Bild  

Kerkeling-Wette verloren

“Bild”, 20. Juni 2011:

Wetten, dass Kerkeling der neue Gottschalk wird!

Erst im Herbst will das ZDF bekannt geben, wer Nachfolger von Thomas Gottschalk (61) bei “Wetten, dass ..?” wird. Viele Stars sind im Gespräch. Doch nur mit zwei Moderatoren hat das ZDF wirklich verhandelt. BILD sagt: Wetten, dass Hape Kerkeling (46) der neue Gottschalk wird! (…)

Der Plan: Pilawa könnte im Sommer öffentlich seinen Verzicht auf “Wetten, dass ..?” erklären. Im Herbst kann Programmdirektor Thomas Bellut dann Kerkeling als neuen “Wetten, dass ..?”- Moderator ausrufen.

Interessant: Als Thomas Gottschalk vor 19 Jahren zum ersten Mal bei “Wetten, dass ..?” ausstieg, sollte Hape Kerkeling bereits die Show übernehmen. Damals lehnte der Entertainer ab, drehte stattdessen seinen ersten Kinofilm.

Ein zweites Mal wird Hape Kerkeling das Angebot wohl nicht ablehnen.

Wetten, dass ..?

Doch.

Griechen raus!

In dieser Woche haben sich ja die Ereignisse in der Griechenland-Krise förmlich überschlagen. Grund genug für “Bild” und Bild.de die mit Leidenschaft geführte Hetzkampagne gegen die “Pleite-Griechen” (BILDblog berichtete mehrfach) noch weiter auf die Spitze zu treiben.

Als Anfang der Woche bekannt wird, dass der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou eine Volksabstimmung über die empfindlichen Sparmaßnahmen plant, die mit dem zuvor beschlossenen Schuldenschnitt einhergehen, titelt Bild.de wenig diplomatisch:

Euro-Zocker Papandreou löst neue Krise aus Will uns der Griechen-Premier verarschen?

Ausgerechnet der windige Krawallnachwuchsjournalist Paul Ronzheimer, der bei seiner unsäglichen Drachmenrückgabeaktion vor einem Jahr bewiesen hat, dass er selbst ein hervorragender “Verarscher” ist, schreibt Sätze wie:

Alle fragen sich: warum tut Papandreou das? Warum jetzt? Will er uns verarschen? (…)

Der Euro-Zocker

(…)

Was zockt der Griechen-Premier?

Diese Reaktion ist schon allein deswegen bemerkenswert, weil eine Volksabstimmung den von “Bild” seit langem geforderten Austritt Griechenlands aus der Eurozone erheblich hätte beschleunigen können. Aber auch das vereinnahmende “uns” und “alle” ist unangebracht, wenn man bedenkt, dass es durchaus auch Stimmen gab, die die Entscheidung von Papandreou begrüßten.

Wie ein trotziges Kind forderte “Bild” dann am Donnerstag unverhohlen auf der Titelseite:

Nehmt den Griechen den Euro weg! Frau Merkel, wir wollen auch eine Volksabstimmung!

Die Marschrichtung ist deutlich. “Bild” glaubt wieder einmal für alle Deutschen sprechen zu können:

JETZT REICHT ES UNS! Wir bürgen für Hunderte Milliarden Euro, um die Pleite-Griechen zu retten – und dort soll erst eine Volksabstimmung klären, ob überhaupt gespart wird. Jetzt wollen wir auch eine Volksabstimmung: keine Milliarden mehr für Griechenland, Griechenland raus aus dem Euro!

Und den passenden “Stimmzettel” liefert “Bild” auch gleich mit (man beachte die falschen Landesfarben Schwarz-Schwarz-Rot):

Stimmzettel

Dieser Stimmzettel ist in seiner geballten Suggestivität und Einseitigkeit ein eindrucksvolles Zeugnis des Demokratieverständnisses von “Bild”: Kein Wort darüber, dass es vor allem deutsche Banken sind, die griechische Staatsanleihen halten und ohne die Milliardenhilfen ins Straucheln kommen würden. Kein Wort darüber, dass es rechtlich kaum möglich ist, dass die EU (und schon gar nicht Deutschland) den “Pleitegriechen (…) den Euro wegnimmt”. Kein Wort zu den bereits umgesetzten und geplanten Reformen und Sparmaßnahmen, für die Griechenland erst kürzlich gelobt wurde. Statt Informationen bietet “Bild” nur jede Menge Emotionen.

