Suchergebnisse für ‘exklusiv’

Hat gar nicht gebohrt

Der Online-Auftritt der “Süddeutschen Zeitung” hat eine wunderbar treffende Formulierung gebraucht:

Wie das britische Boulevardblatt Daily Mail als erste Zeitung berichtete, ...

Es ist das Halbsatz gewordene Klingeln von Alarmglocken. Die “Daily Mail” ist eine zuverlässig unzuverlässige Quelle. Man muss von allen guten Geistern verlassen sein, einer Geschichte zu glauben, die exklusiv von der “Daily Mail” verbreitet wird.

Deutsche Journalisten, vor allem bei Online-Medien, tun es trotzdem regelmäßig. Und auch der Mitarbeiter von sueddeutsche.de überhörte die Alarmglocken und verbreitete munter die Geschichte von der polnischen Zahnärztin, die ihren Ex-Freund, als er sich von ihr behandeln ließ, betäubte und ihm dann alle Zähne zog.

Enttäuschte Liebe: Zahnärztin zieht Ex-Freund alle Zähne

Die Geschichte ist, wie berichtet, bloß ein Märchen. Die “Daily Mail” hat sie längst von ihrer Website gelöscht. Auf sueddeutsche.de steht sie immer noch, und natürlich auch bei Bild.de. Und jede Wette: Es wird nicht die letzte Ente sein, auf die reinfallen, weil sie glaubten, was das britische Boulevardblatt “Daily Mail” als erste Zeitung berichtete.

(Bevor Sie fragen: Nein, wir können nicht sagen, ob wenigstens die Meldung stimmt, die Bild.de mit der Zahn-Geschichte kombiniert hat — dass eine Frau in China einem Mann nach einem Streit um einen Parkplatz so heftig die Hoden gequetscht habe, dass er starb. Anscheinend war sie aber jedenfalls nicht mit dem Auto unterwegs, wie Bild.de behauptet, sondern mit dem Motorroller.)

Nachtrag, 12. Mai. sueddeutsche.de hat sich korrigiert und bei seinen Lesern entschuldigt. In einer ausführlichen Erklärung heißt es u.a.:

Dank der Kollegen von MSNBC ist aus der scheinbaren Mahnung an untreue Partner von Zahnmedizinern nun eine Mahnung an uns Journalisten geworden, trotz des Drucks und der Verlockungen der entgrenzten Nachrichtenwelt, die journalistische Sorgfaltspflicht nie schleifen zu lassen.

Leserkommentare, Spremberg, Apps

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Pöbler werden ignoriert”
(drehscheibe.org, Stefan Wirner)
Sebastian Horn stellt bei den kommentierenden Nutzern von “Zeit Online” vier verschiedene Typen fest: Den klassischen Troll, den vorbildlichen Musterschüler, den Bemühten oder auch den Fleißigen und den Besserwisser.

2. “Das Schweigen der Mehrheit”
(tagesspiegel.de, Frank Jansen)
Nach dem Angriff auf die Redaktionsräume der “Lausitzer Rundschau” fährt Frank Jansen nach Spremberg, stellt Fragen und erntet mehrheitlich Schweigen.

3. “Schillernde Indizien”
(nzz.ch, Joachim Güntner)
Joachim Güntner zählt “Rechercheure und Ghostwriter” auf, die im Namen von Günter Wallraff geschrieben haben. “Das ändert nichts am sachlichen Gehalt von Wallraffs Büchern. Indessen darf man wünschen, dass ein Autor, der antritt, nur aus erster Hand zu berichten, diesen Anspruch auf Authentizität mit einer grösseren persönlichen Wahrhaftigkeit verbindet.”

4. “Die letzte exklusive Ware im Journalismus: Komprimierte Zeit”
(blog.tagesanzeiger.ch, Constantin Seibt)
Printjournalist Constantin Seibt empfiehlt den Zeitungen, “unverschnittene Ware zu liefern” und “im Zweifelsfall weniger und konzentrierter zu schreiben”. Langfristig bleibe nur eine Chance: “Die Flucht in die Qualität. Also in zeitraubende Bereiche wie Recherche und Stil zu investieren.”

5. “Are publishers waking up from their dream about apps?”
(gigaom.com, Mathew Ingram, englisch)
Ist das iPad für Magazine und Zeitungen wirklich ein Geschenk der Götter? “The biggest problem is that apps are walled gardens by design — most allow you to share articles through social media, but they don’t contain links and in most cases they don’t have comments either.”

6. “Hallo Papa Volkan”
(fraufreitag.wordpress.com)

Verwirrung um Pizarro

Heute Vormittag um 10.02 Uhr verkündete “Sport Bild” auf ihrer Internetseite:

Sport Bild exklusiv: Pizarro kündigt bei Werder! Bayern bietet Zweijahresvertrag

Die zwei in der Überschrift erwähnten Sachverhalte stehen zwar in einem Zusammenhang, aber offenbar nicht ganz so direkt, wie man auf den ersten Blick denken könnte. Nach allerlei Zeilen über das Vertragsangebot von Bayern München (“nach SPORT BILD-Informationen”, natürlich) schreibt “Sport Bild” selbst, dass es durchaus möglich sei, dass Pizarro Werder Bremen doch nicht verlässt:

Noch ist der Weggang allerdings keine beschlossene Sache – Pizarro musste kündigen, weil sich sein Vertrag in Bremen sonst automatisch verlängert hätte. Er kann jedoch einen neuen Vertrag mit den Bremern aushandeln.

