Suchergebnisse für ‘fakten’

Frank A. Meyer, Karstadt, Oberhessische Presse

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Bei BILD im Angebot: Eine starke Kanzlerin und ihr schwacher Partner SPD”
(otto-brenner-stiftung.de)
Hans-Jürgen Arlt und Wolfgang Storz untersuchen 416 zwischen dem 15. Juni und dem 8. September 2013 zur Bundestagswahl erschienene “Bild”-Artikel und liefern eine Zwischenbilanz (PDF-Datei): “Mit optimalen personellen und finanziellen Ressourcen produzieren BILD und BamS ein Minimum an inhaltlichem Output mit einem Maximum an publizistisch-politischer Aufmerksamkeit.”

2. “Mediale Vorverurteilung – oder: Wenn Journalisten zu Richtern werden”
(eigenwach.wordpress.com)
Eigenwach stellt die Frage nach den Auswirkungen von medialen Vorverurteilungen auf Zeugenaussagen: “Wenn Zeugen sich zum Fall äussern, nachdem sie drei Tage nach der Tat im ‘Blick’ die vermeintlichen ‘Fakten’ gelesen oder diese von ‘Blick’-Lesern zugetragen bekommen haben – wie unabhängig sind die Aussagen dann noch?” Siehe dazu auch “Abt. Vorverurteilung – heute: Journaille vs. F.A.” (infam.antville.org, patpatpat).

3. “Abstieg des Einflüsterers”
(nzz.ch, Francesco Benini)
Der Ringier-Mann Frank A. Meyer: “Meyer schöpft seine Macht aus dem Einfluss, den er auf Michael Ringier ausübt. Dessen Treue zu ihm ist unverbrüchlich.” Siehe dazu auch “Ringiers Schlossgespenst” (tagesanzeiger.ch, Michèle Binswanger).

4. “Karstadt kämpft”
(derhandel.de, Hanno Bender)
Hanno Bender schreibt über die Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens Karstadt: “In einem normalen Unternehmen hätte der Pressesprecher zunächst zum Telefonhörer gegriffen und um Richtigstellung gebeten. Nicht so bei Karstadt, dort wird die Öffentlichkeitsarbeit inzwischen offenbar vollständig von Anwälten erledigt, die sofort ‘strafbewehrte Unterlassungserklärungen’ einfordern.”

5. “‘In der taz kamen die Pädophilen selbst zu Wort'”
(blogs.taz.de, Nina Apin und Astrid Geisler)
“War die Blattlinie der taz damals pädophilenfreundlich?”, wird Stephan Klecha vom Göttinger Institut für Demokratieforschung gefragt, der im “taz”-Archiv pädophile Einflüsse auf die Grünen untersucht: “Es gab damals keine redaktionelle Linie im engeren Sinne. Die redaktionelle Linie bestand darin, alles zuzulassen. (…) Die taz war derart anarchisch strukturiert, dass sich neben den Pädophiliebefürwortern auch immer wieder die Gegenseite im Blatt fand. Beide Positionen standen relativ unkommentiert nebeneinander.”

6. “Aus der Reihe: erst denken, dann schreiben”
(extra3.blog.ndr.de)
Eine Schlagzeile aus der “Oberhessischen Presse”.

Michael Hanfeld, taz, Twerk Fail

6 vor 9

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1. “Jimmy Kimmel Reveals ‘Worst Twerk Fail EVER – Girl Catches Fire’ Prank”
(youtube.com, Video, 5:06 Minuten, englisch)
Jimmy Kimmel enthüllt die Hintergründe über das am 3. September hochgeladene Video “Worst Twerk Fail EVER – Girl Catches Fire!”, das bereits über zehn Millionen mal angesehen und auch von mehreren Medien aufgegriffen wurde.

2. “FAZ prangert Verschwendung in der ARD an – dabei ist alles noch viel schlimmer”
(udostiehl.wordpress.com)
Udo Stiehl beschäftigt sich mit den “34 – im weitesten Sinne – Sportjournalisten der ARD”, die gemäß Michael Hanfeld in der FAZ zur Wahl des IOC-Präsidenten in Buenos Aires akkreditiert waren.

