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Urin: Immer wieder lustig

Die Bundesliga-Saison ist vorbei, der Bundestag ist in der Sommerpause und in etlichen Bundesländern sind bereits Sommerferien. Kurzum: Es ist nichts los, worüber man berichten könnte.

Bild.de hat Abhilfe gefunden und das hier veröffentlicht:

Füsse Gottes schlagen Juventus Urin: Die lustigsten Namen von Freizeit-Teams

Streng genommen ist das allerdings gar kein Sommerlochfüller. Die gleiche 28-teilige Klickstrecke über die “lustigsten Namen für Freizeitmannschaften” hatte das Portal schon einmal im Januar gebracht:

Dynamo Tresen & Juventus Urin: Die lustigsten Namen von Freizeit-Teams. Kennen Sie Juventus Urin und Hinter Mailand? Holzbein Kiel und Sturm Gras?

Und eine ganz ähnliche Sammlung im April 2010:

Die verrücktesten Klub-Namen Deutschlands: Juventus Urin gegen die Zeugen Yeboahs. 15.04.2010 Sie haben keine Angst vor großen Namen: Juventus Urin, Egal Madrid oder Hinter Mailand. Das sind Deutschlands verrückteteste Fußball-Klubs.

Wobei auch das nur die Wiederaufbereitung einer Liste war, die am 23. Dezember 2008 in der gedruckten “Bild” erschienen war:

Die 10 verrücktesten Vereinsnamen in Deutschland

Sie kennen keine Angst vor großen Namen: Juventus Urin, Hinter Mailand und Dynamo Tresen. Das sind Deutschlands verrückteste Fußball-Klubs. Sie spielen in sogenannten bunten und wilden Ligen, kicken für den Spaß. Absolut erstklassig sind vor allem ihre Vereinsnamen.

Inzwischen verzichtet Bild.de auf eine Datumsangabe — so kann man den gleichen Artikel alle paar Monate wieder auf der Startseite verlinken, ohne dass es jemandem auffällt.

Also, fast:

schon einmal? alle halbe Jahre wieder sag ich nur. Sommerloch allez!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! damals: Die verrücktesten Klub-Namen Deutschlands Juventus Urin gegen die Zeugen Yeboahs - 2008 Wie oft wollt ihr den Artikel denn noch bringen?!? Lasst euch doch zur Abwechslung mal was neues einfallen ;-)

Mit Dank an Maximilian K. und Joachim L.

Das kann nicht Euer ERNSTL sein

Vergangene Woche stellte ein Mann namens Paul Awe bei eBay ein ganz besonderes Objekt zur Versteigerung ein:

GLÜCKSRAD - Original aus dem TV - Ikone der 80/90er

Diese Produktbezeichnung war womöglich etwas missverständlich, denn Awe versteigert nicht das Glücksrad aus der unfassbar erfolgreichen Sat.1-Sendung “Glücksrad” (1988 – 1998), sondern das Glücksrad aus der erfolglosen 9Live-Reinkarnation der Sendung (2004 – 2005) — deutlich zu erkennen etwa an den Euro-Beträgen auf dem Rad.

Das steht so ähnlich auch in der Produktbeschreibung:

Die zu versteigernde Version des Glücksrads drehte sich zuletzt auf 9Live. Es wurde mit Genehmigung des amerikanischen Lizenzgebers hergestellt und dürfte das einzig verfügbare Glücksrad in Deutschland sein.

Paul Awe hätte klar sein müssen, dass sein Angebot falsch verstanden werden könnte — zum einen von möglichen Bietern, ganz sicher aber von Journalisten.

Die Deutsche Presseagentur (dpa) berichtete bereits letzten Montag:

Das “Glücksrad” und die Buchstabenwand werden jetzt versteigert. Das kündigte der Münchner Medienunternehmer Paul Awe, dem die Kulissen gehören, am Montag an. Awe hatte das Glücksrad aus dem Fundus des Privatsenders Neun live übernommen, der im Jahr 2005 den Spielshowklassiker zuletzt übertragen hatte.

