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Rechnen mit Sklaven, Lesen mit Journalisten

Die Überschrift ist ebenso rätselhaft wie vielversprechend:

Mathe-Unterricht in den USA: Schüler sollen Rechenaufgaben mit toten Sklaven lösen

Die Geschichte, die “Focus Online” darunter erzählt, handelt davon, dass Kinder einer amerikanischen Grundschule Rechenaufgaben wie die folgende lösen sollten: “Ein Sklave wird fünfmal am Tag ausgepeitscht. Wie oft wird er in einem Monat ausgepeitscht?”

Das Stück wirkt ungewöhnlich gründlich recherchiert. Gleich drei verschiedene Quellen nennt “Focus Online” (ohne auch nur eine einzige davon zu verlinken): den Online-Auftritt des “New York Magazine”, die Zeitung “Atlanta Journal-Constitution” und CBS News.

Nur dass sich zum Beispiel die Angaben im “New York Magazine” (und in anderen Medien) so gar nicht mit dem decken, was “Focus Online” schreibt. So handelt es sich nicht um “Drittklässler der Beaver Ridge Grundschule im US-Bundesstaat Georgia”, sondern um Viertklässler der Schule PS 59 in New York City. Und auch nicht um neun betroffene Lehrer, sondern um zwei. Und von Ed DuBose, dem Präsidenten der Bürgerrechtsorganisation NAACP ist, anders als “Focus Online” schreibt, auch noch keine konkrete Forderung bekannt geworden, die Verantwortlichen zu feuern.

Des Rätsels Lösung: “Focus Online” hat die aktuelle Aufregung (in New York) mit einem ähnlichen Vorfall vor einem Jahr (in Georgia) verwechselt. Der war damals auch durch die deutsche Presse gegangen.

Und wir nehmen als Anregung für lebensnahe Unterrichtsgestaltung die Rechenaufgabe mit: Ein Redakteur macht pro Artikel, aus dem er zitiert, einen Fehler. Wie viele Quellen sind nötig, um den Qualitätsstandard von “Focus Online” zu halten?

Nachtrag, 22:50 Uhr. “Focus Online” hat den Artikel offen korrigiert.

Preiswürdiges Dreiben im Dschungel

Vermutlich muss man im Fall von “Focus Online” schon froh sein, dass sie nicht geschrieben haben, dass eine Duschgel-Show für den Grimme-Preis nominiert ist. Der Versuch, einer unscheinbaren, 114 Wörter kurzen dpa-Meldung eine treffende eigene Überschrift zu geben, muss dennoch als gescheitert betrachtet werden.

Dschungelshow dreimal für Grimme-Preis nominiert

Offenbar war es dieser Satz, der “Focus Online” mit seiner komplexen Satzstruktur auf die falsche Fährte gelockt hatte:

Die sechste Staffel aus dem Jahr 2012, noch mit dem am 2. Oktober gestorbenen Co-Moderator Dirk Bach, ist eine von insgesamt 57 TV-Produktionen, die in drei verschiedenen Kategorien auf die renommierte Auszeichnung hoffen dürfen.

Die RTL-Show “Ich bin ein Star — holt mich hier raus” ist nur einmal — und in nur einer Kategorie — für den Grimme-Preis nominiert.

Nachtrag, 23:55 Uhr. “Focus Online” hat die Meldung gegen eine andere Fassung ersetzt und die Überschrift geändert und behauptet nun stattdessen falsch, die Dschungelshow sei “mangels neuer Unterhaltungsformate” für den Preis nominiert.

Das Ende ist nah

Eine gute Eigenschaft hat er ja, dieser ganze Weltuntergangs-Wahnsinn: Er ist befristet.

Sobald die Welt am Morgen des 22. Dezember aufwacht, sich träge aus dem Bett schält und beim Blick in den Spiegel merkt, dass ja doch noch alles dran ist, spätestens dann haben hoffentlich auch die Medien die Schnauze voll.

Aber bis es so weit ist, jagen sie noch mal alles raus, was sie in die Finger kriegen. Irgendwas, egal, Hauptsache “Weltuntergang” kommt drin vor, am besten in Kombination mit Sex, Satanisten oder Aliens. Das mit der ernsthaften Berichterstattung haben die Journalisten bei dem Thema ohnehin längst weitgehend aufgegeben.

