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“Super unterhaltsam”

Eine durchschnittliche Schlagzeile bei Bild.de, mit der “die multimedialen Erweiterung der Marke BILD” auf einen der stets unabhängigen und überparteilichen Artikel in “Bild” oder “BamS” hinweisen will, sieht so aus:

Oder so:

Vielleicht auch so:

Oder beispielsweise so:

Oder etwa so?

Nein! Denn hinter dieser Ankündigung finden sich bloß allerhand Texte über ein Kabelfernsehangebot namens “Kabel Digital”, die sich optisch und inhaltlich kaum von den Promo-Texten auf der “Kabel Digital”-Website unterscheiden. Vor allem aber, dass dann auch noch “Bild.T-Online-Redakteur Andreas Koesler” ins Spiel kommt (“Bild.T-Online-Redakteur Andreas Koesler hat einen Tag lang getestet, wie gut das Angebot wirklich ist”), der das alles “super unterhaltsam” findet, hat mit der im Pressekodex (Ziffer 7) festgeschriebenen “Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken” endgültig nur noch wenig zu tun. Und vielleicht sogar gar nichts.

Nachtrag, 10:54: Naja, die augenscheinliche Vermischung von Inhalt und Werbung bei Bild.de hat sogar noch weniger mit dem Pressekodex zu tun als behauptet, sorry. Denn für Diensteanbieter wie Bild.de gilt ja der Mediendienstestaatsvertrag, in dessen Paragraph  13 es allerdings ebenfalls ausdrücklich heißt: “Werbung muss als solche klar erkennbar und vom übrigen Inhalt der Angebote eindeutig getrennt sein.”

Outing

Dass “Bild” in ihrer “In & Out”-Liste gelegentlich den Eindruck erwecken kann, es werde dort die Grenze zur Schleichwerbung überschritten, ist journalistisch gesehen bedenklich, aber bekannt. Am gestrigen Donnerstag zum Beispiel war für “Bild” die am Montag erscheinende “‘BILD-Volksbibel’ zum Supergünstigpreis von 9,95 Euro” ganz doll “in”.

Aber dass gestern in der (derzeit von Kai Diekmann geleiteten) “Bild” als erstes “Der gegelte Wet-Fett-Look auf dem Kopf” auf der “out”-Seite steht, gibt einem dann doch zu denken

Mit Dank an Gunther S. für den sachdienlichen Hinweis.

“Bild” veröffentlicht Schockfoto

Yoko Ono hat kürzlich eine neue DVD-Sammlung herausgebracht, auf der auch das Video zum Lied “Woman” zu finden ist. Es ist u.a. mit einem Foto ihres toten Mannes, John Lennon, das im Leichenschauhaus aufgenommen wurde, bebildert. “Bild” schreibt:

Hier liegt John Lennon auf dem Totenbett – Seine Witwe Yoko Ono veröffentlicht Schockfoto

“Bild” fragt:

Findet der berühmte “Beatle” John Lennon (ermordet 1980) nie seinen Frieden?

Und weiter:

Der tote Lennon auf DVD – Trauerarbeit oder geschmacklose PR?

Im Anschluss an die Frage berichtet “Bild”:

Yoko Ono (…) schockte vor Jahren mit dem Foto der blutbespritzten, später versteigerten Brillengläser, die Lennon bei seiner Ermordung (…) trug.

“Bild” bebildert die Geschichte mit dem Foto Lennons, das im Leichenschauhaus aufgenommen wurde. Es ist in “Bild” etwa neun mal dreizehn Zentimeter groß. Und mit einem kleineren Foto der blutverschmierten Brille.

Das Boulevardblatt “Bild” schreibt nicht, dass das Foto aus dem Leichenschauhaus bereits direkt nach Lennons Tod von dem Boulevardblatt “New York Post” und vom Boulevardblatt “National Enquirer” auf deren Titelseiten veröffentlicht wurde.

Wahrscheinlich war man bei “Bild” einfach zu geschockt darüber, wie unsensibel Ono im Umgang mit Fotos von Toten ist.

(Mit Dank für die sachdienlichen Hinweise an Alexander S., Thomas J. und Jeffrey W.)

Ich brauche mehr Details!

