Die Nachrichtenagentur spot on news (“die neue deutsche Nachrichtenagentur für Unterhaltung”) bestimmt täglich einen “Verlierer des Tages”.
Heute ist es dieser Mann:
Da hat Bernd Busemann (CDU) wohl ein Gläschen zu viel getrunken: Der niedersächsische Ministerpräsident wurde in Hannover mit Alkohol am Steuer erwischt. Jetzt muss er seine Fahrlizenz für einige Wochen abgeben, eine Geldstrafe zahlen und bekommt vier Punkte in Flensburg. […]
Der niedersächsische Ministerpräsident Bernd Busemann? Die “Neue Presse” aus Hannover (!) glaubt’s; die “Welt” macht daraus sogar eine doppelte Überschrift:
(Bernd Busemann ist — noch — niedersächischer Justizminister.)
Sie haben es womöglich mitbekommen: Jakob Augstein, Herausgeber der Wochenzeitung “Der Freitag”, sieht sich Antisemitismus-Vorwürfen ausgesetzt.
Die deutschen Medien schreiben dazu:
Das amerikanisch-jüdische Simon-Wiesenthal-Center (SWC) hat wieder einmal mit den jährlichen “Top Ten der Antisemiten und Israelkritikern” für Schlagzeilen gesorgt. (freitag.de)
Der Herausgeber der Berliner Wochenzeitung “Der Freitag”, Jakob Augstein, gehört nach Meinung des Simon-Wiesenthal-Zentrums in den USA zu den zehn derzeit wichtigsten Antisemiten.
(epd)
Das Simon Wiesenthal Center hatte Augstein auf Platz neun der Liste mit zehn Antisemiten für das Jahr 2012 gesetzt.
(Reuters)
Jakob Augstein auf die Liste der weltweit größten Antisemiten zu setzen ist ein Fehler des Wiesenthal-Zentrums, der fassungslos macht.
(“Neue Osnabrücker Zeitung”)
Die US-Menschenrechtsorganisation hatte Augstein wegen Israel-kritischer Äußerungen auf ihre Liste der zehn schlimmsten Antisemiten der Welt gesetzt.
(dpa)
Das weltweit angesehene Wiesenthal-Zentrum hatte Augstein auf Platz neun eines Rankings der schlimmsten Judenfeinde gesetzt.
(dapd)
Am vorvergangenen Donnerstag veröffentlichte das Simon Wiesenthal Center in Los Angeles seine aktuelle “Top Ten” der schlimmsten Antisemiten in aller Welt, die es seit 2010 immer gegen Jahresende gibt.
(“Der Spiegel”)
Der Journalist Jakob Augstein ist vom Wiesenthal Center unter die Top Ten der weltweit gefährlichsten antisemitischen und anti-israelischen Verleumder gewählt worden. (sueddeutsche.de)
Als einziger Deutscher steht “Freitag”-Herausgeber Jakob Augstein in der “Top 10” der Antisemiten und Israel-Verunglimpfer – in einer Reihe mit Holocaustleugnern wie Mahmoud Ahmadinedschad. (tagesspiegel.de)
Das Simon Wiesenthal Zentrum in Los Angeles hat vor Kurzem den deutschen Journalisten Jakob Augstein auf Platz 9 seiner jährlichen Liste der schlimmsten Antisemiten gesetzt. (tagesschau.de)
Eine “Liste der schlimmsten Antisemiten”, da kann man sich natürlich was drunter vorstellen — so ein bisschen in der Art der berühmt-berüchtigten “Ten Most Wanted” des FBI.
Allerdings gibt es diese Liste gar nicht.
Was das Simon Wiesenthal Center veröffentlicht hat (PDF), ist die “2012 Top Ten Anti-Semitic/Anti-Israel Slurs”, also die Top Ten der anti-semitischen bzw. anti-israelischen Verunglimpfungen im Jahr 2012.
Das erklärt auch, warum so wenige Personen und Organisationen, die 2011 (PDF) und 2010 (PDF) auf dieser Liste standen (u.a. Thilo Sarrazin, Lars von Trier, Oliver Stone, aber auch Yahoo!, Facebook und Twitter als Platzhalter für “social media”), in der 2012er Edition auftauchen: Sie sind im vergangenen Jahr einfach nicht mit Äußerungen aufgefallen, die das Simon Wiesenthal Center als anti-semitisch bzw. anti-israelisch eingestuft hat.
