1. Interview mit Cigdem Atakuman (spiegel.de, Daniel Steinvorth)
Cigdem Atakuman, Chefredakteurin von Bilim ve Teknik, wird nach einer Titelgeschichte über Charles Darwin entlassen: “Die Titelgeschichte über Darwin sei ein großer Fehler gewesen, ein unentschuldbarer Fehler. Im jetzigen politischen Klima in der Türkei könne so was als Provokation verstanden werden.”
2. Interview mit Alfred Neven DuMont (sueddeutsche.de, Hans Werner Kilz)
Verleger Alfred Neven DuMont glaubt, den Zeitungen heute brauchen vor allem Charakter, um sich unentbehrlich zu machen: “Wenn Sie unsere Öffentlichkeit anschauen – von den Bischöfen bis zur Politik, Unternehmer, Gewerkschaften -, es ist eigentlich mehr ein ineinander übergehender Einheitsbrei. Ich will nicht gerade sagen charakterlos, das klingt vielleicht ein bisschen wild, aber charakterarm, profilarm.”
3. “Die hohle Hand beim Staat ist kein Rezept gegen die Medienkrise” (onlinereports.ch, Peter Knechtli)
“Wenn sich die Medieninhalte immer stärker am Showbizz-, Beauty- und Promi-Barometer und seinem beliebigen Wahrheitsgehalt orientieren, während gleichzeitig die Mittel für tiefgründige Analysen und Recherchen fehlen, dann verlieren die Medien ihre fundamentale Funktion als Informations-Vermittlerin.”
Nicht ganz unwiderlich auch, wie “Bild” Meinelts Zitate manipuliert, um beim Leser maximale Empörung zu erreichen.
“Bild” schreibt:
Und was meint Meinelt zu dem Vorwurf vieler Politiker, dass Klar bis heute keine Reue gezeigt hätte? “Was stellen sich eigentlich die Leute unter Reue vor? (…) Soll er in der Presse einen Kniefall machen?”
Die Auslassungszeichen sind interessant. Das ganze Zitat lautet nämlich so:
“Was stellen sich eigentlich die Leute unter Reue vor? Ich kenne die Briefe von Christian Klar, ich kenne das Gnadengesuch an den damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau, ich kenne seine Briefe an Horst Köhler und den ganzen Schriftverkehr. Er hat in allen Briefen geschrieben, dass er bedauert. Soll er in der Presse einen Kniefall machen?
Das ist nicht die einzige Manipulation. “Bild” schreibt:
Und dann klingt sogar ein bisschen Mitleid für den neuen Mitarbeiter durch: “Wir haben lange mit ihm darüber gesprochen, dass natürlich Fragen zu seiner Vergangenheit von den Kollegen kommen werden. Das können Sie sich ja vorstellen, was so jemand von einem einfachen Bühnentechniker gefragt wird. Die Arbeit in der Technik, das ist richtiges Milieu. Das ist schon ein bisschen derb und ein sehr raues Klima.”
Einem einfachen Bühnentechniker – ist das nicht genau die Abteilung, in der Klar dann arbeiten wird? Und was ist Klar dann bitte? Ihr da unten, ich – der gerade freigelassene RAF-Terrorist – hier oben? So ein Schmierenstück hat es noch nie im BE gegeben. Hoffentlich wird’s bald abgesetzt…
“Bild” hat sich Meinelts Sätze aus verschiedenen Stellen des Interviews zusammengeklaubt, um diesen Eindruck zu konstruieren. In der “Zitty” heißt es:
Christian Klar wurde Anfang 2007 stark kritisiert, weil er ein kapitalismuskritisches Grußwort an die Rosa-Luxemburg-Konferenz der Zeitung “Junge Welt” geschrieben hatte. Haben Sie mit ihm darüber gesprochen?
