragung von Fußballspielen investieren? Hat das Geld “den Sportjournalismus versaut”, wie der frühere DFB-Mediendirektor und langjährige SWR-Sportchef Gerhard Meier-Röhn sagte? In einem längeren Beitrag erklärt Jérôme Grad die derzeitige Situation und entwirft verschiedene Szenarien für die Zukunft.

4. Ein bisschen Pressefreiheit
(deutschlandfunk.de, Marc Engelhardt)
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Äthiopien derzeit noch auf einem unrühmlichen 150. Platz, doch das könnte sich bald zum Besseren wenden: Unter dem Premierminister und selbsternannten Reformer Abiy Ahmed wurden Dutzende inhaftierte Journalisten freigelassen, die Blockade von 250 Websites und Blogs aufgehoben und kritische Medien zur Rückkehr nach Äthiopien bewegt. Von echter Pressefreiheit sei das Land jedoch noch weit entfernt.

5. “Paradise Papers”: Haft für türkische Journalistin
(ndr.de, Oliver Mayer-Rüth, Video: 4:46 Minuten)
Bei ihren Recherchen zu den “Panama Papers” stieß die türkische Journalistin Pelin Ünker auf die Namen der Söhne des ehemaligen türkischen Ministerpräsidenten und heutigen Parlamentspräsidenten Yildirim. Für ihre Berichterstattung über diesen Fall wurde sie mit Preisen für hervorragenden investigativen Journalismus ausgezeichnet. Und zu etwas mehr als einem Jahr Haft verurteilt — wegen “übler Nachrede” …

6. Diese Instagrammer posten gefakte Werbung, um sich als Influencer zu gerieren
(omr.com, Roland Eisenbrand)
Dass manche Instagram-Influencer ihre von Unternehmen bezahlten Posts nicht als Werbung erscheinen lassen wollen, ist soweit bekannt. Es gibt aber auch den umgekehrten Fall: Instagrammer, die ihre Posts gezielt wie Werbung aussehen lassen, obwohl das beworbene Unternehmen sie gar nicht dafür bezahlt hat. “OMR” ist der Sache nachgegangen und hat sich nach deutschen Beispielen umgeschaut.

Wie “Bild” das Schicksal des zweijährigen Julen ausschlachtet

In Spanien ist ein kleiner Junge in einen rund 110 Meter tiefen Schacht gefallen. Seit neun Tagen läuft die Rettungsaktion für den zweijährigen Julen nun. Und fast genau so lang belagern Reporter nun den Ort Totalán, wo das Unglück passierte und wo die Rettungskräfte versuchen, einen Tunnel zu dem Jungen zu bohren.

“Bild” ist natürlich mit dabei, aber auch andere Knallportale berichten fleißig, Stern.de zum Beispiel, “Focus Online”, RTL.de und so weiter.

Heute meldete Bild.de:

Screenshot Bild.de - Mediziner über das Bohrloch-Unglück - Es ist nur theoretisch möglich, dass Julen lebt

… was nicht besonders überraschen dürfte, angesichts der Tatsache, dass ein Zweijähriger erst einen sehr tiefen Brunnenschacht hinunterstürzt und anschließend viele Tage ohne Essen und Trinken verbringen muss. Aber wie hätte man ohne Hoffnung dem gierigen Klickvolk die vielen Akte dieses Dramas verkaufen sollen?