Dieser Unterschied ist nicht ganz unbedeutend. Harald Martenstein etwa, Dampfplauderer beim “Berliner Tagesspiegel”, schreibt (auch bei “6 vor 9” verlinkt):
Nicht die Neonazis sollen also Deutschlands schlimmste Judenhasser sein – nein, ein Journalist, der gegen Israels Regierung polemisiert. Wenn Jakob Augstein Deutschlands schlimmster Antisemit wäre, dann hieße dies, dass es in Deutschland keinen wirklich gefährlichen Antisemitismus mehr gibt. Eigentlich stellt das Wiesenthal-Zentrum Deutschland ein prima Zeugnis aus.
Dabei behauptet das Simon Wiesenthal Center mit seiner Liste gar nicht, dass Augstein “Deutschlands schlimmster Antisemit” sei und damit “schlimmer” als Neonazis. Es hält lediglich fünf Augstein-Zitate für derart anti-semitisch bzw. anti-israelisch, dass es diese auf Platz 9 der schlimmsten Verunglimpfungen gesetzt hat.
Über die Einschätzung dieser Zitate als anti-semitisch bzw. anti-israelisch kann man trefflich streiten. Aber es hülfe bei diesem Streit, wenn er auf der Grundlage dessen geführt würde, was das Simon Wiesenthal Center tatsächlich behauptet.
Die Nachrichtenagentur dapd hat gute Nachrichten für die Anhänger von Bündnis ’90/Die Grünen:
Die Grünen haben nach ihrem Parteitag in der Wählergunst weiter zugelegt und laut der regelmäßigen Forsa-Umfrage für “Stern” und RTL mit 16 Prozent ihr Jahreshoch erreicht. Sie legten um zwei Prozentpunkte zu, heißt es in dem am Mittwoch veröffentlichten Wahltrend.
Die vielleicht noch bessere Nachricht: Die Grünen haben sogar schon vor ihrem Parteitag “in der Wählergunst weiter zugelegt”. Die sogenannte Bundesdelegiertenkonferenz fand nämlich vom 16. bis zum 18. November in Hannover statt.
Da war die Umfrage bereits weitestgehend abgeschlossen:
Für den “Stern”/RTL-Wahltrend befragte Forsa 2.506 Bürger vom 12. bis 16. November 2012. Für die Umfrage zu Schwarz-Grün nahmen 1.002 Bürger am 14. und 15. November 2012 teil.
Wie die Grünen “nach ihrem Parteitag” bei den Wählern (genau genommen natürlich: den Wahlberechtigten) ankommen, werden sie also frühestens nächste Woche erfahren.
Bis Journalisten verstehen, dass Umfrageergebnisse nur Ereignisse abbilden können, die bereits stattgefunden haben, könnte es allerdings nochetwaslänger dauern.
Mit Dank an Philipp M.
Nachtrag, 16.15 Uhr: abendblatt.de hat die dapd-Meldung auf der eigenen Website überarbeitet.
Der Text beginnt nun etwas umständlich so:
Auch nach ihrem Parteitag zeigt sich: Die Grünen haben in der Wählergunst weiter zugelegt und laut der regelmäßigen Forsa-Umfrage für “Stern” und RTL mit 16 Prozent ihr Jahreshoch erreicht. Sie legten um zwei Prozentpunkte zu, heißt es in dem am Mittwoch veröffentlichten Wahltrend.
Und im Vorspann heißt es jetzt:
In der nach ihrem Parteitag veröffentlichten Umfrage legen Grüne weiter zu.
Vermutlich wird “Bild” nicht so unoriginell wie Bild.de sein und morgen auf der Titelseite behaupten “wir” seien jetzt “Friedensnobelpreis”. Aber immerhin: 27 Staaten mit insgesamt 500 Millionen Einwohnern – mithin die Europäische Union – werden in diesem Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Bild.de hat dafür ordentlich Platz auf der Startseite freigeräumt und zeigte noch oberhalb vom “Nacktfoto-Klau bei Justin Bieber” dieses Banner:
Bemerkenswert daran ist vor allem die Karte, die Bild.de zeigt:
Das, was da zu sehen ist, ist zwar grob der europäische Kontinent, aber es sind nicht die Länder der Europäischen Union. Die abgebildeten Länder Norwegen, die Schweiz, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Weißrussland, Moldawien, die Ukraine und die russische Exklave Kaliningrad gehören nämlich nicht dazu. Dafür fehlen die EU-Mitglieder Zypern, Malta und Griechenland.
