Suchergebnisse für ‘Klima’

“Bild” verhöhnt Pendler (2)

“Bild” hat es wieder getan.

Schon im November hatte sich der ehemalige Umweltminister Jürgen Trittin darüber gewundert gefreut, dass beim Thema Klimaschutz “nun auch die größten Ignoranten” umdächten. Anlass war damals ein “Bild”-Bericht vom Paul C. Martin, in dem es u.a. hieß, man solle, um die Erde zu retten, “weniger Auto fahren”. Und das war insofern verwunderlich, als die “Bild”-Zeitung rund ein Jahr zuvor noch ganz anderer Ansicht gewesen zu sein schien, als sie nämlich ähnliche Aussagen Trittins dahingehend verkürzte, “ab und zu das Auto stehen zu lassen”, was “Bild” als “blanken Hohn” für Pendler ansah.

Und nicht nur das: Als die unzulässige Verkürzung der Trittinschen Aussagen (sparsamere Autos fahren, mit Erdgasautos fahren, spritsparender fahren sowie “ab und zu das Auto stehen lassen”) ein gerichtliches Nachspiel hatte, argumentierte “Bild”, mit der Verkürzung habe man Trittin “vor noch heftigerer Kritik bewahrt, weil durch die hohen Benzinpreise in finanzielle Bedrängnis geratene Autofahrer es als Hohn empfinden müssten, dass sie sich ein neues Biodiesel-Auto kaufen sollten”. Nun ja…

Heute jedenfalls hat sich ein anderer “Bild”-Autor (Attila Albert) abermals
aufgemacht, den Lesern mitzuteilen, wie sie “unsere Erde retten” können.

Und abermals lauten die Tipps:

  • “Arbeitsweg ohne Autos organisieren (Bus oder Bahn, Fahrrad oder Fahrgemeinschaften).”
  • “Überlegen, das Auto ganz abzuschaffen. Alternative: Nahverkehr und nur bei Bedarf über ‘Car-Sharing’ mieten (…).”
  • “Bei einem Autoneukauf ein benzinsparendes Modell (oder besser Hybridmotor) nehmen.”

 
PS: Sonderlich viel Arbeit hat sich Attila Albert heute ohnehin nicht gemacht. Denn was er nicht von Trittin abgeschrieben hat, hatte zum Großteil ja schon Alberts “Bild”-Kollege Paul C. Martin im vergangenen November recherchiert und aufgeschrieben.

Nachtrag, 23.2.2007: Sonderlich viel Arbeit hat sich nun selbst Paul C. Martin nicht mehr gemacht, als er für die heutige Titelgeschichte (“Wir haben nur noch 13 Jahre… um die Erde zu retten!”) behauptet: “Wenn wir diese 10 Dinge tun, können wir die Erde noch retten!” Insbesondere aber Ding Nr. 8 wird in seiner Formulierung immer trittiniger:

"Das Auto wann immer möglich stehen lassen!"

Mars jetzt mit neuer Füllung

Hartwig Hausdorf ist in der “Bild”-Zeitung ein gern gesehener Gast. Sie nennt ihn abwechselnd “China-Forscher”, “Buchautor”, “Phänomenforscher”, “Ufologe”, “Alien-Wissenschaftler” und “Deutschlands seriösesten Archäo-UFO-Forscher” — gerne aber auch schlicht: “der deutsche Schriftsteller und Privatgelehrte”. Was Hausdorf zu erzählen hat, ist aber auch nie langweilig. In den vergangenen Jahren berichtete er der staunenden “Bild”-Leserschaft unter anderem:

  • von einem kleinwüchsiges Volk in China: “Die Zwerge sind Nachkommen von außerirdischen Havaristen, die vor 12.000 Jahren über China abgestürzt sind.” (“Bild”, 2. Dezember 1995)
  • dass “Außerirdische auf die Erde kommen, um zu töten”, “wahrscheinlich seit Jahrhunderten”: “Vielleicht sind wir nichts anderes als die Laborratten der Außerirdischen.” (“Bild”, 9. Mai 1998)
  • nach der Wahl George W. Bushs im Jahr 2000 von dem “Todesfluch des Indianer-Häuptlings”, der “allen amerikanischen Präsidenten den vorzeitigen, unnatürlichen Tod prophezeite, die in einem ‘Null’-Jahr gewählt wurden”: William Henry Harrison, 1840 gewählt, “war der erste, auf den der Fluch wirkte”. (“Bild”, 28.12.2000).
  • und über die Wahrscheinlichkeit, dass immer noch Dinosaurier durch den Dschungel von Afrika schleichen. (“Bild”, 16.06.2004)