Screenshot Bild.de - Rettung sehr gefährlich - Junge (2) stürzt 110 Meter tief in Brunnen
Screenshot Bild.de - Junge in 110 Meter tiefen Brunnenschacht gestürzt - 2017 starb sein Brüderchen - Das Schicksal schlug schon einmal zu
Ausriss Bild-Zeitung - Junge (2) stürzt in 110 Meter tiefen Schacht
Screenshot Bild.de - Junge in 100-Meter-Schacht gestürzt - Gibt es noch Hoffnung für den kleinen Julen?
Screenshot Bild.de - Julen stürzte in 110-Meter-Loch - Das furchtbare Warten auf ein Wunder
Screenshot Bild.de - Ganz Spanien bangt um Jungen im Schacht - Bagger und Bohrer sollen Julen retten
Ausriss Bild-Zeitung - Das furchtbare Warten auf ein Wunder
Screenshot Bild.de - Junge stürzte in 110 Meter tiefes Brunnenloch - Julen und das Prinzip Hoffnung
Ausriss Bild-Zeitung - Kinder beten für Jungen im Schacht
Screenshot Bild.de - Beklemmende Kamerafahrt in das Brunnenloch - Hier stürzte der kleine Julen hinein
Screenshot Bild.de - Wie die Helfer zu dem Jungen im Brunnenloch vordringen wollen - Neuer Rettungsversucht für den kleinen Julen
Ausriss Bild-Zeitung - Vor der Haustür steht noch Julens Dreirad
Screenshot Bild.de - Kleiner Julen seit Sonntag verschüttet - Vor der Haustür steht noch das Dreirad
Screenshot Bild.de - Seit Sonntag im Schacht gefangen - So wollen sie den kleinen Julen retten
Screenshot Bild.de - Kleiner Julen im Brunnenschacht - Nur noch wenige Stunden, bis es regnen soll
Screenshot Bild.de - Junge stürzt in 110 Meter tiefes Loch - Dieser Bohrer ist Julens letzte Hoffnung
Ausriss Bild am Sonntag - Retter bohren endlich Schacht zu kleinem Julen
Screenshot Bild.de - Retter kämpfen um Julen in Schacht - Bohrer schafft drei Meter pro Stunde
Screenshot Bild.de - Kleiner Junge stürzte vor einer Woche in 100 Meter tiefen Bohrschacht - Retter müssen sich per Hand zu Julen durchgraben
Screenshot Bild.de - Kleiner Julen fiel vor einer Woche in Bohrschacht - Retter stoßen auf fünf Meter Granit
Screenshot Bild.de - Julen fiel vor acht Tagen in Bohrschacht - Jetzt beginnt die kritische Phase
Ausriss Bild-Zeitung - Julen soll mit Käfig geborgen werden
Screenshot Bild.de - Julens Eltern am Unglücksort in Totalan - Acht Tage Albtraum
Screenshot Bild.de - Kind im Brunnenschacht - Heute wollen sie Julen finden
Screenshot Bild.de - Vor mehr als einer Woche fiel der Junge in einen Bohrschacht - Retter wollen heute Mittag zu Julen vordringen
Screenshot Bild.de - Bild sprach mit dem Feuerwehr-Chef der Rettungsmission am Bohrloch - Ich gehe erst wieder heim, wenn wir Julen haben
Screenshot Bild.de - Julen fiel vor neun Tagen in ein Bohrloch - Wiederholt sich das Schicksal des kleinen Alfredo?
Screenshot Bild.de - Schon wieder Verzögerung bei Drama um Julen - Parallel-Schacht einsturzgefährdet

Gnadenlos und ohne Rücksicht auf irgendwas oder irgendwen schlachten sie das Schicksal eines Zweijährigen aus.

Im Mai 2017, nach dem Terroranschlag in Manchester, verteidigte Ombudsmann Ernst Elitz die Berichterstattung der “Bild”-Redaktion, die Fotos von verstorbenen Kindern und Jugendlichen gezeigt hatte, so:

Viele Mitarbeiter haben Kinder im Alter der Ermordeten. Und so wurde die Auswahl der Fotos eben nicht nur von Journalisten getroffen, sondern von Müttern und Vätern, die sich fragten: Würde ich mein Kind so zeigen, wenn meine eigene Familie von diesem Grauen betroffen wäre? (…)

Die Auswahl eines jeden Fotos war eine Gewissensentscheidung. Ich finde, das Gewissen der Mütter und Väter in der Redaktion hat bei der Auswahl der Fotos aus Manchester richtig entschieden.

Auch vor diesem Hintergrund kann man den Beitrag des “Postillon” von heute sehen: “Bild-Chef Reichelt: ‘Wenn mein 2-jähriges Kind in ein 100-Meter-Loch fällt und wahrscheinlich tot ist, hätte ich auch gern, dass die gesamte Welt live daran teilnimmt’.”

Mit Dank an Sebastian E. und Olaf für die Hinweise!

Das “meistzitierte Medium Deutschlands” zitiert nicht

Bescheidenheit ist nicht gerade die Sache der “Bild”-Redaktion. Am vergangenen Montag schlagzeilte sie auf der eigenen Titelseite:

Ausriss Bild-Titelseite - Bild ist das meistzitierte Medium Deutschlands!

Das Korkenknallen ging im Text weiter:

Es ist die härteste Währung im politischen Journalismus: mit Exklusiv-Nachrichten von der Konkurrenz zitiert zu werden. Niemandem gelang dies 2018 so häufig wie BILD.