***
Die Nachrichtenagentur dapd schreibt in ihrem “Stichwort: Friedensnobelpreis”, das von zahlreichen Medien übernommen wurde:
Das Komitee überreicht den mit acht Millionen schwedischen Kronen (923.000 Euro) dotierten Preis am 10. Dezember, dem Todestag Nobels. Den ersten Friedenspreis erhielten 1901 der Gründer des Roten Kreuzes, Henri Dunant, und der Gründer der französischen Friedensgesellschaft, Frédéric Passy. Bisher wurden zwei Deutsche mit dem Preis ausgezeichnet: Carl von Ossietzky und Willy Brandt.
Diese Formulierungen verbreitet die Agentur (bzw. ihr Vorläufer, der deutsche Dienst der Associated Press) mit leichten Abwandlungen seit mehr als 20 Jahren, aber sie sind falsch: Ebenfalls mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurden der frühere deutsche Reichskanzler Gustav Stresemann (1926) und der deutsche Pazifist Ludwig Quidde (1927).
(Albert Schweitzer [1952] und Henry Kissinger [1973] wurden zwar in Deutschland geboren, hatten zum Zeitpunkt ihres Auszeichnung aber bereits die französische bzw. amerikanische Nationalität angenommen.)
Mit Dank an Marc E., Joachim L. und Matthias.
Nachtrag/Korrektur, 14. Oktober: In der ursprünglichen Fassung dieses Eintrags hatten wir angegeben, dass auch Montenegro auf der Karte von Bild.de zu sehen sei. Das stimmt nicht: Dort, wo Montenegro liegen müsste, klafft auf der Karte ein Loch zwischen Bosnien und Herzegowina und Serbien.
Man kennt das: Fernseher, Autos, Mobiltelefone und vor allem Geschirrspüler gehen gerne dann kaputt, wenn die Garantiezeit gerade um ist.
Doch nicht alles, was der Laie als “Garantie” bezeichnet, ist auch im juristischen Sinne eine Garantie. Dort unterscheidet man nämlich zwischen der gesetzlichen Gewährleistung, nach der ein Kunde – vereinfacht gesprochen – einen Anspruch darauf hat, dass ein neu erworbenes Gerät auch funktioniert, und der Garantie, die ein Verkäufer oder Hersteller einräumt und deren Leistungen über die der gesetzlichen Gewährleistung hinausgehen. Die Gewährleistung gilt in Deutschland zwei Jahre, eine Garantie so lang, wie sie der Verkäufer oder Hersteller beim Kauf einräumt.
Diese Unterschiede sind auch für den Laien von Bedeutung, wenn er etwa ein Produkt von Apple erworben hat. Der Unterhaltungselektronikhersteller rät zum Kauf seines “AppleCare Protection Plan”, der die “einjährige Hardwaregarantie ab Kaufdatum” je nach Produkt auf zwei bzw. drei Jahre verlängert. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ist der Ansicht, dass Apple absichtlich nicht deutlich genug über die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche des Käufers gegenüber dem Händler aufkläre, um zum Kauf von “AppleCare” zu animieren, und hat Apple deswegen im Frühjahr abgemahnt.
Diese Unterschiede sind aber auch für Journalisten von Bedeutung, wenn sie etwa über den Brief schreiben wollen, den die EU-Justizkommissarin Viviane Reding an die nationalen Verbraucherschutzminister geschrieben hat und in dem sie Apples Vorgehen beim Verkauf von “Apple Care” ebenfalls kritisiert.
Der “Spiegel” schreibt dazu in seiner aktuellen Ausgabe:
“Es scheint, dass Apple-Verkäufer es versäumten, den Verbrauchern klare, wahrheitsgemäße und vollständige Informationen über die ihnen nach EU-Recht zustehende gesetzliche Garantie zu geben”, heißt es in einem Brief der zuständigen EU-Justizkommissarin Viviane Reding an die Verbraucherschutzminister aller 27 EU-Mitgliedsstaaten. […] Apple habe, schreibt Reding, prominent für seine eigene kommerzielle Gewährleistung geworben, “es aber versäumt darauf hinzuweisen, dass die Verbraucher nach EU-Recht einen automatischen und kostenlosen Anspruch auf eine zweijährige Garantie haben”.