So gesehen, kann man diesen heutigen “Bild”-Artikel quasi als natürlichen Lebensraum für Hausdorf bezeichnen:

Mars-Menschen leben im Mars! Darum ahben wir sie auch noch nie gesehen

Geschrieben hat ihn Attila Albert, der inoffizielle “Bild”-Beauftragte für außerirdische Esoterik und missverstandene Wissenschaft. Ihm war es offensichtlich nicht aufregend genug, dass britische und schweizer Forscher festgestellt haben, dass mögliche Spuren von Leben auf dem Mars, Sporen oder Bakterien, längst aufgrund der niedrigen Temperaturen und der Strahlung vernichtet worden wären. Wenn überhaupt, könne man Zellen nur in einer Tiefe von mindestens zwei Metern unter der Mars-Oberfläche finden.

Ja nun.

Zum Glück kennt Attila Albert Hartwig Hausdorf, und so konnte er aus einer für Laien nur mittelaufregenden Wissenschaftsgeschichte eine für Gutgläubige superaufregende Außerirdischen-Geschichte machen:

“Möglicherweise gibt es komplexe Höhlenstädte”, sagt Autor Hartwig Hausdorf (51). Er sieht in Felsformationen wie dem “Marsgesicht” Monumente einer verlorenen Kultur: “Vielleicht hat der Mars eine Klimakatastrophe erlebt, wie sie uns noch bevorsteht. Die Bewohner flohen in die Tiefe.”

(Desillusionierender Link von uns.)

Natürlich steht selbst “Bild” einer solch umstrittenen Quelle kritisch gegenüber. Das mit dem “möglicherweise” und dem “vielleicht” hat man Hausdorf zum Beispiel für die “Bild”-Schlagzeile nicht geglaubt.

Okay, jetzt wissen wir also, wo die Marsmenschen leben. Jetzt müssen sich Bild.de (Ausriss oben) und die gedruckte “Bild”-Zeitung (Ausriss unten) nur noch darauf einigen, wie die Marsmenschen wohl aussehen.

Angesichts der neuesten Enthüllungen wäre unser Tipp ja: etwa so.

Danke an Alexander B. und Kauli.

Nachtrag, 6. Februar. Der Mikrobiologe Lewis Dartnell, auf dessen aktuelle Studien sich “Bild” vermeintlich beruft, stellt uns gegenüber klar:

Wir glauben ganz bestimmt nicht, dass es humanoide Mars-“Menschen” unter der Oberfläche [des Mars] gibt, und ich persönlich halte es auch nicht für wahrscheinlich, dass sich jemals einfache Tiere oder Pflanzen auf dem Mars entwickelt hatten — selbst vor langer Zeit war die Umgebung auf dem Mars wahrscheinlich nur geeignet für zählebiges bakterielles Leben, wenn überhaupt.

Kurz korrigiert (311)

Bild.de berichtet über Brunei, dessen Sultan und seinen Range Rover:

So schickt allein Royce Rolls pro Jahr 40 bis 50 Limousinen in den Wüstenstaat. (…) Obwohl Baujahr 1994, ist der Rover gerade mal 22 000 Kilometer durch die Dünen gerollt.
(Hervorhebung von uns.)

Und wir können zwar nicht mit hundertprozentiger Sicherheit ausschließen, dass es an Bruneis Küste irgendwo die ein oder andere Düne geben könnte, der Begriff “Wüstenstaat” erscheint uns aber definitiv etwas fehl am Platz — wenn man bedenkt, dass in Brunei tropisch feuchtheißes Klima herrscht, die durchschnittliche Luftfeuchtigkeit über 80 Prozent liegt und rund 84 Prozent von Brunei mit Regenwald bedeckt sind.