1203-mal wurde BILD laut des angesehenen Zitate-Rankings von “Media Tenor” im vergangenen Jahr mit Nachrichten, Berichten, Interviews etc. von anderen Medien zitiert. Eine klare Meinungsführerschaft: vor “Spiegel” (1098), “New York Times” (907) und BILD am SONNTAG (895 Zitate). “Süddeutsche Zeitung” und “Handelsblatt” belegten die Plätze 5 und 6.

In der “taz” wies Steffen Grimberg darauf hin, dass es “schon mehr als etwas verräterisch” sei, “wenn man die Quelle des Freudentaumels selbst mit Attributen wie ‘angesehen’ aufpeppen muss. Denn bei Media Tenor handelt es sich um einen Laden, der mit der Kneifzange anzufassen ist.” Aber das nur nebenbei.

Schauen wir doch mal, wie “Bild” und Bild.de selbst so mit dem Zitieren umgehen. Am Dienstag, da war der “Bild”-Jubel in eigener Sache gerade mal einen Tag alt, erschien dieser Artikel:

Screenshot Bild.de - Facebook-Fotos entlarvten ihn als Betrüger - Motz-Urlauber muss TUI 22000 Euro zahlen

Ein Brite forderte von TUI Schadensersatz, da er bei seinem Urlaub auf den Kapverdischen Inseln wegen der vermeintlich mangelnden Hygiene und des vermeintlich schlechten Essens vermeintlich krank geworden sei. Allerdings zeigten Facebook-Posts des Mannes, was für eine gute Zeit er in dem Fünf-Sterne-Hotel hatte und wie begeistert er vom angebotenen Essen war. TUI ging gegen ihn wegen Betrugs vor, der Mann soll dem Reiseveranstalter nun 20.000 Pfund zahlen.

Mirror.co.uk hatte die Geschichte exklusiv. Doch von dieser Quelle ist bei Bild.de, wo sie so stolz aufs Zitiertwerden sind, kein Wort zu lesen (anders als zum Beispiel bei “Focus Online”). Zugegeben, die Story vom betrügenden Briten ist kein politischer Journalismus. Aber nur weil die Politik fehlt, wird “die härteste Währung” doch nicht dramatisch an Wert verlieren.

Autorin des Bild.de-Artikels ist Silke Hümmer, die bereits im vergangenen September im BILDblog auftauchte, nachdem sie, ohne Nennung der Quelle, bei einem anderen Portal abgeschrieben hatte.

Mit Dank an anonym für den Hinweis!

Umstrittener Waldspaziergang, Späh-Export, Unpolitisch reanimiert

1. Waldspaziergang mit Höcke – der Spiegel als Klatschmagazin
(deutschlandfunk.de, Matthias Dell)
“Deutschlandfunk”-Kolumnist Matthias Dell kritisiert den “Spiegel” für dessen jüngste Homestory mit AfD-Rechtsaußen Björn Höcke: “Spricht die Journalistin Höcke mal auf seine programmatischen Sätze an, redet der sich raus – wenig überraschend für den Leser. Für die „Spiegel“-Journalistin scheint das Ausweis ihrer Arbeit genug. Offenbar hat sie in den zurückliegenden Jahren nicht verstanden, dass die Strategie der AfD genau so funktioniert: Dem „Spiegel“ gegenüber wird anders geredet als in der Öffentlichkeit und zu den Anhängern. Auch über den „Spiegel“ übrigens. Scheint aber alles egal.”

2. Bundesregierung gegen Exportkontrolle
(reporter-ohne-grenzen.de)
Interne Verhandlungsprotokolle und Strategiepapiere der Bundesregierung beweisen, dass die Bundesregierung ein Projekt torpediert, das sie 2015 selbst angestoßen hatte: Die Reform der sogenannten Dual-Use-Verordnung, mit der die EU den Verkauf europäischer Spähsoftware an Staaten verhindern will, in denen Menschenrechte missachtet und Journalisten überwacht werden. “Reporter ohne Grenzen”-Chef Christian Mihr in einer Stellungnahme dazu: “Digitale Überwachung gefährdet die Arbeit von Journalisten auf der ganzen Welt und endet im schlimmsten Fall in Verfolgung und Folter. Es ist erschütternd, dass die Bundesregierung die Pläne der EU zugunsten von Industrieinteressen verwässern möchte.”

