Suchergebnisse für ‘Ausländer’

Rahmensetzende Worte, Elitenjob, Eingeimpfte Verunsicherung

1. Jedes Wort setzt einen Rahmen
(zeit.de, Houssam Hamade & Viola Nordsieck)
In den letzten Tagen schien es nur eine Diskussion zu geben: Gab es in Chemnitz eine “Hetzjagd” oder nicht? Bundeskanzlerin und Regierungssprecher hatten dieses Wort verwendet, während der Verfassungsschutzpräsident in der “Bild”-Zeitung Zweifel gesät hatte. Im Essay von Houssam Hamade und Viola Nordsieck geht es um den Kampf der Begriffe: “Entscheiden wir uns, über Chemnitz als eine “Hetzjagd auf Ausländer” zu sprechen, oder reden wir von “rechtsradikalen Ausschreitungen”, die “ein Viertel der deutschen Bevölkerung” zum Ziel haben? Gerade in einem aufrichtigen Gespräch wird genau diese Auswahl immer auch ein Element der Debatte sein. Anderenfalls wird sie fremdbestimmt.”
Weiterer Lesetipp:Journalisten müssen Frames genauso checken wie Fakten (stefan-fries.com).
Und wer sich inhaltlich auf den neuesten Stand bringen lassen will, ist beim ARD-“Faktenfinder” gut aufgehoben: Maaßen und das Video von Chemnitz (faktenfinder.tagesschau.de, Patrick Gensing).

2. Es machte Spaß mit Barbara Laugwitz
(taz.de, Margarete Stokowski)
Die Entlassung der erfolgreichen Rowohlt-Verlegerin Barbara Laugwitz durch den Holtzbrinck-Konzern gibt Rätsel auf. Ein Rätsel, das sie selbst nicht aufklären darf: Laugwitz erhielt eine Kontaktsperre, laut der sie weder mit ihren Ex-MitarbeiterInnen noch mit AutorInnen oder Medien sprechen darf. In der “taz” kommentiert die Rowohlt-Autorin Margarete Stokowski das Geschehen und erzählt von ihrer ersten Begegnung mit der Verlegerin.

3. “Gefahr, dass Journalismus noch mehr Elitenjob wird”
(deutschlandfunk.de, Isabelle Klein, Audio, 5:22 Minuten)
Der Journalist und “Netzwerk Recherche”-Projektleiter Thomas Schnedler hat für seine Dissertation mit prekär beschäftigten Journalisten gesprochen. Viele Journalisten seien auf finanzielle Unterstützung Dritter angewiesen mit den damit verbundenen Folgen: “Das ist tatsächlich eine große Gefahr, dass der Journalismus noch mehr als ohnehin schon zu so einer Art Elitenjob wird, den man sich leisten können muss, weil man entweder selber über die nötigen Mittel verfügt oder weil man eben solche Sicherheitsgaranten und andere Unterstützer hat, die einem das dann erst ermöglichen.”

4. Mein Kollege, der Roboter
(journalist-magazin.de, Anna Friedrich)
Kann der Computer leibhaftige Journalisten ersetzen? In machen Bereichen schon: Bei Börsen- und Finanzmeldungen setzen “Focus Online” und das “Handelsblatt” bereits auf das Angebot des Dortmunder Dienstleisters “textomatic”. Dort werden mit Hilfe künstlicher Intelligenz automatisierte Nachrichten produziert, ganz ohne menschliches Zutun.

5. “Eingeimpft” im MedWatch-Check Teil 1: Wie fragwürdige Experten Stimmung gegen Impfungen machen
(medwatch.de, Hinnerk Feldwisch Drentrup)
Im Dokumentarfilm “Eingeimpft” suchen Regisseur David Sieveking und seine Partnerin eine Antwort auf die Frage, ob das Paar seine Kinder impfen lassen soll oder nicht. Dazu spricht Sieveking mit Wissenschaftlern, Ärzten und Impfkritikern. “Medwatch” hat sich den Film angesehen und eigene Recherchen angestellt. Der Befund: “Eingeimpft”, so unschuldig, offen und ehrlich Sievekings Familiengeschichte daherkommt, ist die Geschichte einer Verunsicherung. Sie spielt mit der Angst von Eltern, und sie liefert Impfkritikern Nahrung für ihre Verschwörungstheorien.

6. DDR-Hörfunk-Hitparade startet (am 11.09.1953)
(wdr.de, Thomas Klug, Audio, 14:37 Minuten)
Der DDR-Fernsehunterhalter Heinz Quermann war umtriebig und vielseitig wie kaum ein anderer: Er war Redakteur, Regisseur, Talentsucher und Conférencier und soll Tausende von Sendungen in Rundfunk und Fernsehen gestaltet haben. Um westlichen Angeboten etwas entgegenzusetzen, erfand er die Schlagerrevue und wurde zum großen Übervater der Schlagersänger zwischen Kap Arkona und Fichtelberg. Bei WDR-“Zeitzeichen” blickt man auf den 11. September 1953 zurück, den Start der DDR-Hörfunk-Hitparade.

“Sofort erschiessen den Eselsohn”

Ernst Elitz zu sein hat auch seine Vorteile. Man könnte ihn pink anstreichen und mit quietschenden Clownschuhen in die Innenstadt schicken — es müsste nur jemand von “Bild” kommen und sagen: “Nee, Ernst, keine Sorge, du siehst ganz normal aus!” Er würde es glauben und beruhigt weiterquietschen.

So läuft das beim “Bild”-Ombudsmann. Als er jetzt von Leserinnen und Lesern gefragt wurde, was “Bild” auf Facebook tue, um den Hass in den Kommentaren einzudämmen, sagte ihm die Redaktion, dass sie den Hass lösche.

Fall abgeschlossen.

Der BILD-Ombudsmann - Bild löscht Hass

Werden Migranten einer Gewalttat verdächtigt, reagieren Leser auf die Facebook-Beiträge von BILD im Sekundentakt. Viele testen dabei die Grenzen des Rechts auf freie Meinungsäußerung aus. Mich erreichen Mails mit der Frage: Was tut BILD, um dabei den Hass “einzudämmen” und nicht noch zu “schüren”? (…)

Die Redaktion greift bei unangemessenen Äußerungen ein, stellt Fake News richtig und sperrt Hetzer, die andere “an den Eiern aufhängen” oder Flüchtlinge “wieder im Mittelmeer aussetzen” wollen, mit einem Klick auf die Löschtaste aus.

Hätte Elitz selbst mal einen Blick auf die Facebook-Seite von “Bild” geworfen, wäre er auf diesen Beitrag gestoßen:

Facebook-Eintrag von Bild - Youssef H. und Souina S. sollen das sieben Monate alte Kind geschlagen, gebissen und anschließend zurück gelassen haben. - Der Vater lachte fröhlich im Gericht: Eltern ließen kleine Ilias sterben

Und darunter auf diese Kommentare:

An der nächsten Strassenlampe aufhängen…

Dreckspack , an die Wand und Feuer.

Hinrichten!!!!verdammte drecksschweine unzwar beide!!!!😠😠

Kann man solche Leute nicht einfach erschießen .

Dreckspack

Da einsperren wo die harten Jungs sind er lacht dann nicht mehr

Solch eine Person an die Wand stellen und exekutieren.
Dies wäre eine angemessene Strafe

Bitte Deutschland holt die Todesstrafe

Dreckiges pack 😡😡😡😡

Ich wäre für öffentlich steinigen

Eine kugel ist noch zu schade für den Asch

..ab in die Heimat aber schnell, gerne mit Folter.

Mein Vorschlag. Eisenstange und dann jeden Knochen brechen, aber nur jeden Tag einen, damit es sich auch lohnt.

Aufhängen

gesindel.schlimmer als tiere.

Wo ist nur der gute alte Galgen geblieben

Für solche Menschen wöre die Todesstrafe angebracht.!!!!!

weg mit dem Abschaum die sollen genau so leiden wie der kleine

So ein urvieh hat jegliches recht auf Existenz verwirkt

Auf den Stuhl! Mit so einem abschaum.

Dieses Pack macht hier was es will !

Wer noch schäbig lacht hat eine sehr qualvolle Todesstrafe verdient!

Sofort erschiessen den Eselsohn

das ist deren Kultur, nichts neues

Direkt Giftspritze setzen ohne Knade

Das gleiche mit die Schweine machen

Beide in Flieger. Aussteigen ohne Landen. Fertig.

Hinter die Karre binden und über die Autobahn schleifen bis Ihnen das Grinsen vergeht! Welche Monster leben nur unter uns! Unfassbar

Ein weiterer Beweis das diese Menschengruppe nicht mal ansatzweise europäische Werte in sich tragen bzw. fähig sind sie anzunehmen.

15 Jahre Knast, danach direkt abschieben……DRECKSPACK !!!!! Und die so genannten Anwälte, die solche ARSCHLÖCHER noch verteidigen, direkt die Lizenz entziehen !!!!!!!!!!!!!