Mit Dank an batihu für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 15.56 Uhr: Eine kurze Anfrage im “Reise-Ressort” von Bild.de wäre übrigens hilfreich gewesen. Dort weiß man nämlich:

Brunei? Bitte, wo liegt das denn? Nein, es liegt nicht in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Das kleine Königreich befindet sich auf der Insel Borneo (…). Dieser Mini-Staat besitzt (…) einen Regenwald noch unberührter als in Brasilien.

Mit Dank an Constantin M.

Nachtrag, 17.18 Uhr: Der Geographie-Beauftragte von Bild.de hat aus dem “Wüstenstaat” inzwischen einen “Kleinstaat in Asien” gemacht. Der Auto-Experte hingegen scheint heute Spätdienst zu haben.

6 vor 9

Start-ups geh’n auf Kaperfahrt
(taz.de, Ulrich Schulte)
Interaktive Anwendungen florieren im Netz. Mit dem “Web 2.0” machen inzwischen auch Jungfirmen gutes Geld. Vergessen ist der erste Dotcom-Crash aber nicht.

Der Leser schreibt mit
(faz.net, Christina Hucklenbroich)
Im Internet zu recherchieren ist heute journalistischer Alltag. Hier vorab die Rohfassung eines Artikels zu diskutieren ist allerdings noch die Ausnahme. Wir haben es erfolgreich erprobt. Was meinen Sie? Soll diese partizipative Berichterstattung fortgesetzt werden?

Voß verwahrt sich gegen Jauch-Vorwürfe
(presseportal.de, Peter Voß)
SWR-Intendant Peter Voß (“Ohne Jauch geht’s auch“)hat sich gegen die
Vorwürfe verwahrt, die Günther Jauch gegen die ARD im allgemeinen und
gegen einige namentlich nicht genannte Intendanten in einem Interview
des Nachrichtenmagazins Der Spiegel erhoben hat.

Macht Web 2.0 blöde?
(welt.de, Dirk Nolde)
Technologiepopstar Jaron Lanier polarisiert. Er hält das globale Lexikon Wikipedia nicht für das Ergebnis kollektiver Intelligenz. Im Gegenteil. Lanier findet es gefährlich, dass jeder die Enyklopädie verändern kann. Er fürchtet die Diktatur der Doofen im Web. Doch dazu wird es nicht kommen.

Klimawandel: Eine Replik an die «Weltwoche»
(blattkritik.ch, Franz Mauelshagen)
Dr. Franz Mauelshagen vom historischen Seminar der Universität Zürich, unter anderem auf Umweltgeschichte spezialisiert, schreibt eine Antwort auf zwei Artikel, die am 14.12.2006 in der Weltwoche publiziert wurden. Sein Vorwurf: Die Texte seien “eine Kampagne mit dem Ziel, den aktuellen Klimawandel und seine Ursachen zu banalisieren”.

Erfolg macht Probleme
(zeit.de, Torsten Kleinz)
Wikipedia wird an diesem Montag sechs Jahre alt. Viel Zeit zum Feiern gibt es jedoch nicht: Die Online-Enzyklopädie braucht Geld.

Verarschen kann “Bild” uns alleine!

Einen der größten Erfolge unter Chefredakteur Kai Diekmann feierte die “Bild”-Zeitung im Jahr 2003 mit ihrer wochenlangen Berichterstattung über einen in den USA lebenden deutschen Sozialhilfeempfänger, den sie “Florida Rolf” nannte. Die Kampagne erreichte nicht nur, dass der Mann nach Deutschland zurückkehrte, sondern auch, dass der Bundestag in kürzester Zeit die Gesetzeslage verschärfte. Dabei betraf die Regelung nicht einmal 1000 vermeintliche “Sozialschnorrer” und bedeutete möglicherweise sogar höhere Ausgaben für die Steuerzahler.

