Suchergebnisse für ‘falschmeldung’

dapd  

Agentur missbraucht BILDblog

So sieht die Arbeit von BILDblog aus, nachdem man sie von hinten durch die Brust ins Auge geschossen hat und mit dem verbliebenen Auge drauf schaut: Die Grafik stammt aus in einem Dokument, das die journalistischen Qualitäten zweier Nachrichtenagenturen vergleichen soll.

Nachrichtenagenturen beliefern nicht nur Zeitungen und Onlinenewsportale mit ihren Meldungen aus aller Welt, sondern auch Behörden wie das Auswärtige Amt. Das hat im Januar entschieden, seine Informationen nach über 50 Jahren nicht mehr von der Deutschen Presseagentur (dpa) zu beziehen, sondern von der Agentur dapd, von der niemand weiß, was die Abkürzung bedeuten soll.

Die dpa wollte das so nicht hinnehmen und legte Beschwerde ein, inzwischen müssen sich Gerichte mit der Vergabe beschäftigen.

In einem neunseitigen Dokument mit dem Titel “Zusammenstellung Qualitätsmängel bei dapd”, das die dpa dem Gericht vorlegte, beruft sie sich bei der Dokumentation von Fehlern ihres Konkurrenten offenbar auch auf BILDblog. (Das Dokument liegt uns nicht vor.)

dapd nun gab eine Gegen-“Studie” in Auftrag, die die Agentur gestern in ihrem “Themenportal” der Öffentlichkeit zugänglich machte.

Dr. Ernst Seibold von “InMediasRes Mediendienste” erklärt darin:

Eine objektive und lückenlose Ermittlung sämtlicher Fehlermeldungen der beiden Agenturen erscheint technisch nicht möglich. Insoweit muss auf Hilfsüberlegungen zurückgegriffen werden.

Diese “Hilfsüberlegung” besteht konkret darin, BILDblog mit “einer hohen Wahrscheinlichkeit” als Quelle für die dpa-Studie ausfindig zu machen und dann einen wissenschaftlichen Ausfallschritt zu vollführen:

Zwar erfüllt der Bildblog nicht die Anforderungen an eine objektive und statistisch relevante Quelle, andererseits wurde Bildblog jedoch von dpa als Quelle ausgewählt, so dass für eine vergleichende Studie auf der gleichen Quellenbasis gearbeitet werden kann.

An anderer Stelle gelingt Seibold fast die Quadratur des Kreises:

Bildblog als Quelle heranzuziehen ist sicherlich methodisch problematisch, allerdings kann von einer überwiegenden Neutralität und Drittkontrolle des Watchblogs ausgegangen werden. Für einen rein quantitativen Vergleich zweier Publikationen kann er daher als geeignet angesehen werden, zumal dpa selbst den Bildblog als Quellenbasis gewählt hat.

Triumphierend stellt die Studie fest:

Aufgrund der Auswertung des Bildblogs ergibt sich, dass dapd 22 Fehler angelastet werden. Im gleichen Zeitraum wurden für dpa 46 Fehlermeldungen festgestellt.

Diese Zahlen werden dann in Monatszahlen zerlegt (Erkenntnis: Außer in drei Monaten hatte die dpa immer mehr Fehler als dapd) und in Relation zum Output der Nachrichtenagenturen gesetzt:

Bei einer geschätzten Anzahl von jeweils ca. 620.000 Meldungen (dapd) bzw. 600.000 Meldungen (dpa) in den vergangenen 25 Monaten ergibt dies eine Fehlerquote von 0,0035 % für dapd und 0,0076 % für dpa.

Beide Werte liegen weit unter den Toleranzgrenzen und sprechen für eine durchgehend gute Qualität der Berichterstattung.

Bevor jetzt noch die Mondphasen, die Gewichtsentwicklung unserer Autoren und der Fruchtbarkeitszyklus unserer Redaktionskatze hinzugezogen werden, hier ein paar Anmerkungen aus dem Auge des Hurricanes:

In eigener Sache

Wir haben wenig Lust, hier in die Auseinandersetzung zweier privatwirtschaftlicher Unternehmen hineingezogen zu werden. Es ist legitim, unter Berufung auf uns die Existenz von Fehlern belegen zu wollen, aber der “rein quantitative Vergleich”, den dapd anstrengt, ist grober Unfug.

