Bild  

6 Bier, 4 Würstchen, 1 Anzeige

Manche Dinge sind einfach sicher: die Rente, das Amen in der Kirche oder die sommerliche Kooperation von “Bild” und Lidl, zum Beispiel.

Nach dem “WM-Knaller” (2006), dem “EM-Paket” (2008), dem “WM-Paket” (2010) und dem namentlich nicht näher bezeichneten Paket zur Frauen-Fußballweltmeisterschaft (2011) war es letzten Freitag Zeit für die Ansage “Bitte nicht wieder wählen!” das “EM-Fan-Paket”:

Das ist die perfekte Vorbereitung auf den EM-Start! Im Paket stecken 6 Flaschen Grafenwalder Pils, 1 Paket mit 4 Gebirgsjäger-Rostbratwürsten und eine Deutschland-Autofahne. Einfach den Coupon in der Zeitung ausschneiden, in einer der mehr als 3100 Lidl-Filialen in Deutschland das Paket für 1,99 Euro holen und den Coupon an der Kasse abgeben.

Das mit den Stückzahlen hätte man Joelle (20) vielleicht noch mal genauer erklären sollen, die sich 12 Bier, 16 Würstchen und eine Fahne “geschnappt” hat:

Joelle (20) ist schon voll im EM-Fieber und hat sich gleich ein Fan-Paket geschnappt

Überhaupt hätten wir gedacht, dass sechs Flaschen Bier eigentlich ausreichen sollten, um das mit der Fahne selbständig auf die Reihe zu kriegen, aber so ein Ding fürs Auto kann ja nie schaden — falls man mal überraschend den Bundespräsidenten fahren muss, zum Beispiel.

Doch zurück zum “Fan-Paket”: In mittlerweile guter Tradition hat “Bild” nur den Coupon selbst mit dem Wort “Anzeige” versehen (das allerdings wieder doppelt).

Die Berichterstattung im Vorfeld muss demnach ebenso traditionell wohl als redaktioneller Inhalt angesehen werden:

Mittwoch, 6. Juni, Seite 1:

Freitag gibt

Donnerstag, 7. Juni, Seite 1:

Morgen Fan-Paket von Lidl & BILD holen!

Freitag, 8. Juni, Seite 1:

EM-Paket von BILD & Lidl: 6 Bier, 4 Würstchen, 1 Flagge für 1,99 Euro

Seite 8:

6 Bier, 4 Würstchen, 1 Flagge für 1,99 Euro: Holen Sie sich das EM-Fan-Paket!

Falls Sie sich wegen des Schleichwerbeverdachts beim Deutschen Presserat beschweren wollen: Sparen Sie sich die Mühe!

Zwar hatte der Presserat den “WM-Knaller” aus dem Jahr 2006 noch mit einem “Hinweis” beanstandet (mit einjähriger Verspätung), weil das Wort “Anzeige” fehlte, im vergangenen Jahr wies er eine Beschwerde über den Prosecco-Coupon zur Frauen-Fußball-WM aber schon frühzeitig zurück:

Im Rahmen der Prüfung gelangten wir zu dem Schluss, dass der Beitrag eine zulässige Veröffentlichung über eine gemeinsame Marketing-Aktion von BILD und LIDL darstellt. Der Leser kann sofort erkennen, das BILD hier mit dem Discounter zusammenarbeitet und im Rahmen einer Kooperation den Lesern ein spezielles Angebot offeriert. Solche Marketing- Aktionen können vorgestellt werden, wenn dabei die Regelungen der Ziffer 7 Pressekodex beachtet werden. Hier heißt es im letzten Satz: “Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein.” Dieses Eigeninteresse wird nach unserer Auffassung auf den ersten Blick deutlich, so dass keine Verwechslungsgefahr mit einem redaktionellen Beitrag besteht. Der Leser kann die Veröffentlichung als Beitrag über eine Marketing-Aktion erkennen. Ihm ist daher klar, dass es sich nicht um eine unabhängige redaktionelle Veröffentlichung handelt.