Das war (bis auf Awes Berufsbezeichnung, zu der wir später kommen) nicht falsch. Irreführend wurde die Meldung durch den darauf folgenden Absatz, der nichts mit dem angebotenen Glücksrad zu tun hatte:

Das “Glücksrad”, das im amerikanischen Original “Wheel of Fortune” heißt, war mit der meist stummen Buchstabenfee Maren Gilzer sowie den Moderatoren Frederic Meisner und Peter Bond im Jahr 1988 bei Sat.1 auf Sendung gegangen und wechselte 1998 zu Kabel eins, wo es sich bis 2002 drehte. 2004 und 2005 probierte es Neun live noch einmal. Awe kündigte an, er werde das mehrere hundert Kilo schwere Rad samt Buchstabenwand von Dienstag an im Online-Auktionshaus ebay anbieten – Mindestgebot: ein Euro.

Am Mittwoch berichtete “Welt Online”:

Online-Versteigerung: Glücksrad und Buchstabenwand landen bei Ebay. Vor über zwei Jahrzehnten drehte sich das "Glücksrad" erstmals im deutschen Fernsehen. Nun können Nostalgiker das berühmte Requisit im Internet ersteigern.

“Welt Online” hatte sich sogar die Mühe gemacht, die legendäre “Buchstabenfee” Maren Gilzer zu befragen, was sie von der Versteigerung halte (“Besser, als wenn es in einem Kulissenkeller irgendwo verstaubt.”) und ob sie selbst mitbieten werde (“Ich nicht, denn mein Hund Tinka interessiert sich nicht für Buchstaben.”).

Auch “Focus online” hatte einen schicken O-Ton aufgetan:

Auch Frederic Meissner, der “Das Glücksrad” 14 Jahre lang moderiert hat, denkt gerne an diese Zeit zurück. “Natürlich kommt auch etwas Wehmut auf, wenn die Studioeinrichtung nun versteigert wird”, so Meissner gegenüber FOCUS Online.

Gegen Ende der Woche hatten die “B.Z.”, die “Hamburger Morgenpost” und sogar die “Süddeutsche Zeitung” über die Auktion berichtetet. Letztere, obwohl die Sendung im Rückblick “dermaßen dämlich” sei, “dass es fast schade um jede Zeitungszeile ist, die man darüber verliert”.

Nachdem Paul Awe übereinstimmend als “Medienunternehmer” bezeichnet worden war, stellte er am 30. Juni in einem Update auf der Auktionsseite klar:

Ich bin KEIN “Medienunternehmer” (wie in der Presse dargestellt), sondern ein ganz normal arbeitender Mensch – jetzt mit ein bisschen Glück, hoffentlich!

Am gleichen Tag beantwortete er die Frage eines eBay-Mitglieds, um welches Glücksrad es sich denn jetzt eigentlich handle, so:

Die zur Verstiegerung stehende Version ist nicht die, die 1988 auf SAT.1 zu sehen war, sondern lief auf 9 Live.

Zwei Tage später war die Auktion auch zu Bild.de durchgedrungen:

Auktion bis 7. Juli: Das "Glücksrad" wird bei Ebay versteigert

Die Auktionsseite hatte die Autorin für ihren Artikel offensichtlich nicht gelesen, denn sie schrieb:

Der Münchner Medien-Unternehmer Paul Awe versteigert die Original-Requisite aus der gleichnamigen TV-Sendung jetzt im Online-Auktionshaus Ebay.​

Außerdem schrieb Bild.de:

Demnächst soll auch noch die dazugehörige Buchstabenwand, die bei der Show jahrelang das Reich von Buchstaben-Fee Maren Gilzer war, bei Ebay unter den Hammer kommen.

Die Buchstabenwand, die deutlich kleiner ist als die, vor der Maren Gilzer jahreland auf und ab schritt, stand da bereits seit mehreren Tagen zur Versteigerung.

Die Kabel-1-Variante des Glücksrads war übrigens bereits im Jahr 2002 für einen guten Zweck versteigert worden.

Mit Dank an Axel Sch. und Jens L.