Das ist, wie Sie gerade gelernt haben, falsch. Die Begriffe “Garantie” und “Gewährleistung” sind genau vertauscht.
Schuld daran ist womöglich die englische Sprache, in der Frau Reding ihren Brief an die verschiedenen Minister geschrieben hat. In dem Schreiben, das uns ebenfalls vorliegt, heißt es nämlich:
It appeared […] that, in order to make their own commercial warranties look more attractive, Apple retailers failed to provide consumers with clear, truthful and complete information on the legal guarantee from which they freely benefit under EU law.
Und an einer anderen Stelle:
Apple prominently advertised that its products come with a one year manufacturer warranty, but failed to clearly indicate the consumers’ automatic and free-of-cost entitlement to a minimum 2-year guarantee under EU-law.
Ja, fuck! Was im Englischen “commercial warranties” sind, sind im Deutschen also “kommerzielle Garantien”, und eine “(legal) guarantee” entspricht der “(gesetzlichen) Gewährleistung”.
Das muss man vielleicht nicht mal als Englischlehrer wissen. Aber als “Spiegel”-Journalist, der darüber schreibt, wäre es natürlich hilfreich.
Oder als Journalist, der die fehlerhaften “Spiegel”-Angaben für die Discounter-Agentur dapd übernimmt. Oder für Bild.de. Oder für “Focus Online”.
Die Deutsche Presse-Agentur dpa, der das Schreiben ebenfalls vorliegt, schreibt korrekt von dem “gesetzlichen zweijährigen Gewährleistungsanspruch”, übersetzt einen Satz aber auch mindestens unsauber:
“Es scheint, dass Apple-Verkäufer es versäumten, Verbrauchern klare, wahrhaftige und komplette Informationen zu geben über die Garantie, die ihnen nach EU-Recht zusteht.”
Anfang der Woche gab die Nachrichtenagentur dapd bekannt, eine neue Tochter gegründet zu haben, auf die die Welt gewartet hat: “Spot On News” soll sich ausschließlich um Boulevardthemen kümmern. Gegenüber der Fachzeitschrift w&v sagte Chefredakteur Tobias Lobe: “Ich habe ein Team zusammengestellt, in dem junge Redakteure und extrem erfahrene Unterhaltungs-Profis Hand in Hand arbeiten, eine perfekte Mischung aus Generation 2.0 und Print-Establishment.” Martin Vorderwühlbecke, “Director” von “Spot On News”, ließ sich mit den Worten zitieren, damit biete die Agentur einen Dienst an, der ihren Kunden helfe, “auch im Entertainmentbereich zu punkten“.
Im Online-Angebot der “Westdeutschen Allgemeinen Zeitung” kann man die Auswirkungen schon sehen. Dank “Spot On News” kann es berichten:
Die Meldung an sich und alle Zitate darin sind zwar bloß aus der “Bild”-Zeitung abgeschrieben, aber den “Skandal” hat “Spot On News” exklusiv:
Die beliebte Kinderserie “Sesamstraße” bringt ab Montag ein paar neue Figuren und die neue Moderatorin Julia Stinshoff. Doch viele können sich nicht so recht darauf freuen, denn der alte, gemütliche Sendeplatz um 18 Uhr gehört der Vergangenheit an. Stattdessen läuft die Show um 8 Uhr in der Früh – wenn die Kinder schon in der Schule sind.
(…) Doch leider ist die Vorfreude dadurch getrübt, dass die neue Sendezeit alles andere als praktisch gewählt wurde: Die Kindersendung läuft nun unter der Woche morgens um 8 Uhr im Kinderkanal (KIKA) und um 6.15 Uhr im NDR.
Ja, das suggeriert “Bild” auch, und auf Bild.de gibt es sogar einen entsprechenden Teaser:
Doch im Artikel heißt es dann bloß:
Doch schon vor dem Start gibt‘s Ärger!
Grund: die SENDEZEIT! Denn die Kindersendung läuft unter der Woche morgens um 8 Uhr auf dem KIKA und um 6.15 Uhr im NDR.
Von einer “neuen” Sendezeit ist dort nicht die Rede. Ein möglicher Grund: Es gibt keine neue Sendezeit. Seit vielen Jahren läuft die “Sesamstraße” früh morgens im NDR und etwas später im Kika. Auf dem 18-Uhr-Sendeplatz wurde sie zum letzten Mal vor über neun Jahren, am 31. Juli 2003, ausgestrahlt.
