Archiv für 6 vor 9

Scheidenpilz, Ronja Von Rönne, Walter Scott

1. “Boykott am Kiosk”
(deutschlandfunk.de, Murat Koyuncu)
Murat Koyuncu holt Statements ein zum “Bild”-Boykott einiger Zeitungsverkäufer.

2. “Die stärkste Zeitung der Schweiz und Sexismus”
(flugangstweb.wordpress.com, Anne-Sophie Keller)
Anne-Sophie Keller schreibt einen offenen Brief an Blick.ch-Chefredaktor Rüdi Steiner und Blick.ch-People-Ressortchef Dominik Hug: “Ich finde nicht, dass ein Scheidenpilz Bestandteil des öffentlichen Interesse ist.”

3. “Aufräumen nach dem Shitstorm, 1. Teil”
(fembio.org, Luise F. Pusch)
Durch die Übernahme ihrer Kolumne auf Emma.de wird Luise F. Pusch für Sätze kritisiert, die sie gar nicht geschrieben hatte: “Fünf Sätze, die nicht von mir sind, mir aber im Shitstorm und in den Medien dauernd vorgeworfen wurden.”

4. “I dont even know what to say”
(facebook.com/rroenne)
“Welt”-Journalistin Ronja Von Rönne befasst sich mit einer Kritik (Nachtrag) auf ihren Text “Warum mich der Feminismus anekelt”.

5. “Should You Watch the Video?”
(newyorker.com, Philip Gourevitch, englisch)
Sollte man sich das Video, das die Schüsse auf Walter Scott zeigt, ansehen? “This is uncharted territory, and it is not insignificant that Walter Scott’s family has expressed gratitude that the video exists. So we are, to some degree, our own editors when we choose to click or not.”

6. “Big Jack und die Ja!-Quark-Lady”
(schnipselfriedhof.de, Volker Strübing)
Volker Strübing schreibt über arme Menschen: “Meinen ersten Bettler sah ich live als ich 18 war, am 10.11.1989 bei meinem zweiten Besuch in Westberlin und ich war geschockt, obwohl ich natürlich wusste, dass es sie gab. Heute gehe ich jeden Tag an was weiß ich wievielen vorbei und muss mich zusammenreißen, um nicht aufzustöhnen und mit den Augen zu rollen, wenn der dritte Motzverkäufer in die S-Bahn steigt. Das Elend nutzt sich ja auch irgendwann ab, und überhaupt, ich habs weiß Gott auch nicht leicht und dann sind da ja auch noch die sprichwörtlichen Kinder in Afrika, die froh wären, wenn sie sich mit ein paar leeren Flaschen so einen schönen Ja!-Quark verdienen könnten.”

Erdogan, Tillich, Mediapart

1. “Medien-Analyse zum Germanwings-Absturz”
(munich-digital.com)
Munich Digital wertet Soziale Medien zum Absturz von Germanwings-Flug 9525 aus: “Rund die Hälfte aller auf den Facebook-Pages der überregionalen Tageszeitungen in der Woche vom 24.03.-31.03. veröffentlichten Kommentare enthält Kritik an der Berichterstattung. Dabei waren 795 der insgesamt 904 kritischen Kommentare negativ-destruktiver Natur (ca. 88%), d.h. nur verneinend und die Schuld einzig beim Medium selbst suchend. Dabei beziehen sich die Kommentare am häufigsten auf das journalistische Niveau: Sogar vermeintliche Qualitätsmedien wie die FAZ oder die ZEIT werden in diesem Zusammenhang als sitten- und pietätlos bezeichnet.”

2. “Bilder einer Hinrichtung”
(djv.de, Hendrik Zörner)
Hendrik Zörner weist hin auf ein Video, das er als “Hinrichtung des US-Bürgers Walter Scott durch einen Polizisten” bewertet. “Der entscheidende Unterschied zu früheren Gewaltbildern besteht darin, dass nicht nur die Darstellung der Schüsse, sondern auch die Existenz des Amateurvideos dem Fall in den USA Bedeutung verleihen. Denn weil ein Bürger gefilmt hatte, konnte der Polizist der Falschaussage überführt und wegen Mordes angeklagt werden. Das dürfte denn auch der Grund sein, warum sich hierzulande niemand über die Ausstrahlung des Streifens aufregt. Hoffentlich.”