Sexy Urlaubsfotos von Teenager-Mädchen

Menschen, die sexuelles Interesse an Minderjährigen zeigen, bezeichnet “Bild” als “Sex-Täter”. Männer, die sich tatsächlich an Minderjährigen vergriffen haben, nennt die Zeitung “Schwein”, “Dreckschwein” oder “Sex-Monster”.

Anders verhält es sich bei Menschen, die so etwas über Minderjährige schreiben:

Am Strand macht Aurora auch mindestens so eine gute Figur wie ihre Model-Mama. Das findet Michelle Hunziker wohl auch und lässt ihre Tochter für sexy (private) Urlaubsfotos posieren.

Die nennt Bild.de “Mitarbeiter”.

Aurora, die 14-jährige Tochter von TV-Moderatorin Michelle Hunziker, macht derzeit offenbar Strandurlaub mit ihrer Mutter. Und Bild.de schreibt:

Andere Teenies finden die Outfits ihrer Mütter oft nur peinlich! Michelle und Aurora wurden sogar im Partnerlook gesichtet: In knappen pinken Bikinis.

Und weil sich die Wenigsten vorstellen können, wie das so aussieht, wenn eine Frau und ein Mädchen knappe pinke Bikinis tragen, hat Bild.de eine kleine Bildergalerie zusammengestellt.

Im sexy Partnerlook: Michelle Hunziker und ihre Tochter Aurora haben Spaß am Strand von Formentera

Ganz schön heiß! Mama Michelle lässt Töchterchen Aurora für die Urlaubsfotos posieren

Wo ist eigentlich Stephanie zu Guttenberg, wenn man sie braucht?

Mit Dank an Timo W., Jan S. und Jan.

Weniger ist oft mehr

Zu den regelmäßigen Steuervereinfachungsvorschlägen des ehemaligen Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof kann man ja stehen wie man will. “Bild” und Bild.de beispielsweise brechen jedesmal in Jubelarien aus, wenn “Deutschlands klügster Steuerexperte” bzw. “einer der besten Köpfe für das Amt des Finanz- und Haushaltsministers” ein System fordert, bei dem die Steuererklärung auf einen Bierdeckel passt.

Die Reaktion von Bild.de auf Kirchhofs jüngsten Vorstoß ist daher wenig überraschend:

Das Kirchhof-Modell: Weniger Steuerlast für alle! BILD.de erklärt den Plan von Ex-Verfassungsrichter Paul Kirchhof, über den plötzlich wieder alle reden
Er ist 68 Jahre alt, sehr klug – und war schon in der Versenkung verschwunden. Jetzt ist Ex-Verfassungsrichter Prof. Paul Kirchhof wieder da, stellte ein radikal vereinfachtes Steuersystem vor. (…)

Steuern zahlen soll wieder Spaß machen! Der Ehrliche soll nicht mehr der Dumme sein! Das soll kein Traum bleiben, sondern kann sofort Wirklichkeit werden, sagt Prof. Paul Kirchhof. (…)

• Das Allerwichtigste: Weniger Steuerlast für alle!

Wen genau Bild.de in der Überschrift mit “alle” meint, wird gegen Ende des Artikels deutlich:

Allerdings muss das Modell (…) dem Praxistest standhalten. Erste grobe Berechnungen deuten auf eine mögliche Mehrbelastung geringerer Einkommen hin.

• Demnach könnte ein Alleinstehender mit 2000 Euro Bruttoeinkommen/Monat im Kirchhof-Modell 291 Euro statt 229 Euro Steuern bezahlen.

• Wer 3000 Euro brutto im Monat verdient, könnte mit 541 Euro statt 494 Euro belastet werden. Bei 3500 Euro/Monat ist die Steuerbelastung mit rund 650 Euro in etwa gleich.

• Bei höheren Einkommen dürfte die Steuerlast dann deutlich sinken. Ein Single mit 5000 Brutto/Monat könnte fast 200 Euro pro Monat sparen.

Da ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung weniger als 3500 Euro brutto verdient, wäre damit immerhin geklärt, wen “Bild” und Bild.de meinen, wenn sie mal wieder Begriffe wie “Deutschland” oder “alle” verwenden: Besserverdienende.

