Tatort Internet, Das Medium, Hans Zippert

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Irreführung als Programm”
(spiegel.de, Dietmar Hipp)
Dietmar Hipp schreibt zur RTL2-Sendung “Tatort Internet”: “Auch wenn der Kampf gegen Kindesmissbrauch eine honorige Sache ist – das erklärte Hauptanliegen der Sendung, die sexuell motivierte Kontaktanbahnung im Internet unter Strafe zu stellen, ist bereits seit 2004 erledigt.”

2. “Halloween im Hause Barschel”
(stern.de, Katharina Miklis)
Katharina Miklis hat sich die RTL-“Emotainment-Doku” “Das Medium” angesehen. “Auf dem Programmplatz, auf dem RTL bis vergangene Woche noch Schwiegertöchter suchte, wird nun also das Gespräch mit Verstorbenen gesucht. So weit, so geschmacklos. Hinzu kommt, dass der Sender sich noch nicht einmal die Mühe gemacht hat, den Hokuspokus ordentlich zu produzieren. Einer der Beiträge wird mitten im Satz unterbrochen.”

3. “Das Märchen vom indischen Milliardenhaus”
(kobuk.at, Hans Kirchmeyr)
Hans Kirchmeyr prüft die Baukosten eines Gebäudes, das die Zeitung “Österreich” “das teuerste Haus der Welt” nennt.

4. “Der Medienkrieg mit der Regierung findet im Netz statt”
(journal21.ch, Ulrich Meister)
Ulrich Meister stellt die französischen “Internet-Zeitungen” Mediapart und Rue89 vor: “Beide Medien zahlen ihren Journalisten branchenübliche Löhne. ‘Mediapart’ hat gegen 30 Angestellte, die zwischen 2300 und 6500 Euro im Monat verdienen. Bei ‘Rue89’ arbeiten 20 Festangestellte. Mediapart hat bereits über 40’000 Abonnenten, die Zahl ist steigend. Um rentabel zu sein, fehlen noch etwa 15’000 neue Subskriptionen.”

5. “nebelkerzen”
(wirres.net, Felix Schwenzel)
Felix Schwenzel ärgert sich über Dogmatiker (“regelaufsteller-arschlöcher”), die “für ihre kurzfristigen ziele hysterie provozieren und von den eigentlichen problemen und missständen ablenken”. Das geschehe nach einem auch bei Politikern beliebten Muster: “ängste oder unsicherheiten aufspüren, diese ängste aufblasen, ohne interesse an details diese unsicherheiten aufputschen und mit der prinzipienkeule einfach überall draufhauen.”

6. “Der Tag, an dem mich der Schlag traf”
(welt.de, Hans Zippert)
Hans Zippert erleidet an einem sonnigen Frühlingsmorgen einen Schlaganfall und fällt vom Fahrrad. “Schließlich tauchten zwei Polizisten auf und wollten wissen, ob ich betrunken sei. Das schien vormittags um 11.00 Uhr in Berlin die Regel zu sein. Die hätten lieber die Sache mit dem Arm aufklären sollen, aber das konnte ich ihnen nicht sagen, denn meine Zunge gehorchte mir genauso wenig wie mein Arm.”

dpa  etc.

Hilfe, die Mohammedaner kommen!

Wenn deutsche Medien in diesen Tagen melden, dass “Mohammed” in England und Wales zum beliebtesten Vornamen neugeborener Jungen aufgestiegen ist, dann ist das nicht nur eine dieser belanglosen Statistiken auf den vermischten Seiten. Wie eine solche Nachricht bewertet wird und auf welchen Nährboden sie fällt, zeigt beispielhaft ein Leserkommentar dazu auf “Welt Online”:

Bevor es in Deutschland zu Ähnlichem kommt - handeln! Revolution - noch heute!

(Die Zahlen neben den kleinen Handzeichen bedeuten übrigens, dass 1168 Lesern dieser Kommentar gefallen hat und nur 78 nicht.)

Die Nachricht selbst steht fast überall, und sie mag zwar die Überfremdungsängste von Thilo Sarrazin und seinen Anhängern bestätigen, aber sie ist falsch. Ihren Ursprung hat sie in der konservativen britischen Tageszeitung “Daily Telegraph”. Unter der Überschrift “Mohammed, der (geheime) Lieblingsname des Landes” berichtete sie, dass die offizielle Vornamenstatistik, wonach die meisten 2009 geborenen Jungen “Oliver” genannt wurden, die “Wahrheit” verschleiere. Wenn man alle unterschiedlichen Schreibweisen von “Mohammed” (also etwa Muhammad oder Mohammad) zusammenzähle, rücke nämlich der Name des islamischen Propheten vom 12. Platz an die erste Stelle.