Selbst in einem späteren Artikel, in dem sich Bild.de dann doch mit den rechtlichen Rahmenbedingungen auseinandersetzt, wird das “Wir-gegen-die” wie selbstverständlich aufrecht erhalten:

Drohender Bankrott in Athen Wie kriegen wir die Griechen aus dem Euro? BILD.de erklärt die Rechtslage und mögliche Folgen

Immerhin, das durch die geplante Volksabstimmung angeknackste Weltbild von “Bild” und Bild.de scheint wieder in Ordnung zu sein. Nachdem Papandreou aufgrund von innen- und außenpolitischem Druck die Volksabstimmung wieder abgesagt hat, sind die “Pleite-Griechen” wieder genau da, wo “Bild” sie anscheinend haben will – im Staub:

Euro-Krise beendet? Griechen kuschen vor Angela Merkules Papandreou bildet Not-Regierung! +++ Volksabstimmung abgesagt!

Widderlich

Die Kölner Rockgruppe BAP hat ihre anstehende Deutschlandtour wegen einer schweren Erkrankung des Sängers Wolfgang Niedecken absagen müssen. Das hat das Management gestern in einer Pressemitteilung verkündet und hinzugefügt:

Wolfgang Niedecken und seine Familie haben sich dazu entschlossen, keine weitere Stellungnahme zur aktuellen Situation abzugeben. Wir bitten daher eindringlich darum, von allen Anfragen abzusehen und die Privatsphäre von Wolfgang Niedecken und seiner Familie zu respektieren.

“Bild” drückt den Respekt in der Kölner Lokalausgabe unter anderem dadurch aus, dass sie Fotos von Niedeckens Frau und Kindern auf dem Krankenhaus-Parkplatz zeigt.

Und die Reporter haben Niedeckens Familie nicht nur fotografiert, wie sie bei Bild.de gestern selbst ausplauderten:

Die Familie ist bei ihm. Um 17.10 Uhr am Mittwoch verlässt seine Frau Tina (46) mit den Töchtern Isis-Maria (17) und Joana-Josephine (15) das Krankenhaus, ihre Gesichter vom Weinen gerötet und verquollen.​ Auf den Gesundheitszustand ihres Vaters angesprochen, sagen sie nur: “Kein Kommentar.”

Es ist unwahrscheinlich, dass “Bild”, die auch munter über die Art der Erkrankung spekuliert und die Ankunft des Notarztes beschreibt, als sei sie selbst dabei gewesen, die Pressemitteilung von Niedeckens Management nicht gelesen hat: Sie zitiert den ersten Absatz daraus.

Mit Dank an JJZ und Clemens W.

Faszinierend

Ein wenig unentschlossen wirken sie schon bei Bild.de:

43 Jahre wurde die Folge den Fans im deutschen Free TV vorenthalten, jetzt bringt ZDF neo die 50. Episode von “Raumschiff Enterprise”.

Das klingt ja erst mal, als seien die deutschen Zuschauer über Jahre bevormundet worden. Im nächsten Satz klingt es dann aber schon so, als sei diese Bevormundung ganz gut gewesen:

Am Freitagabend zeigt der Spartensender die umstrittene Nazi-Folge “Schablonen der Gewalt”.

Die Bezeichnung “umstritten” hat sich ZDF neo selbst in seine Ankündigung geschrieben und wie folgt begründet:

Bisher wurde die Enterprise-Folge “Schablonen der Gewalt” (Originaltitel: “Patterns of Force”) noch nie im deutschen Free-TV gezeigt. Denn in dieser Folge wird die Enterprise-Crew mit einem faschistischen Regime konfrontiert, das stark an den Nationalsozialismus und die diktatorischen Strukturen des Dritten Reichs angelehnt ist.