Na dann: Prost!

Thüringer Allgemeine, Roma, ZDF-Strand

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Roma, aber glücklich”
(taz.de, Paul Hockenos)
Paul Hockenos findet es “höllisch schwierig”, über Sinti und Roma zu schreiben, ohne in Klischees abzugleiten. “Wer allerdings über die Not hinausschaut, findet viele integrierte Roma aus der Unter- und Mittelschicht, die es aus dem Getto herausgeschafft haben. Wer schreibt über sie? Niemand. Es wäre schließlich nicht fesselnd genug. Das ist nicht alles: Es gibt eine nicht unerhebliche Anzahl von Slowaken, Rumänen, Ungarn und anderen, die genauso arm sind.”

2. “Brief der Redaktion der Thüringer Allgemeinen an ihren Chefredakteur Paul-Josef Raue”
(thueringerblogzentrale.de)
Die Redakteure der “Thüringer Allgemeinen” fordert von ihrem Chefredakteur Paul-Josef Raue unter anderem die “Wiedereinführung einer täglichen Redaktionskonferenz”. “Redaktionskonferenzen, wie sie in allen relevanten Zeitungen zur bewährten Praxis gehören, wurden formlos abgeschafft. Redaktionelle Belange werden allenfalls im kleinsten Kreis Ihres Stellvertreters und der beiden Desk-Chefs besprochen. In den Telefonrunden des Regional-Tisches mit den Lokalredaktionen wird diktiert statt kommuniziert.”

3. “Am ZDF-Strand”
(fr-online.de, Christoph Albrecht-Heider)
“Wie im Fernsehgarten, aber nicht wie bei einer Fußball-EM” fühlt sich Christoph Albrecht-Heider angesichts des von Katrin Müller-Hohenstein und Oliver Kahn gestalteten Rahmenprogramms auf Usedom. “Wer sich für Sport interessiert, sieht mit dem Ersten besser.” Siehe dazu auch “Twitter-Gemeinde sehnt sich bei der EM 2012 nach Kerner und Co beim ZDF” (derwesten.de, Sebastian Weßling), “ZDF: Massive Ton-Probleme beim EM-Einstand” (dwdl.de, Alexander Krei) und “Kein guter Tag für den ZDF-Kommentator Thomas Wark” (mediensalat.info, Ralf Marder)

4. “Drei gute Gründe gegen Leserreporter”
(bernetblog.ch, Kathrin Herrmann)
“1. Realität wird zur Unterhaltung, 2. Denn sie wissen nicht, was sie tun, 3. Schneller, höher, weiter: Leserreporter sind Teil der wachsenden Beschleunigung im Journalismus.”

5. “Warum ich meine Statistiktools ab sofort deaktiviert habe”
(schmalenstroer.net)
“Ich habe mich dazu entschlossen, hier die Statistikfunktionen abzuschalten und ab sofort auch nicht auf die Followerzahlen und die Facebook-Likes auf meinen Seiten zu achten. Ich bin gespannt, wie dies mein Blog verändern wird.”

6. “Fußballspiele live selbst kommentieren – oder anderen dabei zuhören”
(marcel-ist-reif.de)

Bild  

Sie haben Post: “Bild für alle” kommt

Am 23. Juni sollen ca. 41 Millionen kostenlose “Bild”-Sonderausgaben ausgeliefert werden. So hatte es der Axel-Springer-Verlag mal geplant, dann sah es lange so aus, als ob das Projekt scheitern könnte. Doch jetzt gibt es deutliche Hinweise, dass tatsächlich (fast) jeder Haushalt in Deutschland ein Exemplar bekommen soll.

Im Januar war bekannt geworden, dass die Axel Springer AG offenbar eine große Sonderveröffentlichung zum 60. Geburtstag der “Bild”-Zeitung plant: Auf der Unternehmenswebsite war eine Liste mit Anzeigenpreisen für die “größte Auflage aller Zeiten” aufgetaucht, Mediendienste berichteten interessiert darüber.

