Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Das Thema Integration in den Medien” (ndr.de, Video, 5:59 Minuten)
Migranten in den Medien kommen häufig nur entweder als Aufsteiger oder Integrationsverweigerer vor. Differenziertere Lagebeurteilungen gibt es, die finden aber, anders als zum Beispiel die Sarrazin-Debatte, im Fernsehen erst nach Mitternacht statt. Ein weiteres Problem ist nach Bernd Ulrich, dass die Journalisten in Deutschland zu bis zu 99 Prozent aus der deutschen Mittelschicht stammen.
2. Interview mit Rainald Goetz (zeit.de, Christoph Amend)
Schriftsteller Rainald Goetz ist es egal, “was die Leser interessiert”. “(…) es geht um Wahrheit. Quote ist was für Loser.”
3. “Die Debattenkultur bei Zeit Online und Sueddeutsche.de – ein Vergleich” (medialdigital.de, Ulrike Langer)
Ulrike Langer vergleicht sueddeutsche.de mit zeit.de: “Ich glaube, dass Zeitungen, die sich auf das Kuratieren von Nutzerinhalten verstehen und echte mit Leben gefüllte Communities auf ihrer eigenen Webseite und auf Social Media Plattformen bilden, langfristig im Netz auch wirtschaftlich erfolgreicher sein werden. Denn auch die Werbekunden und die IVW, die nicht mehr vorrangig Page Impressions ausweist, ticken inzwischen anders als noch vor ein, zwei Jahren. Sie wissen inzwischen: Engagierte Nutzer sind wertvoller als Klickvieh.”
4. “Kein Druck, kein Zwang – Wie liberal ist eine Leistungsschutz-Pauschalabgabe?” (carta.info, Robin Meyer-Lucht)
Robin Meyer-Lucht hält es für vermessen, die von Mathias Döpfner in der NZZ propagierte Pauschalabgabe als liberal zu bezeichnen: “Vergütungsgesellschaften ersetzen vielmehr ein System freiheitlicher Preisfindung durch ein staatlich gestattetes Verwertungskonsortium aller Anbieter in einem Segment – nach staatlich beaufsichtigten Preisen.”
6. “Freie Archive für informierte Bürger!” (zeit.de, Kai Biermann)
Kai Biermann verteidigt die Macher des Portals depub.org, die das Archiv von tagesschau.de entgegen dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag online gestellt haben. Auch wenn das “rechtlich illegal” sei, so sei es sachlich “zivile Courage” und “im Sinne einer informierten Gesellschaft, also in unserem Sinne”.
Geschichten über den 11. September gehen eigentlich immer, aber besonders gut gehen sie in den Tagen um den 11. September. Wenn es dann noch Neuigkeiten zu verkünden gibt (oder das, was Journalisten dafür halten), sind große Schlagzeilen garantiert.
Der Sportinformationsdienst (sid) hat wegen seiner thematischen Ausrichtung eher selten mit den Terroranschlägen von 2001 zu tun, aber heute hatte auch er Gelegenheit, sich dem Thema zu widmen:
Der fünfmalige Schwimm-Olympiasieger Ian Thorpe gab am Mittwoch erstmals preis, dass er bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001 um ein Haar sein Leben verloren hätte.
Thorpe wollte nämlich an jenem geschichtsträchtigen Morgen eigentlich die Aussichtsplattform des World Trade Centers besuchen, als er feststellte, dass er seine Fotokamera vergessen hatte. Er kehrte zu seinem Hotel zurück und die Flugzeuge schlugen ins World Trade Center ein.
Eine dramatische Geschichte, durchaus, aber keine, die Thorpe “erstmals” “preisgegeben” hätte. Sie wurde genau genommen sogar ziemlich schnell bekannt: Am 13. September 2001, zwei Tage nach den Anschlägen. Aber da ging sie in der allgemeinen 9/11-Berichterstattung vielleicht etwas unter.
Anders als der sid wusste AFP Thorpes aktuelle Äußerungen allerdings korrekt einzuordnen:
Die australische Schwimmlegende Ian Thorpe verriet, dass er immer noch über sein knappes Entkommen vor den Anschlägen vom 11. September nachdenkt, als eine vergessene Kamera möglicherweise sein Leben gerettet hat.
Übersetzung von uns.
Mit Dank an Martin T.