In diesen Tagen arbeitet sich “Bild” wieder an einem vermeintlichen “Abzocker” ab: Henrico Frank, ein Arbeitsloser, der SPD-Chef Kurt Beck dafür verantwortlich machte, Hartz-IV-Empfänger zu sein, und dafür von ihm gesagt bekam, er solle sich erst einmal waschen und rasieren, dann bekomme er auch Arbeit. Frank ließ sich von Journalisten zu einem Friseurbesuch überreden, Beck vermittelte ihm darauf mehrere Stellenangebote, Frank ließ ein Treffen mit Beck jedoch platzen und lehnte auch die angebotenen Jobs ab. Seitdem ist er für “Bild” “Deutschlands frechster Arbeitsloser” und heute zum zweiten Mal großer Seite-1-Aufmacher:

Warum kriegt so einer Stütze?

Die Frage klingt, als wollte “Bild”, ähnlich wie bei “Florida-Rolf”, eine vermeintliche oder tatsächliche Ungerechtigkeit im Gesetz anprangern. In Wahrheit hat der Bundestag erst vor kurzem die Gesetzeslage für Menschen wie Henrico Frank drastisch verschärft. Wer innerhalb eines Jahres drei Angebote seiner Arbeitsagentur ohne guten Grund ablehnt, bekommt vom kommendem Jahr an für ein Vierteljahr sämtliche Zahlungen gestrichen, ist nicht krankenversichert, bekommt kein Geld für Unterkunft und Heizung. Nach Ansicht von Kritikern dieses Gesetzes kann das für viele hartnäckige Arbeitsverweigerer bedeuten, obdachlos zu werden. Die neue Regelung ist juristisch umstritten, weil eigentlich jeder Mensch einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf das Existenzminimum hat.

“Faulenzern” und “Abzockern” wie Henrico Frank droht also nach dem verabschiedeten Gesetz, nichts zu bekommen. Da es schwer ist, Menschen weniger als nichts zu geben, ist nicht ganz klar, auf welche Art Gesetzesverschärfung die “Bild”-Kampagne zielen könnte: Die Möglichkeit, “Faulenzer” und “Abzocker” aus dem Land zu jagen?

Aber vielleicht geht es der “Bild”-Zeitung hier auch nicht um das Gesetz. Vielleicht hat sie mit Henrico Frank eine persönliche Rechnung offen. Darauf deutet zum Beispiel der gestrige “Bild”-Artikel hin, der so begann:

ER HAT UNS ALLE VERARSCHT!

Die “Bild”-Zeitung lässt offen, ob sie mit “uns” uns meint oder “Bild”-Mitarbeiter. Deren Gefühl, “verarscht” worden zu sein, könnte aber daher rühren, dass die Geschichte so schön auf ein Happy-End hätte hinauslaufen können: Dank tatkräftiger Unterstützung der Medien wird aus nichtsnutzigem Hartz-IV-Suff-und-Schmuddel-Punk ein glückliches Mitglied der arbeitenden Gesellschaft. Henrico Frank wollte dieses Spiel, hinter dem er eine PR-Aktion von Beck vermutet, offenbar nicht mitspielen — ob er dabei klug vorging, ist eine andere Frage.

Die “Bild”-Zeitung jedoch erweckt den Eindruck, Frank habe sie in die Irre geführt. Dabei zeigte Frank von Anfang an wenig Bereitschaft, die ihm von dem Medien zugeteilte Rolle zu spielen — selbst den Frisurwechsel bereute er schnell. Dass Frank “vier Handys” hat (nach eigenen Angaben alle Prepaid, ohne laufende Kosten), war “Bild” ebenso bekannt, wie dass er weiter seinen Anstecker “Arbeit ist Scheiße” trug. Erst im Nachhinein machte sie daraus Belege, um Frank zu “Deutschlands frechstem Arbeitslosen” zu stempeln.