Get The Party Started

Sie können es nicht lassen. Sie wollen ihren Spaß. Sie wollen provozieren.

Oder, wie Bild.de selber schreibt:

Sie können es nicht lassen. Sie wollen ihren Spaß. Sie wollen provozieren.

Nachdem “Bild” in der vergangenen Woche schon so emsig die Werbetrommel für sogenannte Facebook-Partys gerührt hatte (BILDblog berichtete), geht der Irrsinn ungerührt weiter: Schon letzten Donnerstag berichtete “Bild” in Hamburg über “mehr als 19 000 (!) ‘Facebook’-Mitglieder”, die sich schon für eine Party in Hamburger U- und S-Bahnen angemeldet hätten — und nannte natürlich Datum, Uhrzeit und den Titel, unter dem man die Veranstaltung bei Facebook finden kann.

Gestern Abend dann machte Bild.de groß mit diesem Veranstaltungstipp auf:

Bochum zittert vor Party mit 50000 Facebook-Fans: Sie wollen "Feiern, Flirten, Trinken" - und den Rekord.

Natürlich nennt Bild.de das geplante Datum und den geplanten Ort. Den “Veranstalter” (also jene noch anonyme Person, die die Veranstaltung bei Facebook angelegt hatte), dessen erklärtes Ziel es ist, “50.000 Menschen zusammen zu bekommen”, zitiert das Onlineportal mit den anstachelnden Worten:

“Andere Städte haben es schon vorgemacht, doch diese Party wird alles übertreffen.”

Bild.de weiter:

Bislang gibt es 2381 Zusagen, aber das kann sich über Nacht vervielfachen.

Die Zahl der Zusagen lag heute um 15 Uhr bei 6.200, inzwischen ist die Veranstaltung bei Facebook verschwunden.

Die Pressestelle der Stadt Bochum zeigte sich auf unsere Anfrage hin eher unglücklich über die Berichterstattung der Medien. Der Pressesprecher sagte, er appelliere an alle Journalisten, sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein, und im Vorfeld auch auf Panikmache zu verzichten.

Mit Dank auch an Sebastian K. und Hainz M.

Völlig perrückt

“Bild” scheint ehrlich empört. Auf der Titelseite ernennt sie Michael Antwerpes, Sportchef des Südwestrundfunks, zum “Verlierer des Tages” — und die Begründung erscheint sogar gerechtfertigt:

Verlierer: ARD-Moderator Michael Antwerpes (48) leistete sich einen Fehlstart in die WM. Mit einer schwarzen Perücke wollte er besonders lustig sein und feixte: "Fußball-WM der Frauen ist, wenn man trotzdem Spaß hat." BILD meint: Falsch! Fußball-WM macht Spaß, wenn man solche dummen Sprüche nicht hören muss!

Bei Licht besehen ist “Bild” aber offenbar vor allem sauer über die Urheberrechtsverletzung, die Antwerpes mit seinem Auftritt begangen hat.

Dieses Foto der Bild.de-Kolumnistin Franziska van Almsick prangte heute lange oben auf der Startseite von Bild.de:

Franzi Fan Almsick: Mein Afro-Start in die Gänsehaut-WM

Mit Dank auch an Christian H.

SPD am Steuer, das wird teuer

Weil Griechenland, EHEC und die ständige Aberkennung von Doktortiteln auf Dauer langweilen, widmet sich “Bild” derzeit den vagen Plänen der Bundesregierung, die Steuern zu senken. Sogar einen Brief an die Bundesregierung sollten die Leser abschicken. (Mehr zu den Steuersenkungs-Versprechen von FDP und “Bild” bei den Nachdenkseiten.)

Die Ministerpräsidenten einiger Bundesländer sind von den Ideen eher weniger begeistert — und werden von “Bild” einigermaßen erwartbar als “Steuer-Nörgler” beschimpft.