3. “So zerstört Erdogan die Demokratie”
(faz.net, Hidayet Karaca)
Hidayet Karaca schreibt einen Brief “aus seiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt Nr.6” in Silvri. Staatspräsident Erdogan und seine Regierung führe eine Hexenjagd über die Medien, über die sie direkt oder indirekt herrschen: “Die Medien müssten die wichtigste Stütze für das Recht auf Information bilden, aber sie werden zu einem beträchtlichen Teil unter die Kontrolle der Regierung gestellt, die oppositionellen unter ihnen werden isoliert und wirtschaftlichem Druck ausgesetzt.”

4. “Wie ‘Mediapart’ unabhängigen Journalismus im Netz vormacht”
(get.torial.com/blog, Tobias Gillen)
Die französische Website Mediapart verzichtet auf Werbung und finanziert sich mit Abonnements: “107.000 Abonnenten zählt sie, macht damit im vergangenen Jahr 8,8 Millionen Euro Umsatz, 1,4 Millionen Euro Gewinn. Und auch die Belegschaft wächst stetig: Waren es 2008 noch 30 Beteiligte, sind es Ende 2014 immerhin 25 mehr.”

5. “‘Einem reicht’s jetzt’ – zum ‘Mopo’-Bericht über das FB-Profil des Ministerpräsidenten”
(flurfunk-dresden.de, owy)
Hintergründe zum einem Bericht der “Morgenpost Sachsen” über Bedrohungen auf dem Facebook-Profil von Stanislaw Tillich, dem Ministerpräsident von Sachsen.

6. “Wie ertragen die Eltern des Amokjournalisten das bloß”
(youtube.com, Video, 2:43 Minuten)

Hochschlafen, RBB, Rhein-Zeitung

1. “Zufall, Schuld, Depression”
(zeit.de, Thomas Fischer)
Die Behauptung der Medien, bei einem Unglück komme es nun “auf höchste Geschwindigkeit der Aufklärung an”: “Das mag vielleicht im Einzelfall einmal zutreffen, wenn es um offenkundig vom Einzelfall unabhängige Zusammenhänge geht. In der Regel ist die Behauptung aber ebenso falsch wie nutzlos und im Übrigen eher zynisch: Sie behauptet, für die Angehörigen der Opfer zu sprechen. Das ist nicht zutreffend. Ich bin in meinem Leben mehrfach mit dem plötzlichen Tod von Angehörigen oder Freunden konfrontiert worden. ‘Schnelligkeit’ der Ursachenklärung war wahrlich das Letzte, was ich in diesen Situationen erwartete.”

2. “Hochgeschlafen”
(nzz.at, Sara Hassan)
Sara Hassan befasst sich mit dem Vorwurf an erfolgreiche Frauen, sich “hochgeschlafen” zu haben: “Nehmen wir zwei Praktikanten an. Simon, 22, bekommt nie zu hören, was Valerie, 22, zu hören bekommt. Für Simon und alle um ihn herum ist es die normalste Sache der Welt, zu netzwerken. Valerie ist, wenn sie dasselbe tut, eine – pfui! – Karrieristin. Und, mehr noch, das Socializen hat unwillkürlich einen sexuellen Touch. Und ist plötzlich etwas Anstößiges. Eine junge, vielleicht sogar noch attraktive, Frau sitzt mit einem älteren Kollegen da – das Klischee ist perfekt, der Kontext plötzlich ein Date, und hier geht es nunmal ums Flirten und damit um Sex. Um den Einsatz erotischen Kapitals.”