In diesem Fall wäre seine (angebliche) Vertragskündigung ein taktisches Manöver gewesen, um sich alle Optionen offen zu halten und für die Vertragsverhandlungen mit Werder in einer günstigeren Ausgangsposition zu sein. Fußballer und ihre Berater …

Sechzehn Minuten später hatte der Sportinformationsdienst (sid) diese Meldung auf dem Draht:

Sport Bild: Pizarro verlässt Werder, Angebot aus München

BREMEN, 29. März (SID) – Claudio Pizarro wird den Fußball-Bundesligist Werder Bremen im Sommer anscheinend verlassen. Wie die Sport Bild berichtet, hat der Angreifer dem Verein mitgeteilt, dass er seinen Vertrag in Bremen zum 30. Juni dieses Jahres kündigt. Weil der Peruaner seine Kündigungsklausel noch vor Ablauf der vertraglich festgelegten Frist (31. März) zog, ist er nach der laufenden Saison ablösefrei. Rekordmeister Bayern München, so das Blatt weiter, habe Pizarro bereits einen Zweijahresvertrag angeboten.

Das war natürlich nicht das, was “Sport Bild” geschrieben hatte — sondern nur das, was “Sport Bild” mit der eigenen Überschrift und der Twitter-Nachricht “Pizarro kündigt bei Werder” mutmaßlich zu suggerieren versucht hatte.

Die Reaktion von “Sport Bild” auf Twitter, wo #pizarro inzwischen ein trending topic war, war dann auch eine ganz merkwürdige Mischung aus Schadenfreude, Hände-in-Unschuld-Waschen und dem Pochen auf journalistische Gründlichkeit:

Da hat der sid einfach nicht gründlich gelesen. Keiner behauptet, dass Pizarro Werder verlässt

Der sid hatte unterdessen ein Statement von Bremens Manager Klaus Allofs eingeholt, war aber immer noch davon überzeugt, dass “Sport Bild” Pizarros Abgang vermeldet hatte:

Verwirrung um Pizarro: Allofs dementiert Abgang aus Bremen
+++ überholt mit Allofs-Statements +++
BREMEN, 29. März (SID) – Verwirrung um Claudio Pizarro: Werder Bremens Geschäftsführer Klaus Allofs hat eine Meldung dementiert, wonach der peruanische Angreifer den Fußball-Bundesligisten im Sommer verlassen wird. “Da weiß die Sport Bild mehr als wir”, sagte Allofs dem Sport-Informations-Dienst (SID) am Donnerstagmorgen: “Bei uns ist das so nicht kommuniziert. Ich glaube das aber ehrlich gesagt auch nicht.” […]

Um 11.29 Uhr vermeldete der sid dann in einer “Präzisierung”, dass Allofs nicht nur nichts von einem “Abgang” wisse, sondern auch nichts von einer “Kündigung”:

Verwirrung um Pizarro: Allofs dementiert Kündigung bei Werder
+++ Präzisierung in Überschrift und erstem Satz +++
BREMEN, 29. März (SID) – Verwirrung um Claudio Pizarro: Werder Bremens Geschäftsführer Klaus Allofs hat eine Meldung dementiert, wonach der peruanische Angreifer dem Fußball-Bundesligisten zum Sommer gekündigt hat. […]

Die Verwirrung war also perfekt und der sid hatte nicht ganz unwesentlich dazu beigetragen.

Um 14.08 Uhr tickerte die Deutsche Presseagentur (dpa) dann sinngemäß, dass klar sei, dass nichts klar sei:

“Sport Bild”: Pizarro hat gekündigt – Werder hofft auf Verbleib

Bremen (dpa) – Fußball-Profi Claudio Pizarro und Werder Bremen halten sich im Poker um eine Fortsetzung ihrer Zusammenarbeit weiter bedeckt. Auch eine Meldung des Fachmagazins “Sport Bild”, laut der Pizarro seinen Vertrag beim Bundesligisten fristgerecht zum Saisonende gekündigt hat, wollten der Stürmerstar und Werder-Chef Klaus Allofs weder bestätigen noch dementieren.

“Ich habe noch keine Entscheidung getroffen. Es ist weiterhin alles offen, wir müssen noch einige Gespräche führen”, betonte Pizarro am Donnerstag in Bremen. “Wir machen grundsätzlich keine Aussagen über Vertragsinhalte”, sagte Geschäftsführer Allofs. […]

Zum derzeitigen Zeitpunkt ist also lediglich die Erkenntnis gesichert, dass Claudio Pizarro einen Vertrag mit Werder Bremen hat. Wie lang der noch läuft und was Pizarro danach macht, werden wir irgendwann erfahren. Vermutlich wieder exklusiv.

Mit Dank an Matthias K.