Köpfen dieses schwein

Schädel runter und nicht noch Steuergelder verschwenden.

Sind die schuldig, dann ab in den Keller 7,62 mm gesunden Menschenverstand einsetzen und gut ist es.

Tötet ihn!!

Monster 👹😡beide abschieben Richtung Todesstrafe 💣💉👹😡😡😡😡

Einfach nur Aufhängen und richtig leiden lassen die beiden , was sie Ihrem Kind angetan haben.

Wenn ich allein die Vornamen lese, wird mir schlecht…, alles klar…
In deren Wüstenstaaten is son menschenverachtendes Verhalten ja völlig normal.
Kanake bleibt Kanake!
Dreckspack!!!

Dem sollte man nen Schneeschieber ins Maul stopfen

In der hölle wünsche ich ihnen 72 dauergeile rosettenvögler

Viele der Kommentare stehen seit über 20 Stunden auf der Seite. “Auf die Löschtaste” geklickt hat niemand.

Hätte Elitz dann kurz weitergescrollt, wäre er auf diesen Beitrag gestoßen:

Facebook-Eintrag von Bild - Im Minions-T-Shirt vor Gericht: Mann (24) hortet mehr als 7000 Kinderpornos - Darunter auch Videos und Fotos, auf denen wenige Monate alte Säuglinge schwer sexuell missbraucht werden

Und auf diese Kommentare:

Direkt Todesstrafe

Ne 9mm Kopfschmerztablette und der Müllhaufen kostet nicht noch unnötig Gelder !

Kastrieren… basta !

Der hat einen Kopfschuss verdient was gibt es da noch zu verhandeln 😡😡😡😡wer sich an einem Kind vergeht hat für mich alle rechte verloren Punkt

Sowas gehört sich gleich direkt getötet

Wer sich an Kindern vergeht, hat das Recht auf sein Leben verwirkt!

Pimmel ab……!!!!!

Das sowas überhaupt noch einen Prozess bekommt. Kostet wieder nur Steuergelder 🤦‍♀️ Erst Schippi abhacken, dann Kopf abhacken und dann hat sich das kostengünstig erledigt.

Der hat seine Daseinsberechtigung verspielt und gehört an die Wand gestellt 😠😠

Ekelhafter Untermensch! Mehr fällt mir da nicht ein. Wie krank kann ein Mensch sein.

Der gehört in ein Loch gesperrt und zugemauert 🤬🤬🤬🤬🤬

Tut mir leid aber solche Menschen gehören an die Wand gestellt!

Eier mit allem ab !!!

Töten ihn

Bei lebendigen Leib verbrennen. Vorher noch 24 Stunden foltern!

Verbuddelt dieses Unkraut 😠😠 und die Richterin gleich mit…

Im Wald an einen Baum verkert an seinem Schwanz aufhāngen.Und kreppieren lassen.

Da hilft nur der Elektrische Stuhl.

Ein Strick geht auch

Diese mistmade wird (hoffentlich im knast) so rangenommen, das er dauerhaft ne auffangschüssel braucht 😤😡

Einschläfern !!!!

Kastrieren ohne medizinischen Eingriff und ausbluten lassen !

Todesstrafe für ihn ! Wer ander Meinung hat müsste sie auch bekommen !!!!!

Töten

Warum lebt so was noch?Kann den mal jemand bei Seite schaffen 😡😡

Öffentlich hinrichten lassen aber vorher zu Tode quälen ! Mittelalterliche Methoden als Strafe für Kinderschänder und alle die was damit zu tun haben! Ich bring euch alle um!

Ein Baum Ein strick ein pedogenick

Du reudiger Köter erschießen müsste man dich Du dreckiger Asphaltbesen😠😠

Das einzige recht das ihm jetzt bleiben sollte ist sein Tod!

Da gibt es doch sooo viele gaaaanz tiefe Löcher und Schluchten auf diesem Planeten….einfach rein mit solchen Leuten….spart man Nerven und Kosten…was anderes verdienen die sowieso nicht!

Schwanz ab das einzige was hilft

Totesstrafe für solche Drecksschweine 😡😡😡mit welcher Begründung darf so ein Drecksschweine überhaupt Leben😡😡

Schnipp Schnapp Schwänzchen ab😎Punkt

Sofort Kopf ab

Hätte Elitz dann noch ein bisschen weitergescrollt, wäre er auf diesen Beitrag gestoßen:

Facebook-Eintrag von Bild - Dieser Fall an einer Berliner Grundschule schockiert Deutschland und bringt immer mehr schreckliche Details zum Vorschein. - Vergewaltigung von Grundschüler: Täter hatte anderes Opfer im Visier

Der mutmaßliche Täter ist ein zehnjähriger Junge aus Afghanistan. Und was meinen die “Bild”-Leser?

Ein Täter
Eine Wand
Muss ich mehr sagen

Die ganze sippe ausrotten

Öffentlich wie im Afghanistan auf dem Marktplatz steinigen

Natürlich kommt der Täter in ein Schutzprogramm. Im “Rechtsstaat” muss man ja mehr für einen armen Täter tun. Vorallem wenns ein Batschake aus irgendwo ist. Wie wäre es mit ordentlich Prügel und Abschieben in sein Bauerndorf? Sollen die doch mit ihm klarkommen

Unfassbar 🤬😠!Und da soll man keinen Hass bekommen….!!!Dreckspack🤬🤬

Hätte man bei der Beschneidung besser Mal die restlichen cm mit weggeschnibbelt. Ich bin für Zwangskastration aufgrund psychischer Störung. Sonst passiert dem Mistblag ja nix !

Statt sich Gedanken zu machen wo er unterrichtet werden soll, sollte man ihn mitten auf einem Mienenfeld aussetzen. Danke für nix Frau Merkel

Das ist ja wohl eine saudumme Frage, wo der unterrichtet werden soll, der gehört nach Afghanistan! Dort scheint das zur Kultur zu gehören!
Es geht mir nicht in Kopf, wie ein (angeblich) 10jähriger schon zu solch einer widerlichen Tat fähig ist. Der gehört kastriert!

Was du nicht willst was man dir tu, das füg auch keinem andren zu. Ab in die Zelle zu nem Pedo. Feierabend

Gäbe es keine Flüchtlinge in unserem Land, gäbe es keine derartigen Verbrechen. Es ist an der Zeit, dass wieder Ruhe und Ordnung in Deutschland einzieht .

Klatscht die Leute einfach selber weg meine Güte. Was will man sich auf Gerichte verlassen, das ist doch lächerlich.

Gehört eingeschläfert. Das Leben eines solchen Wesens ist weniger wert, als das von Schweinen. Die tun wenigstens niemandem Leid an. Und die werden auch Tag für Tag zu Tausenden geschlachtet. Einschläfern und fertig, Ende des Problems.

Hätte Ernst Elitz dann noch weiter gescrollt, wäre er auf viele, viele, viele weitere Kommentare gestoßen, in denen sich “Bild”-Leser ausmalen, wie sie Ausländer foltern und Kinder kastrieren, in denen sie beleidigen, zum Mord aufrufen und sich Auschwitz zurückwünschen. Stattdessen gibt er Entwarnung: “BILD löscht Hass”!

Wer als Ombudsmann eine solche Witzfigur abgibt, hätte Clownschuhe mehr als verdient.

Chemnitz und die Folgen, Muffige Männerkolumne, Buten un Lührssen

1. Chemnitz: Nagelprobe für Sachsens Polizei
(ndr.de, Timo Robben &Leonie Puscher, Video, 5:20 Minuten)
Politische Demonstrationen sind für Journalisten ein gefährliches Pflaster. Oft geraten sie zwischen die Fronten oder werden selbst angegriffen. Das Medienmagazin “Zapp” war in Chemnitz und hat mit Reportern gesprochen.
Weiterer Tipp: In einem weiteren “Zapp”-Beitrag geht es um eigentlich jahrzehntelang bekannte und bewährte Verhaltensgrundsätze für die Zusammenarbeit von Presse und Polizei, die anscheinend in Vergessenheit geraten sind.

2. Über Fake News und unterschlagene Wahrheiten
(makroskop.eu, Heiner Flassbeck)
Wirtschaftswissenschaftler Heiner Flassbeck war Chef-Volkswirt der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) und Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Zusammen mit Paul Steinhardt gibt er “Makroskop” heraus (“Kritische Analysen zu Politik und Wirtschaft”). Im aktuellen Beitrag hat er drei Wirtschaftsmeldungen untersucht: “Was ist Fake und was ist nur die Verdrehung der Wahrheit bis zur Unkenntlichkeit?”