Er hat gesagt, dass er bereut, was durch die Presse gegangen ist. Er weiß auch, dass wir im BE politische Aktivität nicht dulden werden. Das ist von vorneherein klar. Wir haben lange mit ihm darüber gesprochen, dass natürlich Fragen zu seiner Vergangenheit von den Kollegen kommen werden. Das können Sie sich ja vorstellen, was so jemand von einem einfachen Bühnentechniker gefragt wird. Wenn man Klar als Menschen kennenlernt, merkt man: Die Angst vieler ist unbegründet. Von diesem Menschen geht keine Gefahr aus.
(…) Wie bereiten Sie Klar auf das Ensemble vor?
Die Arbeit in der Technik, das ist richtiges Milieu. Die werden ihn fragen: Hast du denn überhaupt was gelernt? Kannst du nach 26 Jahren überhaupt etwas? Das ist schon ein bisschen derb und ein sehr raues Klima. Er muss mit allen Sachen umgehen lernen, er kommt ja in Kontakt mit den Kollegen von der Bühnentechnik, den Beleuchtern, der Requisite und den Schauspielern.
Es ist schwer, aus diesen Antworten zu schließen, dass das BE meint, Christian Klar stünde in irgendeiner Form über den einfachen Bühnenarbeitern. Dazu muss man die Sätze schon kunstvoll neu montieren und Teile ganz weglassen. Sogar ohne Auslassungzeichen.
Das “Zitty”-Interview, auf dem der “Bild”-Artikel beruht, trägt übrigens die Überschrift “Christian Klar im Berliner Ensemble: “Der hat sich hier anzupassen. Fertig.” Das ist auch ein Zitat von Dirk Meinelt.
Oliver Santen, Leiter des Wirtschaftsressorts der “Bild”-Zeitung, hat malwieder eines seiner bei führenden Vertretern der Industrie so beliebten Interviews geführt. Heute mit E.on-Vorstandschef Wulf Bernotat:
Da ist der “Stromboss” offenbar ganz einer Meinung mit Wirtschaftsminister Michael Glos, der vor gut drei Wochen in “Bild” vor einer “Strom-Knappheit” warnte – und, beinahe möchte man sagen: natürlich, mit “Bild”-Mann Oliver Santen. Denn schon seine Eingangsfrage lautet:
Deutschland steigt als einzige Industrienation aus der Atomkraft aus. Wie kann die Versorgungslücke geschlossen werden?
Und so geht es munter weiter:
BILD: Drohen Deutschland Engpässe bei der Stromversorgung?
Bernotat: Eindeutig ja! (…)
BILD: Ohne Kraftwerksneubauten gibt es keine sichere Stromversorgung?
Bernotat: Richtig. (…)
BILD: Hat Deutschland ein bezahlbares und sicheres Energiekonzept für die Zukunft?
Bernotat: Ganz klar: Nein. (…)
BILD: Laut einem Gutachten dreier Forschungsinstitute sind zukünftig jedoch keine Erzeugungsengpässe zu erwarten. Wie erklären Sie sich diesen Widerspruch zu ihren eben gemachten Ausführungen?
“Insgesamt sind zukünftig jedoch keine Erzeugungsengpässe (…) zu erwarten. (…) Auch bei einer expansiveren Entwicklung des Stromverbrauchs als hier unterstellt, wird es aus Sicht der Gutachter marktgetrieben nicht zu physischen Kapazitätsengpässen der Stromversorgung kommen. (…) Wegen des niedrigen Beitrags der Windenergie zur gesicherten Leistung ist hier eine zeitlich differenzierte Betrachtung wichtig: (…) Auch hier sehen wir heute und absehbar keine Angpässe.”
Nein, stopp! Die letzte Frage hat Santen dem “Stromboss” überhaupt nicht gestellt. Stattdessen wollte er lieber wissen: “Was ist zu tun?”, “Was schlagen Sie vor?” oder “Was tun Sie, um beim Stromsparen zu helfen?”