Und wenn dapd in einer Pressemitteilung schreibt …

Die verschwindend geringe Zahl der Fehler erlaubt den Rückschluss, dass die beiden großen deutschen Vollagenturen hohe journalistische Standards erfüllen.

… ist das komplett falsch.

Ob ein Fehler im BILDblog dokumentiert wird, hängt von vielen Faktoren ab: Zunächst einmal muss er uns oder unseren Lesern auffallen; dann muss er uns gravierend, interessant und allgemein bedeutsam genug erscheinen, um ihn aufzuschreiben. Manche Recherchen führen aus verschiedensten Gründen ins Nirgendwo und münden dann nicht in einem BILDblog-Eintrag. An Tagen, an denen sonst wenig los ist, landen eher auch mal kleine und harmlose Fehler im Blog, als an Tagen, an denen gerade wieder ein Verbrechen “das ganze Land beschäftigt” oder an denen mal wieder eine Studie über Migranten oder Hartz-IV-Empfänger völlig falsch verstanden wurde.

Aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen haben wir z.B. den Fall aus dem vergangenen November nicht dokumentiert, in dem dapd zwei Fotos zurückziehen musste, weil diese nicht – wie ursprünglich behauptet – die Rechtsterroristin Beate Zschäpe auf dem Weg zum Haftrichter zeigten. Aber natürlich gab es auch dpa-Fehler, die nie den Weg ins Blog gefunden haben.

Ein Kriterium bei der Auswahl dessen, was wir bloggen, ist auch die Fallhöhe eines Mediums: Nicht auszuschließen, dass wir uns häufiger achselzuckend gegen einen Eintrag entschieden haben: “Ach, ist ja nur dapd.”

Und natürlich macht es auch einen Unterschied, was für Fehler sich ein Medium so erlaubt — und wie es damit umgeht.

Wenn wir hier jetzt als schon gewissermaßen als Kronzeugen im Raum stehen, wollen wir Gericht und Auswärtigem Amt gerne eine kostenlose, offiziell subjektive Expertise angedeihen lassen:

Wenn bei uns Leserhinweise eingehen, dass auf vielen verschiedenen Nachrichtenportalen der gleiche haarsträubende Fehler zu lesen ist, wetten wir gerne auf dapd als Fehlerquelle. Häufig liegen wir richtig.

Nach unserem Eindruck hat man bei dpa erkannt, dass es wichtig ist, eigene Fehler zu korrigieren. Bei dapd sind wir uns da nicht so sicher.

Dass dapd jetzt einen solchen Unsinn als “Studie” in Auftrag gibt und ihn auch noch bedeutungshubernd öffentlich verbreitet, bestätigt den Eindruck, den wir von der Agentur haben.

Studiozuschauer, Breivik, Zuhause

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “‘Bild’-Anzeige: ‘Pseudo-originelle Beschuldigung'”
(handelszeitung.ch, Christian Bütikofer)
Rechtsanwalt David Gibor zeigt “Bild”-Verantwortliche an. Zuvor hatten diese Strafanzeige gegen die Schweizer Justizministerin Simonetta Sommaruga eingereicht: “Die ‘Bild’-Verantwortlichen machen damit deutlich, dass sie nie davon ausgingen, dass Frau Sommaruga eine der angezeigten Straftaten begangen habe. Wer jedoch eine unschuldige Person bei einer Behörde absichtlich beschuldigt, begeht eine falsche Anschuldigung nach Schweizer Recht und eine falsche Verdächtigung nach deutschem Recht.”

2. “Dauergast im TV-Studio”
(tagesspiegel.de, Nik Afanasjew)
Schon rund 1500 Sendungen hat Steffen Bothe als Studiozuschauer miterlebt: “Als es ins Studio geht, erträgt Bothe den ihm zugewiesenen Platz in der letzten Reihe mit stoischer Ruhe. Stammzuschauer müssen oft nach hinten, damit im Fernsehen nicht immer die gleichen Menschen zu sehen sind.”

3. “Die Rudelmentalität der Medien”
(taz.de, Reinhard Wolff)
Nächste Woche beginnt der Prozess gegen Anders Behring Breivik: “Die PR-Regie des Massenmörders sei bislang ‘teuflisch gut aufgegangen’, konstatiert die Osloer Wochenzeitung Ny Tid. Von den Fotoposen bis zu all seinen Erklärungen: Die meisten Medien sähen kein Problem, alles unkritisch weiterzureichen.”