3. Polens Ministerpräsident sagt Medien in deutschem Besitz den Kampf an
(faz.net)
Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki stört sich an kritischen Medien. Besonders ärgern ihn polnische Medien in deutschem Besitz. Diese würden “interne Angelegenheiten Polens” beeinflussen und “die derzeitige Regierung angreifen”. Ein besonderer Dorn im Auge: Die deutsch-schweizerische Mediengruppe Ringier Axel Springer Media. Zu dem Unternehmen gehören das Wochenmagazin “Newsweek Polska”, die auflagenstarke Tageszeitung “Fakt” und das Online-Portal “Onet” — allesamt Medien, die kritisch über die Arbeit der rechtsnationalistischen Regierung berichten würden.

4. Klingeln ist zwecklos
(sueddeutsche.de, Thorsten Schmitz)
Mitten in Berlin residieren erfolgreiche Onlinemedien, die im Auftrag Russlands eine neue Art von Propaganda betreiben. Und dies recht erfolgreich: Allein der Facebookkanal “In the Now” hat mehr als 3,7 Millionen Abonnenten. Die Seite gehört zur Maffick GmbH, einem Klingelschildnachbar der Plattformen “Ruptly” und “Redfish”. Dass der russische Staat hinter diesen Onlinemedien in Berliner Bestlage steckt, würden diese mit großem Aufwand verschleiern. Dazu gehört anscheinend auch, Fragen von Journalisten abzublocken.

5. Eine Reanimation ist keine politische Demonstration
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Als ein Mitarbeiter einer Partei im Düsseldorfer Landtag mit schweren Herzproblemen zusammenbrach, retteten ihm zwei Landtagsabgeordnete mittels Herz-Druck-Massage und Mund-zu-Nase-Beatmung vermutlich das Leben. Eine schöne Geschichte, über die man unter verschiedenen Gesichtspunkten berichten könnte. So setzt sich die an der Rettung beteiligte Landtagsabgeordnete auch politisch dafür ein, dass mehr Menschen wiederbelebt werden können und will die Laienreanimation an Schulen in Nordrhein-Westfalen weiterentwickeln (PDF). Die Medien schmissen sich jedoch vor allem auf die Parteizugehörigkeit der Beteiligten. Stefan Niggemeier kommentiert: “Yüksel und Schneider verdienen jede Anerkennung, weil sie einem Menschen vermutlich das Leben gerettet haben, aber doch keine besondere Anerkennung, weil es ein AfD-Mann war. Im Gegenteil: Es entwertet ihren Einsatz, wenn man ihn nicht als Selbstverständlichkeit, sondern als Besonderheit feiert. Und wenn man ihren Akt der Lebensrettung als politische Lektion für AfD-Leute interpretiert.”

6. Nach Kritik: “Spiegel”, “Stern” und “Zeit” machen Rückzieher
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Anfang der Woche kündigten die Magazine “Spiegel”, “Stern” und “Focus” sowie die Wochenzeitung “Die Zeit” an, künftig nicht mehr Auflagenzahlen für jede einzelne Ausgabe an die Kontrollorganisation IVW melden zu wollen. Um Aufwand und Geld zu sparen und weil diese Daten “keine große Rolle spielen”. Vielleicht aber auch, um sich nicht der geschäftsschädigenden Schmach schlechter Werte auszusetzen. Dagegen protestierten jedoch die Werbekunden, worauf “Spiegel”, “Stern” und “Zeit” eiligst zurückruderten.

Goldkartoffel Reichelt, Selfie-Journalismus, Never ending Maaßen

1. Neue deutsche Medienmacher zeichnen “Bild”-Chefredakteur für “unterirdische” Berichterstattung aus
(deutschlandfunk.de)
“Bild”-Chef Julian Reichelt ist der erste Preisträger der “Goldenen Kartoffel”. Der Negativpreis wurde ihm von den “Neuen deutschen Medienmachern” für seine “unterirdische Berichterstattung über Aspekte unserer vielfältigen Einwanderungsgesellschaft” verliehen. BILDblog gratuliert!

2. Österreich: Rekordland bei Morden
(noemix.wordpress.com)
Wenn man den Schlagzeilen österreichischer, aber auch deutscher Medien wie “Focus Online” glaubt, ist Österreich das Rekordland bei Morden. Dabei ist es umgekehrt: Österreich ist das Land mit der niedrigsten Mordrate in ganz Europa. Michael Nöhrig erklärt das Phänomen.