3. Eine Zäsur findet nicht statt
(spiegel.de, Sascha Lobo)
Sascha Lobo denkt in seiner neuen Kolumne über den Umgang mit Rechtsextremismus nach. Es geht um die jüngsten Exzesse und die Verantwortung von Politik, Behörden, Polizei und bestimmter Medien: “Überhaupt die Mitverantwortung der Medien, vor allem der “Bild”-Zeitung. Dort fragte man in großen Schlagzeilen, wer wohl an den “unfassbaren Jagdszenen” die Schuld trage und bot — ja, wirklich — zur Auswahl an: “Entfesselter Ausländerhass, linke Chaoten, überforderte Polizei”. Das erreicht Fox-News-Dimensionen der Irreführung, wenn Nazis Menschen gejagt haben. Das ist nicht weniger als monströs, und ich halte es nicht für einen Zufall, dass Rechtsextreme nicht als Personen genannt werden.”

4. Dürfen Journalisten ein Parteibuch haben?
(sueddeutsche.de, Thomas Hahn)
Der Journalist Hinrich Lührssen ist vielen Zuschauern des Fernsehmagazins “Buten un Binnen” (Radio Bremen) durch seine unterhaltsamen Beiträge als aufdringlicher Reporter bekannt. Nachdem Lührssen bekannt gegeben hat, Teil des Bremer AfD-Landesvorstandes zu sein, hat der Sender beraten, wie man zukünftig mit dem freien Mitarbeiter umgehen soll.

5. “Sie wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen”
(deutschlandfunk.de, Antje Allroggen)
US-Journalismusforscher Jay Rosen war drei Monate in Deutschland, um die hiesigen Medien zu untersuchen. Im “Deutschlandfunk”-Interview spricht er über seine Eindrücke. Rosen ist aufgefallen, dass Journalisten noch immer Probleme im Umgang mit Rechtspopulisten haben. Er wird das Thema weiterhin aus den Staaten verfolgen: “Mich interessiert, wie es für die Medien in Deutschland weitergehen wird: Wird es den Medien hier gelingen, sich gegen den Populismus zu behaupten? Wird es vielleicht eine linke Bewegung geben, die sich ähnlich wie jetzt die rechte gegen die Medien richten wird?”

6. Gegen den neuen Männer-Kolumnisten von Bild.de ist Franz Josef Wagner ein Feminist
(vice.com, Lisa Ludwig)
Bei “Bild” haben sie einen neuen Kolumnisten installiert. Er trägt das Pseudonym “Leif Lasse Andersson” und darf in der “Unrasierten Wahrheit” wöchentlich darüber jammern, wie schwer ihm das Leben als “mittelalter Mann” gemacht wird. Die unterirdischen Geschlechterbilder der Männer-Kolumne kämen nicht von ungefähr, so Lisa Ludwig, die außer einer “Tüte Mitleid” wenig für den Kolumnenschreiber übrig hat: “Leif Lasse Anderssons Ouevre als Autor besteht primär daraus, 2013 einen Roman über seine Erfahrungen mit Online-Dating veröffentlicht zu haben. Eines dieser Bücher, in denen Frauen so sind, und Männer eben anders; Mario-Barth-Literatur, aber mit explizit beschriebenen Sexszenen.” Eine “stupide Aneinanderreihung der sexuellen Eskapaden eines Losers”, wie es eine Amazon-Rezensentin treffend zusammengefasst habe.

Eins ist sicher: “Bild” macht Angst

“Die neue Serie”, die heute in “Bild” und bei Bild.de gestartet ist, ist eigentlich schon eine ganz alte: Es geht um die “Bild”-Kernkompetenzen Angsthaben und Angstmachen. Nur dass die Redaktion den Artikel etwas anders überschrieben hat:

Ausriss Bild-Zeitung - So unsicher ist Deutschland - Neue Serie in Bild: Die Wahrheit über Verbrechen und Gewalt

Auch Bild.de hat die UNsicherheit in Deutschland auf der Startseite extra noch mal gelb hervorgehoben (die Antwort, wie unsicher Deutschland ist, gibt es nur für “Bild plus”-Abonnenten):

Screenshot Bild.de - Neue Serie in Bild: Die Wahrheit über Verbrechen und Gewalt - So unsicher ist Deutschland

Den Anlass für ihre “Verbrechen und Gewalt”-Serie nennt die Redaktion direkt im ersten Satz:

Jeder dritte Deutsche fühlt sich in seinem Land nicht mehr sicher!

Nun könnte man diesem Drittel der Deutschen erklären, dass es sich bei ihrem Unsicherheitsgefühl um ein subjektives Empfinden handelt, und dass das subjektive Empfinden der zwei anderen Drittel der Deutschen eher mit den Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) des Bundeskriminalamts zusammenpasst. Vor allem, was das “nicht mehr sicher” angeht. Denn das beinhaltet ja auch, dass sich diese Leute mal sicher gefühlt haben, nun aber “nicht mehr”.

Schaut man sich die PKS für das Jahr 2017, auf der die “Bild”-Serie hauptsächlich beruht, selbst an, erkennt man den genau gegenteiligen Trend: Es gab im vergangenen Jahr weniger erfasste Straftaten als ein Jahr zuvor. Deutlich weniger: 2017 waren es 5.761.984, 2016 noch 6.372.526. Ein Rückgang von 9,6 Prozent. Zur Wahrheit gehört auch, dass 2015 und 2016 recht hohe Werte vorlagen. Aber: Mit den knapp 5,76 Millionen Straftaten waren es 2017 so wenige wie seit 1993 (6.750.613) nicht mehr. Die Gewaltkriminalität mit Morden, Raubdelikten und Körperverletzungen ist gesunken (minus 2,4 Prozent), die Straßenkriminalität ist gesunken (minus 8,6 Prozent), die Diebstahlkriminalität ist gesunken (minus 11,8 Prozent), es gab weniger Beleidigungen (minus 7,7 Prozent). Die Wirtschaftskriminalität ist hingegen gestiegen (plus 28,7 Prozent), genauso die Fallzahl der Vergewaltigungen, sexuellen Nötigungen und Übergriffe, wobei das Bundeskriminalamt darauf hinweist, dass “aufgrund der Änderungen im Sexualstrafrecht” ein Vergleich mit dem Vorjahr nicht möglich sei.

Solche Details und auch die Zahl der “Straftaten insgesamt” in Deutschland nennen die “Bild”-Medien nicht — und damit natürlich auch nicht den Rückgang der Straftaten. Das ist schon ein bisschen merkwürdig: Zum Start einer Serie über “Verbrechen und Gewalt” in Deutschland erzählt die Redaktion nicht, wie viele Verbrechen und wie viel Gewalt es in Deutschland überhaupt gibt. Stattdessen handelt Teil 1 von den Opfern von “Verbrechen und Gewalt”. Im für morgen angekündigten Teil 2 soll es um die Täter gehen. Damit scheint sich die “Bild”-Redaktion am Aufbau der PKS zu orientieren — nur dass dort vor Band 2 (“Opfer”, PDF) und Band 3 (“Täter”, PDF) noch Band 1 (“Fälle, Aufklärung, Schaden”, PDF) mit den “Straftaten insgesamt” kommt.

Stattdessen betrachten “Bild” und Bild.de zum Start also die Opfer. Polizei-Gewerkschafter und Hardliner Rainer Wendt darf natürlich was dazu sagen, die “Bild”-Redaktion hält den Aufwand überschaubar, indem sie vom Bundeskriminalamt bereits herausgearbeitete Trends und zusammengefasste Beobachtungen abschreibt, und wenn sie aus der Statistik dann doch mal eine eigene Erkenntnis zieht, ist diese eher verwirrend als erhellend:

Ausriss Bild-Zeitung - Die meisten Opfer sind 21 bis 59 Jahre alt - dazu ein Tortendiagramm mit Opfer insgesamt: 1008510, unter 6 Jahren: 10035, 6 bis 13 Jahre: 58785, 14 bis 17 Jahre: 84071, 18 bis 20 Jahre: 88834, 21 bis 59 Jahre: 704139, 60 Jahre und älter: 62646

Es ist nicht so überraschend, dass eine Gruppe mit 39 Jahrgängen (21 bis 59 Jahre) deutlich größer ist als Gruppen mit drei (18 bis 20 Jahre) oder vier Jahrgängen (14 bis 17 Jahre). Rechnet man aber die Opferzahl auf Opfer pro Jahrgang runter (was gerade bei so großen Spannen wie 21 bis 59 Jahre selbstverständlich zu recht ungenauen Ergebnissen führen kann), sieht es schon anders aus: Bei den 21- bis 59-Jährigen sind es durchschnittlich 18.055 Opfer pro Jahrgang, bei den 18- bis 20-Jährigen 29.611 und bei den 14- bis 17-Jährigen 21.017.

Um den insgesamt 1.008.510 Opfern zumindest ein paar Gesichter zu geben, haben die “Bild”-Medien drei konkrete Beispiele rausgesucht: Eine Frau, bei der ein Albaner ins Haus eingebrochen ist, eine Familie, die zusammengeschlagen wurde, Tatverdächtige: zwei Serben und ein Syrer, sowie eine alte Frau, die verprügelt und ausgeraubt wurde, Täter unbekannt.