Nun ist das an sich schon nicht so spektakulär und signifikant, wie es scheint, weil viele Moslems traditionell ihren erstgeborenen Sohn “Mohammed” nennen – in nicht-muslimischen englischen Familien gibt es keine entsprechende Präferenz. Daher suggeriert die Häufung eine stärkere islamische Dominanz als Realität ist.

Und wenn der “Daily Telegraph” schon alle verschiedenen Schreibweisen von “Mohammed” zusammenfasst, um die “Wahrheit” abzubilden, muss er das natürlich auch mit den anderen Namen in der Statistik machen. Das hat er aber nicht. Es reicht schon, alle “Olivers” und “Ollies” zusammenzufassen, um die verschiedenen “Mohammeds” wieder zu überholen. Auch “Harry” und “Henry” sind zusammengenommen populärer.

Blind und blöd haben dennoch die deutschen Nachrichtenagenturen dpa (“Mohammed ist beliebtester Vorname in England”) und AFP (“Mohammed steigt in England zum beliebtesten Jungennamen auf”) die falsche Rechnung übernommen. Auch die “Rheinische Post” behauptet, dass “erstmals ein ganz unbritischer Name auf der Insel an die Spitze der Hitliste für Jungennamen gerückt” sei, “Bild” und “Spiegel Online” haben die Meldung natürlich auch übernommen.

Der Zahlentrick ist übrigens alt: Auch im vergangenen Jahr hat der “Telegraph” schon auf dieselbe Weise den bösen arabischen Namen künstlich nach vorne katapultiert, und schon 2007 übernahm AFP die Milchmädchenrechnung aus der “Times” und behauptete, Mohammed sei bald der beliebteste Vorname. Die beiden ersten “Welt Online”-Leser-Kommentare lauteten damals: “Rette sich wer kann” und “Das macht wirklich Angst”.

PS: Nach Berechnungen des Watchblogs “Tabloid Watch” hatten die “Mohammeds” in ihren verschiedenen Schreibweisen 2009 einen Anteil von 2,08 Prozent an allen neugeborenen Jungen in England und Wales. Im Jahr zuvor waren es 2,09 Prozent.

Bild  

Körzi der Barbar

Norbert Körzdörfer ist bei “Bild” der Mann für die Hollywoodstars. Das ist insofern ganz gut, weil er davon mehr Ahnung hat als von Politik. Schwierig wird es, wenn er über Hollywoodstars schreiben muss, die in die Politik gegangen sind.

Hasta la vista, Politik. Arnie geht wieder nach Hollywood.

Schwarzeneggers Statement (“Wenn’s a gutes Skript gibt? Wenn ich’s noch drei Monate am Set aushalte …”) klingt zwar etwas zurückhaltender als die “Bild”-Überschrift, aber irgendwas muss der Mann ja auch in Zukunft machen, wenn er nicht mehr Gouverneur von Kalifornien ist.

Oder, um mit Körzdörfer zu fragen:

Was wird er ab Mittwoch tun, wenn seine Nachfolgerin (Ebay-Milliardärin) im Amt ist? "I schreib erst a mal a Buch!"

Mal abgesehen davon, dass die Amtszeit von Schwarzenegger erst im Januar abläuft — ob die Ebay-Milliardärin Meg Whitman auf Schwarzenegger folgen wird, entscheiden die Wähler erst am Dienstag. Derzeit liegt sie in den Umfragen deutlich hinter ihrem demokratischen Mitbewerber Jerry Brown zurück.

Mit Dank an Pascal A. und R.

Nachtrag, 31. Oktober: Anders als Norbert Körzdörfer haben die Bildunterschriften-Texter von Bild.de nicht mal Ahnung von Hollywood:

Arnie kehrt ins Showbiz zurück. Hat er es je verlassen? Die Rolle als Gouverneur von Kalifornien war ihm auf den Leib geschnitten. Rechts: Arnie in "Terminator 5"

Das Foto stammt jedenfalls aus “Terminator 3”, einen fünften Film der Reihe gibt es bis heute nicht.