Wir waren zwar nicht dabei, können uns aber lebhaft vorstellen, wie bei “Bild” hektische Betriebsamkeit ausbrach, als am Sonntag die folgende Meldung der Nachrichtenagentur dpa einging:

Ein 26 Jahre alter Mann hat vermutlich aus Eifersucht (…) seine 23-jährige Freundin (…) getötet. Er soll in der Nacht zu Sonntag seine Lebensgefährtin geschlagen, gewürgt und mit einem Messer auf sie eingestochen haben. (…) Nachdem die Frau eine Kurznachricht über Handy erhalten hatte, kam es zu der Auseinandersetzung. Der 26-Jährige vermutete als Absender einen heimlichen Liebhaber.

Bis in den Wortlaut hinein können wir uns ausmalen, wie bei “Bild” Aufträge erteilt werden, wie jemand beispielsweise ruft, “Besorgt das Handy!”

Na, egal. “Bild” kann heute jedenfalls mit Einzelheiten aufwarten, die sich nicht mal eben problemlos in einer Agenturmeldung nachlesen lassen. Zum Beispiel kennt man bei “Bild” den Text der Kurzmitteilung (“Schlaf gut. Träum von mir (Scherz). Bussi, hab’ dich lieb!”) und den Zeitpunkt (“Es war 0.01 Uhr”), die Print-Ausgabe kennt außerdem das SMS-Signal (“Viermal piepste es”), während online wiederum aufgeschrieben steht, wie es genau weiter ging (“Daniel K. (26) griff nach dem Handy, las den Text und tobte vor Eifersucht”). Und nachdem “Bild” am Montag schon nacherzählen konnte, was die Frau kurz vor ihrem Tod gesagt hatte (“Bianca verteidigte sich, sagte, sie habe sich nur austoben wollen”), kennt Bild.de mittlerweile sogar den Wortlaut (“Stell dich nicht so an. Ich will mich einfach ein bißchen austoben”).

Dumm nur, dass trotz so viel Detailwissen lediglich in einem der drei Artikel die Todesursache stimmt. So hieß es gestern, der Mann “erwürgte” seine Freundin. In dem Artikel auf “Bild”-Online mit heutigem Datum steht, sie sei “erschlagen” worden und in der heutigen Druckausgabe endlich, dass sie “erstochen” wurde.

Mehr als dumm, dass der Beschuldigte in der Online-Ausgabe kurzerhand als “Mörder” vorverurteilt wird, (“Während Bianca M. starb, verging sich ihr Mörder noch an ihr”), obwohl doch, wie sich auch in der gedruckten “Bild” nachlesen lässt, bislang lediglich Haftbefehl wegen Totschlags erlassen wurde.

Aber wen interessieren schon solche Details?

Nachtrag, 27.10., 0.30 Uhr: Obiger Satz, der besagt, dass “in der heutigen Druckausgabe endlich” stünde, die junge Frau sei “erstochen” worden, stimmt so nicht. Tatsächlich hat die wahre Todesursache, die seit Montagnachmittag bekannt ist, es nämlich nur in die Dienstags-Ausgabe von “Bild” Berlin/Brandenburg geschafft. In der überregionalen Ausgabe hieß es, genau wie auf Bild.de, die Frau sei “erschlagen” worden.

“Bild” berichtet über Lidl

Ach ja, und dann ist da ja noch dieser Artikel auf Seite 8 der “Bild” (Berlin-Ausgabe), den man auch online nachlesen kann. “Bild” berichtet darin über die Billigsupermarkt-Kette Lidl, deren Filialen neuerdings auch eine Tageszeitung im Sortiment haben. Den beispielhaften Kundenreaktionen zufolge, anhand derer “Bild” seine Berichterstattung veranschaulicht, handelt es sich dabei um “eine Supersache”. Ja, man kann sagen: “Bild” zufolge sind die drei befragten Frauen ausnahmslos begeistert. Und “Bild” ist’s auch, was wenig verwundert, weil es sich bei der bei Lidl verkauften Tageszeitung, über die “Bild” berichtet, selbstverständlich um “Bild” selbst handelt, wie sich bei der “Bild”-Lektüre schnell herausstellt, weil “Bild” in dem “Bild”-Artikel sieben Mal erwähnt und drei Mal abgebildet wird.