3. “Monokultur in den Chefetagen”
(taz.de, René Martens)
René Martens blickt auf sich ankündigende Personalwechsel beim WDR: “Als sicher gilt, dass Jörg Schönenborn, seit mehr als einem Jahrzehnt Chefredakteur des WDR Fernsehens, befördert wird. Zudem könnte Jochen Rausch, der Chef des erfolgreichen Radioprogramms 1Live, auf den Hörfunkdirektorenposten klettern. Als geeignet für diesen Top-Job gilt auch Jona Teichmann, Leiterin der Landesprogramme im Hörfunk. Die ist aber ‘ausgerechnet’ (Süddeutsche Zeitung) mit Schönenborn verheiratet. Andere Frauen stehen offenbar nicht zur Debatte.”

4. “… und mit kleinem Penis regiert man schlechter?”
(welt.de, Kritsanarat Khunkham)
Kritsanarat Khunkham stört sich an den “an Bösartigkeit kaum zu überbietenden” Fragen, die Philipp Rösler von der “taz” gestellt wurden. Im Artikel “Rassismus-Streit zwischen Rösler und der ‘Taz'” (welt.de, Thomas Vitzthum) ist weiter zu lesen: “‘Das Interview war keineswegs unter dem Stichwort ‘Hass’ angefragt, wie ‘Taz’-Chefredakteurin Ines Pohl behauptet’, sagte ein Parteisprecher der ‘Welt’. Vereinbarter Schwerpunkt sei vielmehr ‘Stil und Anstand im Wahlkampf’ gewesen.”

5. “Unwahrheiten in der taz”
(alexanderdilger.wordpress.com)
Aufgrund “falscher Tatsachenbehauptungen” schaltet Alexander Dilger einen Anwalt ein, der “die taz abmahnt und die Abgabe einer Unterlassungserklärung sowie einen Widerruf verlangt”. Der Artikel wird gelöscht und mit einer Richtigstellung (“Das war alles falsch. Entschuldigung.”) ersetzt.

6. “Achtjähriges jemenitisches Mädchen stirbt nach Zwangsheirat und erzwungenem Sex – Versuch eines Faktenchecks”
(kyriacou.ch)

Maischberger, Mollath, MedienVielfaltsMonitor

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1. “Fünf Mediengruppen teilen sich rund 60 Prozent der Meinungsmacht”
(blm.de)
Der “MedienVielfaltsMonitor 2013” (PDF-Datei) der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien. “ARD, Bertelsmann, Axel Springer, ProSiebenSat.1 sowie das ZDF verfügen über rund 60 Prozent der Meinungsmacht in Deutschland und prägen die Meinungsbildung durch Medien.”

2. “Augstein: Keine Frage des Stils, sondern der Haltung”
(dradio.de, Jürgen Liminski)
Franziska Augstein spricht zur Verpflichtung von Nikolaus Blome durch den “Spiegel”: “Was hat so jemand beim ‘Spiegel’ verloren, der die Haltung wechselt je nach Arbeitgeber?”

3. “Wollen wir diese Bilder sehen?”
(handelsblatt.com, Claus Eurich)
Der Umgang mit Bildern aus Syrien: “Bilder, deren Herkunft nicht genauso zweifelsfrei geklärt ist wie die Kontexte hinsichtlich des Dargestellten, taugen nicht zur schnellen Veröffentlichung – auch wenn es die einzigen zugänglichen Bilder sind. Dann müssen eben Worte sich bemühen, das unfassbare Grauen und Leiden angemessen wiederzugeben.”

4. “3 Fragen, die sich Journalisten stellen sollten, wenn sie eine wissenschaftliche Studie lesen”
(ricogrimm.de)
“1. Können diese zwei Dinge wirklich miteinander in Verbindung stehen? 2. Hat der Autor der Studie wirklich alle Ereignisse berücksichtigt? 3. Hat er wirklich ALLE berücksichtigt?”