4. “A Lie Races Across Twitter Before the Truth Can Boot Up”
(nytimes.com, Jeremy W. Peters, englisch)
US-Politikerin Nikki Haley werde angeklagt, schreibt ein Blog. Via Twitter verbreitet sich die Falschmeldung schnell.

5. “Unser Zuhause ist das Internet”
(spiegel.de, Günter Hack)
“Die tobenden Verkäufer aus den fensterlosen Kaufhäusern können sich nicht vorstellen, dass das Netz, anders als alle anderen Verbreitungsmedien, nicht ganz und gar ihnen gehört und ihnen nie gehören wird. Sie können sich erst recht nicht vorstellen, dass das Netz überhaupt kein Medium ist. Noch ferner liegt ihnen der Gedanke, dass das Kontakt-High unter den Usern besseres Entertainment liefern könnte als sie selbst, dabei filmen ihre eigenen Teams nur noch das Netz ab, entnehmen ihm laufend Texte, Daten und Ideen.”

6. “Taking German Chauvinists Down a Peg”
(andrewhammel.typepad.com, englisch)
Vergleiche zwischen den USA und Deutschland: “The point of this informal, highly unserious list is just to provoke reflection and provide talking-points to wrong-foot German chauvinists, not make anybody feel bad.”

Facebook, E-Mails, Taubstumme

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Warum beschweren sich deutsche Verleger nicht schon längst über Facebook?”
(carta.info, Wolfgang Tischer)
Wolfgang Tischer fragt: Warum beklagen sich deutsche Zeitungsverleger über Google, aber nicht über Facebook?

2. “Taubstumme Rentner können NUR gebärden”
(taubenschlag.de, Bernd)
Taubenschlag, ein Portal für Gehörlose und Schwerhörige, widmet sich der gestrigen “Bild”-Titelschlagzeile “Taubstumme Rentner um 2000 Euro geprellt”.

3. “17 Tipps gegen die Mail-Flut”
(spiegel.de, Sascha Lobo)
Sascha Lobo erklärt, wie man E-Mails so verfasst, “dass die Chance auf eine Rückmail minimiert wird”.

4. “Literaturkritik, rechtsdrehend”
(welt.de, Richard Kämmerlings)
Richard Kämmerlings befasst sich mit dem Nachfolge-Artikel von Georg Diez im “Spiegel”, “eine Art ‘Making-of’ seines versuchten ‘Rufmords’ an Christian Kracht, wie es der Verlag Kiepenheuer & Witsch genannt hat”. “Bezeichnend, dass Diez es in seiner wortreichen Replik nicht für nötig hält, auf das weitverbreitete ‘Unbehagen’ an seiner unseriösen Methode näher einzugehen. Als Freibrief genügt ihm die Erkenntnis, dass ‘Journalismus etwas anderes als Germanistik’ sei. Genaues Lesen, das Erkennen von Zitaten und Anspielungen, kurz all das, was als Handwerkszeug des Kritikers gilt, hält Diez offenbar für spießig, am Ende vielleicht selbst für ein Erbteil dumpfen rechten deutschen Denkens.”

5. “Radiosender muss 200.000 Euro wegen Falschmeldung an FC Barcelona zahlen”
(arena-info.com)
Ein Reporter von “Cadena Cope” hatte Spielern des Fußballclubs FC Barcelona Doping unterstellt. Ein Gericht verurteilte den Radiosender nun zur Sendung einer Gegendarstellung und zur Zahlung von Schadenersatz in der Höhe von 200.000 Euro.

6. “How Science Reporting Works”
(smbc-comics.com, englisch)
(Quelle nachträglich korrigiert.)

Schuhgröße 28/29

Am frühen Donnerstagabend konnte der “Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag” auf seiner Internetseite mit einer Exklusivmeldung aufwarten:

Grausiger Fund in Nordfriesland: Die Polizei hat in einem Waldstück bei Langenhorn die skelettierte Leiche eines Kindes entdeckt. Die Ermittlungsbehörden halten sich bedeckt.

Die Informationen waren erstaunlich detailreich:

Das Opfer soll Schuhgröße 28/29 haben. Auf die Spur des Verbrechens sind die Behörden nach Informationen des sh:z durch die Aussage eines Mannes gekommen, der sich derzeit vor Gericht für ein anderes Verbrechen verantworten muss und sein Gewissen erleichtern wollte. Schon am 9. Februar war die Polizei mit Einsatzkräften vor Ort und hatte Spürhunde eingesetzt. “Wir wurden nur gefragt, ob wir einer Suche zustimmen würden”, erklärte der Besitzer des Waldstücks auf Nachfrage. Mehr erfuhr er nicht. “Mir war das schon ein wenig unheimlich.”

