Til Schweiger, Monopolisten, Alkohol

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Online-Tristesse”
(annalist.noblogs.org, anne)
Die deutsche Online-Presselandschaft werde “beraten von Horden von Klickzahl-Steigerungs-Schlaumeiern”: “Wer braucht denn einen ‘Ticker’, der eine Debatte der Präsidentschaftskandidaten kommentiert? Wenn mich das interessiert, kann ich es mir selber angucken. Seit einer Weile wird uns simuliert, dass die Präsidentschaftswahlen so wichtig sind, als fänden sie hier statt. Selbst die Kindernachrichten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Logo berichten darüber.”

2. “Das Fernsehen als Restzeitmedium – eine Analyse”
(dwdl.de, Klaudia Wick)
Das Fernsehen ist “zu einem Restzeitmedium geworden, das erst eingeschaltet wird, wenn wir für alles andere zu müde, zu zerstreut, zu ausgepowert sind”, schreibt Klaudia Wick. “Und die Programmplaner, die mit ausgeklügelten Strategien unsere Umschaltimpulse ausmerzen und so den Audience Flow optimieren, tragen zu dieser Entwicklung viel bei.”

3. “Schwere Prüfung”
(tagesspiegel.de, Christian Tretbar)
Christian Tretbar möchte seit Anfang Mai gerne “die fortlaufenden Controllingberichte der Flughafengesellschaft und der Flughafengeschäftsführung” des Flughafens Berlin Brandenburg einsehen. “Vorläufiges Fazit: Es ist kompliziert. Für normale Bürger ohne journalistischen Hintergrund oder juristischen Sachverstand, für die also, für die das IFG eigentlich gemacht ist, wird das Durchfechten eines Antrags zu einem heiklen Unterfangen.”

4. “Schweiger und die Zensur”
(faz.net)
Das Management von Til Schweiger bietet Interviews an – aber nur unter der Auflage, dass “alle Texte zu den Interviews komplett zum Gegenlesen vorgelegt werden”. “Sogar Zwischenüberschriften sollten kontrolliert werden dürfen.”

5. “Die Arroganz der Monopolisten”
(spiegel.de, SPIEGEL-Red.)
“Mit einer an Größenwahn grenzenden Arroganz” versuchten Firmen wie Apple, Google oder Facebook “die Rahmenbedingungen im Mediengeschäft zu bestimmen”, beklagt die “SPIEGEL-Red.”: “Aus dem Quartett der dominierenden Vier – Apple, Amazon, Facebook, Google – ist ein quasi allmächtiges Oligopol geworden. Was ihnen nicht gefällt, sortieren sie aus. Sie sind Zensoren aus eigener Kraft.”

6. “Nüchtern”
(welt.de, Benjamin von Stuckrad-Barre)
Benjamin von Stuckrad-Barre trinkt seit sechseinhalb Jahren keinen Alkohol mehr. “Noch ein Wasser, bitte. Durst habe ich natürlich überhaupt nicht mehr nach dem inzwischen etwa zwölften Glas, aber es ist einfach besser, auch etwas in der Hand zu haben.”

“Mein Kampf” ist nicht gleich “Mein Kampf”

So sieht es aus, wenn ein CSU-Politiker “Mein Kampf” als Schullektüre etablieren will:

"Mein Kampf" erscheint als Schulbuch. Nürnberg - Die bayerische Landesregierung will Hitlers Hetzschrift "Mein Kampf" in einer wissenschaftlich kommentierten Version für Schulen veröffentlichen -um Jugendliche aufzuklären. Das sagte der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU). Hintergrund: In drei Jahren verfallen die Urheberrechte, die beim Freistaat Bayern liegen. Dann würde das Werk wohl ohnehin in den freien Verkauf gelangen.

So sieht es aus, wenn der Deutsche Lehrerverband diesem Vorschlag zustimmt:

Der Deutsche Lehrerverband unterstützt Pläne des Freistaats Bayern für eine kommentierte Fassung von Adolf Hitlers Hetzschrift “Mein Kampf” – und regt deren bundesweiten Einsatz in Schulen an. […]

Einer ideologischen Ansteckung junger Menschen könne gerade dadurch vorgebeugt werden, nicht aber durch eine Tabuisierung.