Dabei sollte Santen das Gutachten, das zu einem anderen Ergebnis kommt als Bernotat (siehe Kasten), eigentlich kennen. Darauf hatte sich nämlich Glos bereits in der “Bild”-Meldung von vor gut drei Wochen bezogen. Der Klima-Lügendetektor und zeit.de waren damals beispielsweise der Auffassung, dass Glos’ These von der “Strom-Knappheit” durch das Gutachten nicht gedeckt sei. Entsprechend erwartet auch die Bundesregierung keineStromlücke.
Aber wenn Santen auch nur irgendeine kritische Nachfrage gestellt hätte, könnte man seine Stichwortgeberei ja womöglich mit Journalismus verwechseln.
Was bedeutet es eigentlich, wenn “RWI-Experte Manuel Frondel” in “Bild” sagt:
Bedeutet das wirklich, dass mit einer “Milliarden-Ersparnis für Wirtschaft und Verbraucher” zu rechnen sei, wie “Bild” behauptet (und “Focus Online” weiterverbreitet)?
Nicht unbedingt. Wie der “Klima-Lügendetektor” berichtet, räume sogar “RWI-Experte” Frondel auf Nachfrage ein, dass “die Erzeugungskosten erstmal nichts mit dem Endpreis des Stroms zu tun” hätten. Die errechnete Ersparnis falle vielmehr bei den Stromkonzernen an und müsse von denen natürlich nicht an die Verbraucher weitergegeben werden – was Frondel “so auch nie gesagt” haben will, offenbar nicht mal zu “Bild”.
Die 7 “Bild”-Wahrheiten über unsere Kernkraft:
1. “Kernkraft ist sicher”
2. “Kernenergie gehört zum Energiemix der Zukunft”
3. “Kernkraft dämpft den Preisanstieg beim Strom”
4. “Der Ausstieg schadet dem Standort Deutschland”
5. “Kernkraft ist gut für den Klimaschutz”
6. “Das Problem mit dem Atomabfall ist ungelöst”
7. “Die Zustimmung zur Kernenergie wächst”
Der “Klima-Lügendetektor” schließt aber nicht mal aus, dass Frondel in seinem “Bild”-O-Ton mit “uns” ohnehin nicht “Wirtschaft und Verbraucher” (also uns) gemeint hat, sondern bloß seine unsere Energiewirtschaft.
Und die dürfte sich dann nicht nur über die via “Bild” in Aussicht gestellte “Milliarden-Ersparnis” freuen, sondern auch über den “Bild”-Artikel drumherum mit der Überschrift: “7 Wahrheiten über Kernkraft”. Immerhin sechs der sieben “Wahrheiten” fallen da für die Kernkraft überraschend positiv aus (siehe Kasten) – und achtens steht oben drüber als Autor: “OliverSanten”.
Seit Jahren ist die “Bild”-Zeitung (56) davon überzeugt, dass es außerirdisches Leben gibt! Vergangenen Freitag wurde sie mal wieder konkret und behauptete in der Dresdner Ausgabe, ein Professor behaupte, dass es bald zum ERSTEN KONTAKT kommt:
Seit Jahren ist Prof. Dr. B. Herrmann (63) davon überzeugt, dass es außerirdisches Leben gibt! Jetzt wird er erstmals konkret und behauptet, dass es bald zum ERSTEN KONTAKT kommt!
Wenn Sie sagen, wieder so ein Nazi-Esoteriker Spinner, dann lesen Sie erst mal weiter! Denn “Bild” schrieb:
Wenn Sie sagen, wieder so ein Spinner, dann lesen Sie erst mal weiter!