Nur bestätigt war daran noch nichts:

Die Ermittlungsbehörden hielten sich auf Nachfrage bedeckt. Marina Bräuer, Sprecherin der Bezirkskriminalinspektion Flensburg: “Die Untersuchungen vor Ort laufen noch. Daher können wir zurzeit aus ermittlungstaktischen Gründen nichts Näheres bekanntgeben.” Am Freitag will die Polizei weitere Details veröffentlichen.

Der dpa-Landesdienst Nord griff die Meldung am Freitagmorgen um 7.31 Uhr auf und verkündete:

In einem Waldstück bei Langenhorn in Nordfriesland ist eine Kinderleiche gefunden worden. Berichten des “SHZ” zufolge haben Polizeibeamte am Donnerstag eine skelettierte Leiche mit der Schuhgröße 28-29 ausgegraben. (…) Die Polizei Flensburg wollte den Bericht am Freitagmorgen zunächst weder bestätigen noch dementieren, erklärte aber, dass noch am Freitag eine Pressemitteilung herausgegeben werden soll.

Die Nachricht vom Fund einer Kinderleiche erschien daraufhin u.a. bei abendblatt.de, im Newsticker von Bild.de und auf den Webseiten der Regionalprogramme von RTL und Sat.1.

Um 9.57 Uhr brachte der dpa-Landesdienst Nord dann erneut eine Meldung zum Thema. Nur halt anders:

Polizei dementiert Leichenfund in Langenhorn

Die Polizei hat Berichte dementiert, wonach eine skelettierte Kinderleiche in einem Waldstück bei Langenhorn in Nordfriesland worden sei. “Es gab Ermittlungen, aber es wurde nichts gefunden”, sagte ein Sprecher der Polizeidirektion Flensburg am Freitagmorgen. Weitere Details sollen im Laufe des Tages bekanntgegeben werden.

In ihrer Pressemitteilung hatte die Polizei sogar wörtlich geschrieben:

Etwaige Meldungen über einen Leichenfund und sonstige Details stammen nicht von Seiten der Staatsanwaltschaft oder der Polizei und entsprechen nicht den Tatsachen.

Die Suchaktion stand dabei im Zusammenhang mit einem mehr als 18 Jahre zurückliegenden Vermisstenfall:

Die Bezirkskriminalinspektion Flensburg ging einer Spur in einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Flensburg nach.

Seit dem 5. August 1993 wird die damals elfjährige Seike Sörensen aus Drelsdorf vermisst. Bis zum heutigen Tage konnte ihr Verschwinden nicht geklärt werden. Noch immer führt die Bezirkskriminalinspektion Flensburg in dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Flensburg Ermittlungen durch.

Das war eine gute Gelegenheit für shz.de, den ursprünglichen Artikel über den angeblichen Leichenfund zu entfernen und an gleicher Stelle einen völlig neuen Text zur Suche nach Seike Sörensen zu veröffentlichen.

Darin erklärt die Redaktion auch, wie es zu der merkwürdigen Falschmeldung hatte kommen können:

Der sh:z hatte am Freitag vom Fund einer Kinderleiche berichtet. Grundlage dafür waren die Angaben einer langjährig zuverlässigen Quelle, die ihre Aussage mit glaubhaften Details untermauert hat.

Die meisten anderen Medien, die auch über die angebliche Kinderleiche berichtet hatten, haben ihre Artikel ebenfalls offline genommen.

Mit Dank an Martin S.

Bild  

Hurra, hurra, die Fahne brennt!

Das Nordderby zwischen dem Hamburger SV und Werder Bremen wurde von Szenen abseits des Fußballfeldes überschattet:

Wann hört dieser SCHWACHSINN endlich mal auf? Becherwurf gegen Marin + + + Banner mit Brandbeschleuniger geschmuggelt + + + Täter festgenommen + + + Jede Menge Böller beschlagnahmt + + + Bremer "Fans" verprügeln Ordner + + +

“Bild” schreibt heute in ihrer Regionalausgabe:

Schlimmer noch: Chaoten hatte zwei in Brandbeschleuniger getränkte Banner in einer Tüte am Stadionzaun versteckt. Als die beiden Zuschauer die Tasche kurz vorm Anpfiff in die Arena bringen wollten, griffen Polizei und Ordnungsdienst zu. Festnahme!