5. “‘Lob kann manchmal mehr verunsichern als Tadel'”
(journalist.de, Hans Hoff)
Hans Hoff plaudert mit Sandra Maischberger über Talkshows.

6. “‘Mollath muss sich einfach wehren'”
(dradio.de, Dieter Kassel)
Dieter Kassel fragt bei Anwalt Gerhard Strate nach, warum er “Gutachten zusammen mit ärztlichen Stellungnahmen und zahlreichen Gerichtsdokumenten” zum Fall Gustl Mollath auf strate.net verfügbar gemacht hat: “Mollath muss sich einfach wehren! Und er muss deutlich machen, auf welcher trivialen Ebene zum Teil diese Gutachten einfach ihre Fakten selektiert haben, des Weiteren ihre rhetorischen Figuren aufbauen über angebliche Verrücktheiten des Herrn Mollath.”

Günter Wallraff, Christian Wulff, Oberweiten

6 vor 9

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1. “Der Vernichtungsjournalismus ist in Deutschland sehr ausgeprägt”
(planet-interview.de, Jakob Buhre)
Ein ausführliches Interview mit Günter Wallraff. “Es gibt in einzelnen Redaktionen ganze Teams, die wie eine Meute hinterherhecheln und dann Sachen aufbauschen, an denen wenig oder gar nichts dran ist. Und es gibt in Deutschland einige Medien, die Vernichtungsjournalismus betreiben, die nicht nur Kritik üben, sondern versuchen, jemanden zur Unperson zu erklären, um ihn zur Strecke zu bringen.”

2. “‘Wir alle haben uns etwas vorzuwerfen'”
(dradio.de, Dirk-Oliver Heckmann)
Hans Leyendecker beleuchtet die Rolle der Medien im Fall Christian Wulff: “Medien versuchen heute zu erklären, ja, es ging ja nie um strafrechtliche Dinge, sondern um moralische Dinge. Aber wenn man mal schaut, womit die Staatsanwaltschaft begonnen hat, und das waren 21 Punkte und Unterpunkte, von denen ist in Wirklichkeit einer übrig geblieben. Da haben Medien erheblich dazu beigetragen, ein Klima zu schaffen, dass man meint, hier sei ein Oberganove, dem man nachstellen müsse. Und da haben wir alle zu irgendeinem Zeitpunkt die Balance verloren.”

3. “Milchmädchen-Fakten”
(out-takes.de, Peter Hartig)
Der “Focus” schreibt über die Einkommen deutscher Schauspieler: “Wahrscheinlich hatte das Nachrichtenmagazin ein Sommerloch zu füllen, sonst ist kaum zu erklären, warum man da mit Zahlen jonglierte, die die ‘Bild’ selbst schon im vorigen November veröffentlicht hatte, also vor einem dreiviertel Jahr.”

4. “Showdown beim ‘Spiegel'”
(dradio.de, Brigitte Baetz)
“Eine Abgrenzung gegen die Methoden und die Ausrichtung der ‘Bild’-Zeitung ist für den ‘Spiegel’ fast existenziell”, schreibt Brigitte Baetz: “Es geht um seine Glaubwürdigkeit – und die seiner Mitarbeiter. Und die scheinen nun in letzter Minute davor zurück geschreckt zu sein, den Konflikt auf die Spitze zu treiben und Blome zu verhindern. Schade.”

5. “SRF Virus am Gurtenfestival: Messen des Brustumfangs von Konzert-Besucherinnen beanstandet”
(srgd.ch, Achille Casanova)
SRG-Ombudsmann Achille Casanova nimmt Stellung zur Übertragung eines Musikfestivals, an dem SRF-Moderatoren Oberweiten von Frauen ausgemessen hatten. “Auch wenn ich diese Sequenz alles andere als lustig, ja sogar als geschmackslos und fragwürdig erachte, glaube ich nicht, dass dabei die geltenden rechtlichen Bestimmungen – vorliegend die Menschenwürde – verletzt worden sind.” Siehe dazu auch “Aus der Praxis der Sittenwacht” (nzz.ch, Rainer Stadler).