Mit Dank auch an Kai-Oliver K.

2. Nachtrag, 2. November: Die fehlerhafte Bildunterschrift hat Bild.de korrigiert. Den Rest nicht.

ER war’s*

Da hat Wikileaks den Journalisten etwas eingebrockt. Über 390.000 Dokumente aus dem Irak hat die Plattform veröffentlicht. Wer soll das denn alles lesen? Aber keine Sorge — zum Glück gibt es die Story hinter der Story.

Wie zum Beispiel Bild.de am Montag:

ER verriet die brisanten Geheimnisse. Folter, Mord, Missbrauch: Der Soldat Bradley Manning enthüllte die schlimmsten Gräueltaten des Irak-Kriegs

Ja, ER war es. Ganz bestimmt. Vielleicht. Zumindest war irgendwo zu lesen, dass er Dokumente an Wikileaks gegeben hat. Andere Dokumente. Also warum nicht auch die aus dem Irak?

Oder um es mit Bild.de zu formulieren:

Bradley Manning: Er soll dafür gesorgt haben, dass 391 832 geheime Feldberichte der US-Truppen auf der Internet-Enthüllungsplattform Wikileaks erschienen.

Auf deutsch: Bisher weiß niemand außer Manning selbst so genau, welche Dokumente er an Wikileaks gegeben hat — Wikileaks sagt dazu nichts, die US-Regierung hält sich bedeckt. Aber wen interessiert das schon? Bild.de hatte seine Schlagzeile und musste die 391.832 Akten nicht lesen.

* (vielleicht)

Symbol-Randale im Berliner Schanzenviertel

Nach einem Brandanschlag auf ein linkes Geschäft in Berlin-Kreuzberg kam es am Mittwochabend zu einer unangemeldeten Demonstration, die der “Tagesspiegel” so zusammenfasst:

Am Mittwochabend zog gegen 20 Uhr eine Spontandemonstration von rund 300 Vermummten vom Heinrichplatz über die Skalitzer Straße zum Ort des Anschlags. Sie zündeten Feuerwerk und skandierten Sprechchöre gegen Neonazis. Als die Polizei begann, die Menge auseinanderzutreiben, flogen Flaschen. Die Beamten setzten 47 Personen fest und nahmen ihre Personalien auf.

Auch der RBB berichtet auf seiner Internetseite über die Demonstration:

Protest: Randale in Berlin-Kreuzberg. In Berlin-Kreuzberg haben linksautonome Demonstranten am Mittwochabend randaliert.

Flaschen, Pflastersteine, Stinkefinger, Wasserwerfer, vielleicht sogar Feuer — es muss ganz schön zur Sache gegangen sein in Kreuzberg.

Oder auch nicht, denn zur Bebilderung der Demonstration vom Mittwoch taugt das verwendete Foto nur bedingt: Es entstand im September 2009 bei Ausschreitungen in Hamburg.

A water canon sprays during riots after a street festival, Hamburg, Germany, early 13 September 2009. German police arrested 60 people after 12 officers were hurt in riots that broke out after a street festival. EPA/KAY NIETFELD

Mit Dank an Chris N.

Humpe, Hartplatzhelden, WDR Print

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1. “Es gibt nur eine Annette Humpe!”
(blogs.taz.de/hausblog, Mathias Broeckers)
Die “taz” druckte gestern auf Seite 13 zu einem Porträt von Annette Humpe ein Foto von Inga Humpe ab. “Die Agentur Action Press hatte es in ihrer Datenbank falsch ausgezeichnet und in der Redaktion war es niemand aufgefallen.”

2. “Geschichte eines Fehlers oder: Wer schreibt von wem ab?”
(kobuk.at, Yilmaz Gülüm)
Eine falsche Bezeichnung einer Uhrenmarke in einer Meldung der APA breitet sich unkorrigiert auf mehreren Online-Portalen aus.

3. “Hartplatzhelden gewinnen Finale vor dem BGH”
(telemedicus.info, Adrian Schneider)
Die Website hartplatzhelden.de gewinnt in letzter Instanz im Prozess gegen den Württembergischen Fußballverband: “Kein wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz für Amateurfußballspiele” entscheidet der Bundesgerichtshof. “Wir erinnern uns: Das Portal ‘Hartplatzhelden’ zeigt Videos von Amateurfußballspielen, aufgenommen von den Nutzern der Webseite. Der Baden-Würtembergische Fußballverband ‘WTV’ sah sich dadurch in seinen Rechten verletzt und nahm für sich die Übertragungsrechte an den Spielen in Anspruch.”