Grosse-Bley, iPad-Fabriken, Ahmadinedschad

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Studie zur Wirkung des Nichtraucherschutzgesetzes in Deutschland ist fragwürdig”
(heise.de/tp, Bastian Rottinghaus)
Verschiedene Medien haben eine Studie unkritisch verbreitet, stellt Bastian Rottinghaus durchaus selbstkritisch fest. “Sowohl Telepolis als auch Spiegel Online glänzen hier wie fast alle in- und ausländischen Medien nicht gerade durch kritische Distanz zur DAK, auf deren Patientendaten die Studie basiert und die mit unnachahmlicher Brillanz bilanziert: ‘Weniger Qualm bedeutet weniger Herzerkrankungen – eine einfache Formel für die Gesundheit.’ Nun ist es mit der Eindeutigkeit der Studienbefunde leider nicht so weit her, wie es einem die DAK und das Medienecho nahelegen möchte – denn um genau zu sein: es gibt gar keine Befunde.”

2. “Würden es wieder so machen”
(medienwoche.ch)
“Blick”-Chefredaktor Ralph Grosse-Bley, kritisiert wegen dem Abdruck von Opferbildern des Busunfalls im Wallis, würde sich in einer vergleichbaren Situation wieder so entscheiden: “Schauen Sie, um dieser Tragödie ein Gesicht zu geben, um sie fassbar zu machen, kann man nicht einfach nur bloss einen Tunnel, einen zerstörten Bus und eine Pannen-Nische zeigen. 22 tote Kinder – das ist keine Zahl, das ist eine Katastrophe. Die Bilder von Menschen, von Betroffenen, machen das Ausmass des Dramas wenigstens ansatzweise fassbar.”

3. “Der erfundene Horror der chinesischen iPad-Fabriken”
(faz.net, Frank Kelleter)
Inszenierte Berichte von Mike Daisey über die Arbeitsbedingungen in einem chinesischen Zulieferbetrieb ernten viel Aufmerksamkeit und Empörung. “Zwar war er tatsächlich zu Besuch in einigen chinesischen Fabriken gewesen und hatte dort mit Arbeitern gesprochen, aber die folgende Broadwayshow war eine Aufführung, ihre Hauptfigur ein Schauspieler, der Anekdoten und Gerüchte aus unterschiedlichen Quellen verdichtete und in der ersten Person vortrug. Die Menschen, deren unerhörtes Schicksal er uns mit kraftvoller Stimme näherbrachte, existierten in dieser Form nur in seiner Phantasie.”

4. “Unbeobachtet, unschuldig, unfehlbar?”
(faz.net, Peter Penders)
Peter Penders fragt sich, warum es immer noch Profi-Fußballspieler gibt, die “noch nicht verinnerlicht zu haben, dass jedes Spiel im Fernsehen übertragen wird und dass sogar Dutzende Kameras rund um das Spielfeld verteilt sind, denen einfach nichts entgeht, nicht einmal, wenn nebenbei Schnick, Schnack, Schnuck gespielt wird.”

5. “sachen aus protest weglassen”
(wirres.net, Felix Schwenzel)
Wie Google das von Presseverlegern angestrebte Leistungsschutzrecht umsetzen könnte.

6. “Ahmadinedschad im ZDF: ‘Atomwaffen sind unmoralisch'”
(youtube.com, Video, 42:29 Minuten)
Ein sehenswertes Interview von Claus Kleber mit dem iranischen Präsidenten, Mahmud Ahmadinedschad. Zitat ab Minute 35: “Wir lieben alle. Und wir suchen keinen Krieg. Gegen kein Land. Wir wollen auch keine Atombomben.” Siehe dazu auch “Wie das ZDF sein Exklusiv-Interview nachts versendet” (meedia.de, swi), “Das unmögliche Interview” (navigarenecesseest.wordpress.com) und “Unwidersprochener Judenhass” (taz.de, Philipp Gessler)

Bild, dpa, KNA  etc.

Selbsterfüllende Moslem-Prophezeiung

Die Katholische Nachrichtenagentur KNA hatte es besonders eilig. Keine zehn Minuten, nachdem die “Bild”-Zeitung in ihrer Online-Ausgabe über eine ihr exklusiv vorliegende Studie des Bundeninnenministeriums berichtet hatte, verbreitete die KNA in einer eigenen Meldung die “Bild”-Behauptungen ungeprüft weiter.

Die Agentur verfügte zu diesem Zeitpunkt allem Anschein nach über keinerlei eigene Informationen, was die Studie “Lebenswelten junger Muslime” herausgefunden hatte oder auch nur, was genau ihr Gegenstand war. Die KNA-Meldung beruht vollständig und ausschließlich aus dem, was die “Bild”-Zeitung behauptete, und macht es sich zu eigen, bis hin zur Überschrift: “Studie: Viele junge Muslime sind gegen Integration”

Dies ist die Geschichte, wie “Bild” vorab die Studie über “Lebenswelten junger Muslime in Deutschland” zugespielt wurde, wie das Blatt sie nutzte, um Stimmung gegen Muslime in Deutschland zu machen, und wie andere Medien dabei zu Komplizen wurden. Ein Lehrstück.