3. “Warum subventioniert der RBB einen privaten Verlag?”
(opinion-club.com, Falk Heunemann)
Die Kooperation zwischen der öffentlich-rechtlichen RBB-Abendschau und der privaten “Berliner Morgenpost”: “Wenn der RBB nun journalistische Beiträge der Mopo zur Verbreitung überlässt, subventionieren damit die Gebührenzahler in Berlin und Brandenburg einen Verlag, der im harten Wettbewerb auf dem Berliner Zeitungsmarkt um neue Leser kämpft.”

4. “März 2015: Rhein-Zeitung.de mit 43 Prozent Minus. Fühlt sich dennoch gut an”
(blog.rhein-zeitung.de, Marcus Schwarze)
Die “Rhein-Zeitung” präsentiert Besucherzahlen nach Einführung einer Bezahlschranke: “369 Jahres-Web-Abos sind im Vergleich zu 170.000 Print-Abos gering. Allerdings darf man bei der Bewertung dieser Zahl nicht vergessen, dass sich auch 34.100 Abonnenten für unser Webangebot freigeschaltet haben.”

5. “Meinungsfreiheit: Generation Angst”
(novo-argumente.com, Jennie Bristow)
Jennie Bristow betrachtet die Meinungsfreiheit als Generationenfrage: “Von Kindesbeinen an werden junge Menschen ermutigt, sich auszudrücken, die eigene Identität zu entfalten und an Diskussionen über die Welt, in der sie leben, teilzunehmen. Aber die geforderte Selbstverwirklichung ist recht zerbrechlich. Bei Kritik hört sie in der Regel auf.”

6. “Vorstandschefs: ‘In der Sansibar bekommen die Ruhigen keinen Tisch’ – Buchauszug”
(blog.wiwo.de/management, Ursula Weidenfeld)
“Glaubwürdigkeit ist enorm wichtig”, sagt “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann in einem Interview für ein Buch. Und: “In dem Moment, wo ein Anwaltsschreiben von wem auch immer kommt, bin ich nicht mehr erreichbar. Ab dann geht alles an die Rechtsabteilung. Dann ist da mit mir nicht mehr zu reden. Egal, ob ich mit jemandem befreundet bin oder nicht.”

Anchorman, Bayern 1, Qualitätsgesang

1. “Das Q-Wort”
(de.ejo-online.eu, Kurt W. Zimmermann)
Kurt W. Zimmermann denkt nach über den Begriff des “Qualitätsjournalismus”: “In verwandten Berufen kennt man diese Unterscheidung zwischen gehobener und minderwertiger Güteklasse nicht. Den Ausdruck Qualitätsliteratur gibt es nicht. Es gibt auch keine Qualitätsmalerei, keinen Qualitätsgesang und keine Qualitätspoesie. Wer dauernd von Qualität redet, der verrät darum nur eines. Er hat ein Problem mit sich selbst.”

2. “Der Hintergrund zur Nennung der Herkunft von Straftäter*innen”
(georgsander.at)
Georg Sander beschäftigt sich mit der Nennung der Nationalität in den Medien: “Wenn die Herkunft also keine Rolle spielt, lasst sie unerwähnt.”

3. “Der Flugzeugabsturz und der mediale Zwang zur Sichtbarkeit”
(medienkorrespondenz.de, Dietrich Leder)
Dietrich Leder fasst die Berichterstattung zum Absturz von Germanwings-Flug 9525 zusammen: “Der Absurdität, ein Bild zu zeigen, das man in seinem Aussagekern unkenntlich macht, war man bei ARD und ZDF schon in den ersten beiden Tagen erlegen, als man Aufnahmen von Angehörigen der Absturzopfer präsentierte, bei denen man ebenfalls die Gesichter unkenntlich gemacht hatte. Auf die Idee, auf diese Bilder ganz zu verzichten, kam man nicht, denn das bedeutete ein Eingeständnis der Grenzen, die dem Bildermedium Fernsehen gesetzt sind: Ein Röntgenbild der Seele des mutmaßlichen Täters wird es nicht geben, auch wenn es sich alle wünschten.”