Auch die Deutsche Presseagentur (dpa) hatte gestern Vormittag vermeldet:

Vor der Partie hatten schon zwei festgenommene Anhänger für Aufregung gesorgt. Die Polizei hatte sie bei dem Versuch erwischt, zwei mit Brandbeschleuniger getränkte Fahnen und Transparente in die Arena schmuggeln zu wollen.

Und im HSV-Blog des “Hamburger Abendblatts” schrieb der Autor gestern Nachmittag vor sich hin:

Und dann sorgten zwei vor der Partie festgenommene HSV-Anhänger noch zusätzlich für Aufregung. Beide hatten schon Tage (oder einen Tag?) vorher zwei mit Brandbeschleuniger getränkte Fahnen und Transparente in die Arena geschmuggelt und bestens versteckt (glaubten sie jedenfalls), diese beiden Utensilien wurden aber zeitig vor dem Spiel entdeckt – und bewusst in ihrem Versteck liegen gelassen. Als diese beiden Fußball-Fans der besonderen Art dann kurz vor dem Anpfiff die (un-)sicher deponierten Sachen abholen wollten, griff die schon auf der Lauer liegende Polizei zu. Die Dummen sterben eben nie aus – Teil zwei. Das ist doch alles nur noch unterirdisch. Gehört wohl aber zum Fußballverständnis einiger Leute von heute dazu. Bin gespannt, was das für Strafen gibt . . .

Das ist alles insofern erstaunlich, als die Website der “Hamburger Morgenpost” schon am Samstagabend vermeldet hatte, dass es sich um einen falschen Alarm gehandelt hatte:

Der Fahnen-Alarm: Vor dem Anpfiff entdeckten Polizisten zwei Tüten mit Transparenten und Konfetti, nahmen zwei HSV-Fans fest. Der Verdacht: Pappe und Papier seien in Brandbeschleuniger getränkt worden. Ein Fehlalarm. “Es hat sich herausgestellt, dass die Transparente frisch bemalt waren und deswegen verdächtig rochen”, sagte ein Polizeisprecher.

Die Hamburger Polizei bestätigte uns heute auf Nachfrage die Version der “MoPo”: “Es roch nur ‘n bisschen komisch”.

Mit Dank an karstinho.

Nachtrag, 22. Februar: Der Autor des HSV-Blogs des “Hamburger Abendblatts” entschuldigt sich in seinem neuesten Eintrag für die Falschmeldung mit den in Benzin getränkten Fahnen.

Offenbarungseid, Südsudan, Latzhosen

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Unverzichtbare Lichtgestalten”
(carta.info, Vera Bunse)
Vera Bunse über die Neigung der Medien zur Personalisierung im Politikjournalismus. Selbst wenn sich neue Kräfte wie die Piratenpartei explizit dagegen wehren, versuchen die Medien, sie in die bestehenden Verhältnisse zu pressen: “Journalisten hätten auf die Neulinge mit neugierigen und interessanten Fragen reagieren können. (…) Stattdessen gab es aufgeregtes Geschnatter über Latzhosen und Palitücher, die Unkenntnis der Höhe der Verschuldung des Landes Berlin und die Tatsache, dass dank der lustigen Rampensau Christopher Lauer tatsächlich in einer Talkshow gelacht wurde.”

2. “Keine Angst: wir sprechen Deutsch!”
(publikative.org, Sheila Mysorekar)
“Jeder fünfte Mensch in diesem Land hat Migrationshintergrund, aber nur jeder 50. Journalist”, stellt Sheila Mysorekar fest. “Und Ausländer sprechen halt kein Deutsch, das weiß ja jeder. Im Laufe meines Lebens ist mir buchstäblich schon Tausende Male gesagt worden: ‘Sie sprechen aber gut Deutsch!’ Darauf antworte ich gerne: ‘Ich wünschte, ich könnte das auch von Ihnen behaupten!'”

3. “Die Doppelmoral der Medien in der Wulff-Affäre”
(danielflorian.de, Ulrich Hottelet)
Ulrich Hottelet erinnert daran, dass Anfang Januar im Südsudan mehr als 3000 Menschen getötet wurden. “Ein derart hoher Verlust von Menschenleben verursachte in den Medien und in der Öffentlichkeit nicht einmal den Bruchteil des Furors, den die Umstände eines Hauskaufs in Niedersachsen hervorgerufen haben. Da ist die Frage nach den Maßstäben, die in der Bewertung angelegt werden, überfällig.”