(Darüber, dass der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband gegen diese Pläne war, findet sich übrigens nichts bei “Bild” und Bild.de.)

Und so sieht es aus, wenn ein Politiker der Piratenpartei “Mein Kampf” als Pflichtlektüre in den Schulen etablieren will:

HANNOVERANER WILL 
HITLERS "MEIN KAMPF" ALS SCHUL-LEKTÜRE: Nazi-Skandal bei der Piratenpartei

“Bild”-Reporter Daniel
 Puskepeleitis scheint mindestens so fassungs- wie ahnungslos zu sein wenn er schreibt:

Ist es nur eine plumpe Provokation? Oder soll Niedersachsens Piratenpartei in die rechte Ecke gerückt werden? Der Hannoveraner Pirat Carsten Schulz will Hitlers Hetz-Buch “Mein Kampf” zur Pflicht-Lektüre im Geschichtsunterricht erklären!

Ob Puskepeleitis schon mal von den bayerischen Plänen gehört hat, geht aus seinem Text ebenso wenig hervor wie die Antwort auf die Frage, ob er überhaupt weiß, wovon er da schreibt:

Allerdings: In Deutschland darf das Buch nicht gedruckt und herausgegeben werden! Schulz: “Nur Aufklärung hilft im Kampf gegen Neonazis. Verbote hingegen helfen nicht.”

Das Buch darf in Deutschland nicht gedruckt und herausgegeben werden, weil man damit gegen die Urheberrechte Adolf Hitlers verstoßen würde, die nach seinem Tod an das bayerische Finanzministerium gefallen sind — und die am 31. Dezember 2015 auslaufen. Danach dürfte jeder, der will, das Buch drucken, weswegen Markus Söder ja im April erklärt hatte, das Buch in einer kritischen Schulausgabe herausgeben zu wollen, weil er fürchtet, die Gemeinfreiheit des Werks könnte zu “einer verstärkten Verbreitung bei Jugendlichen führen”.

Carsten Schulz von der Piratenpartei weiß das. Er schreibt in seinem Programmantrag:

Es ist mit der Idee einer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaftsordnung völlig unvereinbar, daß bestimmte Bücher nicht gelesen werden können oder verboten sind. In diesem Fall hat es zwar damit zu tun, daß das Land Bayern die Urheberrechte für ‘Mein Kampf’ besitzt, aber das wird sich am 1.1.2016 ändern.

Nun hatte Schulz in der Vergangenheit schon mal mit Vorstößen am rechten Rand für Aufsehen gesorgt, insofern kann man seine Motivation durchaus hinterfragen.

Warum der (inzwischen abgelehnte) Vorschlag allerdings grundsätzlich etwas ganz anders sein soll als die Pläne der CSU und die Vorschläge des Deutschen Lehrerverbands, wissen wohl nur die Leute bei Bild.de — und die Politiker, die über die Stöckchen springen, die ihnen Bild.de hinhält:

SPD-Bildungsexpertin Frauke Heiligenstadt ist fassungslos! “Völlig indiskutabel. Dieser Vorstoß unter dem Deckmantel der Bildungspolitik zeigt: Die Piratenpartei hat ein deutliches Problem mit Mitgliedern aus dem rechtsextremen Spektrum, die sich dort sammeln. Und sie hat offenbar kein Mittel dagegen.”

Mit Dank an Michael W.

Durch die Zeit mit Anastacia

Wir wollten eigentlich keine falschen Altersangaben mehr aufschreiben, aber …

Anders: Die Popsängerin Anastacia macht es einem leicht, ihr Alter falsch anzugeben: Jahrelang hatte sie sich ein paar Jahre jünger gemacht, wie sie anlässlich ihres (offenbar tatsächlichen) 40. Geburtstags am 17. September 2008 zugab — was die Journalisten sogleich verwirrte, ob sie zuvor vier, fünf oder sechs Jahre “jünger” gewesen war.