Aber lassen wir die albernen Spielchen. “Bild” zitiert unter der Überschrift “In zehn Jahren landen die Ufos … und zwar in Berlin” (siehe Ausriss) den Astronomen Prof. Dr. Dieter B. Herrmann mehrfach und lässt keinen Zweifel daran, dass er an einen baldigen Besuch Außerirdischer glaubt:
“Schon in zehn Jahren könnten sie auftauchen” (…). “Dafür gibt’s einen wichtigen Grund!” (…) “Die Außerirdischen haben gemerkt, dass wir uns selbst vernichten. Klimakatastrophe, Artensterben – und sie kommen uns zu helfen!” (…) Falls die Ufos wirklich kommen, dann ist für Professor Herrmann klar, wo sie landen werden: “In Berlin – auf dem neuen Großflughafen. Da ist schön viel Platz und man wäre sofort in der Hauptstadt.”
“Bild” schrieb am Freitag, Herrmann würde “seine These” von den außerirdischen Besuchern am Abend im Deutsch-Sorbischen Volkstheater Bautzen erklären. Tatsächlich erklärt hat er dort allerdings, dass an dem “Bild”-Artikel “nichts wahr” sei, außer dass er “im DDR-Fernsehen eine Sendung hatte”.
Und uns erzählt Herrmann, dass er keineswegs “überzeugt” sei, dass es Außerirdische gibt. Er habe jedoch den Eindruck gehabt, dass der “Bild”-Reporter, der ihn mehrfach angerufen habe und ihn “gar nicht mehr in Ruhe lassen wollte”, dringend eine konkrete Aussage zum Landeplatz haben wollte. Damit habe er sich schwer getan:
“Wir wissen ja nicht mal, ob es sie gibt. Wie soll man denn sagen, wo sie landen würden?”
Allerdings habe er sich zu der Vermutung hinreißen lassen, dass Außerirdische, wenn sie denn kämen, sich für die Landung wohl ein Wüstengebiet aussuchen würden. Und im Scherz habe er gesagt:
“Die würden in Dresden landen, weil sie sich für die Solarforschung interessieren.”
Den Berliner Flughafen habe er nicht erwähnt.
Da muss wohl die Fantasie mit dem “Bild”-Reporter durchgegangen sein. Aber das ist ja auch kein Wunder. Schließlich lief der Abend im Deutsch-Sorbischen Volkstheater unter dem Titel “Planeten am Wegesrand – Wissenschaft und Kunst” und wurde so angekündigt:
Stellen Sie sich vor, auf einem der Planeten des 41 Lichtjahre entfernten Sterns 55 Cancris A im Sternbild Krebs gibt es wirklich hochintelligentes Leben. Von dort nähert sich mit Übergeschwindigkeit ein Raumschiff unserem Sonnensystem. Was erhoffen sich die Besucher, was erwartet sie in Wirklichkeit? Lassen Sie sich einladen zu einer kurzweiligen Reise durch unser Planetensystem mit Musik, Animationen, erstklassigen Vorträgen und Gesprächsrunden.
Mit Dank an Stefan K., Andreas K. und Werner W. von cenap.
Wir haben in folgender Grafik einmal all das zusammengefasst, was heute in der “Bild”-Zeitung über die angeblich drohende Gefahr von tagelangen Stromausfällen im Sommer steht:
Dabei hätte es soviel zu erzählen gegeben, nicht zuletzt wegen “Bild”. Das Blatt hatte gestern nämlich dem RWE-Chef Jürgen Großmann eine halbe Seite Platz geschenkt, auf der er — ungestört von fachkundigen Nachfragen — für den verstärkten Bau insbesondere von Braunkohle- und Atomkraftwerken werben konnte. Andernfalls drohten im Sommer “mehrtägige Stromausfälle”. Die “Bild”-Zeitung malte sich und ihren Lesern gleich mal aus, was das bedeuten würde: kaum Züge, keine Tankstellen, keine Waschanlagen, kein Licht, kein Warmwasser, kaum Operationen, keine Ampeln, keine Bohrmaschinen. Das to-ta-le Chaos.