4. “Verdrehte Welt”
(freitag.de)
Sieben Kulturschaffende leisten Offenbarungseide. Nicht nur die Politik werde vom Geld regiert, auch der Kulturbetrieb sei “natürlich verführbar”.

5. “The Washington Post tries a new weapon to fight the trolls: humans”
(niemanlab.org, Andrew Phelps, englisch)
Journalisten, die sich einbringen in den Kommentarspalten der eigenen Artikel: “By getting involved, reporters can also help fend off rumors, speculation, and flame wars.”

6. “Interview with a hoaxster: How I fooled the Daily Mail with fake pic”
(poynter.org, Craig Silverman, englisch)
Craig Silverman befragt Jody Kirton, der zu einer Falschmeldung beigetragen hat: “I don’t have any regrets in doing this, I feel it has proved how a joke between friends can make national news almost!”

dapd  

Auf halber Flamme

In Los Angeles steht zur Zeit ein Deutscher vor Gericht, dem vorgeworfen wird, in Hollywood zahlreiche Brände gelegt zu haben. Insgesamt werden ihm inzwischen 49 Feuer (anfangs nur 37) angelastet, weswegen die Justiz nun in 100 Punkten Anklage (felony charges) gegen ihn erhebt. Zumindest berichten das die Nachrichtenagenturen AFP und dpa sowie die “LA Times”.

Einzig der Nachrichtenagentur dapd scheint der Unterschied zwischen der Anzahl der Anklagepunkte und der Anzahl der gelegten Feuer nicht so ganz klar zu sein. Am Dienstag um 19:24 Uhr meldete sie:

Neue Vorwürfe gegen mutmaßlichen deutschen Brandstifter – 24-Jähriger soll insgesamt 100 Feuer gelegt haben

Los Angeles (dapd). Ein in den USA wegen Brandstiftung in 37 Fällen angeklagter Deutscher wird sich wegen weiterer Feuer verantworten müssen. Dem 24-Jährigen würden weitere 63 Brände zur Last gelegt, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Los Angeles am Dienstag. Damit wirft ihm die Anklage Brandstiftungen in insgesamt 100 Fällen vor.

Obwohl der mutmaßliche Brandstifter in Wirklichkeit “nur” 49 Feuer gelegt haben soll, haben zahlreiche Medien wie etwa Bild.de, “Spiegel Online” und “RP Online” den Inhalt dieser Meldung übernommen.

Neue Meldung, neues Glück? Denkste. In einer aktuelleren Mitteilung, die heute um 1:21 Uhr veröffentlicht wurde, zeigt sich dapd noch verwirrter. Diesmal heißt es:

Ein in den USA wegen Brandstiftung in 100 Fällen angeklagter Deutscher hat sich vor einem Gericht in Los Angeles für nicht schuldig erklärt. (…) Zuvor hatte die Anklage dem 24-jährigen Harry B. weitere Brände zur Last gelegt, nachdem zunächst lediglich von 49 Feuern die Rede gewesen war.

Das ist so natürlich auch nicht richtig. Es bleibt dabei, dass dem Deutschen insgesamt 49 Brandstiftungen vorgeworfen werden — nachdem zunächst lediglich von 37 Feuern die Rede war. Dennoch wurde die zweite dpad-Falschmeldung im Onlineauftritt der “Mitteldeutschen Zeitung” und auf nh24.de veröffentlicht.

Doch damit nicht genug. Ebenfalls heute um 11:03 Uhr versuchte sich dapd an einer dritten Meldung. :

(…) hatte die Anklage weitere Vorwürfe gegen den 24-jährigen Harry B. erhoben. Insgesamt umfasst die Anklageschrift nun 100 Punkte, darunter Brandstiftung und Besitz von brennbarem Material. Zuvor war der Angeklagte lediglich für 49 Feuer verantwortlich gemacht worden.

Zwar hat dapd nun verstanden, dass die Anklageschrift 100 Punkte umfasst, und erklärt sogar, dass auch der Besitz von brennbarem Material strafbar ist, der letzte Satz zeigt jedoch wieder deutlich, dass dapd immer noch von 100 gelegten Bränden ausgeht — ein Fehler, der jetzt natürlich genau so beispielsweise im Online-Auftritt des “Hamburger Abendblattes” steht.

Wir wünschen viel Glück beim vierten Anlauf.