Für “Bild” war das Alter von Anastacia allerdings vor und nach ihrem “mutigen Alterslügen-Geständnis” reine Glückssache:

7. Februar 2002 (tatsächlich 33, angeblich 28 Jahre alt):

Goldene Kamera für ihre Wahnsinnsstimme: Anastacia (26)

5. Juni 2002 (33, 28):

Anastacia (27), die bei der Schlussfeier der Fußball-WM singt, hat keine Ahnung vom Fußball.

17. August 2002 (33, 28):

Bei der COMET-Verleihung gestern Abend in Köln gewann Anastacia (25, “Boom”) den begehrten Musikpreise.

29. August 2002 (33, 28):

Anastacia (29) fühlt sich allein.

23. November 2002 (34, 29):

Anastacia (27) küsst ihren “Bambi 2002 Pop International”

22. Januar 2003 (34, 29):

Popstar Anastacia (“One Day In Your Life”, WM-Hymne “Boom”) hat Brustkrebs! Dabei ist sie erst 29.

2. Mai 2003 (34, 29):

Anastacia (30) hat nach ihrer Brustkrebs-Operation eine neue Liebe gefunden.

6. Mai 2003 (34, 29):

Pop-Queen Anastacia (34) ließ ihre Brustkrebs-Operation filmen, um kranken Frauen Mut zu machen.

7. Mai 2003 (34, 29):

Popstar Anastacia (29) hat die Entfernung eines Krebsgeschwürs aus ihrer linken Brust filmen lassen.

13. Februar 2004 (35, 30):

Anastacia (30) steht bei der Echo-Verleihung am 6. März in Berlin erstmals wieder auf einer europäischen Bühne.

8. März 2004 (35, 30):

Erster Europa-Auftritt nach der Brustkrebserkrankung: Anastacia (28)

25. März 2004 (35, 30):

Operation, Chemotherapie, unendliche Angst. Das war vor einem Jahr. Jetzt ist Anastacia (30) wieder da.

2. September 2004 (35, 30):

Anastacia (29) will sich den Busen verkleinern lassen.

4. April 2005 (36, 31):

US-Rockröhre Anastacia (29) küßte ihren deutschen Hit, “MTV”-Moderator Patrice (31)!

18. Mai 2005 (36, 31):

Pop-Sängerin Anastacia (31, “I’m Outta Love”). Sie hat ein Jahr gegen den Tumor in ihrer Brust gekämpft. Heute ist sie geheilt.

5. Juli 2005 (36, 31):

Pop-Star Anastacia (29) hat sich von ihrem deutschen Freund, MTV-Moderator Patrice Bouédibéla (30), getrennt.

5. November 2005 (37, 32):

Anastacia (30) posiert wie Marilyn Monroe

14. Januar 2006 (37, 32):

Popstar Anastacia (30) erkrankte vor drei Jahren an Brustkrebs

23. September 2006 (38, 33):

Popsängerin Anastacia (31) will im nächsten Jahr ihren Leibwächter Wayne Newton (38) heiraten.

18. November 2006 (38, 33):

Anastacia (31, “Not That Kind”) ist auf die Nähmaschine gekommen!

26. April 2007 (38, 33):

Popsängerin Anastacia (31) hat ihren Bodyguard Wayne Newton (39) geheiratet.

2. Juli 2007 (38, 33):

Sängerin Anastacia (31) ließ tief blicken

6. März 2009 (offiziell 40):

Den meisten Applaus bekam Sängerin Anastacia (33).

Insofern ist es womöglich nur konsequent, dass Anastacia auch bei ihrer neuesten Erwähnung auf Bild.de ein Alter verpasst bekam, dass weder zum falschen (39) noch zum richtigen (44) Geburtsdatum passt:

Anastacia (37) hat vier Jahre nach “Heavy Rotation” ein neues Album aufgenommen.

Mit Dank an Kai-Oliver K.