6. “direktkandidaten casting”
(wirres.net, Felix Schwenzel)
Bundestagswahl: Felix Schwenzel besucht eine Veranstaltung, an der sich die Direktkandidaten seines Wahlkreises Berlin Mitte vorstellen.

Google-Ausfall sorgt für Journalismus-Ausfall

In der vergangenen Nacht funktionierte Google für ein paar Minuten nicht. Was das für Folgen hatte, steht heute überall: Der Internet-Verkehr ist halb zusammengebrochen.



“Spiegel Online”, Bild.de, “Welt Online”, sie alle berichten dasselbe: einen Rückgang der “weltweiten Internetaktivitäten” oder des “weltweiten Internetverkehrs” um 40 Prozent.

Es gibt für diese Zahl exakt eine Quelle: den Analyse-Anbieter GoSquared. Der hat den vermeintlichen Traffic-Einbruch in einem Blog-Eintrag behauptet und auch gleich mit einer tollen Grafik belegt:

Die hat diverse Medien in aller Welt so sehr beeindruckt, dass sie damit gleich ihre Meldungen illustriert haben. Dass die eindrucksvolle Kurve keinerlei Legende hat und die Y-Achse nicht beschriftet ist, das hat sie nicht gestört. Hey, eine Kurve! Statistik! Wissenschaft! Fakten!

Aber was genau ist da zurückgegangen? GoSquared spricht von der Zahl der Seitenaufrufe, die von GoSquared erfasst werden (“the number of pageviews coming into GoSquared’s real-time tracking”).

GoSquared hat also nicht den Internetverkehr auf der ganzen Welt gemessen, mit welchen Methoden auch immer, sondern nur die Abrufe auf den Seiten der Kunden von GoSquared. Was für Seiten das sind und wie typisch sie für das Internet insgesamt sind — man weiß es nicht.

Überhaupt lässt sich die Zahl der Seitenabrufe (pageviews) keineswegs mit dem “Internetverkehr” oder den “Internetaktivitäten” gleichsetzen. Die Datenmenge, die bei einem Seitenabruf bewegt wird, kann winzig oder gewaltig sein.

Ist der Internettraffic also in Folge des Google-Ausfalls um 40 Prozent heruntergegangen? Vielleicht, aber wahrscheinlich nicht. In der Traffic-Statistik von DE-CIX, dem großen Internet-Knoten in Frankfurt/Main, hat der Google-Ausfall jedenfalls nur winzige Spuren hinterlassen.

Die GoSquared-Leute aber stehen im Stau und nehmen einfach an, dass zu dem Moment jeder im Stau steht: Autos auf jeder Straße, Fußgänger und Flugzeuge gleichermaßen. Und sie freuen sich, dass die halbe Welt auf ihre Bullshit-Meldung hereingefallen sind.

(Basierend auf einem Post von Torsten Kleinz.)

Nachtrag, 18. August, 12 Uhr. “Welt Online” und derstandard.at haben ihre Artikel klammheimlich verbessert.

Nachtrag, 19. August. Nun hat sich auch “Spiegel Online” etwas halbherzig, aber transparent korrigiert.

Wunder, Weltwoche, Werbeformat

6 vor 9

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1. “‘Neue Welt’ ruft Wunder zurück”
(topfvollgold.de, Mats Schoenauer)
Der Tod von Prinz Friso von Oranien-Nassau: “Anderthalb Jahre lang haben deutsche Regenbogenhefte das Schicksal des Prinzen ausgeschlachtet. Sie haben spekuliert, gemutmaßt und prophezeit, sie haben Gerüchte verbreitet, Fakten verdreht und sich Dinge einfach ausgedacht. Allein in den vergangenen vier Monaten ist Prinz Friso mindestens sechs Mal für tot erklärt worden, genauso oft gab es dann plötzlich doch ein ‘Wunder’, und immer wieder irgendwelche Dramen, Enthüllungen und Skandale.”