Für die optischen Dramatisierung äußerst beliebt: Der Kalenderstein der Maya. Haben Sie sicher schon mal gesehen. Auf Bild.de zum Beispiel:Die letzten Vorbereitungen für den Weltuntergang

Das steht wirklich im Maya-Kalender

Was Sie machen sollten, bevor die Welt untergeht

Der Kalender der Maya prophezeit den Weltuntergang am 21. Dezember

Oder auf “Focus Online“:Der Maya-Kalender, der das Ende der Welt am 21. Dezember 2012 verheißt, verlieh dem mexikanischen Tourismus Flügel.

Oder auf Express.de:
Kalender zu Ende - am 21.12.2012 geht die Welt unter

Oder auf WDR5.de:
Das Dramolett: Der Maya-Kalender endet 2012

Oder auf Stern.de:

Video: Wieso am 21. Dezember die Welt untergeht

Oder bei “Welt (Online)”, hier, hier, hier, hier oder hier:

Wissenschaftler sagt Weltuntergang 2012 ab

Blöd nur: Das auf den Bildern ist gar nicht der Kalender der Maya. Es ist ein Kalender der Azteken.

Nikolai Grube, Professor für Altamerikanistik und renommierter Maya-Forscher der Uni Bonn, schreibt uns auf Anfrage:

Das ist der aztekische Kalenderstein, 1000 km und 700 Jahre von den klassischen Maya entfernt … Das ist so, als würden Sie zur Illustration des Reichstagsgebäudes eine osmanische Moschee aus Izmir zeigen. Solche Fehler sagen viel über die Kenntnisse und den Respekt der Medienmacher für fremde Kulturen aus. Es gibt nicht eine Abbildung des Maya-Kalenders, sondern mehrere tausend. Der Maya-Kalender ist eine Idee, er ist eine bestimmte Form der Zeitrechnung und liegt deshalb tausenden von Hieroglypheninschriften zugrunde.

Diesen Unterschied zu erkennen, dafür hätte schon ein kurzer Blick in die Wikipedia genügt.

Aber vielleicht gelingt es den Medien ja in den verbleibenden sieben Tagen, selbst da noch einen draufzusetzen.

Mit Dank an Stefan B.

Atomkraft, nein danke

Medien wie Bild.de und “Focus Online” berichteten am Donnerstag:

Neben dem Altkraftwerk in Datteln darf der Stromkonzern Eon auch sein Kraftwerk Shamrock in Herne befristet weiter betreiben.

Die Überschrift sah so aus:

Atomkraftwerk Shamrock darf weiter laufen

Für die Bewohner des Ruhrgebiets war das eine unangenehme Überraschung: Bisher galt das Kraftwerk Shamrock als Steinkohlekraftwerk.

Das ist es auch weiterhin, denn von einem “Atomkraftwerk” war in der eigentlichen Meldung keine Rede.

Quelle für die Artikel bei Bild.de, “Focus Online” und anderswo war der Landesdienst NRW der Deutschen Presse Agentur (dpa). Doch dessen Meldung war unter der korrekten Überschrift “Auch Altkraftwerk Shamrock darf weiter laufen” über die Ticker gegangen.

Was war also passiert?

Die dpa erklärte uns auf Anfrage, in den eigentlichen dpa-Tickern sei die Meldung richtig überschrieben gewesen, es handle sich offensichtlich um einen Übertragungsfehler bei der Belieferung von Onlineportalen.

Entsprechend sei das mitgelieferte Symbolfoto eine “Fortsetzung des Fehlers”:

Ein Warnschild steht vor dem Kühlturm eines Atomkraftwerkes.

Nach unserer Anfrage hatte die dpa den Fehler in ihrem System korrigiert, bei Bild.de ist in der Überschrift und der Bildunterschrift jetzt von einem “Altkraftwerk” die Rede. (Das Foto zeigt allerdings weiterhin das Atomkraftwerk Isar 1 2* in Bayern, das mit der Meldung ohnehin nichts zu tun hat.)

Das war am frühen Freitagabend.

Bei “Focus Online” sieht die Meldung heute immer noch so aus:

Atomkraftwerk Shamrock darf weiter laufen

Mit Dank an Franziska K.

*) Nachtrag, 13.30 Uhr: Erstaunliche Erkenntnis am Rande: Der Kühlturm, der immer wieder gerne bei Artikeln zum Kernkraftwerk Isar 1 gezeigt wird, gehört zum Kernkraftwerk Isar 2.

Mit Dank an Martin B.