Tatsächlich hatte weder das ZDF noch einer der anderen Sender, auf denen die Serie später zu sehen war, “Schablonen der Gewalt” je gezeigt. Das ZDF hatte sowieso recht willkürlich nur 39 der 79 verfügbaren “Star Trek”-Folgen ausgestrahlt und den Rest abgelehnt (angeblich mit der Begründung, die anderen Folgen seien “geschmacklos und zu gewalttätig”), aber auch Sat.1 verzichtete bei der Ausstrahlung der gesamten Serie auf diese eine Folge.

Offizielle Begründungen dazu lassen sich nirgends finden, aber womöglich hätte die Öffentlichkeit vor 30, 40 Jahren noch empörter reagiert als Bild.de es heute tut:

"Raumschiff Enterprise" ZDF neo zeigt umstrittene Nazi-Folge. Wie kommt

Bild.de erklärt, dass eine synchronisierte Fassung seit 1995 im Handel zu kaufen sei, findet es aber offenbar komisch, dass die Folge jetzt trotzdem im Free TV zu sehen ist (im Pay-TV läuft sie schon länger).

Warum ZDF neo die umstrittene Folge jetzt zeigt? ZDFneo-Redaktionsleiterin Dr. Simone Emmelius zu BILD.de: “Mit der Ausstrahlung der “Enterprise”-Episode ‘Schablonen der Gewalt’ bietet ZDFneo den Enterprise-Fans die Kultserie erstmals in Gänze. Die Folge ‘Schablonen der Gewalt’, die einer FSK 16 unterliegt, wird nach 22 Uhr gesendet, so dass die Komplexität der Episode von den Zuschauern reflektiert und hinterfragt werden kann.”

Die Komplexität dieser Aussage war offenbar so hoch, dass Bild.de hinzufügen muss:

Wegen der Altersfreigabe ab 16 Jahren musste der Sender einen späten Sendeplatz (22.40 Uhr) wählen.

Und als wäre diese Aufruhr nicht schon künstlich genug – und damit durchaus im Sinne des Senders – wird aus der “umstrittenen” Folge zum Schluss auch noch eine “bislang verbotene”. Das ist zwar völliger Quatsch, scheint aber sowieso niemanden mehr beeindruckt zu haben:

ZDF zeigt bislang verbotene Nazi-Folge. Ich finde das… völlig okay 85%

Mit Dank an Lars H., Jürgen H., David K. und Martin E.

Apfelkind, Halbgeschwister, Abmahnungen

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Apple gegen Apfelkind: Größenwahnsinniger Weltkonzern gegen kleine Cafébesitzerin?”
(lbr-law.de, Arno Lampmann)
Ist die Firma Apple größenwahnsinnig, weil sie sich auf einen Markenstreit mit einem Bonner Café einlässt, wie viele Medien berichten? “Vor diesem Hintergrund von Größenwahn zu sprechen, zeugt von einem merkwürdigen Weltbild. Bemerkenswert ist unseres Erachtens vielmehr, mit der Anmeldung einer Marke und umfangreichen Franchiseplänen bei den Großen mitspielen zu wollen, um dann, wenn es um die konsequente Einhaltung der Spielregeln geht, öffentlichkeitswirksam das kleine unbedarfte Kindercafé zu mimen.”

2. “Die armen Verwandten”
(sz-magazin.sueddeutsche.de, Andreas Bernard)
Andreas Bernard fragt sich, was es mit den Berichten des Boulevards über “gescheiterte” Halbgeschwister von Prominenten auf sich hat.

3. “Wer, wie, was, wann, wo?”
(klatschkritik.blog.de, Antje Tiefenthal)
Die “Bunte” schreibt “kurz und knapp” über eine Weiterentwicklung im Fall Kachelmann, das Leben der Nebenklägerin soll verfilmt werden. “Kaum eine andere deutsche Zeitschrift hat umfangreicher über den Kachelmann-Prozess berichtet, als die Bunte. Jede Kleinigkeit, für die zehn Zeilen genügt hätten, wurde für mindestens eine Doppelseite aufgebauscht, (…).”