Hitler, Kanonen, Tierbordelle

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1. “Das Leistungsschutzrecht, das wir wirklich brauchen”
(youdaz.com, Andreas Grieß)
Das Leistungsschutzrecht sei einfach falsch ausgerichtet, findet Andreas Grieß. Nicht auf die Spatzen der News-Aggregatoren sollten die Kanonen zielen, sondern auf die Flugzeugträger der PR, die ihrerseits Journalisten mit Pressemitteilungen und Anrufen bombardieren. “Wenn ein Unternehmen in einem Medium vorkommen will, soll es dafür zahlen. Entweder den Preis für eine Anzeige, die es dann sicher bekommt, oder die Lizenzgebühr für eine Pressemitteilung, die unter Umständen zu einer Berichterstattung führt.”

2. “Es gilt das gesprochene Wort”
(wwwagner.tv)
Horst Seehofer weicht bei seiner Eröffnungsrede der Medientage München vom Manuskript seines Redenschreibers ab und erklärt dem Publikum auch gleich, warum.

3. “Wenn das Pferd auf den Freier wartet”
(heise.de/tp, Bettina Hammer)
“Gibt es Tierbordelle in Deutschland?” – dieser Frage ist Katharina Meyer Ende September in der “Badischen Zeitung” nachgegangen. Der “unbewiesene Mythos” von Tierbordellen zeige auf, schreibt Bettina Hammer, “wie wenig sich die Politik noch um Fakten kümmert, wenn es darum geht, sich PR-wirksam zu präsentieren”.

4. “Bleached: Lack of Diversity in the Front Page Articles of Election”
(4thestate.net, Grafik, englisch)
93 Prozent der Artikel zur Präsidentschaftswahl 2012 auf Frontseiten von (38) US-Zeitungen wurden von weissen Journalisten geschrieben. “The percentage of articles written by Asian American reporters is 3.3%, by African American reporters is 2.9%, and by Hispanic reporters is 0.7%.”

5. “Ohne Hitler”
(blogs.taz.de/hitlerblog, Daniel Erk)
Daniel Erk stellt nach sechs Jahren das Hitler-Blog ein: “Ich kann diesen Hitlerscheiß, ob ernst oder lustig gemeint, nicht mehr sehen, ich ertrage all den Schwachsinn und Unsinn, all den halbgaren Humor, die schlechten Versatzstücke und dummen Argumentationsversuche nicht mehr.”

6. “Was bislang nur wenige wussten: Das Sido gehört zur Gattung der Murmeltiere”
(facebook.com/kobuk)
Die Titelseiten der Zeitung “Österreich” von Samstag bis Donnerstag.

Monokulturen, Druckaufträge, IFG

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1. “Deutschlands Redaktionen – reine Monokulturen”
(blog.tagesschau.de, Marjan Parvand)
Monokulturen in deutschen Redaktionen: “In Deutschland hat jeder fünfte Bürger mittlerweile einen sogenannten Migrationshintergrund, aber nur jeder 50. Journalist.”

2. “Wir haben da mal 10 Fragen”
(journalist.de, Tim Gerber)
Tim Gerber schreibt in zehn Punkten auf, wie man mittels dem Informationsfreiheitsgesetz zu Behördenauskünften kommt. Selbst hat er bisher rund 200 Anfragen gestellt – und so etwa 150 mal Auskunft erhalten.

3. “Forschungsglaube – Journalisten im Studienrausch”
(ndr.de, Video, 4:39 Minuten)
Studienergebnisse werden in den Medien oft aufgepeppt und unhinterfragt wiedergegeben. Es gibt aber auch Journalisten, die sich die Mühe der Einordnung machen.

4. “Ex-DFB-Sicherheitschef Helmut Spahn über Gewalt im Fußball”
(11freunde.de, Ron Ulrich)
Ein Interview mit Helmut Spahn, der während fünf Jahren Sicherheitsbeauftragter des Deutschen Fußball-Bunds war. “In der Saison 2010/11 gab es 846 Verletzte in Erster und Zweiter Bundesliga, im Übrigen bei weitem nicht alle verursacht aufgrund gewalttätiger Auseinandersetzungen. Jeder Verletzte ist einer zu viel, aber diese Anzahl weist das Oktoberfest an einem einzigen Tag auf. Doch im Fußball wird gleich von bürgerkriegsähnlichen Zuständen gesprochen.”