4. “How Is It Possible That the Inane Institution of the Anchorman Has Endured for More Than 60 Years?”
(nymag.com, Frank Rich, englisch)
Frank Rich fragt, warum es den Anchorman immer noch gibt: “When Brian Williams has spoken about why he wanted to be a network anchor since roughly the age of 6, he hasn’t emphasized reporting but the thrill of being everyone’s focus of attention during a national cataclysm. He’s fond of quoting Simon & Garfunkel: ‘a nation turns its lonely eyes to you.'”

5. “Kein Witz”
(sz-magazin.sueddeutsche.de, Tobias Haberl)
Tobias Haberl gesteht, den Radiosender “Bayern 1” zu hören: “Inzwischen schalte ich auch gern mal abends ein, dann kommt nämlich Volksmusik. Nicht Hansi Hinterseer, sondern richtige Blaskapellen oder Zithermusik, die Leitzachtaler Buam oder die Gesangsgruppe Eberwein; die spielen mal einen Landler, mal einen Dreiviertler, ich lege mich ins heiße Fichtennadelbad und bin – ich kann es nicht anders sagen – glücklich.”

6. “Trendforscher: Gegen den Mainstream zu sein inzwischen voll Mainstream”
(der-postillon.com)

Rolling Stone, Apple Watch, BFM TV

1. “Rolling Stone and UVA: The Columbia University Graduate School of Journalism Report”
(rollingstone.com, englisch)
Die Zeitschrift “Rolling Stone” zieht einen Artikel zurück und beauftragt drei Mitarbeiter der “Columbia Journalism Review”, einen Bericht über die falschen eigenen Recherchen zu verfassen. In der Einleitung zum Bericht schreibt Will Dana: “This report was painful reading, to me personally and to all of us at Rolling Stone. It is also, in its own way, a fascinating document ­— a piece of journalism, as Coll describes it, about a failure of journalism.”

2. “‘Rolling Stone’: Bittere Analyse des Versagens”
(medienblog.blog.nzz.ch, Rainer Stadler)
Rainer Stadler schreibt zum Bericht: “Der Artikel sei nicht wegen mangelnder redaktioneller Ressourcen misslungen, hält der Expertenbericht fest. Vielmehr hätten mehrere ‘Rolling Stone’-Mitarbeiter mit Jahrzehnten kollektiver Berufserfahrung dabei versagt, die richtigen Fragen zu stellen. Kritische Anmerkungen, die eine Kollegin der Abteilung für Faktenüberprüfung gemacht habe, seien ignoriert worden.”

3. “Falschmeldung: Apple Watch und das Schweizer Patent”
(steigerlegal.ch)
Die Meldung, Apple könne die Apple Watch in der Schweiz nicht verkaufen, sei falsch, stellt Martin Steiger fest: “In der Schweiz besteht – soweit ersichtlich – bislang kein Verkaufsverbot für die neue Apple Watch, schon gar nicht wegen einem Patent!”

4. “Harte Kritik an Berichterstattung”
(orf.at)
Betroffene der Geiselnahme in einem Supermarkt im Januar in Paris klagen gegen den TV-Sender BFM TV: “BFMTV brachte damals noch während des laufenden Anti-Terror-Einsatzes Telefoninterviews, sowohl mit Coulibaly als auch mit dem ‘Charlie Hebdo’-Attentäter Cherif Kouachi, in denen sie ihre Motive und Verbindungen zu den internationalen Terrorvereinigungen Al-Kaida und IS bestätigten. (…) Der Anwalt der Kläger sagte der Nachrichtenagentur AFP nun, das Leben seiner Mandanten wäre gefährdet gewesen, ‘wenn Coulibaly in Echtzeit von der von BFMTV verbreiteten Nachricht erfahren hätte’.”

5. “Extremismus der Erregung”
(zeit.de, Bernhard Pörksen)
Eine “elementare Ungewissheit bei gleichzeitig gefordertem Sofort-Sendezwang” habe nach dem Absturz von Germanwings-Flug 9525 zu einem vierfachen Informationsvakuum geführt, analysiert Bernhard Pörksen.