Die “Bild”-Berichte über den Arbeitslosen sind inzwischen voller bösartiger Interpretationen und einseitiger Verdrehungen. Aus dem Angebot, für “5,50 Euro / Stunde” zu arbeiten, macht “Bild” einen von acht “gut bezahlten Jobs”. Dass sich die Sprecherin Franks bei den Arbeitgebern erkundigte, ob sich die Stellen (u.a. Straßenbauarbeiter, Maurer, Maler) überhaupt eignen für jemanden, der “nur noch eine Niere, dazu einen Bandscheibenvorfall und eine Schulterprellung” hat, nennt “Bild” schlicht “dreist”: “Motto: Ich kann nicht, aber was gibt’s denn?” Nebenbei fabriziert “Bild” aus den Zitaten mehrerer Politiker der Linkspartei, die grundsätzlich begrüßen, wenn Arbeitslose in die Politik und die Parlamente gehen, eine mögliche Kandidatur Franks für den Bundestag.

Den CDU-Politiker Michael Fuchs hingegen zitierte “Bild” gestern mit den Worten:

Was wirft das für ein Licht auf all die anderen Arbeitslosen! Henrico Frank bringt sie alle in Verruf.

Tut er das wirklich? Oder tun das nicht “Bild” und die anderen Medien, die das Verhalten Franks in einer Breite diskutieren, die gar keinen Sinn ergäbe, wenn sie davon ausgingen, dass Franks Verhalten ein völliger Einzelfall wäre. Dadurch, dass sie den Fall seit einer Woche ausführlich begleiten, suggerieren sie erst, dass es sich um ein grundsätzliches Phänomen und Problem handelt.

Der Politologe Frank Oschmiansky hat vor einigen Jahren die Konjunktur der immer wiederkehrenden “Faulheitsdebatten” untersucht und befand, sie folgten “zu einem guten Teil politischen Kalkülen”. Sie ließen bei den Bürgern den Eindruck entstehen, der “Missbrauch sozialer Leistungen” sei eines der größten Probleme dieses Landes — dabei sei der Schaden rechnerisch “marginal” gegenüber Delikten wie Schwarzarbeit, Subventionsmissbrauch, Korruption oder Steuerhinterziehung. Oschmianskys Fazit:

Zudem zielen die “Faulheitsvorwürfe” darauf, das sozialpsychologische Klima zu schaffen, um Leistungseinschränkungen oder auch Zumutbarkeits- oder Sanktionsverschärfungen den Boden zu bereiten. (…) Durch die Skandalisierung des Leistungsmissbrauchs wird ein Klima erzeugt, in dem Kürzungen von Sozialleistungen leichter durchsetzbar sind.

  

Eins, zwei, drei, ganz Deutschland

Kennen Sie Frank Ficker? Oder die Zahnarzthelferin Stefanie K.? Doch, doch: Die kennen Sie! Garantiert! “Bild” hat in diesem Jahr darüber berichtet, dass Sie über Ficker gelacht und die Zahnarzthelferin bedauert haben. Aber lesen Sie selbst:

5. Januar 2006:"Ganz Deutschland" diskutierte” über ein ZDF-Interview mit der befreiten “Irak-Geisel”Susanne Osthoff, das “Bild” übrigens “seltsam” fand.

7. Januar 2006: In einem ostanatolischen “Geflügel-Dorf” starben mehrere Kinder, über die “Bild” zuvor berichtet hatte, “an Vogelgrippe”. Das “schockt ganz Deutschland

26. Januar 2006: Kaum vom Vogelgrippe-Schock erholt, “schockt” die Nasa mit einer neuen Klima-Studie. Allerdings nicht etwa ganz Deutschland, sondern nur, “während ganz Deutschland über die Bibberkälte der letzten Tage spricht”.

27. Januar 2006: Ganz Deutschland diskutiert” wieder. Diesmal: Ob es für ausländische Kinder eine Deutschpflicht auf dem Schulhof geben soll.

3. Februar 2006: Ganz Deutschland diskutiert über die Rente mit 67.”

18. Februar 2006: “Die Entführung der Gymnasiastin Stephanie (13) erschüttert ganz Deutschland.”

18. Februar 2006: Nachdem “ganz Deutschland” über Susanne Osthoffs ZDF-Interview diskutiert hatte, reist sie wieder in den Irak. “Diese Nachricht macht ganz Deutschland fassungslos.”

21. Februar 2006: Ganz Deutschland spricht über die wilden Lebenserinnerungen von Top-Schauspiel-Star Heiner Lauterbach”, aus denen “Bild” Auszüge vorabdruckt.