4. “Journalismus heute – die richtige Denke”
(training.dw-world.de, Steffen Leidel)
Sieben Empfehlungen für Journalisten: “1) Baue Dir deine personalisierte Nachrichtenagentur auf, 2) Du suchst den Dialog auf Augenhöhe mit den Nutzern, 3) Du nutzt die Weisheit deiner Leser, 4) Du machst deinen Arbeitsprozess transparent, 5) Du kuratierst Information und managest den Information-Overload durch eine kritische Nutzung von Filtern, 6) Du begreifst Journalismus als Prozess, 7) Du betreibst Storytelling auf mehreren Kanälen.”

5. “Justizministerin sagt Abmahn-Industrie den Kampf an”
(sueddeutsche.de, Daniela Kuhr)
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger will gegen Missbrauch mit Abmahnungen vorgehen. “Im Justizministerium spricht man von ‘Wettbewerbsverstößen im Bagatellbereich’. Einige Anwälte schlagen daraus jedoch Profit, indem sie sich regelrecht darauf spezialisiert haben, gegen solche Verstöße vorzugehen. Oft nutzen sie dazu eine moderne Software, mit der sich auch die geringsten Wettbewerbsverstöße im Internet ohne großen Aufwand aufspüren lassen.”

6. “The War Between Google, Amazon, Facebook, Apple”
(npr.org, englisch)
“In the old days, Amazon sold books, Google was a search engine, Facebook was a social network and Apple sold computers. But that’s not the case anymore.”

Schöner Einbrechen mit Facebook (2)

Und wer ist noch (und trotz BILDblog-Eintrag) hereingefallen auf die Ente, dass sich 78 Prozent der Diebe bei Facebook über gute Einbruchziele informieren?

Die “Welt” von heute — im womöglich ironisch benannten Ressort “Wissen”:

Der “Welt”-Remix “Berliner Morgenpost”:

Der Online-Auftritt des “Handelsblatts”:

Und natürlich, ganz frisch, Bild.de:

Auch der Braanchendienst “Meedia” hält unbeirrt an dem Irrsinn fest; “Welt Online” hat immerhin einen Teil der Fehler unauffällig korrigiert*.

*) so unauffällig, dass wir es zuerst übersehen hatten.

Mit Dank an Frank!

Unruhe bitte!

Was sorgt für mehr Unruhe? Ein Spieler, der sich in der Winterpause bei seinem ehemaligen und wahrscheinlich auch zukünftigen Verein fit halten will oder eine Schlagzeile wie diese?

Ex-Nationalspieler sorgt für Unruhe Dicke Luft zwischen Werder und Frings

Bild.de behauptet:

Er war viele Jahre Leistungsträger, Kapitän und Aushängeschild des Klubs. Jetzt herrscht dicke Luft zwischen Torsten Frings (34) und Werder!

Für die nötige Stimmung sorgt Bild.de vor allem selbst, indem sämtliche eher harmlosen Zitate der Beteiligten möglichst krawallig interpretiert werden:

“Ich habe gerne das Heft des Handelns in der Hand. Und der Trainer auch”, sagt Boss Klaus Allofs gereizt. “Ich habe noch nicht mit Torsten gesprochen. Wir müssen sehen, wie wir da eine Lösung finden.”
Harmonie klingt anders…
(…)
Was Allofs außerdem nervt:
Bis heute hat Frings seinen Anschlussvertrag noch immer nicht unterschrieben.
Geplant war, dass er nach seiner Spieler-Karriere bei in Werders Trainerstab einsteigt. Doch Frings lässt sich dabei Zeit: “Wer weiß denn heute schon, was in einem Jahr ist.”
Das ärgert Allofs, der den Anschlussvertrag als ein Entgegenkommen des Klubs ansieht: “Torsten sollte nach seiner Karriere hier was machen. Das zeigt, wie wir zu seiner Person stehen. Aber zwingen werden wir ihn nicht, bei uns zu arbeiten…”
Auch die geplante Verabschiedung im Weserstadion läuft nicht reibungslos.
(Hervorhebungen von uns.)