Wolfgang Frindte, einer der Autoren der Studie, formulierte im Nachhinein seine Fassungslosigkeit über die Rezeption der Untersuchung so:

Manche Journalisten suchen sich bei komplexen Dingen das heraus, was spannend ist und in die Philosophie des Mediums passt. In unserem Team hat es nach der Veröffentlichung in einer Boulevardzeitung große Entrüstung gegeben, sogar Verzweiflung. Da wurde ein Detail der Studie auf eine Weise in die Öffentlichkeit getragen, dass sich die von uns befragten Muslime missbraucht fühlen könnten — das ist traurig. Und wir haben uns in den vergangenen drei Tagen ziemlich alleingelassen gefühlt.

Der Psychologe Peter Holtz, ebenfalls einer der Autoren der Studie, schildert auf “Spiegel Online”, wie er drei Jahre lang Gespräche mit jungen Musliminnen und Muslimen führte, und wie skeptisch die ihm teilweise gegenüber traten.

Ein jüngerer Diskussionsteilnehmer sagte (…): “Egal was Ihr wollt und egal was Ihr macht, letztendlich heißt es doch wieder so und so viele Muslime sind radikal und wollen sich nicht integrieren.” Spätestens ab diesem Zeitpunkt wurde es für mich auch zum Ziel, diesen Menschen, über die in Deutschland so viel geredet wird und mit denen so wenig geredet wird, durch meine Arbeit eine Stimme zu geben.

Er hat dieses Ziel nicht erreicht. Es kam die “Bild”-Zeitung dazwischen. Jemand hatte ihr die Studie schon vorab zugesteckt. Bild.de machte aus ihr eine “Schock-Studie”. Und “Bild” am nächsten Tag die Schlagzeile:

Studie belegt: Jeder fünfte Muslim in Deutschland will sich nicht integrieren

“Bild” behauptete:

Gut 20 Prozent aller Muslime in Deutschland lehnen eine Integration ab. Besonders radikal sind junge Muslime ohne deutschen Pass.

Das ergibt eine Studie des Bundesinnenministeriums, die BILD exklusiv vorliegt. Laut der Untersuchung lehnt jeder vierte nichtdeutsche Muslim Integration ab, ist tendenziell gewaltbereit und stellt westliche Werte in Frage.

In den nächsten Stunden übernahmen die Nachrichtenagenturen den verzerrten “Bild”-Blick auf die Studie.

dpa:

Jeder vierte nichtdeutsche Muslim lehnt Integration ab

dapd:

Studie: Ein Viertel aller junger Muslime nicht integrationswillig

AFP:

Ein Viertel aller jungen Muslime ohne deutsche Staatsbürgerschaft ist einer Studie im Regierungsauftrag zufolge latent gewaltbereit und nicht an Integration in Deutschland interessiert.

Später am Abend war die Studie immer noch nicht öffentlich. Die “Schock-Studien”-Interpretation von “Bild” bildete weiter die alleinige Grundlage für die Auseinandersetzung mit ihr. Die Agentur dpa verbreitete, dass der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion der “Neuen Osnabrücker Zeitung” gesagt habe, die hohe Zahl nicht integrierter und auch nicht integrationswilliger Muslime sei “erschreckend”.

Die evangelische Agentur epd kam spät, war aber auch nicht schlauer, als sie am Donnerstagmorgen meldete:

Rund ein Fünftel der Muslime will sich offenbar nicht in Deutschland integrieren. Das geht laut “Bild”-Zeitung (Donnerstagsausgabe) aus einer noch unveröffentlichten Studie des Bundesinnenministeriums hervor.

Erst um 12:21 Uhr brachte sie eine längere Meldung, die sich erstmals von der “Bild”-Perspektive löst und differenziert über die Studienergebnisse berichtet:

Studie: Mehrheit deutscher Muslime für Integration – Teil junger Muslime hat jedoch radikale Einstellungen

In der Meldung findet sich auch der folgende Absatz, der angesichts der gerade demonstrierten medialen Reflexe besonders bemerkenswert ist:

Gemein ist den in Deutschland lebenden Generationen von Muslimen laut einer Auswertung von Interviews, dass sie eine Pauschalverurteilung der Muslime als Terroristen und eine vorschnelle Verknüpfung des Islam mit dem Terrorismus erleben. Eine stark negative Rolle wird demnach auch den Medien zugeschrieben, die aus Sicht der Befragten oft negativ und undifferenziert berichteten. Insgesamt fühlen Muslime sich in Deutschland wohl, auch wenn sie die deutsche Bevölkerung oft als distanziert und abweisend erlebten.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte inzwischen die Studie selbst vorgestellt, so dass sich die Gelegenheit zu einem differenzierteren, nicht von “Bild” verzerrten Blick auf ihre Ergebnisse ergab. Genau umgekehrt stellte es dpa in einer Meldung vom Donnerstagnachmittag dar und behauptete:

Kaum ist die Studie des Bundesinnenministeriums über junge Muslime bekanntgeworden, sieht sich Ressortchef Friedrich veranlasst, sie zu relativieren: Kein Generalverdacht gegen junge Andersgläubige.