6. “Das Flugzeugunglück”
(taz.de, Bernd Gieseking, 1. April)

Rutesheim, Montabaur, Griechenland

1. “Gefühlter Journalismus”
(wolfgangmichal.de)
Eine “Emotionalisierungswelle” erfasse den Journalismus, schreibt Wolfgang Michal. Wichtig sei es dem gefühlten Journalismus, den Leser und Zuschauer emotional zu beschäftigen und in tiefer Besorgnis zu wiegen. “Scheitert der Euro? Breitet sich Ebola aus? Gibt es Krieg in Europa? Michael Moores auf die USA gemünzte These, die Aufgabe heutiger Massenmedien sei es, die Gesellschaft in ständiger Angst zu halten, wird hier und heute verwirklicht. Jedes Unglück, jedes Attentat, jedes Unwetter, jede Terrordrohung wird zur existenziellen Verunsicherung, der man nur mit mehr Sicherheit und ständiger Selbstprüfung entkommen kann.”

2. “Rutesheim sorgt bundesweit für Aufsehen”
(leonberger-kreiszeitung.de, Ulrike Otto)
Ulrike Otto besucht Petra und Kai Oberst in der Postagentur Rutesheim, in der “Bild” nicht mehr verkauft wird: “Die Berichterstattung über den Germanwings-Absturz, über Griechenland und vieles andere, der Eindruck, viele nehmen die Bild-Zeitung als feste Institution, als Macht-Medium einfach hin und finden sich damit ab. ‘Ist das die richtige Art des Journalismus?’, fragt Kai Oberst, der nicht glaubt, dass die Bild das Sprachrohr der Deutschen ist, zu dem sie sich selbst gern aufschwinge.” Siehe dazu auch “Wie weit…” (shopblogger.de, Björn Harste).

3. “Draufhalten: Medien in Montabaur”
(ndr.de, Video, 6:32 Minuten)
Nach dem Absturz von Germanwings-Flug 9525 versammeln sich in Montabaur internationale Medienteams.

4. “Germanwings: Ungefilterte Welt”
(persoenlich.com, René Zeyer)
Journalismus “filtert nicht mehr”, stellt René Zeyer fest: “Selbst wenn man das alte Kriterium anwendet, die Grösse einer News über Todesfälle ist proportional zur Entfernung des Lesers oder Zuschauers zum Tatort, wobei davon betroffene Staatsangehörige des Zielpublikums Extrapunkte geben, findet hier mal wieder Jämmerliches statt.”

5. “Die Sache mit dem Namen”
(medienwoche.ch, Rico Bandle)
Rico Bandle gibt zu bedenken, dass der Journalismus früher Namen und Adressen von Privatpersonen genannt hat: “Es ist ein interessantes Paradoxon: Je mehr die Leute freiwillig von ihrem Privatleben preisgeben, desto restriktiver sollen die Medien damit umgehen. Als wollte man die eigene Freizügigkeit kompensieren, indem man die Medien einzuschränken versucht.”

6. “Die andere Seite”
(journalist.de, Michalis Pantelouris)
Im Umgang der deutschen Medien mit Griechenland sieht Michalis Pantelouris drei Grundfehler: “Da ist erstens die Tatsache, dass Konfrontation spannender ist als Kooperation. Zweitens werden Zitate nicht daraufhin untersucht, was in ihnen steckt, sondern darauf, was man zugespitzt aus ihnen machen kann. Und drittens haben viele Medien das Problem, Fehler nicht eingestehen zu können oder zu wollen.”

Trauer, Traum, Prognosen

1. “Andreas L., aber Amedy Coulibaly”
(kleinerdrei.org, Hakan)
Der Umgang mit Namen im Fall Charlie Hebdo und im Fall von Flug 4U 9525.

2. “‘Trauer ist ja eigentlich still'”
(sueddeutsche.de, Video, 4:15 Minuten)
Heribert Prantl stellt im Umgang mit dem Absturz von Germanwings-Flug 9525 vier Regeln auf: “1. Man darf Trauernde nicht bedrängen, 2. Man darf Nachahmungstäter nicht publizistisch provozieren, 3. Man muss den Ermittlungsbehörden Zeit lassen, 4. Man darf jetzt nicht so tun, als würden psychische Leiden zum Massenmord prädestinieren.”