Nachtrag, 17.55 Uhr: Unsere Leser Basti und Till G. weisen uns darauf hin, dass die Aussichtsplattform des World Trade Centers zur Zeit der Anschläge noch gar nicht geöffnet war, was Thorpes Entkommen ein ganzes Stück weniger knapp machen dürfte.
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1. “ZDF-Kooperationen” (journalist.de, Peer Schader)
Peer Schader beleuchtet die Verbindung zwischen Audi und “Wetten, dass..?” im ZDF: “Manchmal ist nicht ganz klar, wo beim ZDF die größere Kreativitätsleistung erbracht wird. Bei der Entwicklung neuer Programmideen – oder doch eher beim Verschachteln undurchsichtiger Kooperationen mit Partnern aus der Industrie?”
2. “Eine Erwiderung des Vorstandsvorsitzenden der Axel Springer AG” (nzz.ch, Mathias Döpfner) Mathias Döpfner verteidigt in einem langen Text das Leistungsschutzrecht und versucht, es auch Bloggern schmackhaft zu machen: “Nach dem Vorschlag der deutschen Verlage sollte ein Leistungsschutzrecht geschaffen werden, das auch Blogger schützt. Jeder Blogger, der sich selber neben seinem Status als Urheber zusätzlich als Verleger ansehen möchte, möge das Leistungsschutzrecht für sich in Anspruch nehmen.”
6. Interview mit Jo Groebel (fr-online.de, Ulrike Simon)
“Medienexperte” Jo Groebel nimmt dazu Stellung, dass er immer zu allem Stellung nimmt: “Wer sich auf den Boulevard begibt, wird nicht mit tiefgründigen wissenschaftlichen Äußerungen zitiert. Diesen Preis nehme ich bewusst in Kauf. Die Medien schätzen, wenn jemand einfach und prägnant zu formulieren weiß. Das ist unter Wissenschaftlern nicht unbedingt üblich.”
Amerikanischer Verschwörungstheoretiker müsste man sein! Dann würden die europäischen Medien über einen berichten — wenn es denn das ist, was man will.
Doch von Anfang an: Das “International Center for 9/11 Studies” ist ein gemeinnütziger Verein, der es sich zum Ziel gesetzt hat, die Anschläge vom 11. September 2001 besser verständlich zu machen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Einsturz des WTC 7, jenes Gebäudes des World Trade Centers, das – anders als die beiden berühmten Türme – nicht selbst von einem Flugzeug getroffen wurde. Hinter dem Kollaps dieses Hochhauses vermuten Verschwörungstheoretiker eine gezielte Sprengung.
Das “National Institute of Standards and Technology” (NIST) wiederum ist eine Normierungsbehörde in den Vereinigten Staaten, die auch zahlreiche bautechnische Untersuchungen zum Einsturz des World Trade Centers durchgeführt hat. Im Jahr 2008 veröffentlichte das NIST eine Untersuchung über den Einsturz von WTC 7, deren ursprüngliche Fassung nach zahlreichen Hinweisen des Zentrums für 9/11-Studien noch einmal etwas überarbeitet werden musste. Es gibt also seit längerem ein gewisses Spannungsfeld zwischen dem Verein und der Behörde.
Unter Berufung auf den Freedom of Information Act, der jedem US-Bürger Einblick in Regierungsdokumente erlaubt, hat das 9/11-Zentrum vom NIST die Herausgabe von Gutachten, Plänen und Detailzeichnungen statischer Elemente des WTC 7 gefordert (PDF) — und die Herausgabe aller Videos und Fotos, die bei der Untersuchung des Einsturzes durch das NIST verwendet wurden.
In einer Pressemitteilung schreibt das 9/11-Center, dass das NIST das Material erst herausgegeben habe, nachdem das Center Klage eingereicht habe. Diese Klage ist ein bisschen nebulös: Außer in dieser Pressemittelung lässt sich kein Hinweis dazu finden. Auch lässt das Center selbst offen, ob es einen direkten Zusammenhang zwischen Klage und Herausgabe gibt oder nur einen zeitlichen, und ob es tatsächlich zu einer Verhandlung oder gar einem Urteil gegen das NIST kam.