Mit Dank an Horst P.

Sexschule, Schuldenkrise, Boris Becker

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Getäuscht: Wiener Sex-Schule ist eine Erfindung”
(diepresse.com, Eva Winroither und Isabella Wallnöfer)
Nach den angeblich EU-subventionierten Kafka-Büchern mit Rechtschreibefehlern (BILDblog berichtete) bringt die Gruppe “The Birdbase” erneut eine Falschmeldung in Umlauf. Sie wird weltweit von verschiedenen Medien aufgenommen, zum Beispiel von Bild.de. Siehe dazu auch das Bekennerschreiben der Gruppe und der Kommentar von Anna-Maria Wallner.

2. “Wie frei ist die vierte Gewalt?”
(welt.de, Michael Borgstede)
Michael Borgstede schreibt über die Pressefreiheit in Israel. Das Verleumdungsgesetz soll angepasst werden, die Entschädigungssummen sollen um das Sechsfache angehoben werden. “Auch ohne Schadensnachweis könnten Medien zur Zahlung von bis 60 000 Euro verurteilt werden – ein finanzielles Risiko, das manch kritische Berichterstattung unterbinden könnte.”

3. “Die Extrawurst der Woche”
(oldenburger-lokalteil.de)
“Die ungarische Philosophin Àgnes Heller wird mit dem Carl-von-Ossietzky-Preis der Stadt Oldenburg geehrt. Das konnte man am Donnerstag in der NWZ lesen. Die entsprechende Pressemitteilung der Stadt wurde allerdings erst am Donnerstagvormittag versandt.”

4. “Euromess: The View From Germany”
(motherjones.com, Nick Baumann, englisch)
Nick Baumann wundert sich über die Gelassenheit von deutschen Journalisten hinsichtlich der Schuldenkrise: “I spoke to reporters or editors from most of the country’s largest papers and broadcasters, and they all seemed unconcerned. What’s hard to convey remotely is the general mood: a kind of serenity, an almost utter confidence that everything will turn out fine. I hope they’re right. But I’m not so sure.”

5. “The 10 Best Magazine Covers of 2011”
(adage.com)

6. “Twittern mit Boris Becker”
(waterkantroyal.wordpress.com)

Todesmutter, Kampfflugzeug, Schlammlawine

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Wie begreift man das Unfassbare? – Versuch einer Gegen-Darstellung”
(gangway.de, Andreas Hoch-Martin)
“Die Todesmutter aus Buch” nennt bz-berlin.de eine 24-jährige Frau, die ihr neugeborenes Kind tötete. Streetworker Andreas Hoch-Martin wirft einen alternativen Blick auf die Situation.

2. “Wie ich Werbung für den Gripen machte”
(20min.ch, Lukas Egli)
Warum und wie Lukas Egli 2009 für das “SonntagsBlick Magazin” über Kampfflugzeuge schrieb: “Dass bei der Geschichte handfeste Interessen im Spiel waren, war mir damals schon klar. Aber wer im Hintergrund die Fäden zog, überraschte mich dann doch. So viel sei verraten: Es waren nicht finstere Waffenhändler – es waren Journalisten.”

3. “Ich, Postjournalist”
(theeuropean.de, Eberhard Lauth)
Eberhard Lauth erinnert sich an die Zeit, als er noch “an den Futtertöpfen der Musikindustrie (und gelegentlich auch der Filmindustrie) naschte”. “Viele der damals publizierten Stücke basierten auf der unausgesprochenen Übereinkunft, Papier mit Texten über Menschen oder Produkte vollzuschreiben, weil ich dafür auch etwas bekommen hatte. Flüge. Übernachtungen in Hotels. Drinks. Gästelistenplätze mit Begleitung. Kontakt zu Prominenten.”

4. “Die Medienorgel dreht sich weiter”
(dradio.de, Christian Floto)
Christian Floto fragt nach der Wertschöpfungskette in der Causa Guttenberg: “Wer kassiert da in welcher Funktion eigentlich welche Summen? Egal ist das nicht. Denn Rezipienten fragen durchaus mal nach den Motiven von Akteuren. Und da wäre es interessant zu erahnen, ob neben unreifem Narziss vielleicht gar noch Gier mit im Spiel sein sollte?”

5. “Das neue ‘Das Neue’-Bingo”
(stefan-niggemeier.de)
Recherchiert die Zeitschrift “Das Neue” tatsächlich “so gut wie der ‘Spiegel'”, wie ihr Chefredakteur Jörg Mandt behauptet?