Pressereisen, Kampfdrohnen, BBC

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Luxusreisen des Thyssen-Managers auf Firmenkosten”
(welt.de, Jörg Eigendorf)
Mit Journalisten der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung”, der “Süddeutschen Zeitung”, des “Tagesspiegel”, der “NRZ” und der “Rheinischen Post” fährt Jürgen Claassen, Mitglied des Vorstands der ThyssenKrupp AG, auf luxuriöse Pressereisen. Siehe dazu auch “Wenn Journalisten eine teure Reise tun” (welt.de, Jan-Eric Peters).

2. “Rundum sorglose Journalisten”
(dradio.de, Adalbert Siniawski)
Eine Pressereise deutschsprachiger Journalisten nach Warschau: “Der Organisator von der PR-Agentur zieht eine positive Bilanz. Alle Journalisten, die in Warschau auf der Pressereise mit dabei waren, werden in ihren Berichten den Namen des Luxushotels nennen. Reklame im redaktionellen Beitrag, das ist die Zukunft – so der PR-Berater.”

3. “Journalismus aus dem Automaten”
(czyslansky.net, Tim Cole)
“Im Journalismus der Zukunft”, hat Tim Cole gelernt, “gibt es keine Leser mehr, nur noch Nutzer”. “Nein, der Redakteur wird nicht bei Focus Online per Click bezahlt. Soweit sind wir noch nicht. Die Leistungskomponente der Redaktion, also das, was es am Jahresende zusätzlich zum Grundgehalt gibt, sei an gewisse Traffic-Kennzahlen gekoppelt, sagt Schlott.”

4. “Kurzer Fakten-Check: Lufthansa und die Kampfdrohnen”
(augengeradeaus.net, Thomas Wiegold)
Schon seit 2011 bilde die Lufthansa Drohnen-Piloten der Luftwaffe der Bundeswehr aus, schreibt “Bild”. Thomas Wiegold dagegen: “Die Lufthansa bildet nicht wirklich Drohnen-Piloten der Bundeswehr aus, und schon gar nicht für Kampfdrohnen.”

5. “Entwistle: I am doing everything I can”
(news.bbc.co.uk, Audio, 15:11 Minuten)
John Humphrys konfrontiert den inzwischen zurückgetretenen BBC-Generaldirektor George Entwistle mit Fehlern in der Sendung Newsnight.

6. Wie “Spiegel Online” über einen Unfall von Bradley Wiggins berichtet, im Locktext und im Artikel
(facebook.com, Screenshots)

Sportlich, sportlich (1-4)

Am Freitag gewann die deutsche Fußballnationalmannschaft ihr WM-Qualifikationsspiel in Irland mit 6:1. Am Sonntag feierte die “Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung” den “Hauch von Befreiung”, den dieses Ergebnis bedeutete.

Was laut “Sonntagszeitung” vor allem an einem Mann lag:

In Dublin genügte ein Name, um das Steigerungspotential im Vergleich zur EM zu vermessen. Marco Reus präsentierte sich nicht nur wegen seiner beiden Tore als ein weiterer Spieler, der den Unterschied ausmachen kann.

Doch obwohl Reus gegen Irland der Matchwinner war, gab es offensichtlich kein brauchbares Foto von ihm aus dem Spiel — die “FAS” jedenfalls druckte ein Foto aus dem EM-Viertelfinale gegen Griechenland, gut zu erkennen am EM-Logo auf den Ärmeln und an den deutschen und griechischen Fahnen unter dem Adler:

Mit Dank an Oskar L.

***

Apropos Adler: Am Sonntag fand das sogenannte “Jahrhundertspiel” zwischen Deutschland und Italien statt, bei dem ehemalige Nationalspieler beider Länder für einen guten Zweck gegeneinander antraten.

Der Kölner “Express” schreibt dazu auf seiner Website:

30:000 Fans waren in die Frankfurter Arena gekommen, und sie sahen Ballack noch einmal mit dem DFB-Adler auf der Brust.

Das darüber abgebildete Foto zeigt allerdings deutlich, dass Ballack gar keinen DFB-Adler auf der Brust hatte:

Genau genommen hatte keiner der deutschen Spieler den DFB-Adler auf der Brust, weil es sich nicht um ein offizielles Spiel des Deutschen Fußballbundes handelte und dessen Wappen deshalb auch nicht verwendet werden durfte. Weswegen auch die Überschrift “Ballack genießt Auftritt im DFB-Trikot” auf wackligen Beinen steht.