2. “Weltwoche: Rega wirft ‘gröbste Recherche-Fehler’ vor”
(persoenlich.com, Lea Friberg)
“Wie viele Fehler darf ein einzelner Journalist eigentlich machen?”, fragt die Schweizerische Rettungsflugwacht in einer Medienmitteilung und kommentiert in einem PDF-Dokument einige Passagen aus dem betreffenden Artikel.

3. “Vor geschlossenen Türen”
(tageswoche.ch, Samuel Schlaefli)
Samuel Schlaefli versucht, etwas über die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zu erfahren: “Statt Antworten auf meine Fragen, gibt es einen Wälzer mit dem die Kommunikationsabteilung den Journalisten endgültig erschlägt. Und dies ohne, dass ihr jemand den Vorwurf machen könnte, sie hätte die Presse nicht ausreichend mit Informationen versorgt.”

4. “Wir diskutieren ein potentielles Werbeformat und freuen uns auf Feedback”
(netzpolitik.org, Markus Beckedahl)
Markus Beckedahl lotet bei seinen Lesern die Akzeptanz einer neuen Werbeform aus: “Dagegen spricht, dass es irgendwie Paid-Content ist, wenn auch nicht aus der PR-Abteilung. Wir würden dafür bezahlt, dass wir jeden Tag die neueste Folge hier einstellen, Ihr müsste die neueste Folge irgendwie sehen (nicht ansehen, aber sie kommt im Nachrichten-Stream) und Euch schützt kein Adblocker davor.”

5. “‘Die Autorität des aufzeichnenden Bleistifts'”
(derstandard.at, Klaus Taschwer)
Ein Interview mit Anke te Heesen, die zur Geschichte des Interviews forscht: “Es gab tatsächlich Zeiten, als große Angst vor dem Interview herrschte, was sich leicht erklären lässt: Mit der Beichte und der medizinischen Anamnese stellt vor allem das Verhör eine seiner drei Wurzeln dar.”

6. “Walulis sieht fern: Eine typische Fußballsendung”
(youtube.com, Video, 3:36 Minuten)

Schildbürger unter sich

Fast jeder kennt die Geschichten über die Schildbürger, die in ihrem Übereifer immer wieder ambitionierte Projekte beginnen und dann doch an den simpelsten Grundlagen scheitern. Zum Beispiel die Geschichte, als sie ein Rathaus ohne Fenster bauten und anschließend versuchten, das fehlende Licht mit Eimern und Fässern in das Gebäude zu schaffen.

Das ist wahrscheinlich ein Grund, warum die Geschichte von dem spanischen Hochhaus ohne Fahrstuhl in der Deutschen Presse so viel Aufmerksamkeit erntete. Zum Beispiel in Bild.de:

Hochhaus gebaut – aber Aufzug fehlt Architekt vergaß den Fahrstuhl-Schacht +++ Bauarbeiter müssen schleppen +++ Mieter müssen laufen

Stern.de beschrieb detailreich:

Mit 210 Metern soll es das höchste Wohnhaus Europas werden. Ein Aushängeschild der Superlative, so war der Plan. 3,7 Millionen Euro kostete zu Baubeginn eine Maisonettewohnung im

Und Welt.de wusste auch den Grund dafür:

Der Aufzug wurde nur für die ersten 20 Stockwerke konzipiert, beim Weiterbau vergaß man den Aufzugschacht bis zu Spitze.

Auch Spiegel Online, die Neue Zürcher Zeitung, die Hamburger Morgenpost und viele andere verbreiteten die Mär vom fehlenden Aufzug.

Alleine: Der Artikel in der Zeitung El País (englische Fassung), auf den sich die Artikel direkt oder indirekt berufen, hat zwar allerhand zum Thema Fahrstühle zu berichten: Es gab einen Unfall mit dem Lastenaufzug, der ohnehin zu spät gebaut worden war. Dass allerdings die Fahrstuhlschächte ab dem 20. Stockwerk fehlen — das stand nirgends. Die entscheidene Textstelle lautet (Übersetzung von uns):

Im Januar 2012 gab es eine neue Überraschung: Bei den Planungen war der Aufzugschacht nicht beachtet worden, wie die öffentlichen Pläne klar zeigen. “Der Platz wurde nur für ein 20stöckiges Gebäude berechnet”, sagten die gleichen Quellen.