Schon gestern Abend hatte Bild.de berichtet:

In vorderster Front kämpfen die CDU-Regierungschefs Reiner Haseloff (Sachsen.-Anhalt), Peter Müller (Saarland) und Christine Lieberknecht (Thüringen) Seite an Seite mit den SPD-Länderchefs Kurt Beck (Rheinland-Pfalz), Klaus Wowereit (Berlin) und Hannelore Kraft (Nordrhein-Westfalen).

“Keine Steuersenkung auf Pump” heißt ihre Parole. Kernargument: Erst müssen die Staatsschulden runter, nur dann gibt es wieder Spielraum für Entlastungen

Und wie das so aussieht, wenn CDU-Regierungschefs “Seite an Seite” mit SPD-Länderchefs kämpfen, verdeutlichen die Grafiker von Bild.de mit diesem Teaser-Bild, das gestern Abend auf der Startseite prangte:

Rebellion in den Ländern gegen Steuererleichterungen: Warum gönnen die uns die Kohle nicht?

Es zeigt ausschließlich die genannten SPD-Politiker.

Da ist es nur noch ein kleiner Schritt zu Ernst Elitz*, der heute in seiner Kolumne schreibt:

Die SPD tritt aufs Bremspedal. Sie will mal wieder die Besserverdienenden rösten. Steuern rauf statt runter, damit Geldverdienen keinen Spaß mehr macht.

*Ernst Elitz wird von “Bild” konsequent als “Gründungsintendant des Deutschlandradios” bezeichnet.

Mit Dank an Stephan K. und Marco G.

Sarg die Wahrheit! (2)

Am 6. April berichtete Bild.de über die Schauspielerin Hanna Köhler (bekannt aus der ARD-Serie “Marienhof”), die am 17. März verstorben war, und schrieb:

Jetzt steht ihr Sarg verlassen in einer Bestattungshalle, kein Angehöriger hat sich bisher gemeldet. (…)

Was keiner wusste: Der Sarg mit der Leiche steht seit ihrem Tod einsam in einer Bestattungshalle des Zentralfriedhofs Ulm.

Das stimmte nicht, denn Köhler war bereits am 28. März eingeäschert worden, mehr als eine Woche vor Erscheinen des Artikels (BILDblog berichtete).

Wir haben uns beim Presserat über diese offensichtlich falsche Berichterstattung beschwert, weil wir darin Verstöße gegen die Ziffern 1 (“Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde”) und 2 (“Sorgfalt”) des Pressekodex sahen. Bild.de sah das erwartungsgemäß anders: In der Stellungnahme gegenüber dem Presserat erklärte die Rechtsabteilung, die Redaktion habe “wahrheitsgemäß” über den Tod von Hanna Köhler berichtet.

Nach Durchsicht des Textes müsse die Rechtsabteilung jedoch einräumen, dass der Artikel missverständlich aufgefasst werden könne. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung (06.04.2011) habe der Leichnam nicht mehr in der Leichenhalle gestanden. Hanna Köhler sei bereits am 28.03.2011 eingeäschert worden. Der fertige Artikel sei aufgrund einer redaktionellen Planungsänderung jedoch erst zwei Wochen später veröffentlicht und nicht mehr aktualisiert worden. In der Gesamtbetrachtung sei dieser Fehler jedoch nicht als gravierend einzustufen. Denn tatsächlich habe der Sarg mit dem Leichnam über eine Woche einsam in der Bestattungshalle gestanden. Insgesamt sei die Redaktion ihrer Chronistenpflicht in verantwortlicher Weise nachgekommen.

Die “Maßnahmen” des Presserates:

Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:

  • einen Hinweis
  • eine Missbilligung
  • eine Rüge.

Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.

Der Presserat wollte sich der Springer-internen Einschätzung, der Fehler sei nicht gravierend, nicht anschließen. Nach einstimmiger Ansicht der Mitglieder habe die Redaktion den Vorgang “nicht wahrheitsgemäß” dargestellt. Nach Ansicht des Gremiums hätte es die journalistische Sorgfaltspflicht erfordert, “dass die Redaktion den Beitrag vor Veröffentlichung noch einmal prüft und aktualisiert”. Wegen des Verstoßes gegen die Ziffern 1 und 2 des Pressekodex sprach der Beschwerdeausschuss Bild.de einen “Hinweis” aus.