3. “Meine Mail von Freitag an Kai Diekmann”
(facebook.com, Andy Neumann)
Andy Neumann, der Vorsitzende des Bundes deutscher Kriminalbeamter im Bundeskriminalamt, schreibt an “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann.

4. “Ein verendeter Traum”
(kiwein.wordpress.com)
Eine Ex-Journalistin blickt “mit Scham, Zorn und Ratlosigkeit auf das, was sich mal Journalismus nannte”, zurück: “Das ist nicht der Journalismus, den ich mir vorstellte. Der, den ich mir ausmalte, als ich mit 14 nichts anderes als Journalistin werden wollte, war respektvoll im Umgang mit Toten, hintergründig, informativ, höflich, aber bestimmt, klar, ehrlich und sich selbst treu. Davon ist nichts übriggeblieben. Selbst Medien, die ich als seriös bezeichnen würde, sind auf den Zug aufgesprungen. Ich stehe sprachlos daneben, schaue mir das alles an und weiß nur eins: Ich will nie mehr zurück.”

5. “Das Internet ist so gut wie erledigt”
(tagesspiegel.de, Sebastian Leber)
Aussagen über die Zukunft des Internets: “Womöglich zeichnen sich echte Internetkenner am ehesten dadurch aus, dass sie wildes Prognostizieren einfach bleiben lassen und Vermutungen nicht als Gewissheiten verkaufen.”

6. “Gefährlicher Einsatz – Wenn Reporter über Krisen berichten”
(wdr.de, Video, 74:30 Minuten)

Haltern, Montabaur, Crowdfunding

1. “Umgang der Medien mit Schülern und Angehörigen in Haltern”
(meistergedanke.de, Mika Baumeister)
Mika Baumeister schildert den Aufmarsch der Presse in Haltern am See – eine Schulklasse aus dem Ort starb beim Absturz von Germanwings-Flug 9525: “Geld für Interviews oder Aufzeichnungen der Gespräche in den ersten Stunden des Mittwochs wurden ebenfalls geboten. Das besthonorierte vor-Ort-Interview wäre wohl bei etwa 80€ dotiert gewesen, soweit ich weiß, gab es auch Einladungen zu Talkshows mit höheren Vergütungen. Diese Interviewanfragen gingen aber nicht immer an halbwegs reife Personen aus der Oberstufe, sondern auch an unschuldige Seelen aus den Klassen 5-7. Mit 10-13 Jahren alten Personen solche Deals zu machen, ist nicht mehr fragwürdig, sondern grenzt an krimineller Energie.”

2. “Dann gehen sie wieder”
(taz.de, Saskia Hödl)
Vor Ort in Montabaur war Saskia Hödl: “Die Herren in den Vierzigern sprechen so laut, dass es der ganze Raum mitbekommt. Man habe einer Kollegin vorgegaukelt, die Freundin des Copiloten hätte schon ausgepackt und hätte gesagt, der Ex habe einen kleinen Penis gehabt. Sie habe es kurz geglaubt. Lautes Gelächter.”

3. “4U9525 als Newsredakteur: Eine kaum zu ertragende Nachrichtenlage”
(kosmos.welt.de)
Die Nachricht über den Flugzeugabsturz in der Nachrichtenredaktion: “Nein, Spaß macht es gerade nicht, aber wir funktionieren.”

4. “Böhmermann überführt!! Der Videobeweis”
(krautreporter.de, Frederik Fischer)
Das #varoufake-Video in der Analyse von Videoforensikern.

5. “Social Media auf der nächsten Ebene – mein Langstecke-Crowdfunding-Fazit”
(dirkvongehlen.de)
Dirk Von Gehlen glaubt, die grosse Zeit von Crowdfunding komme erst: “Als die heute großen Social-Media-Plattformen aufkamen, wurden die ersten Nutzer verlacht oder zumindest naserümpfend angesehen. Ähnlich verhält es sich gerade mit dem allgemeinen Blick auf das Phänomen ‘Crowdfunding’, es wird als Randthema wahrgenommen. Als eine Bezahlmethode für diejenigen, die es im klassischen Betrieb nicht schaffen. Ich glaube, dass dies ein Trugschluss ist. Die Vorstellung von Crowdfunding wird sich in den nächsten Jahren radikal verändern.”