So ist das also für dpa: Das “Bild”-Zerrbild der Studie ist die Wahrheit, und der genaue Blick auf die Studie ist eine Relativierung ihrer Ergebnisse.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger warnte ebenfalls am Donnerstagnachmittag vor verkürzten Interpretationen:

“Ich warne davor, aus einer wissenschaftlichen Studie nur Schlagzeilen zu produzieren. (…) Wir sollten die Vorurteile der Vergangenheit und althergebrachte Reflexe endlich hinter uns lassen. Wir brauchen keine Debatte, die ein Zerrbild des Einwanderungslandes Deutschland vermittelt.”

“Bild” fühlte sich — sicher nicht zu unrecht — gemeint und machte Leutheusser-Schnarrenberger dafür am Freitag zum “Verlierer des Tages” (Ausriss rechts).

Am selben Tag zeigte die “Frankfurter Allgemeine Zeitung”, was man überraschendes entdecken kann, wenn man die Studie tatsächlich liest. Auf Seite 399 betonen die Forscher den Zusammenhang: Wer sich als nichtintegrierbar wahrgenommen fühle, fühle sich auch nichtintegrierbar. Und auf Seite 277 steht folgender Warnhinweis:

Was für ein Schock: Die Zahlen der “Schock-Studie” über junge Muslime sind nicht repräsentativ.

Aber noch einmal zurück zum Mittwochnachmittag, als Bild.de zum ersten Mal über die Untersuchung berichtete. Der Innenminister hatte der “Bild”-Zeitung für ihre Vorabveröffentlichung ein Zitat gegeben, das deren Interpretation als “Schock-Studie” stützte und ergänzte:

“Deutschland achtet die Herkunft und kulturelle Identität seiner Zuwanderer. Aber wir akzeptieren nicht den Import autoritärer, antidemokratischer und religiös-fanatischer Ansichten.”

Am Donnerstagabend stellte sich Friedrich im “heute journal” den Fragen von Marietta Slomka:

Friedrich: Die Studie hat 760 Seiten und sagt auf 760 Seiten, dass es um sehr viele komplexe Fragestellungen geht. Und es wäre sicher falsch, eine spezielle Randerscheinung rauszugreifen.

Slomka: Aber genau das ist jetzt natürlich geschehen, weil Sie oder Ihr Sprecher oder sonst jemand in Ihrem Ministerium diese Studie vorab, bevor sie veröffentlicht wurde, an die “Bild”-Zeitung weitergegeben hat. Daraus wurde dann prompt eine “Schock-Studie”.

Friedrich: Also, diese Studie ist nicht aus meinem Haus herausgegeben worden. Sie ist heute veröffentlicht worden. Sie ist heute auch ins Internet gestellt worden. Und kann von jedem eingesehen werden.

Slomka: Nachmittags. Die “Bild”-Zeitung hatte sie schon gestern.

Friedrich: Ja, das weiß ich nicht, müssen Sie die “Bild”-Zeitung fragen, woher sie sie hat. Von mir nicht. (…)

Slomka: Aber auch Sie haben sich in den Zitaten, die Sie abgegeben haben, gegenüber der “Bild”-Zeitung, sehr stark auf diese eine Untergruppe konzentriert, die nicht integrationswillligen Muslimen. Die werden dadurch in den Fokus gerückt. Was nicht gesagt wird, und worauf nicht die Betonung liegt, ist, dass die allermeisten Muslime zum Beispiel strikt gegen islamistischen Terrorismus sind und sich alle sehr unter Generalverdacht fühlen. Wird das nicht durch eine solche Veröffentlichung in der Form eher noch wieder verstärkt?

Man könnte das als rhetorische Frage betrachen.

PS (Nachtrag, 16:40): Auch Marietta Slomka wurde wegen ihrer Kritik von “Bild” zum “Verlierer des Tages” erklärt:

Amok-Alarm, Blick-Newsroom, Jens Berger

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Falscher Amok-Alarm in Leipzig: Haben Medien überreagiert?”
(freiepresse.de)
Ein Interview mit Kriminologe Joachim Kersten zu einem angeblichen, zum Beispiel von N24 auf Google+ (Screenshot von l-iz.de) als Tatsache vermeldeten Amoklauf in Leipzig.

2. “Man kann jedem nachweisen, er sei Nazisympathisant”
(zeit.de, Harald Martenstein)
Mit einem gewissen Maß an argumentativer Entschlossenheit könne man jeder in Deutschland lebenden Person nachweisen, er oder sie sei ein Nazi-Sympathisant, glaubt Harald Martenstein. Er versucht sich an Richard von Weizsäcker, Alice Schwarzer und Roberto Blanco.

3. “Innenminister Friedrich gibt den Scharfmacher”
(sueddeutsche.de, Roland Preuß)
Die 762-seitige Studie “Lebenswelten junger Muslime in Deutschland” (PDF-Datei) wird noch vor Erscheinen “Bild” zugänglich gemacht. “Wer eine solch brisante Studie exklusiv an die Bild-Zeitung weiterreicht, damit die ihre tägliche Krawallzeile hat (wie dies offenbar geschehen ist), der setzt nicht auf eine nüchterne Debatte über bessere Integration und Sicherheit.” Siehe dazu auch “Stunde der Angstmacher” (spiegel.de, Anna Reimann und Oliver Trenkamp).