1. März 2006: In Greifswald verurteilt “Deutschlands gerechtester Richter” einen jungen Mann wegen fahrlässiger Tötung zu vier Jahren Gefängnis, und “sein Urteil sorgt in ganz Deutschland für Anerkennung.”

4. März 2006: Weil “Bild” berichtet, dass ein Minister seine Ehefrau bei einem Stop mit dem Dienstwagen an einer Autobahn-Raststätte “vergessen” hatte, “lacht heute ganz Deutschland…” Zwei Tage später “spricht die vergessene Ministergattin”, abermals zwei Tage später “wird Versöhnung gefeiert”.

24. März 2006: Ganz Deutschland diskutiert” — diesmal über die gar nicht so leichte Frage: “Soll das Kindergeld gekürzt und sollen dafür Kindergärten gebührenfrei werden, um Deutschland familienfreundlicher zu machen?”

6. Juni 2006: Nachdem “Bild” mehrere Tage lang fälschlicherweise behauptet hatte, Hape Kerkeling glaube, er habe schon mal gelebt, “diskutiert ganz Deutschland das Thema Wiedergeburt”.

19. Juni 2006: Ganz Deutschland bedauert Stefanie K. (21), die schöne Zahnarzthelferin aus Berlin.” Warum, haben wir vergessen. Denn “Bild” zeigte zur Aufmunterung die schönsten “erotischen Fotos der Zahnarzthelferin (Oberweite 80 D)”.

27. Juli 2006: “Bild” hat mal wieder irgendwelche Lohn-Listen abgedruckt — und, siehe da: “Ganz Deutschland diskutiert, wer bekommt wieviel Geld für seine Arbeit.”

19. August 2006: Und wer taucht denn da hinter den dicken Mauern seines Ministeriums in der Berliner Wilhelmstraße ab? Der “Urlaub-Weg-Minister” natürlich, “der ganz Deutschland gegen sich aufgebracht hat”.

28. August 2006: Ganz Deutschland diskutiert über die Renten” — immer noch.

29. September: Ganz Deutschland diskutiert die Absetzung der Mozart-Oper ‘Idomeneo’ in Berlin.”

17. Oktober 2006: Ganz Deutschland diskutiert über ein neues, brutales Wort: ‘UNTERSCHICHT!'”

21. Oktober 2006: “Bild” kündigt den Vorabdruck von Gerhard Schröders Memoiren an und schreibt: “Über dieses Buch wird ganz Deutschland diskutieren!”

24. Oktober 2006: Vollzug! Na, fast: “Es ist das politische Buch, über das ganz Deutschland spricht”.

30. Oktober 2006: Offenbar gibt’s für ganz Deutschland gerade nichts zu diskutieren. Aber “Bild” erinnert an Frank Ficker, denn “ganz Deutschland lachte vor knapp einem Jahr über den Mann mit dem komischen Namen.”

31. Oktober 2006: Noch nicht genug gelacht? “Bild” hat noch einen: Überfällt ein Mann eine Videothek. Zieht der Angestellte eine Reizgaspistole und schießt. Und was macht der Mann? “Er rennt aus dem Laden, stolpert, fällt hin, rappelt sich hoch, Geldmünzen fallen aus seiner Jacke. Jetzt fahndet die Polizei nach ihm.” Klarer Fall: “Über diesen Räuber lacht ganz Deutschland!”

1. November 2006: Im Hirschgrund bei Oberlungwitz wird ein weißes Reh entdeckt, (“Bild” berichtete), und “ganz Deutschland hat sich in Rehweißchen verliebt”.

1. Dezember 2006: Ganz Deutschland diskutiert die Rente mit 67.”

8. Dezember 2006: Ganz Deutschland diskutiert” über ein paar Fotos von Günter Verheugen, obwohl ganz Deutschland die Verheugen-Fotos gar nicht kennt.