4. “Ludwig A. Minellis Ehre wurde verletzt”
(tagesanzeiger.ch, Patrick Gut)
Ludwig A. Minelli, Gründer der Sterbehilfeorganisation Dignitas, setzt sich in einem Verleumdungsprozess vor dem Bezirksgericht Horgen erfolgreich gegen eine Kolumnistin der “Zürichsee-Zeitung” durch. Sie schrieb 2009 über ihn: “Was für ein Monster, dieser Mann, der auf Wunsch in miesen Kammern und sogar auf Parkplätzen weit her gereiste Leute abmurkst”.

5. “Leuchtturm der selbstbezüglichen Süffisanz”
(carta.info, Jan Krone)
Jan Krone gratuliert zu zehn Jahren “Altpapier”: “Im Vergleich zu Link-Newslettern erlaubt das ‘Altpapier’ entschleunigte Minuten Lesegenuss ohne das zehrende Informationsarbeiten mit vielen branchenspezifischen Fachinformationsdiensten.”

6. “Untergrund-Redaktion verkündet ‘Wende im WDR'”
(freienseiten.de)
Von der Hauszeitschrift “WDR Print” wird eine Zukunftsausgabe mit Datum November 2011 gedruckt (PDF-Datei): “Die Plagiatoren – eine Redaktionsgruppe von WDR-Journalisten und freien Mitarbeitern des Senders – machen auf 16 aufwändig und originalgetreu gestalteten Seiten einerseits die Programmverflachung und einseitige Quotenorientierung des derzeitigen WDR-Programms öffentlich und senderintern zum Thema.” WDR-Intendantin Monika Piel dazu: “Unsere freien Mitarbeiter wissen oft am Besten, was im Argen liegt.”

Bild  

Ernst Elitz verwechselt “Profi” mit “Porno”

Viele kleine und mittelständische Unternehmen kennen das Problem, dass der frühere Chef auch im Ruhestand noch regelmäßig im Büro auftaucht, um “nach dem Rechten” zu sehen. Die Mitarbeiter des Deutschlandradios sind daher sicher froh, dass Ernst Elitz nach seiner Pensionierung als Intendant (Verzeihung: “Gründungsintendant”) nicht mehr ständig in der Redaktion vorbeischaut, sondern als Kolumnist bei “Bild” eine neue Heimat gefunden hat.

Elitz, der schon zu Deutschlandradio-Zeiten als Kronzeuge für die journalistische Integrität von “Bild” aufgetreten war (BILDblog berichtete), darf die Arbeitsmethoden der Zeitung häufiger im Blatt loben und verteidigen. Solches war auch gestern mal wieder nötig, nachdem das Amtsgericht München einen früheren “Bild”-Reporter wegen Nötigung und “Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen” des Schauspielers Ottfried Fischer zu einer Geldstrafe von 14.400 Euro verurteilt hatte.

Elitz schrieb dazu unter dem Titel “Profi-Recherche verletzt keine Grenze”:

Der Interviewer kannte ein unappetitliches Video. Er hat nicht mit Veröffentlichung gedroht – als Porno ohnehin nicht sendbar. Er habe keinen genötigt, sagt die Agentin des Schauspielers: Alles bestes Einvernehmen. Dennoch wurde der Journalist wegen “stillschweigender Drohung” verurteilt. Diese Begründung macht den Fall zum Grundsatzfall.

Was Elitz übersieht verschweigt: Der “Bild”-Reporter “kannte” das Video nicht nur, er hatte es von einem Mitangeklagten gekauft — “50.000 bis 100.000 Euro” habe er wohl in Aussicht gestellt, letztlich aber nur 3.500 bezahlt. Ob der Mitarbeiter oder die Zeitung offen mit einer Veröffentlichung des Materials gedroht habe, war für das Gericht in der Tat nicht entscheidend: Sie sahen in dem Hinweis auf das Video eine “konkludente Drohung”, nach der Fischer sich genötigt fühlte. Die Frage, ob er auch ohne das Wissen um die Video-Aufnahmen auf die Idee gekommen wäre, mit ”Bild” zu sprechen, beantwortete der Schauspieler schließlich laut “Süddeutscher Zeitung” vor Gericht so: “Ich glaube eigentlich nicht. Nein.”