Als das Material, das eine bunte Sammlung von Fotos und Videos von privaten Nutzern und Medien darstellt, dem Verein vor kurzem dann endlich übergeben wurde, fing der an, es auf YouTube hochzuladen — eine Nachricht, die in den USA außer den üblichen Verschwörungswebseiten näherungsweise niemanden interessierte.
Ganz anders in Europa: Mit der Internetseite der “Neuen Zürcher Zeitung” fing letzte Woche alles an. Die erklärte erst noch einigermaßen korrekt:
[Die Videos] gleichen im wesentlichen denjenigen, die schon am 11. September 2001 und kurz danach im Fernsehen gezeigt wurden. Darunter befinden sich aber auch die Szene [sic] aus der Sicht von direkt Beteiligten, etwa von Feuerwehrmännern oder von Eingeschlossenen.
Nur um dann hinzuzufügen:
Die Aufnahmen blieben während Jahren unter Verschluss.
Eine Formulierung, die so oder so ähnlich von allen anderen Medien übernommen wurde, die aber grob irreführend ist: Das NIST hatte die Aufnahmen ja nur für seine Untersuchungen zusammengetragen, nicht etwa beschlagnahmt. Die Originalaufnahmen existierten weiterhin und wurden teilweise veröffentlicht (zum Teil live am 11. September 2001 selbst) und teilweise eben nicht. Bei der Menge des Materials lässt sich schlecht sagen, was davon schon veröffentlicht wurde und was nicht, und anders als Texte lassen sich Videos auch nur bedingt googeln. Schon unter den Clips, die das 9/11-Center mit seiner Pressemitteilung online gestellt hat, finden sich aber prompt zwei, die schon seit mindestens drei Jahren auf YouTube zu sehen sind.
“NZZ Online” zeigte die beiden seit Jahren veröffentlichten Videos als zwei von drei Beispielen für die “bisher unbekannten Videos”. Und weil die Formulierungen zur Klage gegen das NIST in der Pressemitteilung etwas vage waren und der Autor von “NZZ Online” auf jede weitere Recherche verzichtete, wie er uns auf Anfrage mitteilte, lautet die Formulierung dort ähnlich vage:
Die Veröffentlichung erfolgt unter dem Druck einer Klage des International Center for 9/11 Studies.
Obwohl sich “NZZ Online” ausschließlich auf das Center for 9/11 Studies selbst stützt, reichte der gute Ruf der “Neuen Zürcher Zeitung” einigen Journalisten offenbar aus, die Angaben ungeprüft zu übernehmen. Und damit existierte plötzlich eine neue, vermeintlich seriösere Quelle:
Wie die “Neue Züricher Zeitung” in ihrem Internetangebot berichtet, seien die Videos in den vergangenen neun Jahren durch das National Institute of Standards and Technology (Nist) unter Verschluss gehalten worden.
Auch Bild.de (BILDblog berichtete), express.de, FAZ.net und “Focus Online” schlossen sich an. “Spiegel Online” erklärte gar, die Veröffentlichung der “jahrelang unter Verschluss gehaltenen” Aufnahmen sei “vor Gericht” erzwungen worden, wofür sich nun wirklich überhaupt kein Beweis mehr finden lässt.
Und weil ein paar europäische Journalisten auf der Suche nach einer guten Story und beeindruckenden Bildern auf ernstzunehmende Recherche verzichtet haben, glauben jetzt ein paar Millionen Internetnutzer, dass sie bisher unbekannte Videos gesehen haben, für die amerikanische Verschwörungstheoretiker vor Gericht gezogen sind.
Mit Dank an die vielen Hinweisgeber.
Nachtrag, 15. September: Das International Center for 9/11 Studies hat uns gegenüber bestätigt, dass es keine gerichtliche Entscheidung gegen das NIST gegeben hat. Ob ein direkter Zusammenhang zwischen der eingereichten Klage und der Freigabe des Bildmaterials durch das NIST besteht, ließ das Center selbst offen.
Schauen Sie sich diese Fotos von Juan Arango mal ganz genau an.
Also: Wirklich jetzt! Schauen Sie genau hin, dann sehen Sie die “zwei Gesichter der Gladbacher Borussia”!
Sehen Sie? Gut! Weiter:
Rechts den fantastischen Fohlen-Jubel nach der Gala in Leverkusen (6:3). Links den Frust nach der 0:4-Klatsche gegen Frankfurt am Samstag im Borussia-Park.