“Spot On News”-Chefredakteur Tobias Lobe sagte dem “Handelsblatt”, er glaube an den schnellen wirtschaftlichen Erfolg seiner Agentur: Die Printverlage stünden unter großem Kostendruck und könnten es kaum noch leisten, die Kompetenz für den wachsenden Unterhaltungssektor im Haus zu haben.
Am Montag veröffentlichte die Bundespolizeiinspektion Frankfurt/Main ein Pressemitteilung, die sowohl in die Rubrik “Vermischtes” passt, als auch als Aufhänger für längere Ausführungen über den Zustand unserer Gesellschaft geeignet wäre:
Militanter Raucher stößt Reisenden ins Gleis
Frankfurt am Main (ots) – Weil ein 43-jähriger Berliner Asthmatiker um seine Gesundheit besorgt war, kam es am Sonntagabend, gegen 23.30 Uhr, im Hauptbahnhof Frankfurt am Main zwischen ihm und einem 35-jährigen Stuttgarter Raucher zu einer handfesten Auseinandersetzung.
Der Berliner hatte den Raucher mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass im Hauptbahnhof grundsätzlich das Rauchen verboten sei, was dazu führte, dass Beide “Nettigkeiten” austauschten. Da sich der Raucher nicht überzeugen ließ, griff er zu härteren Maßnahmen.
Mit einem gezielten Stoß beförderte der Stuttgarter seinen Kontrahenten ins Gleis, wo dieser leicht verletzt liegen blieb und plötzlich über Atemnot klagte. Da sich der Zustand nicht besserte, musste er mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus gebracht werden.
Der renitente Raucher wurde wenig später von einer Streife der Bundespolizei festgenommen und zur Wache gebracht.
Nach Feststellung seiner Personalien und Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Körperverletzung wurde er wieder auf freien Fuß gesetzt.
Der hessische Landesdienst der Nachrichtenagentur dapd veröffentlichte kurz darauf diese Meldung:
Nichtraucher stößt Raucher am Hauptbahnhof aufs Gleis
Frankfurt/Main (dapd-hes). Am Frankfurter Hauptbahnhof ist ein Streit zwischen einem Nichtraucher und einem Raucher eskaliert. Ein 43-jähriger Mann aus Berlin hatte einen 35-Jährigen aus Stuttgart am späten Sonntagabend mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass das Rauchen grundsätzlich verboten sei, wie die Bundespolizei am Montag mitteilte. Da sich der Raucher nicht überzeugen ließ, griff der Asthmatiker aus Sorge um seine Gesundheit demnach zu härteren Maßnahmen.
Mit einem gezielten Stoß beförderte der Berliner seinen Kontrahenten aufs Gleis, wo der 35-Jährige den Angaben zufolge leicht verletzt liegen blieb und plötzlich über Atemnot klagte. Er musste in ein Krankenhaus gebracht werden. Der renitente Nichtraucher wurde den Angaben zufolge wenig später festgenommen. Nach Feststellung seiner Personalien und Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Körperverletzung wurde er wieder auf freien Fuß gesetzt.
Falls es am Frankfurter Hauptbahnhof nicht gerade mehrmals am Tag zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen 43-jährigen Berliner Nichtrauchern und 35-jährigen Stuttgarter Rauchern kommt, stellt sich da natürlich die Frage: Wie zum Henker konnte das passieren? Sind die zu blöd zum Abschreiben?
Nee, so die Pressestelle der Bundespolizei in Frankfurt auf unsere Anfrage. Denn dapd habe sogar angerufen, um die Situation noch einmal geschildert zu bekommen. Im Verlauf dieses Gesprächs sei es dann zu einem “Missverständnis von beiden Seiten” gekommen, dessen Ergebnis die dapd-Meldung sei.
“Spiegel Online” hatte zunächst die falsche dapd-Version übernommen, hat diese inzwischen aber transparent korrigiert. Bei der “Welt” hingegen ist immer noch der Nichtraucher der Übeltäter.
Mit Dank an Lars Sch., Daniel M. und Holger.
Nachtrag, 28. September: Auch bei der “Welt” ist jetzt der Raucher gewalttätig geworden.