Mit Dank an Tim W.

***

In der Nacht zum Sonntag kam es in Fürth zu einer Massenschlägerei mit neun Verletzten.

Der Sportinformationsdienst sid schreibt:

Nach Angaben der Polizei sollen sich zu jenem Zeitpunkt 40 Anhänger des Aufsteigers in ihrem Vereinsheim aufgehalten haben, als gegen 1.30 Uhr rund 60 Fans des Club auftauchten.

Der sid war so unvorsichtig, die Meldung als “Fußball/BL/Nürnberg/Fürth/Fans/Schlägerei” zu kategorisieren, woraus die Überschriftenmacher bei “Focus Online” folgendes folgerten:

1. FC Nürnberg gegen SpVgg Greuther Fürth: Massenschlägerei bei Bundesligaspiel.

Nur, dass am Wochenende nicht nur nicht das Spiel Fürth gegen Nürnberg stattfand (das ist erst Ende November), sondern wegen der Länderspielpause (s.o.) gar kein “Bundesligaspiel”. Aber wenn Fans von Bundesligavereinen aufeinander einschlagen, muss das ja quasi ein Bundesligaspiel gewesen sein.

Mit Dank an Bastian.

***

Und dann war da noch die “Welt”, die gestern den schwedischen Fußballer Zlatan Ibrahimovic porträtierte, der “als gemein, gefährlich und genial” gilt:

Auf der Skala der Traumberufe stünden wir Fußballreporter ganz oben, wenn da nicht mitunter diese brutale Wirklichkeit wäre: Erst bettelt man bei einem Star um ein Interview – um hinterher zu bedauern, dass es geklappt hat. So erging es jenem armen Kerl, der Zlatan Ibrahimovic einmal unbedingt vor der Kamera haben wollte. Der Torjäger kam nach dem Spiel vom Duschen, strebte zum Ausgang – und es kam zu folgendem Dialog.

“Zlatan!”, schrie ihm der Reporter nach. Ibrahimovic hielt abrupt an, machte kehrt und sagte: “Was zum Teufel willst Du?” Der Reporter bugsierte den Rüden dann irgendwie vors Mikrofon, zupfte sich fürs Interview schnell die Haare schön – da verzog Ibrahimovic seine krumme Nase und maulte: “Zum Teufel, was hast Du für ein Parfüm? Du riechst nicht gut.” Die Anspannung des Reporters nahm dramatisch zu, verkrampft lächelnd nahm er Anlauf zum Zwiegespräch, doch wieder war der Kicker schneller. “Das ist ja schlimm, wie Du riechst”, beschwerte sich Ibrahimovic. Anschließend beantwortete er halbherzig eine kurze Frage zum Spiel, und der Reporter, erleichtert, bedankte sich: “Also, bis demnächst, wir sehen uns.” “Besser nicht”, sagte Ibrahimovic, rümpfte noch mal die Nase – und ging.

Wie ernst es Ibrahimovic mit seinen “Beschwerden” war, sehen Sie am Besten selbst:

Mit Dank an Boludo.

Wenn Wirkungen vor der Ursache eintreten

Alexander Kissler, Autor des Buches “Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet”, schreibt in seiner aktuellen “Focus Online”-Kolumne über den “Triumph der Strippenzieher”:

Na bitte, geht doch: Kaum rollt Günther Jauch den roten Teppich aus für Peer Steinbrück, legt dieser in den Umfragen zu. Am Sonntag hielt Steinbrück Hof in der ARD-Talkshow “Günther Jauch”, am gestrigen Mittwoch lasen wir, dass die SPD beim Marktforschungsinstitut Forsa ein Sechs-Jahres-Hoch von 30 Prozent erklommen habe. Auch die persönlichen Zustimmungswerte für Steinbrück verbesserten sich. Wäre Günther Jauch George W. Bush, könnte er nun sagen: “Mission accomplished”, Auftrag erfüllt.

Klitzekleines Logikproblem: Die am Mittwoch veröffentlichte Forsa-Umfrage beruht auf Interviews, die zwischen 1. und 5. Oktober geführt wurden, also spätestens am Freitag vor der Jauch-Sendung. Was auch immer der “Auftrag” Jauchs oder die Wirkung der Sendung gewesen sein mag: An den Forsa-Zahlen, die Kissler zitiert, kann man es ohne größerer Verknotungen des Raum-Zeit-Kontinuums nicht ablesen.