Fünf Täter/Tatverdächtige, vier davon Ausländer, einer unbekannt. Es kann ein unglücklicher, die Tatverdächtigen-Statistik verzerrender Zufall sein, dass “Bild” diese Auswahl so getroffen hat. Es kann aber auch kein Zufall sein. Und man glaubt weniger an einen Zufall, wenn man die Ankündigung für den morgigen Serien-Teil 2 liest:

Ausriss Bild-Zeitung - Lesen Sie morgen in Bild: Junge Männer oder Flüchtlinge - das sind die größten Tätergruppen!

Wir verraten gern schon heute: Flüchtlinge sind nicht die größte Tätergruppe.

Wie “Bild” mit einer Vorverurteilung den Rechtsstaat in Verruf bringt

Es gibt ihn noch. Ernst Elitz, vor eineinhalb Jahren von “Bild”-Chef Julian Reichelt als Ombudsmann eingesetzt, als Anwalt für die Leserinnen und Leser, ist noch immer im Amt. Nach wie vor scheint er sich eher als Anwalt der Redaktion zu sehen und verteidigt die “Bild”-Medien gegen kritische Zuschriften aus der Leserschaft, aber manchmal findet selbst Elitz, dass “Bild” und/oder Bild.de was falsch gemacht haben. Vor gut zwei Wochen schrieb er:

Von grundsätzlicher Bedeutung ist auch der Hinweis des Lesers Alexander Neu.

Die Sendung “Hart aber fair” hatte eine offizielle Kriminalstatistik über “tatverdächtige” Ausländer präsentiert. Der Leser kritisiert zu Recht, dass im BILD-Bericht über die Sendung der Eindruck erweckt wurde, es handle sich um eine Statistik bereits verurteilter Täter. Das war sie nicht!

Nicht jeder, der unter Verdacht steht, ist schon ein überführter Krimineller. Gerade bei einem politisch so brisanten Thema muss korrektes Zitieren erstes Gebot sein.

Hört, hört!

Es ist aber schon etwas niedlich, dass jemand in “Bild” und bei Bild.de ernsthaft mahnt, man solle Tatverdächtige nicht als überführte Kriminelle darstellen; in den zwei Medien, die seit jeher wie keine anderen Tatverdächtige als überführte Kriminelle darstellen.

Das aktuellste Beispiel dieser redaktionellen Leidenschaft: Sami A.

Über den Tunesier wurde in den vergangenen Wochen viel geschrieben und diskutiert. Bei Bild.de unter anderem mit dieser Schlagzeile aus dem Juli:

Screenshot Bild.de - Abschiebe-Skandal! Juristisches Tauziehen um Ex-Leibwächter von Osama bin Laden - Kommt Terrorist Sami A. jetzt zurück nach Deutschland?
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns.)

Das Problem dabei: Sami A. ist kein Terrorist. Jedenfalls wurde er nie als Mitglied einer terroristischen Vereinigung verurteilt. Oder wie Ombudsmann Elitz sagen würde:

Nicht jeder, der unter Verdacht steht, ist schon ein überführter Krimineller. Gerade bei einem politisch so brisanten Thema muss korrektes Zitieren erstes Gebot sein.

Die Berichterstattung der “Bild”-Redaktion zum Fall von Sami A., die man wohlwollend als schlampig und ungenau bezeichnen kann und weniger wohlwollend als böswillig falsch, ist gleich doppelt problematisch: Sie erklärt einen Mann zum Terroristen, der rechtlich gesehen keiner ist. Und vielleicht noch schlimmer: Sie hinterlässt bei der Leserschaft den falschen Eindruck, dass der Staat überlegt, einen verurteilten Terroristen nach Deutschland zurückzuholen. Die daraus resultierende (unberechtigte) Verachtung für Behörden und Gerichte kann man in den Facebook-Kommentaren zum “Terrorist”-Artikel bestens beobachten:

Bitte bitte nicht! Ein Terrorisrt und Mörder oll zurückgeholt werden! Seit ihr jetzt alle komplett durchgeknallt oder habt ihr schlechte Drogen erwischt!

Je mehr Verbrechen du als Migrant begehst und je mehr einer weltweit gejagt wird, desto mehr klammert sich dieser Staat an seine Terroristen.

Jeden Tag kann man sehen warum man Heute die AFD eigentlich schon wählen muss: Alle anderen Parteien hofieren Verbrecher und Terroristen.

Wie kommen andere Länder nur auf die Idee, Deutschland würde Terroristen willkommen heißen. Kann ich ja so gaaaar nicht nachvollziehen.

Das Theater signalisiert allen Terroristen auf der Welt — in D kannst du sicher und vollversorgt auf Kosten Anderer, deinen wohl verdienten Terror Lebensabend geniessen….

Überall wird Terrorismus bekämpft und in Deutschland holt man ihn sich rein….Ganz sauber im Oberstübchen sind wohl hier viele Amtsinhaber nicht mehr.

Jetzt kämpft das Gericht in Gelsenkirchen darum, das der arme Traumatisierte Terrorist sofort wieder an die Sozialtöpfe nach Deutschland zurückkehren kann. Dieser Irrsinn ist nicht mehr zu verstehen.

Natürlich versteht man als nur halbinformierter “Bild”-Leser die Welt und vor allem deutsche Behörden und Gerichte und die Regierung nicht mehr, wenn scheinbar ein Terrorist “jetzt zurück nach Deutschland” kommen soll, und kommentiert bei Facebook wütend drauf los. Dass diese Empörung auf falschen Tatsachen beruht, ist auch “Bild” zu verdanken.

Sami A. kommt 1997 als Student nach Deutschland. 2006 stellt er einen Asylantrag, der 2007 abgelehnt wird. 2010 entscheidet ein Verwaltungsgericht, dass Sami A. nicht abgeschoben werden darf, weil ihm in Tunesien unter anderem Folter drohe. 2014 widerruft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dieses Abschiebungsverbot, weil in Tunesien ein Regimewechsel stattgefunden hat. 2016 entscheidet ein Verwaltungsgericht erneut, dass Sami A. nicht abgeschoben werden darf, da ihm in Tunesien noch immer “mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung” drohe. Ein Oberverwaltungsgericht bestätigt diese Entscheidung 2017. Am 13. Juli dieses Jahres wird Sami A. doch nach Tunesien abgeschoben, obwohl einen Tag zuvor ein Verwaltungsgericht erneut entschied, dass er dorthin nicht abgeschoben werden darf. Der Mann kam in Tunesien direkt ins Gefängnis. Nun wird diskutiert, ob Sami A. nach Deutschland zurückgeholt werden muss. Bei “Spiegel Online” gibt es eine detaillierte Chronologie.

Mittendrin in diesem Hin und Her, ab März 2006, gibt es Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen Sami A. wegen des Verdachts auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Er soll um die Jahrtausendwende mehrere Monate im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan gewesen sein und dort eine militärische Ausbildung der Terrororganisation al-Qaida durchlaufen haben. Anschließend soll er zum Mitglied der Leibgarde Osama bin Ladens aufgestiegen sein. Sami A. bestreitet all das. Das Verfahren gegen ihn wird im Jahr 2007 eingestellt, da die Ermittlungsergebnisse nicht für eine Anklageerhebung reichen.

Sami A. ist also kein verurteilter Terrorist. Ihm wurde auch nie von einer Staatsanwaltschaft oder einem Gericht nachgewiesen, Leibwächter Osama bin Ladens gewesen zu sein. Er ist laut Behörden ein islamistischer Gefährder.

Einen Mann, gegen den wegen Mordes ermittelt wird, kann man auch nicht einfach Mörder nennen, wenn die Ermittlungen mangels Beweisen eingestellt werden. Wer es trotzdem macht, hat nichts übrig für den Rechtsstaat und das Prinzip der Unschuldsvermutung. Und wer es so penetrant macht wie die “Bild”-Redaktion, gibt diese Justizverachtung an die eigene Leserschaft weiter.