Das kann natürlich vieles heißen: dass die Fahrstuhlschächte unterdimensioniert sind, dass der Platz für den Antrieb falsch berechnet war, dass zu wenige Fahrstühle für die erhöhte Einwohnerzahl zur Verfügung standen. Für die Extrem-Interpretation, dass die Fahrstuhlschächte gleich ganz fehlten, fehlte jedoch jeder Hinweis. Und wie zu erwarten war, stimmte dies auch nicht. Wie zum Beispiel das Blog Barcepundit auflistet, hat der Wolkenkratzer sogar ganze 10 Aufzüge — und die Schächte reichen bis in den 47. Stock. Treppen steigen muss also niemand.

Doch statt ihre Falschmeldungen einfach zu löschen oder zu korrigieren — wie es zum Beispiel Spiegel Online sehr halbherzig tat — versuchten einige Redaktionen ihre durch Fakten verpfuschte Geschichte noch zu retten. So erklärte die Welt kurzerhand das Fehlen des Schildbürgerstreiches selbst zur Posse:

Screenshot: Welt.de

Doch wie spanische Medien kolportieren, sei beim Bau ein bedauerlicher Fehler unterlaufen. Die Tageszeitung “El País” will anhand der Baupläne herausgefunden haben, dass der Aufzugsschacht für ein Hochhaus von nur zwanzig Stockwerken und damit zu eng konzipiert war. Für ein doppelt so großes Hochhaus wie das Intempo braucht man stärkere Motoren und andere Zugsysteme. Erst im Januar habe man den Fehler bemerkt und die drei Aufzugsschächte erweitert, was die Arbeiten erheblich verzögerte, heißt es beim spanischen Nachrichtensender “La Sexta”. Viele spanische Online-Portale juxen derweil munter weiter über das Hochhaus mit dem fehlenden Aufzug.

Dass die Redaktion das eigene Rechercheversagen überspielt und “spanischen Online-Portalen” in die Schuhe schiebt, ist dreist, aber kaum bemerkenswert. Dass es die Redaktion aber schafft, trotz der Nachfrage beim Architekten die Falschmeldung vom “offenbar vergessenen” Fahrstuhl noch in die Überschrift zu packen hingegen zeigt eine stolze Ignoranz, die eins deutlich macht: Deutsche Journalisten müssen sich offenbar nicht hinter Schildbürgern verstecken.

Mit Dank an Greta H., hvd69, Patrick R. und Mathias S.

ORF, Zenith, Implosion

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1. “Der erfundene Zeuge”
(falter.at, Wolfgang Zwander)
Verschiedene österreichische Medien übernehmen Vorwürfe der “Kärntner Woche” gegen den Landeshauptmann von Kärnten, Peter Kaiser. “Wirklich unangenehm für den Landeschef ist allerdings vor allem, dass vom ORF abwärts alle relevanten Medien des Landes einen Bericht übernahmen, der schlicht falsch war. Und dass Journalisten lieber ihren Souffleuren aus den Parteien glaubten als den Fakten und Originaldokumenten. Eine Durchsicht der Polizeiakten zeigt nämlich: den besagten Zeugen, der Kaiser angeblich belastete, hat es nie gegeben.”

2. “ORF retuschiert Logos der Konkurrenz weg”
(kobuk.at, Teresa Hammerl)
Die ORF-Nachrichtensendung “Zeit im Bild” entfernt auf einem Bild zur Ankündigung eines Beitrags die Schriftzüge der Mikrofone von Konkurrenzsendern. Die Pressestelle bedauert auf Anfrage “die individuelle Fehlleistung eines Mitarbeiters”: “Aufgrund des sehr engen Zeitkorsetts konnte das Hintergrundbild inhaltlich-redaktionell nicht mehr kontrolliert werden.”

3. “Wie ein Orientmagazin Ziel türkischer Hacker wurde”
(welt.de, Iris Alanyali)
Die Website des Orientmagazins “Zenith” wird angegriffen, nachdem die aktuelle Ausgabe eine fiktive Karte Kurdistans auf dem Titelbild zeigt. Ein Interview mit Chefredakteur Daniel Gerlach.