Die Frau, die vor Gericht aussagte, es habe keine Erpressungsversuche von “Bild”-Seite gegeben (und gleichzeitig ankündigte, auch in Zukunft mit der Axel Springer AG zusammenarbeiten zu wollen), ist inzwischen übrigens nicht mehr Ottfried Fischers Agentin: Fischer hat den Vertrag mit ihr nach dem Prozess aufgehoben. Und auch die Behauptung, ein solches Video sei “als Porno ohnehin nicht sendbar” legt nahe, dass Elitz zumindest noch nie auf Bild.de unterwegs war. Doch selbst in der Print-Ausgabe hat “Bild” schon Standbilder aus privaten Sexfilmchen von Prominenten abgedruckt — und hinterher heftig dafür zahlen müssen (BILDblog berichtete).

Für Elitz ist der Ankauf eines illegal angefertigten Videos aus der Privatsphäre eines Prominenten aber gleichzusetzen mit investigativem Polit- oder Wirtschafts-Journalismus:

Darf ein Journalist mit keinem mehr sprechen, über den er mehr weiß, als dem Angesprochenen lieb sein kann? Das ist bei jeder professionellen Recherche so. Das verletzt keine Grenze. (…)

Auch mit diesem Urteil wurden Grenzen verletzt. Ein Journalist, der Betroffene mit Recherche-Ergebnissen konfrontiert, nötigt nicht. Er schafft klare Verhältnisse. Unabhängig davon, ob es um einen groß angelegten Betrugsfall oder um ein Sexvideo geht.

Erpressung, Sport Bild, Quellenangaben

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1. “Erpressung im Boulevard-Journalismus”
(ndr.de, Video, 9:05 Minuten)
“Zapp” berichtet vom Prozess gegen einen wegen Nötigung zu einer Geldstrafe verurteilten Ex-“Bild”-Journalisten. “Pressefreiheit darf nicht zur Erpressungsfreiheit werden”, sagte Kläger Ottfried Fischer nach der Verhandlung. Vor der Anklage, 2009, bewertete er in der Talkshow “Beckmann” seine Beziehung zu “Bild” so: “Wir haben ein gutes Handling miteinander.”

2. “Kampf der Leserintelligenz”
(el-futbol.de, Sidan)
Sidan liest “Sport Bild”: “Die Zeitung schnappt irgendwelche Tatsachen auf und dreht sie sich so hin, dass sich das, was passiert ist, so spektakulär oder skandalös wie möglich anhört. Den dabei entstehenden Kollateralschaden, dass dem Leser Artikel aufgetischt werden, die nicht mehr so ganz der Wahrheit entsprechen, muss man dabei halt in Kauf nehmen.”

3. “Die RTL-Siedlung”
(fernsehkritik.tv, Fernsehkritiker)
“Am 21. Oktober liefen nachmittags, wie sonst auch, die Dokusoaps ‘Verdachtsfälle’ und ‘Familien im Brennpunkt’ hintereinander – und auch geographisch betrachtet spielten sie sich nah beieinander ab.”

4. Interview mit Hans Ulrich Gumbrecht
(welt.de, Mara Delius)
Hans Ulrich Gumbrecht vermisst die Lernbereitschaft in deutschen Talkshows: “Das sind Sendungen, die dreißig Stunden laufen könnten, ohne dass sich irgendeine Position verschiebt oder verändert.”

5. “Geschenkpapier III: Altpapier Des Jahres”
(evangelisch.de, Sascha Lobo)
Zum zehnten Geburtstag der Rubrik “Altpapier” gratuliert nach Rüdiger Dingemann und Hans-Jürgen Jakobs auch Sascha Lobo mit einem “Geschenkpapier”. Er fragt sich, was die Quellenangabe “Deutscher Twittereintrag” zu bedeuten hat. “Das entspricht der Medienpraxis, bei irgendwelchen im Fernsehen gezeigten Amateuraufnahmen ‘Quelle: Youtube’ einzublenden oder gleich zu schreiben: ‘Quelle: Internet’. ‘Qualität’ kommt vielleicht nicht von ‘Quelle’, sollte es aber. Oder man ist wenigstens konsequent und schreibt bei den Zeitungszitaten ‘Quelle: Papier’.”