Nur ein paar Beispiele:

Screenshot Bild.de - Ex-Leibwächter von Osama bin Laden abgeschoben!
Ausriss Bild-Zeitung - Gericht entscheidet zwölf Stunden nach Abschiebung - Bin Ladens Leibwächter muss zurück nach Deutschland!
Ausriss Bild-Zeitung - Schon wieder grobe Fehler beim Abschieben - Nach Bin Ladens Leibwächter soll erneut ein Asylbewerber nach Deutschland zurückgeholt werden
Screenshot Bild.de - Bin-Laden-Leibwächter Sami A. nach Tunesien gebracht. Jetzt soll er zurück
Ausriss Bild-Zeitung - Abschiebung von Bin Ladens Leibwächter - Wer hat Schuld am Chaos?
Screenshot Bild.de - Abschiebung des Bin-Laden-Leibwächters - Dieser Anwalt will Sami A. nach Deutschland zurückbringen
Screenshot Bild.de - Sami A. ist das Sinnbild für den Abschiebe-Irrsinn - Kein Fall mehr für deutsche Gerichte - Bin Ladens Ex-Leibwächter wurde endlich abgeschoben - Anwältin des Terror-Gefährders: Er muss mit Visum zurück

“Bild” veröffentlichte auch eine Art Interview mit Sami A. “Bild”-Reporter Paul Ronzheimer hatte dem Anwalt des Tunesiers Fragen mitgegeben. Sami A. antwortete unter anderen:

“Ich war nie Leibwächter von Osama bin Laden, das ist völlig frei erfunden. Ich war in Saudi-Arabien, Pakistan und Iran in meinem Leben, aber nie in Afghanistan. Auch hier in Tunesien wissen alle, dass diese Vorwürfe einfach nicht stimmen.”

Dass es doch so war, dass die “Bild”-Berichterstattung der vergangenen Wochen und Monate also nicht in einem wichtigen Punkt falsch war — dazu liefern “Bild” und Ronzheimer nicht einen Beweis.

Ende Juli gab es dann gleich zwei größere Überraschungen: Sami A. wurde in Tunesien aus der Haft entlassen, und Bild.de schrieb auf einmal:

Screenshot Bild.de - Breaking News - Mutmaßlicher von Osama bin Laden: Sami A. in Tunesien vorläufig wieder frei

Das Wort “mutmaßlicher” war aber wohl doch nur ein Ausrutscher. Kurz darauf ging es bei “Bild” und Bild.de mit der gewohnten Missachtung der Unschuldsvermutung weiter.

“Bild” verunsachlicht Kindergeld-Debatte mit falschen Zahlen

“Bild”-Chefreporter Peter Hell hat einen Bulgaren gefunden, der den Leserinnen und Lesern mal erklärt, wieso das mit den deutschen Sozialleistungen für EU-Bürger aus Sicht eines Bulgaren eine ganz einfache Rechnung ist:

Screenshot Bild.de - EU-Ausländer stauben Kindergeld ab - Ein Bulgare erzählt, warum er nach Deutschland kam

Blöderweise nutzt er dafür allerdings falsche Zahlen. Und die “Bild”-Medien verbreiten sie weiter:

Einer, der aufgrund der lukrativen Sozialleistungen aus Plovdiv (Bulgarien) mit dem Bus vor acht Jahren mit seiner Familie nach Deutschland reiste, ist Ricky* (20, Name geändert). BILD traf den Bulgaren, seine zwei Geschwister und Eltern in ihrer Dreieinhalb-Zimmer-Wohnung (70 qm) in Dortmund. Zwei Jahre arbeitete Ricky als Koch. Aktuell lebt die gesamte Familie von Sozialleistungen.

Ricky rechnet gegenüber BILD vor: “In Bulgarien bekommst du 7 bis 8 Euro Kindergeld und 15 Euro Arbeitslosengeld pro Monat. In Deutschland ist das besser. Hier sind es fast 200 Euro pro Person. Eine Familie mit drei, vier Kindern kommt auf fast 800 Euro. Die Miete und der Strom werden uns mit 600 Euro auch bezahlt. Außerdem bekomme ich Arbeitslosengeld. Deshalb ist Deutschland für mich das beste Land.”

Erstmal: Wenn Ricky heute 20 ist und vor acht Jahren nach Dortmund kam, dürfte es ausgesprochen unwahrscheinlich sein, dass er als 12-Jähriger auf die Idee kam, sich aufgrund deutscher Sozialleistungen nach Deutschland aufzumachen, wie Bild.de in der Überschrift behauptet. Die Initiative dürfte wohl eher von Rickys Eltern ausgegangen sein.

Dann: Wenn Ricky zwei Jahre als Koch gearbeitet hat, wird er vermutlich in die Sozialkassen eingezahlt haben. Dass er daraus nun Arbeitslosengeld bekommt, ist erstmal nur fair.

Aber vor allem: Leider hat Ricky keine besonders große Ahnung von den Sozialleistungen in Bulgarien. Und leider hat “Bild”-Chefreporter Peter Hell kein besonders großes Interesse an Fakten.

“7 bis 8 Euro Kindergeld und 15 Euro Arbeitslosengeld pro Monat” in Bulgarien — da wird selbst der letzte Stammtischler sagen: “Ist ja klar, dass die zu uns kommen und hier was abstauben wollen!” Nur sind die Zahlen falsch.

Eine bulgarische Familie mit einem Kind bekommt aktuell 40 Lew pro Monat, mit zwei Kindern insgesamt 90 Lew, mit drei Kinder 135 Lew, mit vier Kinder 145 Lew. Für jedes weitere Kind gibt es 20 zusätzliche Lew. Zwei bulgarische Lew sind in etwa ein Euro. Also: 20 Euro für ein Kind, 72,50 Euro für vier Kinder. Das ist, verglichen mit den monatlich rund 200 Euro Kindergeld in Deutschland, immer noch wenig. Aber eben deutlich mehr als von Ricky in den “Bild”-Medien behauptet.

Noch viel weiter entfernt von den tatsächlichen Zahlen ist Rickys Angabe zum Arbeitslosengeld. In Bulgarien hat jeder darauf einen Anspruch, der in mindestens neun der 15 Monate vor der Arbeitslosigkeit in den staatlichen Arbeitslosenfonds eingezahlt hat. Die Höhe des Arbeitslosengeldes richtet sich nach dem durchschnittlichen Nettolohn der vorangegangenen 24 Monate und beträgt 60 Prozent davon. Es gibt allerdings einen Mindestbetrag: Für 2018 liegt dieser bei 9 Lew, also 4,50 Euro — pro Tag. Und nicht, wie von Ricky in “Bild” behauptet, bei 15 Euro pro Monat. Der Höchstbetrag liegt bei 74,29 Lew beziehungsweise 37,15 Euro täglich. Das monatliche Arbeitslosengeld beträgt in Bulgarien bei 30 Tagen im Monat also zwischen 135 Euro und 1114,50 Euro. Wer bis zu drei Jahre in den Arbeitslosenfonds eingezahlt hat, hat vier Monate lang Anspruch auf Arbeitslosengeld; wer über zwölf Jahre eingezahlt hat, hat Anspruch auf zwölf Monate Arbeitslosengeld.

Daneben gibt es in Bulgarien auch eine Sozialhilfe. Der Staat unterscheidet bei der Festlegung der Höhe, je nach Lebenssituation: Eine Alleinerziehende bekommt einen anderen Betrag als ein Rentner. Grundsätzlich orientiert sich die Sozialhilfe aber am monatlichen garantierten Mindesteinkommen von 75 Lew, also 37,50 Euro.

Die “Bild”-Redaktion hat sich mal wieder große Mühe gegeben, eine Debatte möglichst zu verunsachlichen.

Mit Dank an Björn S. für den Hinweis!

Die “Bild”-“Analyse” zu Mesut Özil: jämmerlich und wirr

Es wäre doch eigentlich gar nicht so schwer, mal ein bisschen zu differenzieren. Warum nicht Mesut Özils Erklärung zu seinem Foto mit Recep Tayyip Erdogan fragwürdig und schwach finden — gleichzeitig aber die Rassismusvorwürfe, die er erhebt, ernst nehmen? Warum nicht sagen: Das Foto war und ist falsch, Erdogan ist ein Autokrat, der Menschen unterdrückt, ihnen die Freiheit raubt, sie ohne Grund aus dem Job schmeißen und ohne Anklage ins Gefängnis stecken lässt — aber auch sagen: Rassismus ist nie in Ordnung, egal gegen wen? Warum nicht fragen, wo Özils Selbstkritik bleibt — die Kritik an gesellschaftlichen Zuständen und an medialen Kampagnen dennoch gelten lassen?

Das Gegenteil einer solchen Differenzierung sieht so aus:

Ausriss der Bild-Titelseite - Özil - Jammer-Rücktritt und seine wirre Abrechnung mit Deutschland

Das ist die Seite 1 der “Bild”-Zeitung von gestern. Die Titelseiten mancher “Bild”-Regionalausgaben, zum Beispiel in Hamburg und in Chemnitz, sind noch ein bisschen schlimmer, weil sie den Schwerpunkt etwas anders setzen: der da gegen Deutschland.

Ausriss der Bild-Titelseite - Im Internet! Auf Englisch! Özils wirre Jammer-Abrechnung mit Deutschland

… und dann auch noch im Internet und auf Englisch!