Und weil das, wie gesagt, so eine “Supersache” ist, so “klasse” und, laut “Bild”, so eine “große Freude an den Kassen des Lebensmitteldiscounters LIDL”, zitieren wir zum Schluss auch nur ganz kurz aus dem Pressekodex:

“Verleger und Redakteure (…) achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken.”

Deisler geht gegen “Bild” vor

Wenn man “Bild” liest, könnte man glauben, Sebastian Deisler sei glücklich über die Art, wie die Zeitung über seine gesundheitlichen Probleme berichtet. Der Spieler des FC Bayern gibt ihr nicht nur ein Exklusiv-Interview (das bei genauerem Lesen allerdings eher wie ein Versuch wirkt, einen “Bild”-Reporter am Telefon höflich, aber schnell abzufertigen). Er weigert sich angeblich auch, seinen Fall öffentlich zu “vertuschen”:

BILD erfuhr: Bayern wollte zunächst alles vertuschen! Deisler sollte in Turin mittrainieren, dann eine Verletzung vortäuschen. Aber da machte der Nationalspieler nicht mit. Deisler wollte erneut offen mit seiner Erkrankung umgehen.

Der Vertuschungs-These, die “Bild” am Mittwoch sogar auf die Titelseite brachte, hat Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge inzwischen vehement widersprochen. Und auch die “Offenheit” Deislers hat Grenzen. Die “Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung” berichtet heute, daß Deisler mehrere zehntausend Euro Schmerzensgeld von dem Blatt fordert, weil “Bild” am Mittwoch ein großes Bild von ihm, seiner Freundin und einem Arzt auf dem Gelände der Klinik zeigte, wo er behandelt wurde. Genau solche Veröffentlichungen aus der Geheimsphäre sind “Bild” jedoch ausdrücklich gerichtlich untersagt, seit Deisler gegen ein ganz ähnliches Foto vorgegangen ist, das “Bild” Anfang August von ihm zeigte. Der Axel Springer Verlag hatte das Urteil am 27. September anerkannt. “Bild” schaffte es nicht einmal drei Wochen, sich an das Verbot zu halten.

neu  

“Lust-Seuche” wieder ausgebrochen

Dieser Artikel auf “Bild”-Online stammt vom 14. Oktober des Jahres 2004. Er trägt folgende Überschrift:

Lust-Seuche besiegt? Forscher erfindet Creme gegen AIDS

Damit das klar ist: Es geht in dem Artikel nicht darum, dass AIDS auch nur ansatzweise besiegt ist, es besteht lediglich die Möglichkeit, dass ein Mittel gefunden wurde, das die Übertragung des Virus verhindert – zusätzlich zum Kondom.

Dass “Bild” es mit der Berichterstattung über die Immunschwächekrankheit AIDS zuweilen nicht so genau nimmt, wissen wir ja schon. Dass der Pressekodex in Ziffer 14 ganz spezielle Richtlinien für die Berichterstattung über medizinische Themen enthält, erwähnen wir nur der Vollständigkeit halber – Wie aber kommt “Bild” dazu, hier plötzlich den Begriff “Lust-Seuche” zu verwenden?

Nur zur Erinnerung: die Ansteckung mit HIV kann durch vier Körperflüssigkeiten erfolgen, das sind Samen- und Scheidenflüssigkeit sowie Blut und Muttermilch – ob man bei der Übertragung Lust empfindet oder nicht, ist gänzlich unerheblich.

We are the Champions X, Teil 2

“Bild” Frankfurt setzt da noch einen drauf, druckt das Bild von Seite 1 auf Seite 9 noch mal in groß, titelt: “BILD macht’s möglich: Donnerstag ist Bestsellertag”, schreibt drunter noch mal ausführlich auf, was “der berühmte Literaturkritiker Hellmuth Karasek” bei der “Bestseller”-Präsentation am gestrigen Morgen so alles erzählen durfte, und lässt “Prominente schwärmen: ‘Die BILD-Bibliothek ist Volksbildung’.” Über alldem steht: “Die Buchmesse in BILD Frankfurt”, obwohl “BILD in BILD Frankfurt” eigentlich ja besser gepasst hätte.