6. “Oje, wenn die Bild über ein Akademie-Gespräch schreibt”
(katharinagreve.de)

Falschmeldungen, Heftig.co, 4U9525

1. “Wie Falschmeldungen im Netz entstehen”
(medium.com, Jan Tißler)
Jan Tißler denkt darüber nach, wie Falschmeldungen im Netz entstehen: “Wenn jeder Klick Geld bringt, gewinnt man als Betreiber nun einmal nicht dadurch, dass man seine Leser besonders gut informiert, sondern allein dadurch, dass man sie auf die eigene Seite lockt. Entsprechend ändern sich wie erläutert die Prioritäten bei der Themenauswahl, beim Schreiben und bei der Überschriftenfindung. Prominente Namen sind dann wichtiger als der eigentliche Nachrichtenwert. Sensationen sind wichtiger als die Wahrheit. Schnelligkeit ist wichtiger als Genauigkeit.”

2. “Wie die Macher von heftig.co gegen den Relevanzverlust ankämpfen”
(onlinemarketingrockstars.de, Roland Eisenbrand)
Wie DS Ventures versucht, Wachstum und Interaktionen bei Heftig.co hochzuhalten.

3. “‘Die Hölle, das sind die anderen'”
(imageandview.com, Heike Rost)
Die Berichterstattung zu Germanwings-Flug 9525: “Zwischen Controllern, Juristen, Zeitungssterben und kaputt gesparten Redaktionen einerseits, dem Ringen um Auflagen und Quote andererseits ist das Mitgefühl auf der Strecke geblieben: Vor allem der Berichterstattung, die aus der Kenntnis eigener Grenzen die Grenzen anderer respektiert – und innehält. Schweigt, wo es nichts zu sagen gibt außer unbestätigten Meldungen und Vermutungen.”

4. “Die verlorene Ehre der schreibenden Zunft”
(fraumeike.de)
Auf der Suche nach Fakten stößt Frau Meike auf “Spekulationen, Sensationsgier und eine abgrundtiefe Menschenverachtung”: “Bis jetzt gibt es ausschließlich die Aussagen des Marseiller Staatsanwaltes, die sämtlich Interpretationen der Tonaufnahmen aus dem Cockpit sind.”

5. “FLUG 4U9525 – Ein Vor-Ort-Bericht aus Montabaur”
(f1rstlife.de, Daniel Schüler)
Daniel Schüler berichtet, wie Journalisten aus Montabaur berichten: “Es ist falsch, auf alle Journalisten einzuprügeln, die berichten (wollen). Einige verhalten sich angemessen, denken über das nach, was sie machen sollen, reflektieren. Und: Wir dürfen nun nicht automatisch die Fähigkeit und Eigenarten der Menschen hinterfragen und dabei vergessen, dass wir selbst welche sind.”

6. “Und was, wenn ich nichts fühle?”
(hermsfarm.de)
Die Trauer um die Opfer des Unglücks in Sozialen Medien: “Es fühlt sich an, als würde alle Welt um mich herum im digitalen Raum plötzlich einen schwarzen Trauerflor tragen, Und das nicht still und leise, sondern aktiv und laut. Es scheint, als müsse Trauer möglichst plakativ gezeigt werden.” Siehe dazu auch “Acht Arten, im Internet zu trauern” (boess.welt.de, Gideon Böss).