Presserat missbilligt Nutella-Geschmiere

(Diese Geschichte lag ein bisschen bei uns rum, ist aber immer noch gut.)

Anfang März erschien in der “Bild”-Zeitung ein erstaunlicher Hinweis “In eigener Sache”:

Am 08.01.2011 hatten wir im Rahmen eines Interviews mit Mats Hummels dessen Tätigkeit als Werbepartner und das von ihm beworbene Produkt in unangemessener Weise betont. Wir bedauern dies.

Das ist eine erstaunlich treffende Beschreibung für das “Nutella-Frühstück”, zu dem sich “Bild” Anfang Januar mit dem Dortmunder Bundesliga-Spieler Mats Hummels getroffen hatte. Der Brotaufstrich war in Wort und Bild groß in Szene gesetzt:

Die Bild.de-Version des Artikels ist Anfang März ebenfalls durch Hinweis “In eigener Sache” ersetzt worden.

Was war passiert? Nun, es könnte etwas damit zu tun haben, dass BILDblog sich beim Presserat über die Werbegeschichte beschwert hatte. Im Lauf des Verfahrens bekommt dann immer das Medium Gelegenheit zu Stellungnahme, und in diesem Fall fiel sie für “Bild”-Verhältnisse ungewöhnlich aus:

Die Rechtsabteilung der Axel Springer AG räumte ein, einen Fehler gemacht zu haben. Der Presserat fasst ihre Erklärung so zusammen:

Zwar sei der Begriff der sogenannten “Nutella-Boys” (…) in Sportkreisen und auch anderen Medien inzwischen allgemein verbreitet. (…) Dennoch hätte die penetrante Nennung des Produktnamens in BILD-(Ruhr) keineswegs erfolgen dürfen. Die Chefredaktion habe den Artikel umgehend moniert und mit den Kollegen besprochen. Leider sei zu diesem Zeitpunkt der Artikel bereits von BILD-Online übernommen worden.

Der Presserat sah in dem “Nutella-Interview” klar Schleichwerbung, wertete die Erklärung “in eigener Sache” aber zugunsten der Zeitung und sprach deshalb keine “Rüge”, sondern nur eine “Missbilligung” aus.

Der Abrechnung zweiter Teil

Vorletzten Donnerstag erschien in der “Zeit” ein Interview mit Jörg Kachelmann. “Bild” veröffentlichte am darauf folgenden Tag die knackigsten Zitate und warb dafür auf Bild.de mit dem irreführenden Satz:

Die ganze Abrechnung lesen Sie heute in BILD – die bekommen Sie entweder gedruckt am Kiosk oder bei iKIOSK zum Download.

Die “Zeit” ging juristisch dagegen vor, Bild.de gab eine Unterlassungserklärung ab (BILDblog berichtete).

Vergangenen Donnerstag erschien im Klatschmagazin “Bunte” ein Interview mit der Ex-Geliebten Jörg Kachelmanns, die ihn vor Gericht der Vergewaltigung bezichtigt hatte. Bild.de veröffentlichte schon am Vortag die knackigsten Zitate und zeigte dabei auch diesen Teaser:

Kachelmann rechnet brutal ab! — Die ganze Abrechnung in BILD

Das war – vorsichtig gesagt – blöd, denn damit verstieß Bild.de gegen die Unterlassungersklärung, die “Bild Digital” gegenüber der “Zeit” abgegeben hatte. Die “Zeit” fordert deshalb jetzt eine Vertragsstrafe von “Bild Digital” ein, zu deren Höhe sie sich auf unsere Anfrage hin nicht äußern wollte.

Ein Sprecher der Axel Springer AG erklärte gegenüber dem “Spiegel”, die erneute Veröffentlichung des Teasers sei “eine Verkettung unglücklicher Umstände und ein individueller Fehler in der Redaktion” gewesen. Inzwischen ist der Teaser auf Bild.de verschwunden.

Mit Dank auch an Tom Z.

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