6. “Falscher Alarm löst Panik aus”
(badische-zeitung.de)
“Eine per SMS und über das Internet verbreitete Falschmeldung über eine angebliche Schlammlawine hat in der kolumbianischen Stadt Villavicencio eine Massenpanik ausgelöst.”

Urbane Legenden über Political Correctness (3)

Die Zahl deutschsprachiger Medien, die noch nicht auf die Falschmeldung hereingefallen ist, die BBC hätte die Formulierungen “vor Christus” und “nach Christus” abgeschafft, sinkt weiter.

Die “Zeit”-Beilage “Christ & Welt”, das Überbleibsel der Wochenzeitung “Rheinischer Merkur”, ist natürlich schon aufgrund ihres Namens von der Sache betroffen und schreibt in einer Glosse:

Nach mehr als zweitausend Folgen das Aus: Die BBC setzt Christus ab. In allen Sendungen des europäischen Leitmediums soll fortan nach einer Empfehlung der Senderleitung bei Nennung einer Jahreszahl auf den Zusatz „vor“ oder „nach Christus“ (BC für „before Christ“ und AD für Anno Domini) verzichtet werden. Stattdessen sind die Formulierungen „vor“ und „nach unserer Zeitrechnung“ („before common era“ und „common era“ oder kurz: BCE und CE) zu gebrauchen. Der Christusbezug sei, so der Sender, in einer „multiethnischen Gesellschaft“ nicht mehr angemessen, weshalb ...

Also noch einmal in aller Kürze:

  • Es gibt keine solche Empfehlung der Senderleitung.
  • Jede Redaktion kann selbst entscheiden, welche Formulierung sie verwenden will.
  • Die Formulierung “(before) common era” wird schon länger in Schulen gelehrt, in Universitäten verwendet und auf den Religionsseiten der BBC im Internet benutzt.
  • Es gibt keine Erklärung des Senders, wonach der Christusbezug in einer “multiethnischen Gesellschaft” nicht mehr angemessen sei (im Übrigen geht es um Religionen, nicht um Ethnien).

Auch die Österreichische Zeitung “Die Presse” verbreitet die Mär vom Sprachdiktat durch die BBC. Der frühere Chefredakteur und heutige Wiener Bistumssprecher Michael Prüller hat seine aktuelle “Culture Clash”-Kolumne ganz auf die falschen Behauptungen gegründet und schreibt:

Man kann (…) einwenden, dass durch Aktionen wie die der BBC wir immer mehr zu Kultureunuchen werden. Das, was für Irritationen sorgen könnte, schneiden wir besser weg. Es scheint mir aber künftige Konflikte eher heraufzubeschwören als zu verhindern, wenn man uns weismachen will, dass der Preis, den wir für zunehmende Diversität zu zahlen haben, die kulturhistorische Entmannung ist.

Noch einmal: Die “Aktion” der BBC, durch die sich Prüller kulturhistorisch zwangsentmannt fühlt, besteht in Wahrheit darin, ihren Mitarbeitern die freie Wahl zu lassen.

Der “Kölnischen Rundschau” war es unterdessen nicht genug, den Unsinn selbst in einem Artikel zu verbreiten (“Bei der BBC wird Jesu Geburt nicht mehr genannt”); sie lässt es nun auch ihre Leser tun und veröffentlichte folgende Zuschrift:

Ich lese, dass die BBC nicht mehr die Begriffe “vor Christus” und “nach Christus”, sondern mit Rücksicht auf andere Ethnien in England “vor” oder “nach unserer Zeitrechnung” verwenden möchte, die “Nicht-Christen weder beleidigen noch befremden”. Wenn das so stimmt, sollte die BBC auch nicht mehr die britische Fahne zeigen, die gleich drei christliche Kreuze enthält. Außerdem müsste die Queen bei Ihrer Thronrede vor beiden Häusern des Parlaments, wo sie sich mit einer Krone mit christlichem Kreuz präsentiert, ebenfalls tabu sein.

Armes England, das seine Herkunft verleugnet und sich kriecherisch seinen Ethnien anbiedert, die dies außerdem nicht einmal wollen.

Ein “England, das sich kriecherisch seinen Ethnien anbiedert” — man muss der “Kölnischen Rundschau” fast dankbar sein, dass sie dokumentiert, welche Art von Ressentiments sie mit ihrer Falschmeldung bedient.

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