Ein Team aus sechs “Bild”-Autoren, darunter “Bild”-Chef Julian Reichelt, haben sich Özils drei Twitter-Nachrichten von Sonntag vorgenommen, in denen der Fußballer versucht, das Erdogan-Foto zu erklären, Rassismus in Medien, von Sponsoren, Politikern, der Gesellschaft beklagt und seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft verkündet. Sie nennen es eine “Bild-Analyse”. Es ist auch eine Selbstverteidigung von “Bild”.

Schreibt Özil, “dass die Medien die schlechte Weltmeisterschaft einer ganzen Mannschaft auf meine doppelte Herkunft und ein Foto schieben”, schreibt das “Bild”-Team: “Kompletter Unfug, pures Selbstmitleid”, “frei erfunden”.

Schreibt Özil: “Gewisse deutsche Zeitungen nutzen meine Herkunft und mein Foto mit Erdogan als rechte Propaganda, um ihre politische Agenda voranzutreiben”, schreibt das “Bild”-Team: “Hier ist Özil in seinem Weltbild gefährlich nah an Erdogan und anderen Despoten. Wer es wagt, ihn zu kritisieren, muss eine politische Agenda haben.”

Schreibt Özil, die Medien hätten nicht meine Leistung, sondern bloß meine türkische Herkunft kritisiert”, schreibt das “Bild”-Team: “Frei erfundener Unfug. ALLE Medien kritisierten zurecht Özils Leistung, keine große Medienmarke kritisierte je seine Herkunft. Eine Dreistigkeit gegenüber den freien Medien seiner Heimat, denen Özil pauschal und ohne jeden Beleg Rassismus vorwirft.”

So unsachlich und aufgebracht ist der Ton durchgehend.

Schaut man sich die Berichterstattung von “Bild” und Bild.de seit dem Erdogan-Foto an, kann man sehen, dass es dort — wenig überraschend — tatsächlich keinen offenen Rassismus gegen Mesut Özil im Stile der NPD gegeben hat. “Der Türke soll raus aus der Nationalmannschaft” oder “Wann schmeißt Löw endlich das Ölauge raus?” steht dort nicht. Aber natürlich gab es Stimmungsmache. Natürlich haben die “Bild”-Medien eine Grundlage für dumpfesten Nationalismus gelegt. Natürlich gab es eine Kampagne gegen Mesut Özil. Sein Deutschsein wurde hinterfragt. Die Redaktion hat gezeigt: Hier, schaut mal, der ist schon anders als wir. Rassistische Beleidigungen von der Tribüne gegen Özil wurden als “Ärger” abgetan (wobei man gar nicht weiß, was schlimmer ist: dem Rassismusopfer den “Ärger” in die Fußballschuhe zu schieben oder Rassisten als “Fans” zu bezeichnen).

Ein paar Beispiele in chronologischer Reihenfolge.

Am 15. Mai titelt “Bild”:

Ausriss der Bild-Titelseite - Unser Weltmeister Mesut Özil - Schäbige Propaganda für Erdogan!

Am selben Tag erscheint bei Bild.de dieser “Bild plus”-Artikel:

Screenshot Bild.de - Einer sprach zu Hause nur Türkisch - So deutsch sind Özil und Gündogan

Viele fragen sich: Wie deutsch sind Gündogan und Özil wirklich?

Es dauert gerade mal ein paar Stunden, da hat die “Bild”-Redaktion schon das Deutschsein von Mesut Özil und Ilkay Gündogan zur Diskussion gestellt. Die zwei sind, so sieht es für “Bild”-Leser aus, Fälle, bei denen man mal genauer nachschauen muss, wie deutsch sie “wirklich” sind. Egal, dass beide einen deutschen Pass haben, in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, seit Jahren für deutsche Nationalmannschaften spielen. Der, der “zuhause nur Türkisch” sprach, ist Mesut Özil.

In anderen Fällen bringt Bild.de auch solche Überschriften. Kurz vor dem WM-Finale zwischen Frankreich und Kroatien veröffentlicht die Redaktion diesen Artikel über Dejan Lovren und Mario Mandzukic, die wegen des Krieges in ihrer Heimat als Kinder in Deutschland lebten:

Screenshot Bild.de - Morgen spielen sie im WM-Finale - So deutsch ticken diese zwei Kroatien-Stars

Bei zwei kroatischen Staatsbürgern, die in Deutschland aufwuchsen, fragt Bild.de, wie viel Deutschland in ihnen steckt. Und bei den zwei deutschen Staatsbürgern Mesut Özil und Ilkay Gündogan.

Ebenfalls am 15. Mai veröffentlicht Bild.de dieses Pro und Contra:

Screenshot Bild.de - Nach schäbigem Propaganda-Auftritt von Özil und Gündogan - Muss Jogi beide rauswerfen?

Zwei Redakteure diskutieren im Pro und Contra, ob Jogi Löw Gündogan und Özil rauswerfen muss?

Den Pro-Part übernimmt “B.Z.”-Chefredakteurin Miriam Krekel. Die Position kann man vertreten, aber dann sollte man als Redaktion auch dazu stehen, dass man dieser Position Platz eingeräumt hat. Julian Reichelt und seine fünf Kollegen behaupten gestern in ihrer “Analyse” hingegen:

Özil schwelgt in seiner Opferrolle, die mit der Realität nichts zu tun hat. Die meisten deutschen Medien haben TROTZ des Erdogan-Fotos nie seinen Rauswurf gefordert, auch BILD nicht.

Der angeblich nötige Rauswurf von Özil und Gündogan ist auch einen guten Monat später noch mal Thema in den “Bild”-Medien. Am 13. Juni titelt Bild.de:

Screenshot Bild.de - Klartext von Effe - DFB hätte Özil & Gündogan rauswerfen müssen!

Seine Experten-Meinung hatte Stefan Effenberg bei t-online.de hinterlassen. Bild.de adelte sie als “Klartext”.

Aber zurück zur Chronologie. Am 17. Mai legt Bild.de nach:

Screenshot Bild.de - Skandal-Foto mit Erdogan - Bild sucht die Wurzeln von Gündogan und Özil

Bei den Özils zu Hause sprach man Türkisch, auf dem Bolzplatz um die Ecke auch.

Am 19. Juni, also zwei Tage nach der WM-Auftaktniederlage gegen Mexiko, zitiert die “Bild”-Redaktion ihren WM-Kolumnisten Lothar Matthäus auf der Titelseite:

Ausriss Bild-Titelseite - Lothar Matthäus knallhart: Özil fühlt sich nicht wohl im DFB-Trikot

Christoph Cöln, Springer-Kollegen von “Welt”, schrieb dazu bei Welt.de (allerdings ohne “Bild” dabei zu erwähnen):

Ähnlich pseudoseriös und verschwörerisch unkte Weltmeister Lothar Matthäus kürzlich. Özil fühle sich im Nationaltrikot nicht wohl, so Matthäus. Das ist infam. Die Aussage suggerierte, dass der in Gelsenkirchen geborene Sohn türkischer Einwanderer Identitätsprobleme hat, dabei spielt Özil seit seiner Jugend in der Nationalmannschaft, er ist einer ihrer verdientesten Repräsentanten.

Am selben Tag berichtet Bild.de von Mario Baslers Auftritt in der TV-Sendung “Hart aber fair”:

Screenshot Bild.de - Körpersprache eines toten Frosch - Basler vernichtet Özil!

Am 27. Juni — die deutsche Nationalmannschaft hat da bereits das letzte Gruppenspiel gegen Südkorea verloren und ist aus dem Turnier ausgeschieden — titelt Bild.de:

Screenshot Bild.de - Frust-Aus gegen Südkorea - Özil-Krach mit deutschen Fans

Es stellt sich raus: Mesut Özil wurde nach dem Spiel von der Tribüne aus auf übelste Weise rassistisch beleidigt. “Bild” titelt dazu am 29. Juni:

Ausriss Bild-Zeitung - Özil - Zweimal Ärger und sonst nix

… als ginge die Aggression von Özil aus. Das meinen Julian Reichelt und seine fünf Co-Autoren wohl, wenn sie gestern in ihrer “Analyse” zu Özils Aussagen schreiben:

Ein Schlag ins Gesicht für Millionen Fans, die ihn vorurteilsfrei bewundert und bejubelt haben. Und für diejenigen, die ihn — wie auch BILD — gegen Rassismus in Schutz genommen haben. Die ausländerfeindlichen Beleidigungen eines Fans nach dem Südkorea-Spiel, die Özil beschreibt, verurteilt BILD ebenso aufs Schärfste.

Am 30. Juni veröffentlicht Bild.de diesen “Bild plus”-Text:

Screenshot Bild.de - Kosmos Özil - Er pilgerte nach Mekka und liebt eine Miss Türkei

Natürlich hätte die Redaktion den Artikel auch mit “Er ist ein Gelsenkirchener Junge” überschreiben können oder mit “Mops Balboa ist sein treuer Begleiter”. Beides steht im Artikel und beides ist faktisch genauso richtig wie die Infos zu Özils Reise nach Mekka und zu seiner Freundin. Das Bild.de-Team hat aber das Fremde, das Nicht-Deutsche in die Titelzeile gepackt.