4. “Utopischer Charme”
(freitag.de, Wolfgang Michal)
Wolfgang Michal porträtiert Jens Berger von spiegelfechter.com: “Noch heute ist mir schleierhaft, wie er dieses Arbeitspensum schafft. Berger ersetzt spielend das Politik- und das Wirtschaftsressort einer mittleren Wochen­zeitung, und das, obwohl er nur ‘zehn oder zwölf Stunden täglich’ an seinem Rechner sitzt.”

5. “Eine Woche ohne Netz – so lebt es sich in der Offline-Welt”
(derwesten.de, Dennis Betzholz)
“Ich bin abgeschottet von der Flut an Informationen, suche im zerfledderten Straßenatlas die Wegbeschreibung zum Termin, schreibe erstmals einen Artikel auf der Schreibmaschine und nerve mit dem lauten Klacken der Tasten das gesamte Großraumbüro. Der Computer, ja das Internet, fehlt mir sehr.”

6. “Im Newsroom: Horror und Terror!*”
(workzeitung.ch, Niklaus Ramseyer)
Die Gewerkschaftszeitung “Work” berichtet aus dem Newsroom der “Blick”-Gruppe. “‘Ich höre!’ So schnauzte der Chef seinen Untergebenen grusslos an, ohne ihn auch nur anzusehen. Der Mann, der nur etwas fragen wollte, kam sich vor wie auf einem preussischen Kasernenhof. Kolleginnen des derart Abgeputzten klagen ihrerseits, rüder ‘Kasernenhofton’ verbreite miese Stimmung. Aber der kaltschnäuzige Chef ist kein deutscher General, sondern ein deutscher Chefredaktor in Zürich.”

Stern  etc.

Die Bilderhändler von Winnenden

Nach dem Amoklauf von Winnenden hatte der örtliche Schulfotograf plötzlich etwas, das alle wollten: Fotos von Täter und Opfern. Zuerst verbreiteten viele Medien die Aufnahmen ohne seine Genehmigung. Dann suchte er sich Partner und machte ein Geschäft daraus. Nun erschienen die Fotos mit seiner Einwilligung und brachten ihm Geld. Nur die Angehörigen der Opfer wurden weiterhin nicht gefragt.

Sechs Eltern von getöteten Kindern erstatteten daraufhin Anzeige gegen die Bilderhändler. Die Beschuldigten erhielten zunächst einen Strafbefehl, gegen den sie Widerspruch einlegten. Gestern hat das Amtsgericht Schorndorf das Verfahren gegen die Zahlung von 5700 Euro an den Förderverein der Albertville-Realschule eingestellt.

Die “Winnender Zeitung” berichtet ausführlich über das Verfahren und seine Vorgeschichte:

Eine besonders traurige Rolle spielt in dem Fall die Hamburger Illustrierte “Stern”. Sie hatte laut “Winnender Zeitung” mit dem Anwalt des Fotografen sogar für eine begrenzte Zeit einen Exklusivvertrag für alle Schulfotos abgeschlossen. Als verzweifelte Eltern eines der ermordeten Mädchens wissen wollten, wie ein privates Foto ihrer Tochter unter anderem in den “Stern” gelangen konnte, mauerte das Blatt und verweigerte die Auskunft. Auf Nachfrage des NDR-Magazins “Panorama”, woher die vom “Stern” gezeigten Bilder der Opfer stammen, ob die Angehörigen ihrer Veröffentlichung zugestimmt haben und wenn nein, warum man sie trotzdem zeigte, hatte der “Stern” damals lapidar geantwortet:

“Zu Redaktions-Interna erteilen wir keine Auskunft.”

Schuhgröße 28/29

Am frühen Donnerstagabend konnte der “Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag” auf seiner Internetseite mit einer Exklusivmeldung aufwarten:

Grausiger Fund in Nordfriesland: Die Polizei hat in einem Waldstück bei Langenhorn die skelettierte Leiche eines Kindes entdeckt. Die Ermittlungsbehörden halten sich bedeckt.

Die Informationen waren erstaunlich detailreich:

Das Opfer soll Schuhgröße 28/29 haben. Auf die Spur des Verbrechens sind die Behörden nach Informationen des sh:z durch die Aussage eines Mannes gekommen, der sich derzeit vor Gericht für ein anderes Verbrechen verantworten muss und sein Gewissen erleichtern wollte. Schon am 9. Februar war die Polizei mit Einsatzkräften vor Ort und hatte Spürhunde eingesetzt. “Wir wurden nur gefragt, ob wir einer Suche zustimmen würden”, erklärte der Besitzer des Waldstücks auf Nachfrage. Mehr erfuhr er nicht. “Mir war das schon ein wenig unheimlich.”