Schnelligkeit, Spekulation, Witwenschütteln

1. “Der Aufstieg des Lesers”
(freitag.de, Katharine Viner)
Eine Rede von Katharine Viner, der designierten “Guardian”-Chefredakteurin: “Von der Frage, wozu Journalismus dient, hängt alles ab. Wenn man findet, er soll außerhalb der Macht stehen und den Mächtigen die Wahrheit sagen, wird man für das offene Netz eintreten, den offenen Journalismus, den freien Fluss von Engagement, Kritik und Debatte mit den Leuten, die früher Publikum genannt wurden. Wenn man aber meint, Journalismus solle dazu dienen, zwischen der Macht und den Bürgern zu vermitteln, Einfluss zu nehmen und Herrschaft zu festigen, so wird man das Netz so weit wie möglich eindämmen und die Debatten auf ein Minimum beschränken.”

2. “Guter Journalismus macht keine Kompromisse”
(spiegel.de, Florian Harms)
“Spiegel Online” setzt sich neue Ziele: “Früher lautete unser Leitspruch ‘Schneller wissen, was wichtig ist.’ Aber Schnelligkeit ist für sich allein genommen inzwischen kein Mehrwert mehr. Schnelle Informationen finden Sie heute im Internet überall, leider allzu oft eher halbrichtig als wirklich stimmig – oder sogar ganz falsch. Das ist nicht unser Weg. Unser Anspruch ist es, jeden Tag, auch unter dem Zeitdruck eines minutenaktuellen Mediums, so exakt, ausgewogen, transparent und wahrhaftig wie irgend möglich zu berichten. Damit Sie nicht nur eine einseitige oder verkürzte Darstellung von Ereignissen bekommen, sondern sich anhand verlässlicher, häufig investigativ recherchierter Nachrichten, kundiger Erläuterungen und pointierter Meinungsbeiträge aus unterschiedlichen Perspektiven Ihr eigenes Bild von der Welt machen können.”

3. “An die Medienvertreter”
(facebook.com/Welovehalternamsee)
Menschen in der von Reportern belagerten Ortschaft Haltern am See fühlen sich nach dem Absturz von Germanwings-Flug 9525 in ihrer Trauer gestört: “Wer zum Gedenken eine Kerze abstellen oder einen Moment an der Treppe zum Gymnasium innehalten möchte, fühlt sich wie im Zoo oder auf einem Laufsteg: Vor einer Front aus teilweise über 50 Kameras wird jeder Emotionsausbruch von den geifernden Kameraleuten schnell eingefangen und geht kurz darauf um die Welt und wird von distanzierten Stimmen kommentiert.” Siehe dazu auch “Es gibt Tage, da schäme ich mich Journalist zu sein” (facebook.com/bjvde, Michael Busch).

4. “Appell an die Chefredaktionen: Witwenschütteln – Das wollt Ihr alle nicht erleben”
(facebook.com, Sandra Schink)
“Lasst die Menschen einfach trauern”, bittet Sandra Schink und erzählt, wie ihre Familie 1982 von Mitarbeitern einer Boulevardzeitung besucht wurde: “Viele Jahre später führte mich das Schicksal in die Branche und die Redaktionen, für die die Männer von damals arbeiteten. Ich begegnete beiden wieder, und ich stellte beide zur Rede. Keiner konnte sich an ‘diesen Fall’ erinnern. Vielleicht wollte sich auch keiner erinnern. Und während der eine, der mit der sonoren Stimme, empört bestritt jemals ‘so etwas’ getan zu haben, wurde der andere sehr still, als ich ihn fragte, wie oft er diesen Job gemacht hat in seinem Leben.”

5. “Livejournalismus zu 4U9525: Warum wir nicht innehalten”
(n-tv.de, Christoph Herwartz)
Christoph Herwartz verteidigt den Versuch, “dem grenzenlosen Informationsbedürfnis der Leser hinterherzukommen”: “Wenn Menschen am Düsseldorfer Flughafen von dem Absturz erfahren und sich weinend in den Armen liegen, dann kann man davon in einem Liveticker genauso gut berichten wie in einer Reportage. Ein Liveticker ist nicht per se anrüchig. Und eine Zeitung ist nicht per se taktvoll.”

6. “Wir wollen nicht spekulieren…”
(youtube.com, Video, 5;54 Minuten)
TV-Ausschnitte, in denen “nicht spekuliert” wird. Und ein Pro und Contra zum Umgang mit dem Unglück.

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