5. “Druckauftrag als Druckmittel”
(medienwoche.ch, Nick Lüthi)
Nach 60 Jahren wechselt der schweizerische Hauseigentümerverband die Druckerei, als Hintergrund zu vermuten ist eine kritische Berichterstattung der NZZ: “Auch wenn Gmür das so nicht sagen will, liegt es auf der Hand, weshalb er Ringier als neuen Drucker für seine Verbandszeitung gewählt hat. Im Gegensatz zur NZZ hat man ihn dort regelrecht hofiert. Etwa mit einer Homestory bei der Familie Gmür in der Schweizer Illustrierten (…). Kritische Berichterstattung wird abgestraft und Gefälligkeitsjournalismus mit einem Millionenauftrag honoriert.”

6. “Mit 100 Jahren noch Journalist”
(swp.de, KHMT)

El País, Pro Publica, Google

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1. “Fieldreporter: Die härtesten Jungs des Fußballgeschäfts”
(11freunde.de, Philipp Köster)
Ein Leitfaden in 9 Punkten zur Befragung von Fußballern nach dem Spiel.

2. “Wer marschiert mit der Filmbranche?”
(critic.de, Frédéric Jaeger)
Exponenten der deutschen Filmbranche treffen auf Filmkritiker. Frédéric Jaeger schreibt dazu einen langen Artikel: “Gegen den wiederkehrenden globalen Vorwurf, die Filmkritik bespreche internationale Produktionen positiver als deutsche, verwehrten sich die Redakteure sicherlich zu recht. Doch man hätte auch ganz naiv gegenfragen können: Wenn dem so wäre, könnte es dann vielleicht doch auch ein ganz klein wenig an der Qualität der Filme selbst liegen?”

3. “Kasino-Kapitalisten fressen Journalisten”
(faz.net, Paul Ingendaay)
Rund 150 Angestellte, ein Drittel der Redaktion der spanischen Tageszeitung “El País”, sollen entlassen werden. Grund dafür sind “die Schulden des Mutterhauses Prisa, ohne dessen geschäftliches Desaster unter Cebriáns Leitung sich der geplante Kahlschlag bei ‘El País’ nicht verstehen lässt.” Der Betriebsrat bloggt unter elpaiscomite.blogspot.com.es.

4. “Schluss mit dem Google-Lamento!”
(cicero.de, Christian Jakubetz)
“Schafft Alternativen – oder hört auf zu jammern”, antwortet Christian Jakubetz den deutschen Medien, die sich mal wieder über die erfolgreichen Geschäftsmodelle von Google beklagen. Die Kunden seien nämlich zufrieden: “Möglicherweise hat die Zufriedenheit – oder zumindest die mangelnde Wechselbereitschaft – auch damit zu tun, dass die meisten Nutzer mit Google dann vielleicht doch zufriedener sind als mit ihrer Tageszeitung. Oder dem Spiegel. Vielleicht ist es ja auch ganz einfach so, dass der gerne verpönte Deal ‘Daten gegen Produkt’ von vielen gar nicht als so schlimm empfunden wird, weil sie das Gefühl haben, dafür von der anderen Seite auch etwas sehr Ordentliches zu bekommen.”

5. “‘What the frack is going on?'”
(nzz.ch, Thomas Schuler)
Pro Publica versucht, sperrige Rechercheergebnisse in der Form von Comics und Songs an das Publikum zu bringen. Denn wenn eine Enthüllung folgenlos bleibe, “dann liege das oft nicht an der Apathie der Leser, sondern am Versagen des Reporters”.

6. “Der Fluchhafen Berlin”
(zdf.de, Video, 43:14 Minuten)
Die mehrfach verschobene Eröffnung des Flughafen Berlin Brandenburg bringt den Steuerzahlern und der Wirtschaft hohe Mehrkosten. Ein ZDF-Reporterteam versucht herauszufinden, wer dafür verantwortlich ist.