Nur bestätigt war daran noch nichts:

Die Ermittlungsbehörden hielten sich auf Nachfrage bedeckt. Marina Bräuer, Sprecherin der Bezirkskriminalinspektion Flensburg: “Die Untersuchungen vor Ort laufen noch. Daher können wir zurzeit aus ermittlungstaktischen Gründen nichts Näheres bekanntgeben.” Am Freitag will die Polizei weitere Details veröffentlichen.

Der dpa-Landesdienst Nord griff die Meldung am Freitagmorgen um 7.31 Uhr auf und verkündete:

In einem Waldstück bei Langenhorn in Nordfriesland ist eine Kinderleiche gefunden worden. Berichten des “SHZ” zufolge haben Polizeibeamte am Donnerstag eine skelettierte Leiche mit der Schuhgröße 28-29 ausgegraben. (…) Die Polizei Flensburg wollte den Bericht am Freitagmorgen zunächst weder bestätigen noch dementieren, erklärte aber, dass noch am Freitag eine Pressemitteilung herausgegeben werden soll.

Die Nachricht vom Fund einer Kinderleiche erschien daraufhin u.a. bei abendblatt.de, im Newsticker von Bild.de und auf den Webseiten der Regionalprogramme von RTL und Sat.1.

Um 9.57 Uhr brachte der dpa-Landesdienst Nord dann erneut eine Meldung zum Thema. Nur halt anders:

Polizei dementiert Leichenfund in Langenhorn

Die Polizei hat Berichte dementiert, wonach eine skelettierte Kinderleiche in einem Waldstück bei Langenhorn in Nordfriesland worden sei. “Es gab Ermittlungen, aber es wurde nichts gefunden”, sagte ein Sprecher der Polizeidirektion Flensburg am Freitagmorgen. Weitere Details sollen im Laufe des Tages bekanntgegeben werden.

In ihrer Pressemitteilung hatte die Polizei sogar wörtlich geschrieben:

Etwaige Meldungen über einen Leichenfund und sonstige Details stammen nicht von Seiten der Staatsanwaltschaft oder der Polizei und entsprechen nicht den Tatsachen.

Die Suchaktion stand dabei im Zusammenhang mit einem mehr als 18 Jahre zurückliegenden Vermisstenfall:

Die Bezirkskriminalinspektion Flensburg ging einer Spur in einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Flensburg nach.

Seit dem 5. August 1993 wird die damals elfjährige Seike Sörensen aus Drelsdorf vermisst. Bis zum heutigen Tage konnte ihr Verschwinden nicht geklärt werden. Noch immer führt die Bezirkskriminalinspektion Flensburg in dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Flensburg Ermittlungen durch.

Das war eine gute Gelegenheit für shz.de, den ursprünglichen Artikel über den angeblichen Leichenfund zu entfernen und an gleicher Stelle einen völlig neuen Text zur Suche nach Seike Sörensen zu veröffentlichen.

Darin erklärt die Redaktion auch, wie es zu der merkwürdigen Falschmeldung hatte kommen können:

Der sh:z hatte am Freitag vom Fund einer Kinderleiche berichtet. Grundlage dafür waren die Angaben einer langjährig zuverlässigen Quelle, die ihre Aussage mit glaubhaften Details untermauert hat.

Die meisten anderen Medien, die auch über die angebliche Kinderleiche berichtet hatten, haben ihre Artikel ebenfalls offline genommen.

Mit Dank an Martin S.

Raubritter, Paywalls, Münchhausen

6 vor 9

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1. “Acta oder der Schutz der Raubritter”
(faz.net, Volker Grossmann und Guy Kirsch)
Zwei Ökonomen aus der Schweiz argumentieren, dass das geltende Urheberrecht dem Rechtsempfinden vieler Menschen widerspricht, weil es in Wahrheit gar nicht die Interessen der Urheber selbst schütze, sondern die der Unterhaltungsindustrie: “Urheberrechte manifestieren oftmals eine im vordigitalen Zeitalter erworbene Machtposition, mittels derer die Unterhaltungsindustrie eine Rente, das heißt ein leistungsloses Einkommen, erwirtschaftet. Wie ehedem die Raubritter: Auch diese nahmen die Bauern aus, die ihre Waren in die Stadt bringen wollten, ebenso die Städter, die auf dem Markt einkaufen wollten – und rechtfertigten dies damit, dass sie die Sicherheit der Wege gewährleisteten.”

2. “Syria Correspondent Wanted Her Reporting Read Outside Pay Walls”
(mediadecoder.blogs.nytimes.com, Brian Stelter, englisch)
Kurz vor ihrem Tod in Syrien hat die amerikanische Kriegskorrespondentin Marie Colvin darüber geklagt, dass ihr Auftraggeber, die “Sunday Times”, ihren Bericht über die mörderische Situation in Homs online hinter einer Paywall versteckt und er dadurch nicht die größtmögliche Aufmerksamkeit bekommt.

3. “Talkshow-Leaks”
(V.i.S.d.P.)
“Die interne ARD-Talkkoordinierungs-Webseite zeigt, wie die Redaktionen um Themen und Gäste kämpfen. V.i.S.d.P. veröffentlich exklusiv Screenshots daraus.” So gab “Hart aber fair” an, das Thema “Jetzt sage ich endlich die Wahrheit” u.a. mit Helmut Kohl und den Baronen Guttenberg und Münchhausen besetzen zu wollen.