Das “Bild”-Interview fand große Aufmerksamkeit. Großmanns Warnungen wurden von den Nachrichtenagenturen dpa und Reuters, AFP und AP verbreitet. Aber je weiter der Tag fortschritt, um so mehr Widerspruch und Zweifel an Großmanns Thesen wurde laut. Das Bundesumweltministerium erklärte, es sehe keine Gefahr von Stromengpässen und verwies darauf, dass es bei uns keine Stromlücke gebe, sondern im Gegenteil Deutschland Stromexporteur sei. Der Bundesverband der Energieverbraucher kritisierte Großmanns Äußerungen als “politisch motivierten Theaterdonner”, das Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung als “Panikmache”. Greenpeace und wir-klimaretter.de verwiesen darauf, dass in den vergangenen Jahren “erheblich mehr Erzeugungskapazitäten ans Netz gingen als zeitgleich stillgelegt wurden” und warnten, dass Großkraftwerke, wie Großmann sie fordere, “wegen ihres immensen Bedarfs an Kühlwasser die ersten sind, die in trockenen Sommern abgeschaltet werden müssen”.
Nachdem “Bild” gestern so unkritisch die Lobby-Arbeit für RWE erledigte, hätte die Zeitung heute immerhin die andere Seite der Geschichte nachreichen können, um nicht den Eindruck zu erwecken, sich als Sprachrohr für die großen Konzerne missbrauchen zu lassen. Andererseits: Wenn man sich als Sprachrohr für die großen Konzerne missbrauchen lassen will, ist es natürlich konsequent, auf Informationen zu verzichten, die die Leser nur unnötig verwirren.
Die Regierung von US-Präsident Bush sah sich mit einer Studie konfrontiert, die ihr bescheinigte, 935 “unwahre Behauptungen” gemacht zu haben, um den Einmarsch in den Irak rechtzufertigen. Schuld sind aber auch die Medien. Lee Hamilton, früherer Vorsitzender der Irak-Komission des Kongresses, gemäss tagesschau.de: “Die allermeisten Medien haben den Krieg regelrecht bejubelt, dabei ist es ihre Aufgabe, jede öffentliche Äußerung auf den Wahrheitsgehalt zu prüfen. Das haben sie nicht getan.”
Beim Schweizer Lokalsender Telebasel stellte der Chef höchstpersönlich seinen Sender aus – aus Versehen. Eigentlich wollte er “die Klimaanlage ausschalten, die ihrer lauten Geräusche wegen die Redaktion störte. Statt der Klimaanlage erwischte Surbeck aber den Generalschalter von Telebasel.” Read On…
Poschi auf der Flucht, Presseschau statt Morgengebete, Brüste in der Schwangerschaft.
Ulf Poschardt, leidenschaftlicher Autofahrer und Verachter von VW-Käfer-fahrenden Klimamoralisten, hatte eine schlechte Woche. Zuerst wurde er als Chefredakteur der Zeitschrift Vanity Fair, für die für gut ein Jahr geleitet hatte, gefeuertfreiwillig gegangen, dann schüttete eine Rapperin ihm in einer Fernsehsendung überraschend ein Glas Wasser ins Gesicht, nachdem er sie zuvor offenbar Nervensäge genannt hatte. Poschardt verliess darauf die Sendung, nicht ohne einen Knicks zu machen. Ein Handgemenge wäre wohl angemessener gewesen.