Auch das liefert Futter für den Stammtisch. Auf die Kritik, dass ihre Überschriften Tatsachen verzerren, entscheidende Aspekte weglassen oder durch bestimmte Schwerpunkte Stimmungen erzeugen können, antworten “Bild”-Mitarbeiter gern: “Unsere Leser können mehr als nur Überschriften lesen.” Man muss entweder sehr doof sein oder sich sehr doof stellen, wenn man bei “Bild” arbeitet und nicht die Wirkungskraft von Schlagzeilen kennt; bei einem Blatt, das sich tagtäglich über große Schlagzeilen verkauft.

Die Geschichte aus dem “Kosmos Özil” mit dem Mekka-und-Miss-Türkei-Titel hat Bild.de gestern übrigens noch einmal, mit einer Aktualisierung zum Rücktritt des Fußballers, auf die Startseite gepackt.

Es war natürlich nicht immer so, dass die Herkunft von Mesut Özil so im Mittelpunkt der “Bild”-Berichterstattung stand. Wühlt man sich durch das Bild.de-Archiv dieses Jahres, findet man von 1. Januar bis zum 13. Mai keinen Artikel mit einem solchen Schwerpunkt. Seit dem Erdogan-Foto ist das anders.

Schaut man noch weiter zurück, findet man solche Beiträge: Mesut Özil als Musterbeispiel der Integration, aus dem September 2011. Özil war da schon Nationalspieler, aber noch längst nicht Weltmeister:

Screenshot Bild.de - 50 Jahre türkische Gastarbeiter - Meine Disziplin ist deutsch, meine Gelassenheit türkisch

BILD stellt 50 Beispiele für gelungene Integration vor. Heute: Fußballnationalspieler Mesut Özil (22).

Davon könnte die “Bild”-Berichterstattung heute nicht weiter weg sein. “Sport Bild”-Chefredakteur Matthias Brügelmann schrieb gestern in seinem “Bild”-Kommentar:

BILD hatte nie Özils Rauswurf aus der Nationalelf gefordert. Jetzt wäre es soweit gewesen, wenn er nicht selbst zurückgetreten wäre. Wer so über Deutschland denkt, kann nicht für Deutschland spielen.

Es gibt einen Spruch von der extremen Rechten, von Neonazis: “Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen.” Wir glauben nicht, dass Brügelmann daran andocken wollte. Seine Aussage ist aber auch nicht wahnsinnig weit davon entfernt.

Und dann ist da ja noch Franz Josef Wagner.

Das eigentlich Traurige und Erschreckende an der “Bild”-Berichterstattung von gestern ist, dass sie offenbar nicht im Ansatz verstanden haben, dass man Mesut Özils Erklärungen zum Erdogan-Foto für kompletten Unsinn halten und falsch finden und dennoch die Rassismusvorwürfe ernst nehmen kann. Patrick Markowski, leitender Chef vom Dienst bei “Bild”, twitterte gestern zum Beispiel:

Screenshot eines Tweets von Patrick Markowski - Hier noch ein schockierendes Beispiel dafür, wie hart ein deutscher Fußball-Millionär in London vom Rassismus getroffen werden kann. Dazu ein Screenshot, der zeigt, dass Mesut Özil 2016 zum Nationalspieler des Jahres gewählt wurde

Was ist das für eine Logik? Weil Mesut Özil zum Nationalspieler des Jahres 2016 gewählt wurde, kann er nicht “vom Rassismus getroffen werden”? Weil er “Fußball-Millionär” ist, kann er nicht “vom Rassismus getroffen werden”? Weil er in London lebt, kann er nicht “vom Rassismus getroffen werden”? Weil 54,5 Prozent von 316.850 Leuten Özil wählten, können einem genug andere das Leben nicht zur Hölle machen?

Heute geht es bei “Bild” mit dem Thema weiter, verständlicherweise. “Bild”-Chef Julian Reichelt schreibt in seinem Kommentar:

Die SPD-Chefin Andrea Nahles mahnt: “Das Gefühl, ausgegrenzt zu sein, … droht auf viele Migranten auf und neben dem Fußballplatz überzugehen.” Unsere Justizministerin warnt, es sei “ein Alarmzeichen” wenn Özil sich “in seinem Land wegen Rassismus nicht mehr gewollt” fühle.

Nur pflichtschuldig erwähnt wird dagegen, worum es eigentlich gehen sollte: Ein Deutscher hat sich an der Propaganda für einen Mann beteiligt, der deutsche Staatsbürger ohne Anklage eingekerkert hat. (…)

Özils Foto steht symbolisch für den Kampf zwischen freiheitlichen und unterdrückerischen Systemen. Viele deutsche Politiker haben sich in diesem Kampf auf die verheerend falsche Seite geschlagen!

Politiker und Politikerinnen, die sich Gedanken um Menschen mit Migrationshintergrund und deren Gefühl der Ausgrenzung machen, sind laut Julian Reichelt Kämpfer gegen freiheitliche und für unterdrückerische Systeme. Der “Bild”-Chef beweist einmal mehr: Es geht immer noch ein bisschen irrer.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Medien über Mesut Özil: der Rassismus der Anderen

Kurz nach dem Ausscheiden bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland berichteten viele Medien vor allem über einen deutschen Nationalspieler: Mesut Özil. Es war schließlich auch etwas passiert nach dem letzten Gruppenspiel gegen Südkorea: Eine Person auf der Tribüne beleidigte Özil, vermutlich ausländerfeindlich. Der DFB schrieb uns auf Nachfrage, dass dem Verband Informationen vorliegen, die diesen Vorgang bestätigen. Özil ließ sich das nicht bieten. Torwarttrainer Andreas Köpke und ein Bodyguard mussten einschreiten.

Doch statt zu schreiben “Eklige Attacke gegen Mesut Özil” oder “Rassistischer Angriff auf Nationalspieler”, titelten die Redaktionen:

Screenshot BZ - Pleite gegen Südkorea - Özil legt sich nach WM-Aus mit deutschen Fans an
(bz-berlin.de)
Screenshot T-Online - Nach WM-Debakel - Özil legt sich mit deutschen Fans an
(t-online.de)
Screenshot Sky Sport - Der Weltmeister ist raus - Nach Peinlich-Aus: Özil legt sich mit den Fans an
(“Sky Sport”)
Screenshot Rheinische Post - Nach dem Spiel gegen Südkorea - Özil und Köpke legen sich mit deutschen Fans an
(“RP Online”)
Screenshot Focus Online - Nach WM-Debakel - Mesut Özil gerät mit deutschen Fans aneinander
(“Focus Online”)
Screenshot Express.de - Auch das noch - Mesut Özil gerät in Auseinandersetzung mit deutschen Fans
(Express.de)
Screenshot Huffington Post - Bodyguard musste ihn beruhigen - Özil zofft sich mit deutschen Fans
(“Huffington Post”)
Screenshot Mitteldeutsche Zeitung - Nach WM-Aus gegen Südkorea - Özil gerät mit deutschen Fans aneinander
(“Mitteldeutsche Zeitung”)
Screenshot Reviersport.de - Özil zofft sich nach der DFB-Pleite mit Deutschland-Fan
(“Reviersport”)

So, als ginge die Aggression von Özil aus; als hätte nicht zuerst irgendein Holzkopf ausländerfeindlichen Dreck von sich gegeben; als müsste ein Nationalspieler nach dem Ausscheiden bei einer WM alles hinnehmen, auch rassistische Anfeindungen; als dürfte er sich gegen die Beleidigung nicht wehren, ohne mit dieser Reaktion für Ärger zu sorgen.

Genau das behaupten “Bild” und Bild.de, wenn sie zwei Tage nach der Niederlage schlagzeilen:

Ausriss Bild-Zeitung - Özil - Zweimal Ärger und sonst nix

Ärger Nummer 1 laut “Bild”-Medien: das unsägliche Treffen von Mesut Özil und dessen Nationalmannschaftskollegen Ilkay Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Ärger Nummer 2: die Szene nach dem Südkorea-Spiel:

Emotionen zeigte Özil bei der WM nur einmal: Als er nach dem Aus vorm Spielertunnel von einem “Fan” beleidigt wurde, musste er von Torwart-Trainer Andy Köpke zurückgehalten werden.

Köpke zu BILD: “Der Fan hat ihn beschimpft. Ich habe Mesut zurückgezogen und zu dem Fan gesagt, er soll den Schnabel halten.” Nach BILD-Info sollen ausländerfeindliche Beleidigungen gefallen sein.

Die bewusste Teilnahme an einem Treffen mit einem Autokraten auf der einen Seite, eine Beleidigung durch eine fremde Person auf der anderen — für die Mitarbeiter von “Bild” und Bild.de alles dieselbe kritikwürdige Soße, die sie Özil vorhalten:

Es begann mit Zoff und endete mit Zoff. Und dazwischen war sportlich leider nix los.