(Solche Verknotungen passieren Journalisten allerdings häufiger.)

Verwirrung garantiert

Man kennt das: Fernseher, Autos, Mobiltelefone und vor allem Geschirrspüler gehen gerne dann kaputt, wenn die Garantiezeit gerade um ist.

Doch nicht alles, was der Laie als “Garantie” bezeichnet, ist auch im juristischen Sinne eine Garantie. Dort unterscheidet man nämlich zwischen der gesetzlichen Gewährleistung, nach der ein Kunde – vereinfacht gesprochen – einen Anspruch darauf hat, dass ein neu erworbenes Gerät auch funktioniert, und der Garantie, die ein Verkäufer oder Hersteller einräumt und deren Leistungen über die der gesetzlichen Gewährleistung hinausgehen. Die Gewährleistung gilt in Deutschland zwei Jahre, eine Garantie so lang, wie sie der Verkäufer oder Hersteller beim Kauf einräumt.

Diese Unterschiede sind auch für den Laien von Bedeutung, wenn er etwa ein Produkt von Apple erworben hat. Der Unterhaltungselektronikhersteller rät zum Kauf seines “AppleCare Protection Plan”, der die “einjährige Hardwaregarantie ab Kaufdatum” je nach Produkt auf zwei bzw. drei Jahre verlängert. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ist der Ansicht, dass Apple absichtlich nicht deutlich genug über die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche des Käufers gegenüber dem Händler aufkläre, um zum Kauf von “AppleCare” zu animieren, und hat Apple deswegen im Frühjahr abgemahnt.

Diese Unterschiede sind aber auch für Journalisten von Bedeutung, wenn sie etwa über den Brief schreiben wollen, den die EU-Justizkommissarin Viviane Reding an die nationalen Verbraucherschutzminister geschrieben hat und in dem sie Apples Vorgehen beim Verkauf von “Apple Care” ebenfalls kritisiert.

Der “Spiegel” schreibt dazu in seiner aktuellen Ausgabe:

“Es scheint, dass Apple-Verkäufer es versäumten, den Verbrauchern klare, wahrheitsgemäße und vollständige Informationen über die ihnen nach EU-Recht zustehende gesetzliche Garantie zu geben”, heißt es in einem Brief der zuständigen EU-Justizkommissarin Viviane Reding an die Verbraucherschutzminister aller 27 EU-Mitgliedsstaaten. […] Apple habe, schreibt Reding, prominent für seine eigene kommerzielle Gewährleistung geworben, “es aber versäumt darauf hinzuweisen, dass die Verbraucher nach EU-Recht einen automatischen und kostenlosen Anspruch auf eine zweijährige Garantie haben”.

Das ist, wie Sie gerade gelernt haben, falsch. Die Begriffe “Garantie” und “Gewährleistung” sind genau vertauscht.

Schuld daran ist womöglich die englische Sprache, in der Frau Reding ihren Brief an die verschiedenen Minister geschrieben hat. In dem Schreiben, das uns ebenfalls vorliegt, heißt es nämlich:

It appeared […] that, in order to make their own commercial warranties look more attractive, Apple retailers failed to provide consumers with clear, truthful and complete information on the legal guarantee from which they freely benefit under EU law.

Und an einer anderen Stelle:

Apple prominently advertised that its products come with a one year manufacturer warranty, but failed to clearly indicate the consumers’ automatic and free-of-cost entitlement to a minimum 2-year guarantee under EU-law.

Ja, fuck! Was im Englischen “commercial warranties” sind, sind im Deutschen also “kommerzielle Garantien”, und eine “(legal) guarantee” entspricht der “(gesetzlichen) Gewährleistung”.

Das muss man vielleicht nicht mal als Englischlehrer wissen. Aber als “Spiegel”-Journalist, der darüber schreibt, wäre es natürlich hilfreich.

Oder als Journalist, der die fehlerhaften “Spiegel”-Angaben für die Discounter-Agentur dapd übernimmt. Oder für Bild.de. Oder für “Focus Online”.

Die Deutsche Presse-Agentur dpa, der das Schreiben ebenfalls vorliegt, schreibt korrekt von dem “gesetzlichen zweijährigen Gewährleistungsanspruch”, übersetzt einen Satz aber auch mindestens unsauber:

“Es scheint, dass Apple-Verkäufer es versäumten, Verbrauchern klare, wahrhaftige und komplette Informationen zu geben über die Garantie, die ihnen nach EU-Recht zusteht.”