Der Perlentaucher staunte über die Süddeutsche Zeitung. Willi Winkler schrieb dort: “Auch der von einigen anstelle eines Morgengebets aufgesuchte InternetDigest Perlentaucher ist unterkomplex, wie es die menschliche Software erlaubt: die anonymen Bergwerker, die im Morgengrauen die Feuilletons ausweiden und dabei auch noch gewichten sollen, sie können die Artikel im besten Fall kurz beriechen, aber in dem dafür vorgesehenen Halbsatz nur selten angemessen wiedergeben.” Der Perlentaucher dazu: “(Und wir dachten immer, die SZ verklagt uns, weil wir zu viel von ihrem Inhalt wiedergeben!)” Read On…
André Krüger, 31, ist BILDblog-Leser. Nach eigenen Angaben schreibt er “bereits seit einigen Jahren ins Internet. Seit nun einem Jahr tut er das auf boschblog.de, einem Weblog mit überwiegend literarisch angehauchten Kleinodversuchen über Alltagskultur, Hamburg, die Medien und was die seine Welt bewegt. Dem aus Krankheitsgründen ausgefallenen Harald Martenstein, den man eigentlich gar nicht ersetzen kann, wünscht er auf diesem Wege gute Besserung. Im richtigen Leben macht er was mit Old Economy. Wir nennen es Finanzplanung.”
Von André Krüger
Mit zitternden Händen legte ich dem Zeitungshändler meines Vertrauens heute abgezählte 60 Cent auf den Tisch, um statt der üblichen Qualitätszeitung das Druckwerk mit den großen Überschriften zu erwerben, das mir sonst ausschließlich als Mitleser bekannt ist.
Dass mir die Übung fehlt, bemerke ich bereits als ich auch nach zweimaligem Komplettdurchblättern noch immer nicht die erwartete und auch ein bißchen ersehnte Post von Wagner gefunden habe. Hat man ihn etwa zur Kompensation des PIN-Desasters vertafelsilbert oder etwa gemeinsam mit Pro7/Sat.1 an Finanzinvestoren veräußert? Was mir jedoch sofort auffällt ist, dass die Liebe zum Automobil — und damit verbunden zu dessen Käufern, Fahrern und Erbauern — in dieser Zeitung besonders ausgeprägt ist, und sich wie ein rotes Abschleppseil durch das Blatt zieht.
Schon auf der Titelseite erfährt der geneigte Leser, dass die EU den Kauf von Neuwagen künftig um 5.000 Euro teurer macht. Den Herstellen drohten Milliarden-Strafen, wenn sie den CO2-Ausstoß nicht deutlich senkten. Auf Seite 2 erklärt uns Oliver Santen in seinem Kommentar sodann, dass es der EU keineswegs darum gehe, die Umwelt zu schützen. Vielmehr handle es sich um einen französisch-italienischen Kleinwagenherstellerangriff auf unsere hochmotorisierten deutschen Premiumhersteller. Von hier aus ist es für denselben Autor auch nur noch ein kleiner Schritt, um gleich nebenan zu erklären, wie Post und Politik mit französisch-italienischer Raffinesse den verlagseigenen Briefdienstleister PIN-Group in die Pleite getrieben haben. Kein Wort verliert er allerdings darüber, wie die grüngekleideten Briefzusteller von ihren Dumpinglöhnen sich hätten eine Premiumkarosse made in Germany leisten sollen, wo doch ihr Hungerlohn noch nicht einmal für einen umweltschonenden ausländischen Gebrauchtkleinwagen gereicht hätte.
Wenigstens Opel profitiert vom Trend zum Kleinwagen und schafft im kommenden Jahr 300 neue Jobs im Stammwerk Rüsselsheim (Nachrichten, Titelseite). “Bild” meint sicherlich: Gut so; aber “Gewinner des Tages” wird trotzdem nur George W. Bush, der für mehr Frieden auf der Welt und weniger Waffen sorgt.