Gestern: Für ganz Deutschland hat die Aufregung um “Sozial-Punk” Henrico Frank offenbar nicht gelangt. Aber immerhin war die “Bild”-Meinungsforschungsredaktion offenbar nicht untätig, denn:

Millionen Deutsche fragen sich: Wieso kriegt so einer überhaupt noch Stütze vom Staat?”

Kurz korrigiert (297)

"Wärmster Dezember seit 1300 Jahren"
Es gehört wirklich nicht viel dazu, obige Behauptung, die “Bild” heute auf der letzten Seite aufstellt, als das zu erkennen was sie ist: nämlich “in doppelter Hinsicht Unsinn”, wie “Spiegel Online” schreibt.

Denn erstens zitiert “Bild” selbst im Text den Klimatologen Reinhard Böhm (der übrigens laut einer Agentur-Meldung “konstruierte Horrorszenarien strikt ablehnt und dem meteorologische Überreaktionen so überhaupt nicht liegen”) mit den Worten:

“Wir erleben gerade die wärmste Periode* seit 1300 Jahren.”
Hervorhebung von uns.

Und zweitens ist der Dezember — und auch das dürfte “Bild” bekannt sein — gerade mal sieben Tage alt. Wie er trotzdem den Weg in die Überschrift finden konnte, bleibt also das Geheimnis von “Bild”.

*) Dass Böhm mit “Periode” keineswegs den Monat Dezember meinen konnte, kann man übrigens auch daran erkennen, dass in der Studie, aus der die “1300 Jahre” stammen, lediglich “Jahresdurchschnittstemperaturen bis ins 8. Jahrhundert” errechnet wurden.

Mit Dank an Timo B. und Benjamin K. für den sachdienlichen Hinweis.

Bild.de falscher als “Wiki-Fehlia”

In einen aktuellen Artikel über die “von Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee geforderte Verdoppelung der Bußgelder” hat Bild.de auch einen “Mehr zum Thema: Alle Infos zum Klimawandel”-Kasten eingebaut, der sich zunächst mit der Frage befasst:

“Was ist CO2 und woher kommt es?”

Erstaunlicherweise gleicht die Bild.de-Antwort in großen Teilen einem entsprechenden Eintrag im Online-Lexikon Wikipedia, das von “Bild” und Bild.de unlängst mehrere Tage “Wiki-Fehlia” genannt und als “unzuverlässig” dargestellt wurde. Genauer gesagt, weicht die Bild.de-Erklärung nur an einer einzigen Stelle vom Wikipedia-Text ab. Aber sehen Sie selbst:

Bild.de Wikipedia
Kohlenstoffdioxid (CO2) ist eine chemische Verbindung von Kohlenstoff und Wasserstoff. Es ist ein natürlicher Bestandteil der Luft (Anteil: etwa 0,04 Prozent). CO2 entsteht beim Verbrennen von kohlenstoffhaltigen Substanzen unter ausreichendem Sauerstoff, aber auch im Organismus von Lebewesen als Produkt der Zellatmung. Kohlenstoffdioxid (…) ist eine chemische Verbindung aus Kohlenstoff und Sauerstoff (…). Es ist mit einer Konzentration von ca. 0,04 % (…) ein natürlicher Bestandteil der Luft und entsteht sowohl bei der vollständigen Verbrennung von kohlenstoffhaltigen Substanzen unter ausreichendem Sauerstoff als auch im Organismus von Lebewesen als Kuppelprodukt der Zellatmung.
Technisch gewinnt man Kohlendioxid durch Verbrennen von Koks mit überschüssiger Luft oder als Nebenprodukt beim Kalkbrennen. Kohlendioxid kommt in Feuerlöschern und Klimaanlagen zum Einsatz. (…) Technisch gewinnt man Kohlendioxid durch Verbrennen von Koks mit überschüssiger Luft oder als Nebenprodukt beim Kalkbrennen (…). Kohlendioxid kommt auch in Feuerlöschern zum Einsatz (…) In zunehmendem Maße kommt Kohlendioxid (…) in Klimaanlagen zum Einsatz. (…)

(Hervorhebungen von uns.)

Mit Dank auch an Ralf S, Alexander F. und Jörg N.