7000 Gründe für ein Leben als Single

Der Markt der Online-Singlebörsen ist heiß umkämpft. Um den eigenen Namen möglichst weit zu verbreiten, veröffentlichen Partnervermittlungen regelmäßig sogenannte “Studien” zu irgendwelchen absurden Liebes- und Sex-Themen — in der Hoffnung, dass die Medien darauf anspringen.

Auch die Verkupplungsseite “Elitepartner.de” verbreitet solche (größtenteils nicht-repräsentativen) “Studien” am laufenden Band.

Viele Medien greifen die Ergebnisse jener Umfragen seit Jahren dankbar auf. Ein besonders eifriger Abnehmer der “Studien” von “Elitepartner” ist Bild.de: Dort schreiben sie die Pressemitteilungen geringfügig um, verpacken sie als eigene Artikel und versehen sie mit Überschriften, die suggerieren, es sei tatsächlich eine hochwissenschaftliche Studie durchgeführt worden. (Ihren vorzeitigen Höhepunkt erreichte diese Beziehung übrigens am 10. Juli 2009, wo innerhalb von neun Stunden auf Bild.de stolze 17 Artikel erschienen, die auf Umfragen von “Elitepartner” beruhten.)

Gerne übernimmt Bild.de auch die Zitate der Psychologin Lisa Fischbach, verschweigt aber ebenso gerne, dass sie zu “Elitepartner” gehört und nennt sie stattdessen einfach nur “Diplom-Psychologin”, “Paarberaterin”, “Flirt-Coach”, “Beziehungsexpertin” oder “Single-Coach”.

Und so schleicht sich “Elitepartner” mit seinen merkwürdigen Umfragen immer und immer wieder in den redaktionellen Teil von Bild.de:

9. Januar 2007:
Wann Flirten wirklich funktioniert

Im Artikel wird übrigens neun Mal auf folgende Seite verlinkt:
Premium-Mitglied werden - jetzt ohne Aufnahmegebühr. Exklusiv für Bild.T-Online.de-Leser

7. August 2007:
Diese Berufe sind wirklich sexy

12. März 2008:
Berliner Singles sind Kultur-Fans

13. Mai 2008:
Was bei der Partnerwahl wirklich zählt

Read On…

Weniger ist Meer

Mitt Romney, dem republikanischen Bewerber für das Amt des US-Präsidenten, ist im gestrigen TV-Duell mit Amtsinhaber Barack Obama ein “peinlicher Geografiefehler” unterlaufen.

“Die Welt” (vormals “Welt Online”) schreibt:

Syrien sei für den Iran der einzige Verbündete in der arabischen Welt, es sei “dessen Weg zum Meer”, behauptete der 65-Jährige. Das ist falsch: Der Iran grenzt gleich mehrfach an Gewässer: Im Süden an den Golf von Oman und den Persischen Golf, im Norden ans Kaspische Meer.

Um das deutlich zu machen, hatte “Die Welt” extra eine Infografik erstellt:

… auf der prompt das Kaspische Meer fehlte und nördlich des Irans generell etwas merkwürdige Grenzverläufe zu sehen waren.

Inzwischen hat “Die Welt” die fehlerhafte Grafik entfernt und durch eine passende ersetzt.

Mit Dank an Sebastian R.

Sony Nexus X, The Germans, Weltuntergang

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1. “Weltuntergang 2012: Ein Leitfaden für Journalisten”
(scienceblogs.de, Florian Freistetter)
Im Vorfeld des 21. Dezembers 2012 will Florian Freistetter als “kleinen Service für die Journalisten” einiges klarstellen: “Der Maya-Kalender endet nicht! Es gibt keine Maya-Prophezeiung! Es gibt keine besondere Konstellation am Himmel! Wissenschaftler haben keine Katastrophen vorhergesagt! 2012 ist kein besonderes Jahr! Wir müssen nicht abwarten!”