“Veröffentlichungen [müssen] so gestaltet sein, dass die Werbung für den Leser als Werbung erkennbar ist” bzw. “Die Glaubwürdigkeit der Presse als Informationsquelle gebietet besondere Sorgfalt beim Umgang mit PR-Material sowie bei der Abfassung eigener redaktioneller Hinweise durch die Redaktionen”,

steht im Pressekodex.

Ach ja, übrigens: Auch die “Süddeutsche” wirbt heute für ihre “SZ-Bibliothek” – mit einer separaten Anzeige und dem netten Claim:

Jenseits von Wahrheit und Wirklichkeit

Das ist jetzt etwas komplizierter. Deshalb der Reihe nach:

1. Vor gar nicht allzu langer Zeit hatte ja des Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein Urteil gefällt, das Fragen der Pressefreiheit betrifft (und hier in Kurzform nachgelesen werden kann). Das EU-Urteil ist umstritten, und bis zum 25.09.2004 hat die Bundesregierung Gelegenheit, die EU-Entscheidung anzufechten.

2. Aus diesem Grund wurde Gerhard Schröder kürzlich ein offener Brief überreicht und in der “Welt” abgedruckt, in dem u.a. Mathias Döpfner den Kanzler ersuchte, gegen das o.g. Urteil vorzugehen. Aber das nur nebenbei.

3. An diesem Wochenende nun erreichte den Kanzler noch ein weiterer offener Brief – diesmal unterschrieben von Kai Diekmann und Claus Strunz sowie weiteren 37 Chefredakteuren unterschiedlichster Provenienz.

Das Schreiben ist vergleichsweise jovial gehalten. Es werden darin sogar ein paar Berichterstattungsfälle aus der Vergangenheit herbeizitiert, die nach dem EU-Urteil “unzulässig” würden: die “private Adlon-Sause” des (offenbar vornamenlosen) Ernst Welteke beispielsweise oder “das wenig adelige Verhalten des Prinzen Ernst August von Hannover am türkischen Expo-Pavillon”. Und weiter heißt es:

“Wie sich diese Personen sonst verhalten, mit wem sie sich treffen, mit wem sie Geschäftskontakte haben oder von wem sie sich den Urlaub bezahlen lassen, darf dann nicht mehr berichtet werden.”

Wie die 39 Unterzeichner darauf kommen, dass dergleichen unzulässig werden könne, steht leider nicht in dem Brief. Muss ja auch nicht. Ist schließlich nur ein Brief.

In einer Zeitung allerdings, in einer ZEITUNG, wo für gewöhnlich eingeordnet, kommentiert, erklärt wird, sieht die ganze Sache dann schon ganz anders aus. Doch auch in der vom Co-Unterzeichner Strunz verantworteten “Bild am Sonntag”, die das Schreiben in ihrer heutigen Ausgabe quasi weltexklusiv im Wortlaut dokumentiert, fehlt jegliches Wieso-weshalb-warum. Genau so wie der Hinweis, dass das EU-Urteil für Publikationen über Politiker Ausnahmen zulassen will und sich ohnehin ausdrücklich (deshalb hier noch mal der dazugehörige Link) auf die Veröffentlichung von Paparazzi-Fotos bezieht.

Stattdessen heißt es in Brief und “BamS” nur, es entstünde womöglich “ein Bild jenseits von Wahrheit und Wirklichkeit”. Und das kann ja wirklich keiner wollen.

Information und (Ver-)Dichtung

Im Medienmagazin “Cover” (ab September erstmals auch am Kiosk zu kaufen) sagt “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann auf die Frage, welche Bilder von “Leid und Grauen” als Folge des internationalen Terrorismus im Boulevard-Journalismus “prinzipiell gezeigt” werden dürfen und welche nicht:

“Grundsätzlich ist nach dem Pressecodex auf ‘unangemessen sensationelle’ Gewaltdarstellungen zu verzichten. (…) Entscheidend ist immer der Informations- und Verdichtungsgehalt eines Fotos. Deshalb haben wir vor kurzem auch kein Foto der toten Lady Di im Unfallwagen veröffentlicht, weil es weder Informations- noch Verdichtungsgehalt besaß.”

So? Na, dann ist ja wohl alles in Ordnung.

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