3. Ein bisschen anonym? Wie Selfie-Journalismus Informanten gefährdet
(uebermedien.de, Peter Welchering)
Wenn Journalisten ihre anonym bleiben wollenden Informanten vor laufender Kamera befragten, reichte es früher, das Aussehen der Hinweisgeber oder Kronzeugen zu verändern und einen Stimmverzerrer einzusetzen. Dass dieser Schutz heute unzureichend ist, müssten Journalisten spätestens seit dem Frühjahr 2014 wissen. Da sei auf einer Forensiker-Tagung nämlich eine Methode bekannt geworden, schreibt Peter Welchering, mit der Ermittler durch Analyse der elektrischen Netzfrequenz vermummte und verkleidete Informanten enttarnen können, auch wenn deren Stimme verzerrt wurde. Deshalb lasse man Aussagen von Informanten vor der Kamera inzwischen häufig von Schauspielern nachstellen. In einem “Panorama”-Beitrag unterblieb dies, was am “Selfie-Journalismus” der Beitragsmacher liege: “Journalistische Arbeit wird zur Aufführung, die Enttarnung eines Informanten zum Kollateralschaden des Schauspiels.”

4. Presseteam der Polizei darf keine Demonstranten fotografieren
(sueddeutsche.de)
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat entschieden, dass die Polizei keine Demonstranten fotografieren darf, um die Aufnahmen später für PR-Zwecke zu verwenden: “Schon dass die Polizei Demonstranten wahrnehmbar fotografiert hatte, sei rechtswidrig, urteilten die Richter. Es dürfe bei Kundgebungen erst gar nicht der Eindruck von staatlicher Überwachung entstehen. Fotografierende Polizeibeamte könnten einschüchternd wirken und Demonstranten von der Ausübung ihres Grundrechts auf Versammlungsfreiheit abhalten.”

5. Maaßen wiederholt Medienschelte
(spiegel.de, Wolf Wiedmann-Schmidt)
Der (vielleicht irgendwann einmal) scheidende Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen hat seine Kritik an der Berichterstattung der Medien bekräftigt und dem “Tagesschau”-Chef Kai Gniffke einen vierseitigen Brief zukommen lassen. Es sei ein “kritischer Blick” auf “die Maßstäbe der medialen Darstellung des Rechtsextremismus erforderlich”.

6. Eine Branche stirbt: Nur noch 600 Videotheken in Deutschland
(heise.de, Wolf von Dewitz & dpa)
Es gibt nur noch (oder soll man sagen immer noch?) 600 Videotheken in Deutschland. Von 2015 bis 2017 sank nach Angaben eines Branchenverbands die Kundenzahl von 4,8 Millionen auf 2,6 Millionen. Der Verband sehe vor allem die Piraterie und deren unzureichende Bekämpfung als Wurzel allen Übels.

Markworts “wohltätiger Zweck”, Perplexer Voss, Cartoonisten-Duo

1. Urheberrecht: Axel Voss weiß nicht genau, was in seinem Gesetz steht
(netzpolitik.org, Alexander Fanta)
Man möchte meinen, dass keiner so tief in der Urheberrechtsdebatte steckt wie Axel Voss. Der CDU-Politiker gilt als Vater des neuen Urheberrechtes, das in dieser Woche im EU-Parlament auf den Weg gebracht wurde. Doch was sein Projekt anbelangt, scheint Voss große Wissenslücken zu haben. Nach der Abstimmung wurde er von einem schwedischen Journalisten darauf angesprochen, dass der nun beschlossene Entwurf praktisch jedes Foto oder Video bei einer Sportveranstaltung zur Urheberrechtsverletzung machen würde. Der etwas perplexe Voss darauf: “Nun, wir sind überrascht, dass das im Text ist, und wir werden es erst noch besprechen.”

2. Wahlkampf in der Vorabendserie
(deutschlandfunk.de, Michael Watzke, Audio, 4:19 Minuten)
Der frühere “Focus”-Chef Helmut Markwort (81) hat ein neues Lebensziel: Er will für die FDP in den bayerischen Landtag einziehen. Um seine Wahlkampfkasse aufzubessern, veranstaltete Markwort ein Fundraising-Dinner, in dem er eine maßgeschneiderte Rolle in der TV-Serie “Hubert ohne Staller” versteigerte. Der Produzent der Serie und bisherige Markwort-Freund ist sauer: Markwort habe ihm gesagt, die Versteigerung der Rolle erfolge für einen “wohltätigen Zweck”, und verschwiegen, dass es sich bei dem wohltätigen Zweck um Markwort selbst handeln würde.