6. “Merkels Stalker ein Türke”
(blog.pantoffelpunk.de)

Banken: Verwechselkurse stabil

Man stelle sich folgenden Dialog in der Online-Redaktion der “Süddeutschen Zeitung” vor:

Redakteur: So, mein Artikel über die Milliardenklage gegen die Deutsche Bank ist fertig.
Bildredakteur: Und ich habe auch schon das passende Foto dazu: ein verbogenes Schild vor wolkenverhangenem Himmel. Das zeigt, dass die Bank angeschlagen ist.
Redakteur: Aber die Deutsche Bank und die Deutsche Bundesbank haben doch gar nichts miteinander zu tun…
Bildredakteur: Ihr Schreiberlinge habt keine Ahnung von Komposition: Ein verbogenes Schild, das ist genial!
Redakteur: Aber die Deutsche Bank ist eine Privatbank und die Deutsche Bundesbank ist die Zentralbank der Bundesrep…
Bildredakteur: Ich habe aber kein verbogenes Schild vor wolkenverhangenem Himmel, auf dem Deutsche Bank steht. Außerdem hab ich’s schon längst online gestellt:

Für eine milliardenschwere Klage muss die Deutsche Bank vor ein US-amerikanisches Gericht treten. (dpa)

Mit Dank an die Hinweisgeber.

Nachtrag, 15.50 Uhr: Sueddeutsche.de hat das Symbolbild ersatzlos entfernt.

Roter Riese, Rusbridger, Matussek

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1. “Ottfried Fischer gewinnt gegen ‘Bild'”
(sueddeutsche.de, Nicolas Richter und Christian Rost)
Nicolas Richter und Christian Rost denken nach der Gerichtsverhandlung vor dem Landgericht München über den “roten Riesen in Deutschland” nach: “Viele Prominente haben den langen Arm von Bild als so aufdringlich empfunden, dass sie irgendwann eine klare Haltung annahmen, sich nicht benutzen zu lassen. Es ist eine Haltung mit Risiken, denn wer so handelt, der könnte von Bild ignoriert oder bloßgestellt werden.”

2. “Der Standard: Infografik-Waterloo mit über 12 Fehlern”
(kobuk.at, Hans Kirch​meyr)
“Kobuk” sucht und findet Fehler in der Infografik “Wie lange wir leben werden” der Wiener Tageszeitung “Der Standard”.

3. Interview mit Alan Rusbridger
(meedia.de, Eleni Klotsikas)
“Guardian”-Chefredakteur Alan Rusbridger im Gespräch: “Einige Journalisten verlassen gerade die Mainstreammedien. Sie sind redundant geworden oder gehen von selbst und starten einen Blog. Die besten von ihnen können gerade mal davon leben. Sie haben wenig Traffic. Und ich glaube, wenn Medienorganisationen mehr und mehr mit ihnen zusammenarbeiten und ihnen mehr Traffic bieten und sie an ein Werbenetzwerk anschließen, dann können sich da Summen anhäufen, von denen diese Menschen leben können. Wir müssen mehr über diese positiven Entwicklungen reden, denn wenn Journalisten nur umherlaufen und von Untergang reden, warum sollte sich dann die Werbeindustrie noch für unsere Arbeit interessieren?”

4. “Österreichs Medien tendieren zur Islamophobie”
(diepresse.com, Clara Akinyosoye)
Clara Akinyosoye schreibt über den 2009 erschienenen Sammelband “Islamophobie in Österreich”. Wer glaube, es gebe “bezüglich islamophober Berichte große Unterschiede in Boulevard- und Qualitätsmedien”, irre sich, sagt Mitautor Farid Hafez.

5. “Cut-Rate Democracy”
(outlookindia.com, Paranjoy Guha Thakurta, englisch)
Das Wochenmagazin “Outlook India” berichtet über (von Interessengruppen) bezahlte News in Indien. “Substantial sections of the media have become participants and players in practices that contribute to this growing use of money power in politics. This in turn undermines democratic processes and norms while hypocritically pretending to occupy a high moral ground.”

6. “Kulturtipp gone mad”
(umblaetterer.de, Paco)
Der Geschichtsstudent Philipp Spreckels schaut in fünf Monaten alle bisherigen 151 Folgen des “Spiegel Online”-Videoblogs “Matusseks Kulturtipp”. Ein Interview.

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