4. “Springer wird radikal digital”
(wiwo.de, Franziska Bluhm)
Der Axel-Springer-Verlag verkauft mehrere Traditionsblätter an die Funke Mediengruppe (vormals WAZ Mediengruppe): “Der Verkauf der Titel ist vor allem eins: konsequent. Er zeigt, wie ernst es der Konzern, der sich bereits in den vergangenen Jahren von einem klassischen Verlag zu einem Medienhaus gewandelt hat, mit der Digitalisierung meint.”

5. “Springer, Funke und das Schlimmste, das noch kommt”
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer sieht den Verkauf als “die Implosion einer Branche, mit deren Produkten wir täglich Kontakt haben, deren Arbeit wichtig sein könnte für die Gesellschaft. Und an deren Ende auch unsere Städte ganz anders aussehen, unser Alltagsleben sich verändern könnte.”

6. “Rette sich wer kann! Was jeder Journalist aus der Print-Amputation bei Springer lernen sollte”
(lousypennies.de, Karsten Lohmeyer)
Karsten Lohmeyer schreibt: “Im Rückblick werden Wirtschaftshistoriker vermutlich jenen 25. Juli 2013 als den entscheidenden Punkt definieren, an dem Springer-Vorstandschef Döpfner den Grundstein für sein Medienhaus der Zukunft gelegt hat – ohne den Ballast von Print-Produkten abseits von Bild und Welt. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem man noch eine knappe Milliarde dafür erlösen konnte. Selbst wenn man 260 Millionen davon quasi als Kredit an die Funke-Gruppe vergab.” Siehe dazu auch “Hat die Funke Mediengruppe sich da ein Ei gelegt?”, ein Interview mit Steffen Grimberg auf Deutschlandradio Kultur.

Amanda Palmer, Sunil Chhetri, Bushido

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1. “my open letter to the daily mail”
(amandapalmer.net, Video, 5:54 Minuten)
Sängerin Amanda Palmer antwortet mit einem Song auf den Artikel “Making a boob of herself! Amanda Palmer’s breast escapes her bra as she performs on stage at Glastonbury” der Boulevardzeitung “Daily Mail”. Siehe dazu auch die Übersetzung des Songtextes (fm4.orf.at).

2. “Der unerwartete Ruhm des Sunil Chhetri”
(reviersport.de, Stefan Schinken)
Fußball: Eine Passage in einem Text von Reviersport.de über eine mögliche Verpflichtung von Sunil Chhetri durch Borussia Dortmund führt zu vielen Tweets und Presseanfragen. Siehe dazu auch die Beiträge von Blogger Arunava Chaudhuri (arunfoot.blogspot.de, englisch) sowie ein Interview mit ihm (sportschau.de, Video, 2:56 Minuten).

3. “‘Gefallen an Gefälligkeiten’: Vorstellung einer Kurzstudie zu Journalismus und Korruption”
(netzwerkrecherche.de)
Das Netzwerk Recherche veröffentlicht die Studie “Gefallen an Gefälligkeiten – Journalismus und Korruption” (PDF-Datei). “Neben der Compliance-Untersuchung von Natascha Tschernoster von der TU Dortmund, enthält die Kurzstudie Beiträge von Netzwerk-Recherche-Mitglied Boris Kartheuser über den Einfluss der PR-Branche auf den Journalismus sowie Fallbeispiele wie die Luxusreisen von Journalisten mit ThyssenKrupp, Volkswagen und Mazda. Ein weiterer Beitrag deckt Schleichwerbung in Zeitschriften der WAZ-Women-Group auf.”

4. “Fünf Sterne auf Bestellung”
(dradio.de, Thomas Otto)
Gefälschte und gekaufte Rezensionen zu Produkten, die im Netz angeboten werden.