3. “Das Leitmedium, das der Spiegel mal war, kann er gar nicht mehr sein”
(detektor.fm, Christian Eichler, Audio, 16:53 Minuten)
Detektor.fm hat mit “Spiegel”-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer gesprochen, der ein Buch über die USA geschrieben hat (“Nachruf auf Amerika: Das Ende einer Freundschaft und die Zukunft des Westen”). Im Gespräch geht es darum, wie sich die USA unter Trump positionieren und welche Rolle Journalisten in Zeiten politischer Krisen spielen. Aber auch um Brinkbäumers Zeit als “Spiegel”-Chefredakteur, die Ende des Jahres ein Ende findet.

4. “Manchmal sind die Figuren wir selbst”
(faz.net, Jörg Thomann)
Das Cartoonisten-Duo Hauck & Bauer feiert 2018 sein 15-jähriges Bestehen und gleichzeitig 15 Jahre des Comicstrips “Am Rande der Gesellschaft” in der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung”. Im Interview erzählen die beiden “FAS”-Karikaturisten, wer sie sind und wie sie arbeiten.

5. CC-Lizenz – kostenlos, aber nicht umsonst
(ipcl-rieck.com, Corinna Bernauer)
Einige Fotografen stellen ihre Bilder frei nutzbar zur Verfügung und versehen sie dazu mit einer CC-Lizenz. Corinna Bernauer, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei einer Rechtsanwaltskanzlei arbeitet, erklärt die verschiedenen Varianten der CC-Lizenz und weist auf mögliche Fallstricke hin.

6. Polizei ermittelt, weil Student “Postillon”-Artikel likt
(sueddeutsche.de, Martin Bernstein)
Eine Geschichte, die wie ausgedacht klingt: Münchener Student gerät ins Visier der bayerischen Polizei, weil er einen Beitrag des Bayerischen Rundfunks mit einer kurdischen YPG-Fahne auf seiner Facebook-Seite geteilt hat. Die fleißigen Beamten untersuchen sein Facebook-Profil und finden Material für ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen einer angeblich rechts motivierten Straftat. Sein Vergehen: Er hatte einen Artikel der Satireseite “Der Postillon” gelikt, auf dem ein Hitler-Foto zu sehen ist.

Rahmensetzende Worte, Elitenjob, Eingeimpfte Verunsicherung

1. Jedes Wort setzt einen Rahmen
(zeit.de, Houssam Hamade & Viola Nordsieck)
In den letzten Tagen schien es nur eine Diskussion zu geben: Gab es in Chemnitz eine “Hetzjagd” oder nicht? Bundeskanzlerin und Regierungssprecher hatten dieses Wort verwendet, während der Verfassungsschutzpräsident in der “Bild”-Zeitung Zweifel gesät hatte. Im Essay von Houssam Hamade und Viola Nordsieck geht es um den Kampf der Begriffe: “Entscheiden wir uns, über Chemnitz als eine “Hetzjagd auf Ausländer” zu sprechen, oder reden wir von “rechtsradikalen Ausschreitungen”, die “ein Viertel der deutschen Bevölkerung” zum Ziel haben? Gerade in einem aufrichtigen Gespräch wird genau diese Auswahl immer auch ein Element der Debatte sein. Anderenfalls wird sie fremdbestimmt.”
Weiterer Lesetipp:Journalisten müssen Frames genauso checken wie Fakten (stefan-fries.com).
Und wer sich inhaltlich auf den neuesten Stand bringen lassen will, ist beim ARD-“Faktenfinder” gut aufgehoben: Maaßen und das Video von Chemnitz (faktenfinder.tagesschau.de, Patrick Gensing).

2. Es machte Spaß mit Barbara Laugwitz
(taz.de, Margarete Stokowski)
Die Entlassung der erfolgreichen Rowohlt-Verlegerin Barbara Laugwitz durch den Holtzbrinck-Konzern gibt Rätsel auf. Ein Rätsel, das sie selbst nicht aufklären darf: Laugwitz erhielt eine Kontaktsperre, laut der sie weder mit ihren Ex-MitarbeiterInnen noch mit AutorInnen oder Medien sprechen darf. In der “taz” kommentiert die Rowohlt-Autorin Margarete Stokowski das Geschehen und erzählt von ihrer ersten Begegnung mit der Verlegerin.