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber.

dapd, dpa  etc.

Das Phantom der Opfer

Die Sommerferien sind vorbei und ich begrüße Sie ganz herzlich zur ersten Stunde unseres Englisch-Leistungskurses! Es sind noch zwei Jahre bis zum Abitur, deswegen wollen wir es heute erst mal etwas ruhiger angehen lassen – hart wird’s noch früh genug – und gucken zum Einstieg erst mal ein Video:

Sie haben es natürlich schon gemerkt (bis auf den Kollegen da am Fenster, der schon – HALLO! – eingeschlafen war): Wir haben das Video nicht nur zum Vergnügen gesehen. Zum einen machen wir gleich ein paar kleine Übersetzungsübungen, zum anderen werden wir uns in diesem Herbst zunächst intensiv mit dem Thema “Wahlkampf in den USA” beschäftigen. Also, wer hat den Mann erkannt?

Richtig, Mitt Romney war das, der republikanische Präsidentschaftskandidat und Herausforderer von Barack Obama.

Und jetzt lesen wir gemeinsam diesen Text von der Deutschen Presse-Agentur dpa, wenn Sie den mal eben rumgeben, danke!

Dann lesen wir doch mal:

Der republikanische Präsidentenkandidat Mitt Romney hat sich in einem heimlich aufgenommenen Video abfällig über Wähler des demokratischen Präsidenten Barack Obama geäußert. Romney beschrieb 47 Prozent der Obama-Wähler als Abzocker, die keine Einkommenssteuer zahlten und glaubten, sie seien Opfer und die Regierung müsse für sie sorgen.

Wem ist was aufgefallen? Ja, Sie da in dem Ringelpulli!

Genau, dpa schreibt, Romney beschreibe 47 Prozent der Obama-Wähler als Abzocker. Da fragt man sich natürlich, was mit den anderen 53 Prozent ist, nicht wahr? In Wirklichkeit hat er ja aber gesagt:

There are 47 percent of the people who will vote for the president no matter what. All right, there are 47 percent who are with him, who are dependent upon government, who believe that they are victims, who believe the government has a responsibility to care for them, who believe that they are entitled to health care, to food, to housing, to you-name-it. That that’s an entitlement. And the government should give it to them. And they will vote for this president no matter what…These are people who pay no income tax.

Der einzelne Satz ist ein bisschen schwer zu verstehen, aber es wird dann schnell klar, dass es um 47 Prozent aller Wähler geht. Also, Romney meint: 47 Prozent stimmen eh für Obama. Er sagt dann später, er muss die fünf bis zehn Prozent in der Mitte überzeugen, die vorher noch nicht festgelegt sind.

Ich hab hier auch noch einen Text von der Nachrichtenagentur dapd, ich les den grad mal vor:

Mitt Romney hat sich im US-Präsidentschaftswahlkampf mal wieder selbst ein Bein gestellt. Vor wohlhabenden Spendern bezeichnete der republikanische Präsidentschaftskandidat Anhänger von Amtsinhaber Barack Obama als Opfer. Fast die Hälfte aller Amerikaner glaubten, sie seien Opfer und hätten Anspruch auf finanzielle Unterstützung.

Wem fällt was auf? Ja, Sie hier vorne? Genau: Im zweiten Satz heißt es, Romney bezeichne die Leute als “Opfer”, im dritten heißt es – richtig – er sagt, sie sähen sich selber als welche. Die Überschrift der Meldung lautet: “Romney bezeichnet Obama-Anhänger als Opfer”, die der dpa-Meldung lautet: “Romney bezeichnet Obama-Wähler als Abzocker und Opfer”.

Und das ist ja wohl ein Unterschied, ob ich sage “Du Opfer” (sagt man das noch unter jungen Leuten?) oder “Ooooch, der Arme: sieht sich als Opfer”. Man könnte sagen: Mitt Romney spricht diesen Menschen ab, sich rechtmäßig als Opfer fühlen zu dürfen.