Die Frage, ob man sich wegen der drohenden EU-Strafsteuer jetzt noch schnell ein neues Auto zulegen sollte, dürfte sich den PIN-Mitarbeitern derzeit eher weniger stellen. Sie können höchstens darauf hoffen, im “Bild”-Lidl-Adventskalender eine unbedachte 200-PS-Flunder aus Ingolstadt zu gewinnen. Sollte ihnen, wie bereits bei der Wahl des Arbeitgebers, auch im Spiel das Glück nicht hold sein, könnten sie versuchen, auf dem bewachten Parkplatz eines luxuriösen Hamburger Fischrestaurants vor den Augen des Wagenmeisters einen Porsche zu klauen (Bild-Hamburg, Seite 6). Der Eigentümer des auf diese Weise entwendeten Premiumfahrzeugs dürfte jetzt ähnlich traurig sein wie ein kleiner Junge aus Wuppertal. Einbrecher stiegen nachts in sein Haus ein und entwendeten heimtückisch ein für ihn bestimmtes Weihnachtspaket, das eine Autorennbahn enthielt (Seite 16). “Bild” meint sicherlich: So geht das aber nicht; “Verliererin des Tages” wird allerdings WDR-Intendantin Monika Piel, der nächstes Jahr 12 Millionen Euro in der Kasse fehlen. Wann wird Mathias Döpfner endlich Verlierer des Tages? Setzte er nicht für die PIN-Group 500 Millionen Euro in den Sand?
Wer jetzt denkt, auf das neue Premiumfahrzeug oder die neue Autorennbahn ungestört anstoßen zu können, der sei gewarnt: Es drohen wieder “Glühwein-Kontrollen” (“Bild”-Hamburg, Seite 12). “Weitere Kontrollen folgen”, so ein Polizeisprecher. Dabei werden sicher auch andere Delikte aufgedeckt. Hoffentlich erwischen unsere Freunde und Helfer dabei auch “Raser-Rambos”, die mit 306-PS-starken Premiumfahrzeugen aus deutschen Landen unschuldige Rentner “zerquetschen”.
Die rührendste, fast schon weihnachtlich stimmende Autogeschichte findet sich allerdings ganz unvermutet im Sportteil. Der HSV-Mittelfeldspieler Vincent Komany (21) zeigt nun auch deutlich in der Öffentlichkeit, wie sehr er seine vor sechs Wochen verstorbene Mama geliebt hat. “Wo andere ihre eigenen Initialen, die der Frau oder Kinder auf einem Kennzeichen verewigen, hat sich Vincent ein Schild mit HH-JF für seinen Mercedes besorgt. Das ‘JF’ steht für Joseline Fraselle. Kompany: ‘Es ist in Angedenken an meine Mutter…'” “Bild” meint sicherlich: Das ist wahre Mutterliebe; die entsprechende Rubrik dafür ist allerdings noch nicht erfunden.
Fast zu Tränen gerührt wünsche ich mir nach dieser anstrengenden Lektüre, dass es mir ein bißchen wie der Wunderheilerin Uriella erginge. Sie hat sogar den von ihr vorhergesagten Weltuntergang vergessen. Das sollte mir mit der soeben gelesenen Ausgabe der “Bild” doch bitte ebenso gelingen.
Antje-Susan Pukke, 49, ist BILDblog-Leserin, Diplom-Politologin und Hörfunkjournalistin in München. Sie hat mehrere Bücher über Öffentlichkeitsarbeit und Fort- und Weiterbildung geschrieben, arbeitet viel für den Bayerischen Rundfunk und ist in der Journalistenausbildung tätig. Im Foto möchte sie sich nicht zeigen, weil sie schon seit Jahren Wert darauf legt, sowenig private Spuren wie möglich im Netz zu hinterlassen, was ihr, wie sie sagt, “bis auf ein paar kleine Ausnahmen” gelungen ist: “Gläserner als man eh schon ist, muss man ja nicht auch noch freiwillig werden.”
Von Antje-Susan Pukke
BILDBloggerin für einen Tag — was liegt da näher, als 50 Cent zu investieren und sich’s frühmorgens zuhause bei einer Tasse Kaffee mit der Münchenausgabe vom 20. Dezember gemütlich zu machen?