Torsten Frings selbst sieht die Situation ganz anders. In seinem eigenen Blog schreibt er unter der Überschrift “Zwischen Werder und mir ist alles gut!”:

Als ich heute bei Bild.de allein schon die Überschrift “Dicke Luft zwischen Werder und Frings” gelesen habe, konnte ich nur mit dem Kopf schütteln. Was soll denn das? Das bringt Unruhe in den Verein, schadet meinem Namen und so eine “Story” ist nicht nur überflüssig, sondern auch nicht richtig! Ich habe mich stets zu Werder bekannt und weiß nicht, was die Journalisten davon haben, einen Keil zwischen den Verein und mir zu treiben? Aber um es nochmals klar zu stellen: zwischen Werder und mir ist alles gut! Es gab verschiedene Gespräche in guter Atmosphäre bei denen wir gemeinsam die zukünftige Vorgehensweisen besprochen haben. Wir sind dabei eine gute Lösung für das “fit halten” zu finden und auch meine offizielle Verabschiedung wird an diesem Samstag wie geplant stattfinden. Und dass ich nach meinem Karriereende dem Verein gern zur Verfügung stehe, habe ich nun auch schon mehrmals öffentlich gesagt. (…)

Dazu passt, dass sich Frings und der SV Werder Bremen inzwischen geeinigt haben, wie sid und dpa melden:

“Es gab keinen Zoff”, sagte Allofs und reagierte damit auf entsprechende Medienberichte.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber.

Nachtrag, 4. November: Aus der von allen Beteiligten einvernehmlich getroffenen Vereinbarung, dass Torsten Frings mit der U19-Jugendmannschaft von Werder Bremen trainiert, konstruiert Bild.de das:

Praktikant bei U19 statt Training mit den Profis Werder schiebt Frings ab

Das hat sich Torsten Frings (34) ganz anders vorgestellt… (…)

Praktikant bei U19 statt Training mit den Profis – Werder schiebt Frings ab! (…)

Ob ihm diese Lösung wirklich schmeckt? (…)

Heißt: Basisarbeiter in der Jugend statt wie erhofft Assistent von Thomas Schaaf.

Wann und ob Frings, der immer noch beim FC Toronto unter Vertrag ist, jemals geäußert hat, er wolle Assistent von Thomas Schaaf sein, erfährt man bei Bild.de nicht — ebensowenig wie das, was Frings selbst laut kreiszeitung.de zur Einigung sagt:

Nach einem Gespräch mit Sportchef Klaus Allofs hat Frings die U 19-Lösung akzeptiert. “Das ist eine neue Erfahrung für mich – und es ist okay”, meinte Frings gestern und ergänzte: “Ich wollte ohnehin nicht jeden Tag trainieren – und bei den Profis hätte ich das machen müssen.”

Hypo Real Estate, Mely Kiyak, Schäferhund

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Wen kümmern 50 Milliarden Euro?”
(stern.de/blogs, Hans-Martin Tillack)
Hans-Martin Tillack liefert Hintergründe, wie über Geldbeträge der verstaatlichten Bank Hypo Real Estate informiert wird und wie Journalisten diese Informationen aufnehmen und verarbeiten. Siehe dazu auch “Verrechnet – Milliarden und die HRE” (ndr.de, Video, 5:30 Minuten).

2. “Ui, Mely Kiyak!”
(titanic-magazin.de)
“Titanic” antwortet auf eine Kolumne von Mely Kiyak in der “Frankfurter Rundschau”, in der sie Mitglieder der Piratenpartei als “eine Ansammlung von zotteligen Typen” beschreibt. Sie schrieb damals: “Schwammige Figuren, ungesunder Teint, hässlich, mein Gott, da ist ja nix dabei! Man roch die vermieften T-Shirts regelrecht. Kein Wunder, dass keine Mädchen bei denen mitmachen. Ich verstehe jetzt auch, warum die Piraten keinen Wahlkampf mit Fotos veranstalteten – das Auge wählt schließlich mit.”