Das ist nämlich das Verrückte an den Gladbachern diese Saison: Die gewinnen nicht nur (zum ersten Mal seit 1994) in Leverkusen und gehen dann zuhause gegen Frankfurt unter, die sehen auch bei Siegen bedröppelt aus und feiern Niederlagen.
Also: Entweder das — oder bei Bild.de hat jemand eine Rechts-Links-Schwäche.
Mit Dank an Manuel Sch.
Nachtrag, 15. September: Bild.de hat gestern noch die Seiten gewechselt.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. Interview mit André Krause und Winfried Buck (taz.de, Ralf Lorenzen)
Ein Kiosk- und ein Bäckereibesitzer in Hamburg verkaufen “Bild” seit einer Woche nicht mehr. André Krause: “Die Reaktionen der Kunden sind zu 99,5 % positiv.”
2. “Die fabelhafte Welt der Alice” (blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Christian Jakubetz fragt sich, wie Alice Schwarzer und Busenblitzer zusammenpassen und meint zum Fall Jörg Kachelmann: “Sie lässt sich von ‘Bild’ als Feigenblättchen für eine Berichterstattung missbrauchen, in der Kachelmann für den gesamten Verlauf des Prozesses als latenter Vergewaltiger dastehen wird.”
3. Interview mit Wolfgang Lieb (heise.de/tp, Eren Güvercin) Wolfgang Lieb hält die Behauptung, dass hier endlich einer die ungeschminkte Wahrheit sage, “mit zu den gröbsten Irreführungen” in der Sarrazin-Debatte: “Seit Jahren konnte man in jedem sogar amtlichen Bildungsbericht nachlesen, dass der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund unter den Schulabbrechern deutlich überdurchschnittlich ist, dass solche Kinder in den weiterführenden Schulen unterrepräsentiert sind, dass ein hoher Prozentsatz ohne Berufsausbildung bleibt.”
5. “Spindoktoren im Stresstest” (stern.de/blogs, Hans-Martin Tillack)
Hans-Martin Tillack beobachtet, wie unter anderem die Nachrichtenagenturen die Meldung aufnehmen, dass die Bankenholding Hypo Real Estate weitere 40 Milliarden Euro an Staatsgarantien benötigt.
In den USA konnte sich ein Mann einige Tage nicht in ein Online-Spiel-Netzwerk einloggen, weil dessen Betreiber den Wohnort des Mannes für einen Witz hielt: Fort Gay.
“Hihi”, dachte man sich da bei “Spiegel Online”, “‘Schwulburg’, das ist ja witzig”, und kalauerte weiter:
Es ist kein Zufall, dass “Fickdorf” – im Gegensatz zu den anderen genannten Orten – nicht mit einem Link unterlegt ist: Ein Ort dieses Namens ist nämlich nirgends zu finden.
In der Debatte um Thilo Sarrazin und seine “unbequemen Wahrheiten” haben sich “Bild” und Bild.de zu den größten Verteidigern des SPD-Mitglieds aufgeschwungen. Immer wieder werden dabei auch die Begriffe “Meinungsfreiheit” und “Sprechverbot” strapaziert — als wäre Sarrazins Meinung irgendwo unterdrückt worden und nicht etwa in einer konzertierten Medienkampagne der beiden deutschen Leitmedien “Bild” und “Spiegel” sowie durch anschließende Talkshow-Teilnahmen im Tagestakt auch noch ins letzte Kämmerlein getragen worden.
Einen vorläufigen Höhepunkt hatte der Kampf für Meinungsfreiheit und gegen Sprechverbote vor gut einer Woche:
Doch wie halten es “Bild” und Bild.de selbst mit Meinungsfreiheit und Sprechverboten? Ein näherer Blick lohnt sich.
Nachdem in der SPD-Zentrale 2.000 E-Mails eingegangen waren, in denen zu 90 Prozent der drohende Parteiausschluss von Sarrazin kritisiert wurde, sprach Bild.de von einer “Online-Revolte” und führte auch gleich ein prominentes Mitglied als Sarrazin-Verteidiger an:
Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, wandte sich gegen einen Parteiausschluss von Sarrazin. “Man darf keinen Märtyrer aus Sarrazin machen”, warnte er im “Tagesspiegel”.
