Das Wetter wird schlechter, Italien und Russland haben in ihren ersten Fußball-EM-Spielen traurig gespielt — und wir pfeifen heute mal aufs Urheberrecht und drucken einen Bild.de-Artikel komplett nach:
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Der Warenkorb eingefleischter Fußballfans während einer EM unterscheidet sich markant von dem des Durchschnittsverbrauchers. Bier braucht darin reichlich Platz.
Die Unterschiede lassen staunen: Wer sich in Stockholm, Rom oder Ankara 0,33 Liter Markenbier aus dem Supermarkt holt, bekommt in Bukarest, Amsterdam oder Wien die zwei bis dreifache Menge für das gleiche Geld.
Das internationale Consulting-Unternehmen Mercer hat die Bierpreise im Einzelhandel in den Hauptstädten der EM-Teilnehmerländer unter die Lupe genommen.
Schlachtenbummler aus 13 der 16 EM-Teilnehmerländer werden in Wiener Supermärkten weniger für ihr Bier bezahlen, als sie das in der Hauptstadt ihrer Heimat müssten.
Mittelmaß sind die Supermarktpreise für 0,33 Liter in Paris (1,45 EUR), Berlin (1,20 EUR), Athen (1,56 Euro), Bern (1,58 Euro), Moskau (1,20 Euro) und Warschau (1,31 Euro).
In der Stadt der Kaffeehäuser kommt das Bier (1,08 Euro) nur wenig teurer als in den Bierparadiesen Amsterdam (0,94) und Bukarest – mit 0,88 Euro der unangefochtene Europameister beim günstigen Bierpreis.
Fast schon ungehörig präsentieren sich die Bierpreise in anderen Teilen Europas. Wenn die zahlreichen italienischen Fans (Rom: 2,30 EUR) in Wien ihre gewohnten Budgets für Bier einsetzen, müssen sie auf der Hut sein, dass sie anderntags nicht der Kater vom Ball trennt. Denn für das gleiche Geld erwerben sie hier mehr als die zweifache Menge an Bier.
Am Genießertipp, dass das Pils in Prag gut und billig (2,03 EUR) sei, stimmt immerhin noch der erste Teil. Am teuersten in Europa wird Bier übrigens in Großbritannien gehandelt: Gegen 3 Euro für 0,33 Liter in London nehmen sich sogar die 2,44 Euro in Stockholm als Schnäppchen aus.
Schuld an der großen Preisspanne ist übrigens die unterschiedliche Besteuerung.
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Erschienen ist dieser schmissige Artikel (Lesen Sie ruhig den “Wer sich in Stockholm…”-Satz noch einmal!) gestern mittag auf Bild.de im Ressort “Wirtschaft”.
Na, logisch!
“Warum dennoch die krassen Preisdifferenzen? – ‘Das liegt zum Geringeren an der Industrie und am Handel,’ nimmt Mercer-Principal Dirk Ewert Vermutungen um regionale Preiskartelle den Schaum vom Glas. ‘Eher schon an den national stark unterschiedlichen Besteuerungen von Bier. Da ist es ohnehin bemerkenswert, dass Bier in Wien etwas weniger kostet als in Berlin – obgleich es hier mehr als doppelt so stark besteuert wird wie im Nachbarland Deutschland.'”
(Quelle: Mercer)
Erschienen ist er aber auch, knapp fünf Tage früher, auf pressetext.at, einem österreichischen Portal für Pressemitteilungen. Nur dort eben nicht als Bild.de-Artikel, sondern quasi wortgleich (mitsamt “Wer sich in Stockholm…”-Satz und allem) als Pressemitteilung des “Consulting-Unternehmens Mercer”. Bild.de hat den Text nur hie und da um Wörter wie “denn” und “immerhin” gekürzt, “Rumänen ist Europameister” drübergeschrieben – und am Ende aus einem ohnehin abwegigen Erklärungsversuch für die Preisunterschiede (siehe Kasten) eine Tatsache gemacht.
Darüber allerdings, was von der Studie überhaupt zu halten ist, hat sich bei Bild.de im Copy&Paste-Taumel offensichtlich niemand Gedanken gemacht: 1,20 Euro für 0,33 Liter Markenbier im einem Berliner Supermarkt?! Selbst im Berliner KaDeWe kostet die Flasche Beck’s zzgl. Pfand nur 67 Cent (Quelle: BILDblog-Recherche). Und fragt man bei Mercer nach, auf welcher wissenschaftlichen Grundlage die angegebenen Bier-Preise für den hauseigenen “Executive Cost of Living Report” eigentlich errechnet wurden, ist die Antwort nicht nur vorläufig, sondern auch ernüchternd: Vor-Ort-Mitarbeiter gehen in den angegebenen Städten “mit einer Einkaufsliste in einen Supermarkt” und melden anschließend die vorgefundenen Preise an Mercer. Um welchen Supermarkt es sich handelt oder so, will Mercer uns eventuell am Freitag mitteilen.*
Ach, ja: Noch vor zwei Wochen nannte “Bild” selbst als deutschen Durchschnittspreis für eine 0,5l-Flasche Beck’s Bier: 87 Cent.
*) Auch die österreichische Nachrichtenagentur APA veröffentlichte eine leicht umgeschriebene Version der Mercer-Pressemitteilung — und weder ORF.at noch Standard.at noch diepresse.com oder Oe24.at konnten widerstehen, ihr Gehirn auszuschalten und sie weiterzuverbreiten… Offenbar betrug der durchschnittliche Supermarktpreis für 0,5 Liter Bier in Österreich 2007 laut Statistik Austria übrigens 90 Cent.
Mit Dank an Leo für die Anregung.
Nachtrag, 13.6.2008: Bereits gestern hat sich die PR-Agentur comm.in wegen der Mercer-Studie noch einmal bei uns gemeldet – allerdings ohne echte Neuigkeiten: Wie uns eine Sprecherin sagte, handele es sich bei den angegebenen Bierpreisen um “Listenpreise”, die von “Feldforschern vor Ort in regulären Supermärkten ermittelt” würden: “Ich zweifle nicht daran, dass die Preise korrekt eingesammelt wurden.” Die Frage, in welchen Supermärkten die “Feldforscher” in Berlin, Wien usw. ihr Bier zu Fantasie-Wucher-Preisen einkaufen, konnte sie nicht beantworten. Immerhin: Bild.de hat reagiert und den “Artikel” noch einmal überarbeitet: Statt “Rumänen ist Europameister” heißt es nun in der Überschrift korrekt “Rumänien ist Europameister”. Das war’s. Ansonsten wird die absurde Pressemitteilung den Lesern weiterin unverändert als redaktioneller Beitrag verkauft.