3. “Polizistenmord: Wie der Bayerische Rundfunk auf den Hund kam”
(augsburger-allgemeine.de, sbo)
Br.de illustriert eine Nachricht mit einem bearbeiteten dpa-Bild. Nebel wurde “durch ein diffuses Sonnenlicht ersetzt”, ein Schäferhund mitten in eine Gruppe von Bereitschaftspolizisten montiert. “Der Bayerische Rundfunk erklärt den Vorfall mir gegenüber mit einer internen Panne. Bei der Bildmontage handle es sich um eine Titelgrafik aus der Rundschau-Sendung im BR-Fernsehen.”

4. “Niveaulosigkeit”
(nullsummenspiel.tumblr.com, Pascal Paukner)
Pascal Paukner ärgert sich, wie Chris Köver in der Zeitschrift “Zeit Campus” über Jürgen Habermas beschreibt.

5. “Wir waren beim Fußball – und haben es überlebt”
(schwatzgelb.de, Sascha und Arne)
“Wer den Fußball komplett befrieden will, muss ihn seine Brisanz berauben – und damit auch all dem, was seine Faszination begründet”, schreiben Sascha und Arne in einem langen Artikel über Fußball und Gewalt. “Wenn sich Fangruppierungen auch abseits der Spiele bekriegen und jungen Fans auf dem Schulweg oder am Bahnhof aufgelauert wird, und wenn Täter in der Gruppe den unterlegenen Opfern die Fanutensilien rauben, dann ist das zweifelsohne bedenklich – seltsamerweise interessieren sich aber weder Polizei, noch Vereine, noch Medienvertreter für diese Ereignisse. Vielleicht sind sie einfach nicht spektakulär und medienwirksam genug?”

6. “Eine Frage des Geschmacks”
(karolinakuszyk.blogspot.com)
Karolina Kuszyk fragt ihre Freundinnen: “Was für Weisheiten haben euch eure Mütter mit auf den Weg gegeben?”

Schöner Einbrechen bei Facebook

Es ist eine beunruhigende Meldung, die Bild.de da verbreitet:

Facebook-Zahlen: Hacker knacken 600.000 Konten pro Tag

Die Meldung, die auch auf anderen Nachrichtenwebsites zu finden ist, stammt von der Nachrichtenagentur Global Press, die schreibt:

“Problemfälle” heißen sie offiziell bei Facebook – jeden Tag werden 600 000 Nutzer Opfer eines Identitätsdiebstahls, weil Hacker ihre Konten bei Facebook übernehmen.

Diese Zahl hat das größte soziale Netzwerk nun in einem Blog-Eintrag öffentlich gemacht und zugleich relativiert. Nur 0,06 Prozent aller täglichen Anmeldungen bei Facebook seien illegale Logins, da man jeden Tag rund eine Milliarde Zugänge zu registrierten Konten verzeichne. Das Netzwerk hat weltweit 800 Millionen Mitglieder.

Gehen wir mal der Reihe nach vor: Das Wort “Problemfälle” taucht in der Mitteilung von Facebook, die sich im wesentlichen um neue Sicherheits-Funktionen dreht, gar nicht auf. Auch die Zahl von 600.000 stammt nicht von Facebook selbst, sondern von verschiedenen Medien, die sie auf Grundlage einer Infografik von Facebook ausgerechnet hatten. Das war übrigens schon vergangenen Freitag, also in Internet-Zeit vor ein paar Monaten.