Und jetzt gucken Sie sich mal an, was die deutschen Online-Medien so schreiben:

“Spiegel Online”:

“Die Welt:”
Romney beschimpft Wähler von Obama als "Opfer"

“Focus Online”:
Mitt Romney schmäht Obama-Wähler als "Opfer"

stern.de:
Romney verhöhnt Obama-Wähler als "Opfer"

“RP Online”:
Romney nennt Obama-Wähler "Opfer"

So, das war’s für die erste Stunde. Wir machen fünf Minuten Pause und dann fangen wir richtig an. Damit Sie nach dem Abi was Vernünftiges studieren können und nicht Journalist werden müssen.

Mit Dank auch an Wolfgang.

Nachtrag, 17.10 Uhr: dpa hat eine Berichtigung des Artikels verschickt:

## Berichtigung
– Im zweiten Satz wurde klargestellt, dass Romney alle Obama-Wähler meinte. Es heißt richtig “die 47 Prozent Obama-Wähler”, nicht: “47 Prozent der Obama-Wähler”)
– In der Überschrift wurden die Worte “und Opfer” gestrichen

Licht aus, Spott an

Es war wohl die “Süddeutsche Zeitung”, der es als erstes aufgefallen ist:

Ein Söder zum Ausschalten.

Über den bayerischen Finanzminister Markus Söder schrieb die Zeitung:

Die neueste Gemeinheit kommt allerdings von unerwarteter Seite – genauer: von einer hinteren Seite im aktuellen Ikea-Katalog. Dort wird ein Armleuchter “Söder” zum Preis von 89 Euro feilgeboten, der Teil einer ganzen “Söder-Serie” ist, zu der auch mehrere Wand- und Hängelampen in verschiedenen Designs gehören.

Nach einer ausführlichen Durchsicht des Angebots kann man sagen: Eine große Leuchte ist dieser Söder nicht. Den Herstellerangaben zufolge verbreitet er lediglich ein “weiches Stimmungslicht”, und dem Käufer wird die Verwendung des Leuchtmittels “Sparsam” empfohlen. Selbst damit bringt Söder es laut Katalog nur zur “Energieeffizienzklasse C auf einer Skala von A (sehr effizient) bis G (weniger effizient)”.

Es war nur ein kleiner Text im Regionalteil, aber natürlich genau die Sorte Meldung, die weite Kreise ziehen würde. Sehr weite Kreise:

“Augsburger Allgemeine”:
Armleuchter Söder - Jetzt neu im Ikea-Katalog. Markus Söder kann mächtig austeilen. Der CSU-Mann kann aber auch einstecken. Das muss er nun.

nordbayern.de:
Ein "Armleuchter" namens Söder. Ikea verkauft siebenarmigen Lampe mit dem Namen des bayerischen Finanzministers.

“Welt Online”:
Söder offiziell zum Armleuchter erklärt

“Focus Online”:
Bayerisch-schwedische Erleuchtung: Söder hängt bei Ikea rum

“RP Online”:
Neuheit des schwedischen Einrichtungshauses: Bei Ikea ist Söder eine sparsame Leuchte

tagesschau.de:
Schlusslicht: Ein Armleuchter namens "Söder"

“B.Z.”:
Ein Armleuchter namens Söder

tagesspiegel.de:
Namensgleichheit bei Ikea: Söder ist ein Armleuchter

“Bild”:
Verlierer: Bayerns Finanzminister Markus Söder (45, CSU) hat einen neuen Namens-Kollegen: Im neuesten Katalog des schwedischen Möbelriesen Ikea gibts einen Armleuchter, Name Söder (schwedisch für Süden), Energieeffizienzklasse C, Entsorgungstipp inklusive. BILD meint: Markus Süden!

Bild.de:
Ikea verkauft Armleuchter "Söder"

Außerdem berichteten noch die “Junge Welt”, die “Rheinische Post”, die “taz”, die “Welt kompakt”, der Kölner “Express”, der “Berliner Kurier”, die “Berliner Morgenpost”, der “Tagesspiegel”, die “Welt” und verschiedene kleine Medien über die Lampe mit dem lustigen Namen.

Die Geschichte hätte eigentlich schon vor einem halben Jahr derartige Kreise ziehen können, als die “Abendzeitung” aus München erstmals über “Söder” berichtet hatte (was diese übrigens nicht davon abhielt, jetzt noch einmal darüber zu schreiben).

Aber die “Abendzeitung” hatte damals die Chance zur naheliegenden Pointe verstreichen lassen, die die “Süddeutsche Zeitung” jetzt genutzt hat.

Eigentlich ist “Söder” nämlich gar kein “Armleuchter”:

Mit Dank an Martin K.

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