Fangen wir gleich einmal mit der Lektüre des Aufmachers an:
Mir selbst ist das eigentlich ziemlich egal, ich habe nur einen Kleinwagen und den fahre ich höchst selten. Aber was mag angesichts einer solchen Überschrift so manch anderer “Bild”-Zeitungsleser denken? Wahrscheinlich genau das, was die Schreiber erreichen möchten: “Abzocke hoch drei…”. Bleibt zu hoffen, dass möglichst viele aus dem zugehörigen Riesenartikel auf Seite 4 die richtigen Schlüsse ziehen. Da steht nämlich zum einen, dass man sich ab 2012 auf einen durchschnittlichen Preisanstieg von 1.300 Euro einstellen muss, und zum anderen, dass EU-Experten davon ausgehen, dass durch sinkenden Benzinverbrauch 2.700 Euro eingespart werden könnten. Macht zusammen… — ach, rechnen Sie einfach selbst.
Überhaupt, “Bild” und die Zahlen. Höchst amüsante Überschrift auf Seite 3:
Ja, wo kommen die denn plötzlich her? Soweit ich weiß, liegt die Einwohnerzahl der bayerischen Landeshauptstadt bei rund 1,3 Millionen. Aber: “Bild” nähert sich unerschrocken der Wahrheit. “Heuer haben rund 600 Millionen Menschen (…) S-, U- und Trambahn benutzt.” Klingt schon besser, hinkt aber noch etwas. Also: Noch eine Chance — und sie kriegen es tatsächlich hin, dem Ganzen einen Sinn zu geben: “Gegenüber 2006, als der MVV 590 Millionen Fahrgäste begrüßen konnte, ist das noch einmal eine deutliche Steigerung.” Na bitte: geht doch!
Genug der Zahlen, jetzt gibt’s erst mal eine Runde Mitleid. Zunächst eine kleine für Rolf Kleine und “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann, die zu Besuch beim afghanischen Präsidenten waren: “Auf uns wartet klirrende Kälte (minus 4 Grad).” Suggeriert, dass das Reporterleben hart ist — auch wenn so mancher zumindest hier in Bayern unter “klirrender Kälte” was anders verstehen dürfte. Egal — haltet einfach durch, liebe “Bild”-Kollegen!
Das ganz große, wirklich aufrichtige Mitleid aber gebührt der armen Autofahrerin, die am Mittwochnachmittag etwas zu forsch auf die Autobahn einfuhr und dadurch einen LKW-Fahrer zu einem Ausweichmanöver zwang, das im U-Bahn-Gleis endete. Stundenlang ging auf der ganzen Linie nichts mehr. Klar, ärgerlich für den Teil der, ähhm, 600 Millionen Münchner, der nach Hause wollte. Jedoch hat die Frau es tatsächlich verdient, so abgebildet zu werden, dass sie jeder gleich erkennt? Wohl eher nicht. Aber “Bild” nimmt es ja mit der Privatsphäre öfter nicht so genau.
Ansonsten das Übliche heute. Sensationslust gepaart mit Ungenauigkeiten (im Bericht über den “US-Henker”, der gar kein Henker sein kann, weil er laut Bildunterschrift mit dem elektrischem Stuhl und später mit der Spritze tötete), dazu das Schüren von Vorurteilen mit Hilfe von Leserbriefen (“Wie kommt ein junger abgeschobener Algerier zu einem Mercedes?”) und dazu manch weiterer Artikel, der Fragen aufwirft (Wieso “musste” Mädchenschwarm Sascha die bankrotte Putzfirma seiner Mutter übernehmen?).
Fazit nach einem Vormittag als Ersatz-Bloggerin: Ganz schön viel Arbeit, die vielen Fehler (ja, es gibt noch einige mehr) in einer einzigen Ausgabe aufzuspüren, noch mehr Achtung vor der Leistung derjenigen, die tagtäglich das BILDblog mit Leben füllen. Und das Versprechen, in Zukunft fleißig beim Aufspüren von Fehlermeldungen mitzumachen.