Das Wichtigste aber: Die Zahl von 600.000 steht nicht für geknackte Konten, sondern für die Versuche, Facebook-Konten zu knacken. Vereitelte Versuche, wohlbemerkt.

msnbc.com führt dazu aus:

Der Facebook-Blogeintrag enthält eine Infografik, die die erfolgreichen Bemühungen des Netzwerks darlegt, Spam, Konto-Entführungen und andere Übel zu bekämpfen. Darin sagt Facebook, dass nur “nur 0,06% der mehr als 1 Milliarde Logins pro Tag kompromittiert” seien. Die Seite sei in der Lage, die Anzahl der gestohlenen oder anderweitig gefährdeten Logins genau zu bestimmen, denn sie fordere die Möchtegern-Hacker mit zusätzlichen Authentifizierungsfragen heraus, indem sie Benutzer etwa bitte, Freunde auf Fotos zu identifizieren, sagte Sprecher Barry Schnitt.

“Das bedeutet, dass wir 600.000 mal am Tag einen Bösewicht davon abhalten, Zugriff auf ein Konto zu erhalten, obwohl er die Login-Daten und das Passwort eines Kontos erraten, ergaunert oder gestohlen hat”, sagt Schnitt. “Darauf sind wir sehr stolz.”

Eine unbekannte weitere Anzahl von Hack-Versuchen sei erfolgreich, sagte Schnitt, um hinzufügen, dass es sich dabei um “einen extrem geringen Prozentsatz” von Konten handle.

(Übersetzung von uns.)

Korrekterweise müsste die Überschrift also nicht “Täglich werden 600 000 Facebook-Konten geknackt” lauten, sondern “Täglich werden 600 000 Facebook-Konten nicht geknackt”. Denn die Anzahl der tatsächlich geknackten Konten kennt nicht mal Facebook. Sagen sie dort.

Mit Dank an Andreas N. und Josef Sch.

Schöner Einbrechen mit Facebook und Twitter

Endlich gibt es neue Zahlen, die beweisen, wie gefährlich Soziale Netzwerke sind.

78 Prozent der Einbrecher nutzen Facebook, Twitter oder Foursquare, um mögliche Ziele zu finden. 74 Prozent kundschaften die Nachbarschaft mit Google Street View aus.

Zumindest steht das auf “Welt Online”, im Online-Auftritt der “Braunschweiger Zeitung”, im Braanchendienst “Meedia” und auf diversen internationalen Nachrichtenseiten.

Niemand der Journalisten scheint sich gedacht zu haben, dass das doch erstaunlich hohe Zahlen sind. Und wenn sie es sich gedacht haben, wird es sie nur angespornt haben, sofort eine Meldung daraus zu machen, statt an der Plausibilität der Angaben zu zweifeln oder sie gar nachzurecherchieren.

Hätten sie es getan, wären sie nicht nur darauf gestoßen, dass die Umfrage unter 50 ehemaligen Einbrechern in Großbritannien keineswegs im Auftrag des “US-amerikanischen Online-Unternehmens ‘Credit Sesame’, das Kredite an Privatpersonen vergibt” (“Welt Online”) bzw. der “Finanz-Webseite Credit Sesame” (“Meedia”) durchgeführt wurde. Sondern von Friedland, einem britischen Hersteller von Alarmanlagen.

Auf dessen Internetseite hätten sie auch entdecken können, was die Umfrage unter den Ex-Einbrechern — anders als von “Credit Sesame” in einer “gelungenen Infografik” (“Meedia”) behauptet — tatsächlich ergeben hat:

78 Prozent sagten, sie hätten den starken Verdacht, dass Diebe heute soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter oder FourSquare nutzen. 74 Prozent vermuteten, dass Google Street View bei Einbrüchen heute eine Rolle spielt.

Man könnte aus den Zahlen sogar, mit etwas gutem oder bösem Willen, die Meldung machen: Ein Viertel der ehemaligen Diebe bezweifelt, dass Facebook oder Google Street View bei Einbrüchen überhaupt eine Rolle spielt.

Nachtrag, 17:50 Uhr. Der Online-Auftritt der “Braunschweiger Zeitung” hat den Fehler unauffällig ein bisschen verbessert.

Blättern:  1 ... 596 597 598 ... 1159