5. “Mit Pinocchio online Fakten checken”
(de.ejo-online.eu, Federico Guerrini)
Federico Guerrini stellt verschiedene Portale vor, auf denen Fakten geprüft werden. “Auch die Art und Weise, wie Medien über Politik berichten (insbesondere über amerikanische Politik) hat sich durch die Organisationen in den vergangenen Jahren stark verändert. (…) Selbst die Politiker begannen, Faktenchecks selbst als Waffen gegen ihre Kontrahenten einzusetzen, oder als Instrument, um ihre eigenen Aussagen zu bewerben.”

6. “500. Medienbericht kritisiert Bushidos plumpen Versuch, in die Medien zu kommen”
(der-postillon.com)

Alles nur Munchelei

Vor 150 Jahren wurde Edvard Munch geboren. Seine Heimatstadt Oslo ehrt ihn deshalb zurzeit mit einer großen Jubiläumsausstellung. Und die “Bild”-Zeitung ehrte ihn Anfang Juni mit ein paar klug klingenden Zeilen ihrer Adelfeder Alexander von Schönburg.

Und weil von Schönburg nicht nur Royal- und Promi-, sondern offenbar auch noch Kunstexperte ist, erklärt er uns darin mal genau, was es mit Munch und diesem Expressionistenzeugs eigentlich auf sich hat. Und warum er Munchs Gemälde “Der Schrei” sogar vor der Sintflut retten würde. Und dass es in Oslo nun “zwei Mega-Ausstellungen” zu Ehren des “große[n] Maler[s]” gibt.

Am Ende der kleinen Lehrstunde schüttelt er dann noch lässig ein paar spannende Fakten aus dem Ärmel, “Motto: ‘Munch zum Mitreden'”.

Da wäre zum Beispiel:

Edvard Munch (gesprochen “Munk”, † 1944) war der größte aller Expressionisten, weil er todunglücklich war. Genauer: manisch-depressiv.

Damit lässt sich beim nächsten Grillabend sicherlich Eindruck schinden. Mit der Information, dass Munch den “Schrei” gleich in vierfacher Ausführung gemalt hat, bestimmt auch. Vorsichtig aber sollten Sie sein, wenn Sie folgende Anekdote zum Besten geben wollen:

Die schönste Version (in Pastell) gehört dem New Yorker Milliardär Leon Black. Er hat sich überreden lassen, es für die Dauer der Ausstellung Oslo zu leihen. Er traut den Norwegern aber nicht, hat dem Bild zwei Leibwächter mitgeschickt.

Das klingt eigentlich zu gangsterfilmmäßig, um wahr zu sein. Und wie wir dank unseres Lesers Johannes H. wissen, hat diese Geschichte tatsächlich nicht viel mit der Wahrheit zu tun. Genauer: gar nichts.

Johannes H. ist beim Lesen des Artikels misstrauisch geworden, denn er hatte die Ausstellung in Oslo zuvor selbst besucht – der “Schrei” wurde zwar auch gezeigt, nicht aber die Pastell-Version von Leon Black. Er fragte also beim Osloer Munch-Museum nach, wie viel Wahres an der “Bild”-Geschichte dran sei. Man antwortete ihm:

Es gibt, das ist korrekt, vier gemalte Versionen von “Der Schrei” – zwei Pastelle und zwei Ölgemälde.

Zwei der Bilder (eine Pastell-, eine Öl-Version) seien im Besitz des Munch Museums in Oslo, die Nationalgalerie habe ein weiteres (Öl), und das Vierte gehöre Herrn Black (Pastell). Allerdings:

In der Jubiläumssausstellung zeigen wir im Munch Museum unsere Öl-Version […] und die Nationalgalerie hat ihre. Die Version von Herrn Black wird definitiv nicht gezeigt, und ich weiß nicht, auf welche Quellen oder Informationen die “Bild”-Zeitung ihren Artikel stützt.

Johannes H. fragte auch bei Herrn von Schönburg nach, wie es zu dieser Behauptung kommen konnte. Eine Antwort bekam er nicht.

Immerhin nimmt es das Museum mit Humor. Die erste Reaktion auf den “Bild”-Artikel lautete: “What a brilliant story!”

Mit Dank an Johannes H.

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