4. “Pressefreiheit für Baku”
(pressefreiheit-fuer-baku.de)
Mit Interviews, Dokumenten und einer Chronik über Verletzungen der Pressefreiheit (pdf) macht “Reporter ohne Grenzen” vor dem Eurovision Song Contest in Baku auf die “Diskrepanz zwischen der glitzernden PR-Fassade und der bitteren Wirklichkeit Aserbaidschans” aufmerksam. “Juli 2011: FAZ-Journalist Michael Ludwig und sein aserbaidschanischer Kollege Hakimeldostu Mehdijew werden bei Recherchen in der Autonomen Republik Nachitschewan behindert. Mehdijew, der als Korrespondent für das Institut für die Freiheit und Sicherheit von Journalisten arbeitet und Ludwig bei seinen Recherchen begleitete, wird am 27. September 2011 wegen ‘illegalen Gebrauchs von Elektrizität’ zu einer Geldstrafe verurteilt.”

5. “Boulevard Of Breaking News”
(coffeeandtv.de, Lukas Heinser)
“Bei ‘Spiegel Online’ wollen sie auch ganz dringend Boulevard machen, aber sie können es nicht”, schreibt Lukas Heinser und dokumentiert aktuelle Anschauungsstücke wie einen nacherzählten und erklärten Witz von Russell Brand. “Die gute Nachricht: Den vierten Absatz erreichen die wenigsten Leser wach oder lebendig.”

6. “Japan Earthquake: Before and After”
(theatlantic.com, englisch)
20 großformatige Fotos zeigen die Verwüstungen in Japan nach dem Tsunami und wie es heute, fast ein Jahr später, an exakt denselben Stellen aussieht.

Bundespräsident, Georg Diez, Zwickau

6 vor 9

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1. “Zur Strecke gebracht”
(nzz.ch, Jürg Dedial)
Jürg Dedial hält den Fall Wulff für “ein unrühmliches Kapitel politischer und medialer Auseinandersetzung in Deutschland”. “Hinter dem fast täglichen Theater um neue ‘Enthüllungen’, die man kaum mehr goutieren konnte, steckte nichts anderes als der Furor einer selbstgerechten Meute, die Blut geleckt hatte.” Siehe dazu auch “Wulff oder Europa? Prioritäten der Massenmedien” (berlinergazette.de, Krystian Woznicki), “Mediale Aufmerksamkeit bei politischen Affären” (graphitti-blog.de, katja) und “Schafft den Bundespräsidenten ab!” (verfassungsblog.de, Bernhard Wegener).

2. “‘Krone’ fälscht Königin 2002 nach Innsbruck 2012”
(kobuk.at, Hans Kirchmeyr)
“Die Kronen ‘Zeitung’ schneidet aus einer zehn (!) Jahre alten Aufnahme Königin Beatrix heraus, weil da Blick und Outfit gerade ‘passen’, und montiert sie vor die Innsbrucker Uniklinik, scheinbar aktuell besorgt um ihren verunfallten Sohn.”

3. “Ich möchte die Stereotype aufbrechen”
(goethe.de, Christoph Brammertz)
Ein Interview mit Bloggerin Kübra Gümüsay von “Ein Fremdwörterbuch”: “Ist unsere Gesellschaft schon bereit, eine Frau mit Kopftuch im Fernsehen zu haben und sie nicht mit einem Wort über das Kopftuch sprechen zu lassen? Sobald ein Kopftuch da ist, hat man das Bedürfnis, es zu thematisieren. Ich hoffe, dass ich irgendwann im Fernsehen zum Beispiel über das Internet sprechen kann, ohne mein Kopftuch erwähnen zu müssen.”

4. “Wir wollen niemanden diskriminieren und vermuten, das ist den meisten Zwickauern klar”
(zwickauerseiten.blogspot.com)
Die “Zwickauer Seiten” fragen bei der ARD nach, warum in den Nachrichten über die “Terrorzelle” konsequent ein Bezug zur Stadt Zwickau hergestellt werde, der Begriff “NSU” dagegen kaum vorkomme. Kai Gniffke, Chefredakteur von ARD aktuell, antwortet.

5. “Offener Brief an die Spiegel-Chefredaktion zu Kracht”
(kiwi-verlag.de)
17 Autoren protestieren bei der “Spiegel”-Chefredaktion: “Mit dem Spiegel-Artikel ‘Die Methode Kracht’ hat der Literaturkritiker Georg Diez für uns die Grenzen zwischen Kritik und Denunziation überschritten.” Siehe dazu auch “Die Methode Diez” (welt.de, Cornelius Tittel).

6. “Peinlicher Fernsehbeitrag vor Gericht”
(sueddeutsche.de, Ekkehard Müller-Jentsch)
Die Produktionsfirma der RTL2-Sendung “Exklusiv – die Reportage” sichert einem im Swingerclub gefilmten Paar Verpixelung zu, doch das Versprechen wurde “einfach vergessen”. Die 15-jährige Tochter sieht die Sendung später per Zufall online und erkennt ihre Eltern.

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