Nachtrag, 6.12.2006. Auch ‘ne Lösung: Bild.de hat den “Mehr zum Thema”-Kasten im Artikel durch ein “Auto-Bild”-Video von der “Essen Motor Show 2006” ersetzt, den “Mehr zum Thema”-Kasten selbst aber so belassen, wie er ist.

6 vor 9

“Etwas messianisch” (klartext.ch)
Was geschieht, wenn der alte Chefredaktor neuer Chefredaktor und gleichzeitig Besitzer der Zeitung wird? Und wenn die Verleger mit viel Sendungsbewusstsein agieren? Roger Köppel weckt Befürchtungen wie auch Hoffnungen.

Wer liest eigentlich den “Stern”? (visdp.de)
Er war einmal Deutschlands bestes Magazin. Abgesang auf eine Legende (pdf, 138 kb).

Jenseits von Gut und Böse (telepolis.de)
Interview mit Stefan Keuchel, Pressesprecher von Google Deutschland, über Blogs, Journalismus und den Unterschied zwischen Gut und Böse.

“Du musst es nicht mehr lesen” (taz.de)
Die Tageszeitung “Libération” entstand als Kollektivprojekt aus der Dynamik der Pariser Studentenproteste von 1968. Sie stieg auf zur gesellschaftlich wichtigsten Zeitungsgründung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg. Nun steckt das Blatt in einer schweren ökonomischen und zudem in einer Sinnkrise. Daniel Cohn-Bendit, Anführer der Mai-Revolte und seit Beginn leidenschaftlicher Leser der Zeitung, über das Gestern, das Heute und ein mögliches Morgen von “Libération”.

Wo die herkommen, gibt’s noch mehr (faz.net)
Das Videoportal Youtube beweist, daß im Internet wirklich jeder ein Star werden kann. Man huldigt den Selbstdarstellern, wie man sonst Karaokesängern für ihren Mut zum Auftritt gratuliert. Wir präsentieren die größten Youtube-Stars.

Der Terror der Untergangspropheten (novo-magazin.de)
Die einen rufen: “Der Klimawandel ist nah!”; die anderen basteln Bevölkerungsbomben und Gentechnikmonster. Viele Branchen des Angst produzierenden Gewerbes bedienen sich beim “Krieg gegen den Terror”.

Allgemein  

“Bild” benutzt echte Forscher für falsche Story

“Macht es der Mars so heiß?” fragt “Bild” heute groß auf Seite 1 (siehe Ausriss) und wartet mit der hanebüchenen These auf, die gegenwärtigen Sommertemperaturen könnten damit zusammenhängen, “daß sich der Mars dieses Jahr so weit von der Erde entfernt wie nie”. Angeblich stehen “Forscher vor einem Rätsel” und “diskutieren jetzt eine verblüffende These: Ist der Mars Schuld an der Hitze?”

“Es ist, als wäre der Erde die Klimaanlage weggenommen worden”, behauptet “Bild”-Redakteur Attila Albert und zitiert, wie zum Beweis, drei Wissenschaftler:

Uns gegenüber betont Christian-Dietrich Schönwiese allerdings, er habe “Bild” ein kurzes Telefoninterview gegeben und “dabei gesagt, dass die gegenwärtige Hitzewelle nichts, aber auch gar nichts mit dem Mars oder anderen Planeten zu tun habe”.

Und Gerhard Neukum erklärt uns, er habe die “Bild”-Frage, ob die Planeten, insbesondere Mars, Einfluss auf das irdische Wetter hätten, “klar verneint”.

Bleibt Ulrich Köhler. Er wird in “Bild”, wie er uns sagt, “korrekt” mit dem Satz zitiert, die Oberflächen-Temperatur des Mars betrage “–60 bis –80 Grad, an den Polen sogar bis –140 Grad”. Allerdings, so fügt Köhler hinzu, sei im Gespräch mit “Bild” die Frage nach der Marswirkung aufs Erdwetter “gar nicht Gesprächsgegenstand gewesen”. Hätte “Bild” ihn danach gefragt, hätte er geantwortet:

“Das ist absoluter Quatsch.”

Gedankt sei auch den vielen, vielen Hinweisgebern für ihre Mühe.

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