“Ich bin gegen ein solches Ausschlussverfahren, weil man keinen Märtyrer aus Sarrazin machen darf”, warnte Kahrs. “Das Buch disqualifiziert sich selbst.”
Als sich Verteidigungsminister Theodor zu Guttenberg zu Sarrazin äußerte, interpretierte Bild.de das als “Rückendeckung”:
Überraschende Rückendeckung bekam Sarrazin übrigens heute von einem Mitglied aus Merkels Kabinettsrunde. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CDU) [sic] sagte [bei] einem Volksfestauftritt in der Nähe von München, Sarrazin habe eine richtige Debatte angestoßen.
Von den weniger schmeichelhafte Dinge, die zu Guttenberg außerdem über Sarrazin gesagt hat, erfährt man nur in anderen Medien:
“Dass wir Missstände (bei der Integration) haben, ist unbestritten.”, so Guttenberg. Er machte aber zugleich klar, dass er die Schlussfolgerungen Sarrazins nicht teilt. Die Frage nach Versäumnissen bei der Integration betreffe Deutsche ebenso wie Migranten. Der CSU-Politiker warf die Frage auf, ob an Einwanderer nicht Forderungen gestellt würden, die die einheimische Bevölkerung selbst nicht erfülle. Dies gelte zum Beispiel für Leistungsbereitschaft und Familiensinn.
Der Trend zum Weglassen setzt sich fort. Auf Bild.de kann man lesen:
Unterdessen hat Innenminister Thomas de Maizière (CDU) ein neues, bundesweites Integrationsprogramm vorgestellt. U. a. geplant: mehr Lehrer mit Migrationshintergrund. De Maizière räumte Versäumnisse auf allen Ebenen ein: “Da ist im Grunde zwei Jahrzehnte nichts oder zu wenig gemacht worden.” Größte Herausforderung, so der Minister weiter, sei die Sprache: 1,1 Millionen Ausländer sprächen nicht ausreichend Deutsch, 10 – 15 Prozent seien nicht zur Integration bereit und hätten Probleme mit dem deutschen Alltag.
Zur ganzen Wahrheit gehört aber, dass de Maizière auch folgendes gesagt hat:
Er wolle bestehende Probleme nicht kleinreden, so de Maizière, diese Zahl sei im internationalen Vergleich aber durchaus “nicht so schlecht. Zum ganzen Bild gehören auch die anderen 90 Prozent.”
Das vorgelegte Programm bezeichnete de Maizière als “Beitrag zur Sachlichkeit” in der Integrationsdebatte. Mit Blick auf die muslimkritischen Thesen des Bundesbank-Vorstandsmitglieds Thilo Sarrazin mahnte er, das Thema Integration “sachlich, wahrhaftig und fair” zu diskutieren. Es sei nicht die Aufgabe politischer Führung, alarmistisch zu sein und Probleme verbal zu verschärfen. Es gehe darum, “Wunden zu heilen und nicht noch Eiter hineinzuträufeln”. Integrationsprobleme von Migranten haben dem Minister zufolge nicht in erster Linie mit Religion oder gar dem muslimischen Glauben zu tun: “Es gibt keinen Eins-zu-eins-Zusammenhang zwischen Integrationsverweigerung und Religionszugehörigkeit.”
Selbst vor der Kanzlerin macht “Bild” nicht halt. Als diese sich bei der Ehrung des dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard kritisch über die Kampagne von “Bild” äußerte und einen Bogen zur Axel Springer AG schlug, ließ “Bild” diese Seite der Geschichte dezent unter den Tisch fallen (siehe “Carta”).
Es ist deshalb auch kein Wunder, dass die meisten Umfragen auf Bild.de 90 Prozent Zustimmung für Sarrazin ergeben oder dass eine Aktion, bei der “Bild” seine Leser aufforderte, Briefe an den Bundespräsidenten zu schicken, auf große Resonanz gestoßen ist.
Erstaunlich ist dabei aber immer wieder, mit welcher Dreistigkeit regelmäßig aus einem Teil der Leser von “Bild” und Bild.de die Gesamtheit aller Deutschen gemacht wird:
Eine Gefährdung der Meinungsfreiheit entsteht nicht, wenn den Thesen von Sarrazin widersprochen wird, sondern dann, wenn “Bild” und Bild.de immer wieder essentielle Teile der öffentlichen Debatte verschweigen.