Die Sommerferien sind vorbei und ich begrüße Sie ganz herzlich zur ersten Stunde unseres Englisch-Leistungskurses! Es sind noch zwei Jahre bis zum Abitur, deswegen wollen wir es heute erst mal etwas ruhiger angehen lassen – hart wird’s noch früh genug – und gucken zum Einstieg erst mal ein Video:
Sie haben es natürlich schon gemerkt (bis auf den Kollegen da am Fenster, der schon – HALLO! – eingeschlafen war): Wir haben das Video nicht nur zum Vergnügen gesehen. Zum einen machen wir gleich ein paar kleine Übersetzungsübungen, zum anderen werden wir uns in diesem Herbst zunächst intensiv mit dem Thema “Wahlkampf in den USA” beschäftigen. Also, wer hat den Mann erkannt?
Richtig, Mitt Romney war das, der republikanische Präsidentschaftskandidat und Herausforderer von Barack Obama.
Und jetzt lesen wir gemeinsam diesen Text von der Deutschen Presse-Agentur dpa, wenn Sie den mal eben rumgeben, danke!
Dann lesen wir doch mal:
Der republikanische Präsidentenkandidat Mitt Romney hat sich in einem heimlich aufgenommenen Video abfällig über Wähler des demokratischen Präsidenten Barack Obama geäußert. Romney beschrieb 47 Prozent der Obama-Wähler als Abzocker, die keine Einkommenssteuer zahlten und glaubten, sie seien Opfer und die Regierung müsse für sie sorgen.
Wem ist was aufgefallen? Ja, Sie da in dem Ringelpulli!
Genau, dpa schreibt, Romney beschreibe 47 Prozent der Obama-Wähler als Abzocker. Da fragt man sich natürlich, was mit den anderen 53 Prozent ist, nicht wahr? In Wirklichkeit hat er ja aber gesagt:
There are 47 percent of the people who will vote for the president no matter what. All right, there are 47 percent who are with him, who are dependent upon government, who believe that they are victims, who believe the government has a responsibility to care for them, who believe that they are entitled to health care, to food, to housing, to you-name-it. That that’s an entitlement. And the government should give it to them. And they will vote for this president no matter what…These are people who pay no income tax.
Der einzelne Satz ist ein bisschen schwer zu verstehen, aber es wird dann schnell klar, dass es um 47 Prozent aller Wähler geht. Also, Romney meint: 47 Prozent stimmen eh für Obama. Er sagt dann später, er muss die fünf bis zehn Prozent in der Mitte überzeugen, die vorher noch nicht festgelegt sind.
Ich hab hier auch noch einen Text von der Nachrichtenagentur dapd, ich les den grad mal vor:
Mitt Romney hat sich im US-Präsidentschaftswahlkampf mal wieder selbst ein Bein gestellt. Vor wohlhabenden Spendern bezeichnete der republikanische Präsidentschaftskandidat Anhänger von Amtsinhaber Barack Obama als Opfer. Fast die Hälfte aller Amerikaner glaubten, sie seien Opfer und hätten Anspruch auf finanzielle Unterstützung.
Wem fällt was auf? Ja, Sie hier vorne? Genau: Im zweiten Satz heißt es, Romney bezeichne die Leute als “Opfer”, im dritten heißt es – richtig – er sagt, sie sähen sich selber als welche. Die Überschrift der Meldung lautet: “Romney bezeichnet Obama-Anhänger als Opfer”, die der dpa-Meldung lautet: “Romney bezeichnet Obama-Wähler als Abzocker und Opfer”.
Und das ist ja wohl ein Unterschied, ob ich sage “Du Opfer” (sagt man das noch unter jungen Leuten?) oder “Ooooch, der Arme: sieht sich als Opfer”. Man könnte sagen: Mitt Romney spricht diesen Menschen ab, sich rechtmäßig als Opfer fühlen zu dürfen.
Und jetzt gucken Sie sich mal an, was die deutschen Online-Medien so schreiben:
So, das war’s für die erste Stunde. Wir machen fünf Minuten Pause und dann fangen wir richtig an. Damit Sie nach dem Abi was Vernünftiges studieren können und nicht Journalist werden müssen.
Mit Dank auch an Wolfgang.