3. “Gefahr, dass Journalismus noch mehr Elitenjob wird”
(deutschlandfunk.de, Isabelle Klein, Audio, 5:22 Minuten)
Der Journalist und “Netzwerk Recherche”-Projektleiter Thomas Schnedler hat für seine Dissertation mit prekär beschäftigten Journalisten gesprochen. Viele Journalisten seien auf finanzielle Unterstützung Dritter angewiesen mit den damit verbundenen Folgen: “Das ist tatsächlich eine große Gefahr, dass der Journalismus noch mehr als ohnehin schon zu so einer Art Elitenjob wird, den man sich leisten können muss, weil man entweder selber über die nötigen Mittel verfügt oder weil man eben solche Sicherheitsgaranten und andere Unterstützer hat, die einem das dann erst ermöglichen.”

4. Mein Kollege, der Roboter
(journalist-magazin.de, Anna Friedrich)
Kann der Computer leibhaftige Journalisten ersetzen? In machen Bereichen schon: Bei Börsen- und Finanzmeldungen setzen “Focus Online” und das “Handelsblatt” bereits auf das Angebot des Dortmunder Dienstleisters “textomatic”. Dort werden mit Hilfe künstlicher Intelligenz automatisierte Nachrichten produziert, ganz ohne menschliches Zutun.

5. “Eingeimpft” im MedWatch-Check Teil 1: Wie fragwürdige Experten Stimmung gegen Impfungen machen
(medwatch.de, Hinnerk Feldwisch Drentrup)
Im Dokumentarfilm “Eingeimpft” suchen Regisseur David Sieveking und seine Partnerin eine Antwort auf die Frage, ob das Paar seine Kinder impfen lassen soll oder nicht. Dazu spricht Sieveking mit Wissenschaftlern, Ärzten und Impfkritikern. “Medwatch” hat sich den Film angesehen und eigene Recherchen angestellt. Der Befund: “Eingeimpft”, so unschuldig, offen und ehrlich Sievekings Familiengeschichte daherkommt, ist die Geschichte einer Verunsicherung. Sie spielt mit der Angst von Eltern, und sie liefert Impfkritikern Nahrung für ihre Verschwörungstheorien.

6. DDR-Hörfunk-Hitparade startet (am 11.09.1953)
(wdr.de, Thomas Klug, Audio, 14:37 Minuten)
Der DDR-Fernsehunterhalter Heinz Quermann war umtriebig und vielseitig wie kaum ein anderer: Er war Redakteur, Regisseur, Talentsucher und Conférencier und soll Tausende von Sendungen in Rundfunk und Fernsehen gestaltet haben. Um westlichen Angeboten etwas entgegenzusetzen, erfand er die Schlagerrevue und wurde zum großen Übervater der Schlagersänger zwischen Kap Arkona und Fichtelberg. Bei WDR-“Zeitzeichen” blickt man auf den 11. September 1953 zurück, den Start der DDR-Hörfunk-Hitparade.

dpa und deutsche Redaktionen schicken Tausende russische Panzer

Es steht heute fast überall:

Screenshot Focus Online - Erstmals ist China dabei -Mit 300.000 Soldaten und 36.000 Panzern - Russland startet Rekord-Manöver
Screenshot RT Deutsch - Russland beginnt größtes Manöver im Fernen Osten: 300.000 Soldaten, 36.000 Panzer, 1.000 Flugzeuge

Bei der Übung Wostok 2018 will das russische Verteidigungsministerium 300 000 Soldaten, 36 000 Panzer, mehr als 1000 Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen sowie 80 Marineschiffen einsetzen.

297.000 Soldaten seien bei “Wostok-2018” (Osten-2018) im Einsatz, 1000 Flugzeuge wie Suchoi Su-34 und Su-35-Jagdbomber, Kampfhubschrauber und Drohnen, 80 Schiffe der Pazifik- und Nordmeerflotte, darunter Fregatten mit Kaliber-Raketen, die in Syrien zum Einsatz kamen, Luftlandetruppen, bis zu 36.000 Panzer, verkündete Walerij Gerassimow, der Generalstabschef der russischen Streitkräfte, vor internationalen Militärs.