2. “Roma, Romands, Rätoromanen”
(blog.persoenlich.com, Alex Baur)
“Weltwoche”-Redakteur Alex Baur stellt fest, dass verschiedene wegen Rassismusverdacht angestrengte Strafverfahren von den Medien größer vermeldet werden als deren Einstellung. “Das Muster ist immer dasselbe: Die Übung erschöpft sich im grossartigen Verkünden der Strafanzeige und der Eröffnung einer Untersuchung, die später irgendwann stillschweigend eingestellt wird.”

3. “Politisch und gefühlsecht sollt ihr sein”
(welt.de, Marc Reichwein)
Marc Reichwein liest die Zeitschrift “The Germans”: “Schon seit einigen Jahren wandert die Gefühlsduseligkeit des Fernsehens immer stärker auch in die Printmedien ein, die sich einstmals ausschließlich rational gaben. Selbst eine Wochenzeitung wie die ‘Zeit’ gestaltet seit einigen Jahren emotional kuschelige Titelseiten à la ‘Bücher gegen die Kälte’.”

4. “Anatomy Of A Hoax”
(anatomyofahoax.tumblr.com, englisch)
Das Hochladen einiger Bilder, auf denen vorgeblich das neue Sony Nexus X zu sehen sein soll, löst über 500 Berichte aus. “Not sure who fired the first shot, but after the post on XperiaBlog was published, dozens of articles popped up within 15 minutes time. Many of these outlets did the right thing and alluded to the possibility that the images were fake.”

5. “Der ‘Du-darfst-nicht’-Antirassismus”
(taz.de, Deniz Yücel)
Deniz Yücel findet, die Nichtnennung der Herkunft von Tätern habe sich zu “einem Verschleierungsinstrument verselbstständigt; zu einer Ansammlung von ‘Du-darfst-nicht’-Sätzen, die die Glaubwürdigkeit von Medien erschüttern, aber jede Erkenntnis verhindern. (…) Besser: Man sagt, wie es ist.”

6. “‘Er starb in meinen Armen'”
(zeit.de, Özlem Topcu)
Özlem Topcu befragt Ismail Yozgat, dessen Sohn 2006 von der NSU ermordet wurde.

Sportlich, sportlich (5)

Der FC Bayern München gibt sich derzeit viel Mühe, den Kampf um die Deutsche Meisterschaft schon am 8. Spieltag als langweilig und “gelaufen” erscheinen zu lassen.

Oder, in den Worten von n-tv.de:

Wer sieht, wie der FC Bayern durch die Fußball-Bundesliga stürmt, der fragt sich schon, wer diese Münchner noch stoppen kann.

Der Verein hat eine ganze Menge Rekorde und Serien zu feiern:

Die Bayern haben ihre Partien allesamt gewonnen, so viele wie nie zuvor eine Mannschaft zum Start in eine Saison. […] In diesen acht Spielen haben die Münchner 24 Tore geschossen, im Schnitt also drei pro Begegnung. Und ganze zwei Gegentreffer kassiert. Auch das gab es noch nie. Was soll da noch passieren?

Wie man es dreht und wendet: Die Behauptung, das habe es “noch nie” gegeben, dass ein Verein am achten Spieltag “ganze zwei Gegentreffer kassiert” habe, ist falsch.

In der Saison 2001/2002 hatten die Bayern nämlich exakt zwei Gegentore. Und es geht sogar noch besser: Vor einem Jahr hatten sie nur ein Gegentor auf dem Konto, in der Saison 2003/2004 hatte der VfB Stuttgart gar noch kein einziges.

Mit Dank an Joachim.

Nachtrag, 15.10 Uhr: Bayern hat aktuell übrigens 26 Tore geschossen, nicht 24, wie n-tv.de behauptet.

Mit Dank an Ansgar.

2. Nachtrag, 15.55 Uhr: n-tv.de hat die Stelle unauffällig überarbeitet:

In diesen acht Spielen haben die Münchner 26 Tore geschossen, im Schnitt also drei pro Begegnung. Und ganze zwei Gegentreffer kassiert. Was soll da noch passieren?

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