Nachtrag, 17.10 Uhr: dpa hat eine Berichtigung des Artikels verschickt:
## Berichtigung
– Im zweiten Satz wurde klargestellt, dass Romney alle Obama-Wähler meinte. Es heißt richtig “die 47 Prozent Obama-Wähler”, nicht: “47 Prozent der Obama-Wähler”)
– In der Überschrift wurden die Worte “und Opfer” gestrichen
Es sind die ganz großen Themen, mit denen “Bild” heute aufmacht:
Eine gute Gelegenheit zum sonst eher seltenen Aufeinandertreffen von Journalismus und Dadaismus:
Generationen von Deutschen sind mit ihr aufgewachsen. Wer einen Fernseher hat, kennt diese Melodie: DONG!
“Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau …” Ta-ta, ta ta ta taaa!
Jetzt entsorgt die ARD nach 56 Jahren die Tagesschau-Melodie! Die neuen Töne kommen aus Hollywood – von Starkomponist Hans Zimmer (54)!
Wer dieser Hans Zimmer ist und was seine bekanntesten Melodien sind, erklärt “Bild” natürlich auch:
Die “Tagesschau” wird also bald nicht mehr mit “Ta-ta, ta ta ta taaa!” beginnen, sondern vielleicht mit “Dam Dam Da Da Da Daam” oder “Tatü tata”!
Mit der “Bild”-Titelstory und ein bisschen Unterstützung der Nachrichtenagentur dapd im Rücken (“Die ARD verpasst der ‘Tagesschau’ einem Zeitungsbericht zufolge eine neue Titelmelodie.”) ging die Geschichte auf Reisen:
Es waren wohl noch mehr Online-Medien, die berichtet hatten, die “Tagesschau” bekomme eine neue Melodie — bis, ja, bis Kai Gniffke, Chefredakteur von “ARD Aktuell”, sich zu Wort meldete:
Die Sorge um das Ta-ta, ta ta ta taaa ist unbegründet: Wir “entsorgen” die Melodie nicht, wie die BILD schreibt, sondern überarbeiten sie nur – wie zuletzt in den Jahren 2005, 1997 und 1994. Dabei bleiben natürlich die Grundelemente der “Tagesschau”-Melodie erhalten, die sie so unverwechselbar machen.
Und auch die Meldung, die “neue” Melodie werde von Hans Zimmer komponiert, war offenbar ein wenig … überspitzt:
Die Überarbeitung soll der Komponist Henning Lohner übernehmen, der für die Firma Remote Control von Oscar-Preisträger Hans Zimmer tätig ist. Bis zum Jahresende will die Redaktion von ARD-aktuell die Entwicklung ihres neuen Designs, wozu dann auch die angepasste Titelmelodie gehört, abgeschlossen haben.
dapd tickerte daraufhin, die ARD habe “Berichte über eine neue ‘Tagesschau’-Melodie zurückgewiesen”, wälzte die Schuld an diesen Berichten aber relativ souverän auf “Bild” allein ab. “Spiegel Online” veröffentlichte einen zweiten Artikel, der den ersten explizit erwähnt.
Und Nachrichtenseiten wie stern.de, ksta.de oder kress.de überarbeiteten ebenfalls etwas — nämlich unauffällig ihre jeweiligen Artikel.
Mit Dank auch an Daniel K., Josef Sch. und Kai Sch.
Es gibt eine neue Sensationsmeldung aus dem Bereich der Wissenschaft: Schwerelosigkeit und Weltraumstrahlung lassen offenbar aus Männern Frauen werden.
So schön kann Arbeit sein: Ein kaputtes Gerät reparieren und nebenbei ein bisschen im Weltraum herumfliegen. Das konnten zumindest diese beiden Astronautinnen der Internationalen Raumstation ISS. Schwebend installierten sie eine neue Stromverteilerbox. Die Reparatur war zuvor gescheitert. Nach einer Woche auf Sparflamme ist die Stromversorgung der ISS nun wieder zu einhundert Prozent gesichert. Der Weltraumausflug der zwei Frauen dauerte mehr als sechs Stunden.
Die “beiden Astronautinnen” oder “zwei Frauen”, die da “ein bisschen im Weltraum herumfliegen”, sind nämlich nach übereinstimmendenMedienberichten Sunita Williams und Akihiko Hoshide.
Sunita Williams ist in der Tat eine Frau, Akihiko Hoshide hingegen ein Mann.
Mit Dank an den Hinweisgeber (oder die Hinweisgeberin).