Screenshot eines Tweets von Zeit Online - 300.000 Soldaten und 36.000 Panzer - Russland startet eines der größten Militärmanöver seiner Geschichte

Russland beginnt sein größtes Manöver seit sowjetischen Zeiten 1981. Bei der Übung Wostok (Osten) 2018 will das russische Verteidigungsministerium 300.000 Soldaten, 36.000 Panzer, mehr als 1000 Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen sowie 80 Marineschiffen einsetzen.

Das russische Verteidigungsministerium will 300.000 Soldaten, 36.000 Panzer, hunderte Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen sowie 80 Marineschiffe einsetzen.

Bei der Übung Wostok (Osten) 2018 will das russische Verteidigungsministerium 300.000 Soldaten, 36.000 Panzer, mehr als 1000 Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen sowie 80 Marineschiffen einsetzen.

Screenshot n-tv.de - Wie zu besten Sowjet-Zeiten Russland startet Rekord-Militärmanöver - 300.000 Soldaten, 36.000 Panzer und mehr als 1000 Jets und Hubschrauber: Die nackten Zahlen des russischen Militärmanövers sind beeindruckend und erinnern an Sowjet-Zeiten. Auch China und die Mongolei mischen mit.

Bei der Übung Wostok (Osten) 2018 wolle das russische Verteidigungsministerium 300.000 Soldaten, 36.000 Panzer, mehr als 1000 Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen sowie 80 Marineschiffe einsetzen.

Russland beginnt heute sein größtes Manöver seit sowjetischen Zeiten 1981. Bei der Übung Wostok 2018 will das russische Verteidigungsministerium 300 000 Soldaten, 36 000 Panzer, mehr als 1000 Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen sowie 80 Marineschiffen einsetzen.

Das waren, in dieser Reihenfolge: “Focus Online”, “RT Deutsch”, FAZ.net, “Spiegel Online”, “Zeit Online”, Stern.de, Deutschlandfunk.de, Welt.de, n-tv.de, “Die Achse des Guten”, Stuttgarter-Nachrichten.de. Und wir könnten die Liste noch eine ganze Weile fortführen.

Tatsächlich verfügt Russland gar nicht über 36.000 Panzer. Es sind deutlich weniger: Laut “Statista” 15.500, laut “Wikipedia” etwas über 22.000, wobei dort auch die Panzer mitgezählt sind, die als “retired” gelten. Es existieren also durchaus viele Panzer in Russland, aber eben nicht 36.000.

Dass so viele deutsche Medien von “36.000 Panzern” schreiben und dass sie häufig so gleich klingen in ihren Artikeln, dürfte an der dpa liegen. Die hat heute früh um 3:27 Uhr über den Basisdienst eine erste Agenturmeldung verschickt, in der von eben jenen 36.000 Panzern die Rede ist. Drei Minuten später kam ein “Nachrichtenüberblick” mit derselben falschen Zahl, ebenfalls über den großen Basisdienst. Viele Redaktionen übernehmen diese Artikel automatisch.

In russischen Quellen findet man die Zahl 36.000 ebenfalls im Zusammenhang mit dem Manöver “Wostok”. Etwa bei der staatlichen Nachrichtenagentur “TASS”. Allerdings setzt sie sich dort anders zusammen:

Taking part in the drills are about 300,000 Russian troops, over 1,000 aircraft, helicopters and unmanned aerial vehicles, up to 36,000 tanks, armored personnel carriers and other vehicles, up to 80 ships and supply vessels, the Defense Ministry added.

Also: bis zu 36.000 Fahrzeuge, zu denen die Panzer genauso zählen wie die Jeeps der Kommandeure.

Die dpa verschickte um 9:36 Uhr eine Berichtigung über ihren Basisdienst. Dort waren die “36.000 Panzer” in “bis zu 36.000 Panzer, Panzerwagen und andere Fahrzeuge” geändert. Manche Redaktionen übernahmen diese Änderung, andere — siehe oben — nicht.

Bei den falschen 36.000 Panzern dürfte es sich um einen Übersetzungs- und/oder Flüchtigkeitsfehler handeln. Dass überall ebenfalls von 300.000 Soldaten geschrieben wird, die vor Ort im Einsatz sein sollen, sieht manch einer als Verbreiten von aufgeblasenen Zahlen der “russischen Münchhausens”. Nur zum Vergleich: An Sapad-81, dem größten Manöver, das je in der Sowjetunion stattgefunden haben soll, mitten im Kalten Krieg, nahmen rund 150.000 Soldaten teil.

Mit Dank an Tom S. für den Hinweis!

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