“sportlich leider nix los” ist dann auch eine ausgesprochen negative Auslegung dessen, was Mesut Özil beispielsweise gegen Südkorea auf dem Spielfeld gezeigt hat. Er hat sicher kein überragendes Spiel gemacht, aber laut Statistiken deutlich mehr als “nix”: mit 110 Ballberührungen die zweitmeisten im deutschen Team, mit 95 Pässen ebenfalls die zweitmeisten, darunter sieben sogenannte “Key Passes”, also solche, die direkt zu guten Chancen führen. Mesut Özil war, glaubt man den Zahlen, gegen Südkorea einer der Besten einer insgesamt schwachen Mannschaft.

Und dennoch suchten zahlreiche Redaktionen Fotos von Özil aus, um das Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft zu bebildern: Die “Welt” zeigte, “wie schwach Deutschland wirklich war”, und wählte für den Artikel ein Foto von Özil. Bei der “FAZ” brachten sie die Schlagzeile “Der deutsche Untergang” und wählten ein Foto von Özil (was die Redaktion später änderte). “Bild” schrieb bei Instagram “Peinlicher Auftritt” und wählte dazu ein Foto von Özil. “Pro Sieben” forderte ausschließlich Mesut Özil per Twitter zum Rücktritt auf (wofür sich der Sender später entschuldigte). “11 Freunde”-Chefredakteur Philipp Köster hat das alles drüben bei “Übermedien” detailliert aufgeschrieben.

Mit der sportlichen Leistung allein lässt sich die Wucht der Kritik an Mesut Özil nicht erklären. Vielleicht spielt eine angestaute Wut darüber, dass er die deutsche Nationalhymne nicht mitsingt, eine Rolle. Vielleicht das generelle Misstrauen gegenüber, der Hass auf Türken. Auf jeden Fall immer noch das Foto mit Erdogan. Karim Benzema, französischer Fußballer mit algerischen Wurzeln und früher Stürmer in Frankreichs Nationalmannschaft, sagte mal: “Wenn ich ein Tor schieße, bin ich Franzose, aber wenn ich keins schieße oder wenn es Probleme gibt, dann bin ich Araber.”

Am Sonntag erschien in “Bild am Sonntag” und bei Bild.de (dort inzwischen gelöscht) ein Kommentar von Hatice Akyün:

Ausriss Bild am Sonntag - Der Rassismus gegen Özil hat mich umgehauen

Sie kritisiert völlig zurecht die ausländerfeindlichen Parolen von AfD-Politikern gegen Mesut Özil. Zur Rolle der Medien verliert sie hingegen kein Wort, leider auch nicht zur Kampagne von “Bild” und Bild.de, die für den “Rassismus gegen Özil” mindestens ein nützliches Klima geschaffen hat.

“Bild” weiß kaum etwas und schreit “Asyl-Skandal”

Auf der “Bild”-Titelseite herrscht heute wieder Alarmstufe Wut:

Ausriss Bild-Titelseite - Ich habe 40 Menschen umgebracht und will Asyl - Bild dokumentiert die skandalösesten Anträge beim BAMF

Genauso bei Bild.de:

Screenshot Bild.de - Asyl-Wahnsinn in Deutschland - Ich habe 40 Menschen ermordet und will Asyl

Dabei ist es wie so oft bei “Bild” und Bild.de: Die Redaktion verkauft die Geschichte mindestens fünf Nummern zu groß.

Schon auf dem Weg von der Schlagzeile auf Seite 1 bis zur Überschrift auf Seite 3 fällt sie ein gutes Stück in sich zusammen. Denn niemand bei “Bild” scheint zu wissen, welche Auswirkungen “die skandalösesten Anträge beim BAMF” überhaupt gehabt haben:

Ausriss Bild-Zeitung - Mörder, Vergewaltiger, Drogenhändler - Keiner will sagen, ob die noch bei uns sind

Sind die Leute, die hinter den zwölf von “Bild” dokumentierten Fällen stecken, aktuell noch in Deutschland? Wurden ihre Asylanträge angenommen? Wurden sie abgelehnt? Die Redaktion hat keine Ahnung, aber viel Lust auf Alarm.

Im Artikel steht:

BILD dokumentiert die schlimmsten Fälle. Und fragte: Sind diese Mörder und Vergewaltiger heute noch unter uns? Das wollte das Bundesamt gestern nicht aufklären.

Die lapidare Antwort eines Sprechers: “Grundsätzlich kann ich Ihnen aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Auskünfte zu Asyleinzelfällen erteilen.”

Die vier Autoren wissen also genau nichts über den Verbleib der Leute und beginnen ihren Text dennoch so:

Neuer, unfassbarer Asyl-Skandal: Mörder, Drogenhändler, Vergewaltiger und andere Schwerverbrecher finden im Schutz des Asylrechts in Deutschland Zuflucht!

Noch mal: Die vier Autoren wissen genau nichts darüber, ob die Asyl-Anträge der “Mörder, Drogenhändler, Vergewaltiger” angenommen oder abgelehnt wurden, und schreiben dennoch, dass diese “im Schutz des Asylrechts in Deutschland Zuflucht” gefunden hätten. Einen Beleg dafür liefern sie nicht.

Lediglich in einem der zwölf Fälle, die “Bild” aufführt, gibt es etwas genauere Informationen zum Verlauf des Asylantrags: Ein Russe, der im April 2011 nach Asyl gefragt haben soll, habe erzählt, dass er den Innenminister Dagestans getötet habe und deswegen verfolgt werde. Ein Verwaltungsgericht habe daraufhin verfügt, dass der Mann zwar kein Asyl bekommen, aber einen Schutz vor Abschiebung erhalten solle.

Die anderen elf Fälle sind ein ziemlich wildes Gemisch, für “Bild” aber irgendwie alle gleich skandalös: hier ein Mann, der als Gefängniswärter gefoltert habe, daneben einer, der als Kindersoldat Menschen getötet haben soll, dort jemand, der einen Mord androht, sollte er zurückgeschickt werden, mittendrin ein selbsternannter Massenmörder. Dass nicht sicher ist, ob es diese Taten tatsächlich gab oder nur für das Asylverfahren erfunden wurden, schreibt auch das Vierer-Autorenteam. Und in keinem Fall scheint klar, was aus den Leuten geworden ist. Und dennoch schreien die “Bild”-Medien: “ASYL-WAHNSINN”.

Dabei kann es sehr gut sein, dass einige der Personen oder alle nicht mehr in Deutschland sind. Das Asylgesetz lässt es zu, Verbrechern den Flüchtlingsstatus zu verweigern. In Paragraph 3, Absatz 2 steht:

Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1. ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,

2. vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder

3. den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.

Was ist also der “unfassbare Asyl-Skandal”? Dass mögliche “Mörder, Vergewaltiger, Drogenhändler” in Deutschland Asyl beantragen? Das Grundrecht auf Asyl, das im Grundgesetz festgeschrieben ist, beinhaltet auch, dass so gut wie jeder einen Antrag auf Asyl stellen kann. Plädiert “Bild” dafür, dieses Grundrecht abzuschaffen?

Das Stellen an sich kann also noch kein Skandal sein, egal wer da was stellt. Der entscheidende Punkt ist nicht, ob jemand Asyl fordert, sondern ob er oder sie es zugesprochen bekommt. Dazu gibt es von “Bild” keine Informationen.

Und dann ist da noch das Zitat auf Seite 1. Wir haben versucht herauszufinden, ob es dieses Zitat in dieser Form wirklich gibt, etwa in den Dokumenten, die “Bild” vorliegen sollen. Im Blatt taucht es nicht wieder auf. Es wirkt so, als hätte die Redaktion es sich aus einem der zwölf Fälle zusammengebastelt: Da gibt es einen Mann, der behauptet, er habe 40 Menschen umgebracht, und dieser Mann fordert Asyl in Deutschland — also macht “Bild” daraus das konkrete, empörende Zitat “Ich habe 40 Menschen umgebracht und will Asyl”. Wir haben bei einem der Autoren und beim “Bild”-Sprecher nachgefragt, ob diese Aussage jemals so gefallen ist. Bisher kam keine Antwort.

So eine Detailfrage interessiert die wütenden Kommentatoren in den sozialen Netzwerken natürlich überhaupt nicht. Und von denen hat die “Bild”-Redaktion mit ihrer dünnen Geschichte eine ganze Menge in Erregung versetzt:

Screenshot
Screenshot
Screenshot
Screenshot
Screenshot

Das war jetzt wahrlich nur ein sehr kleiner Ausschnitt aus der ganzen rechten Empörungsecke.

Nachtrag, 22. Juni: Es geht weiter mit der Stimmungsmache bei “Bild” und Bild.de.

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