In der Produktvorstellung schrieb die Axel Springer AG:

Am 24. Juni 2012 feiert BILD Geburtstag – feiern Sie mit! Zu diesem Anlass erhalten alle Haushalte in Deutschland am Samstag, den 23. Juni 2012 einmalig eine kostenlose Sonderausgabe der BILD geschenkt!

Diese einmalige Aktion geht mit der größten BILD-Auflage und Reichweite aller Zeiten einher!

BILD für ALLE wird inhaltlich einen Editionscharakter erhalten und einen Bogen von der Vergangenheit in die Zukunft spannen.

Werden Sie ein Teil der größten Vertriebsaktion in der Geschichte von BILD – und sichern Sie sich eine Werbefläche in dieser Ausgabe!

Im Internet wurde schnell Widerstand gegen diese Aktion laut — viele Menschen wollten “Bild” noch nicht einmal geschenkt haben.

Bei einer Kooperation der Initiative “Alle gegen Bild” mit der Graswurzelorganisation Campact kamen seit Mitte April bisher knapp 230.000 Widersprüche gegen die Belieferung mit der kostenlosen “Bild”-Sonderausgabe zusammen. Bei einer Protestaktion vor der Berliner Konzernzentrale versuchte sich “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann mal wieder am Konzept “Selbstironie”, als er belegte Brötchen an die Demonstranten verteilte.

Positive Nachrichten über sein geplantes Großprojekt gab es auch keine zu vermelden. Die Branchenzeitschrift “Kontakter” hatte schon Anfang April berichtet, dass das ganze Projekt “auf der Kippe” zu stehen schien:

Offenbar bekommt das Mammutprojekt im Anzeigenmarkt weniger Zuspruch als erwartet. Zudem ist immer noch nicht klar, mit welchem Vertriebspartner die Haushalte beliefert werden sollen.

Die Axel Springer AG hat sich zu der geplanten Aktion bisher eher bedeckt gehalten: Im Januar erklärte Sprecher Tobias Fröhlich nur, das Projekt befinde sich “momentan in der Planungsphase”, im April versicherte er auf Nachfrage des Studentenmagazins “Pflichtlektüre”, dass alle Widersprüche beachtet würden, wenn es eine entsprechende Verteilaktion gebe, und der WDR berichtete Ende April:

Dabei ist offenbar noch gar nicht sicher, dass es die Gratis-Bild überhaupt in der geplanten Form geben wird. Das PDF-Dokument, in dem der Verlag bei potentiellen Anzeigenkunden für das Projekt geworben hatte, hat der Verlag im Januar wieder aus dem Netz genommen. Nun teilt das Unternehmen mit: “Es ist richtig, dass Bild über solch eine Geburtstagsaktion nachdenkt und derzeit Gespräche mit potentiellen Anzeigenkunden führt.” Eine endgültige Entscheidung sei aber noch nicht gefallen, so Unternehmenssprecher Fröhlich weiter.

Das klang nicht so richtig optimistisch. Die Preisliste, durch die die Planungen öffentlich geworden waren, war übrigens schon recht früh wieder von der Springer-Seite verschwunden.

Doch jetzt scheint es so, als werde die Aktion doch durchgeführt: Die Deutsche Post AG bereitet sich offenbar intensiv auf die Verteilung von mehr als 40 Millionen Gratis-“Bild”-Ausgaben vor und hat nach unseren Informationen damit begonnen, ihre Mitarbeiter zu unterrichten.

In einem internen Schreiben, das uns vorliegt, heißt es:

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

heute wurden Sie mit entsprechender Anweisungen über die Jubiläumsaktion “Bild für alle” des Axel Springer Verlags (ASV) informiert.

Im Rahmen dieser Aktion sollen am Samstag, 23. Juni 2012 bundesweit an sämtliche Haushalte in Deutschland und 41 Mio. unadressierte Exemplare der Bild-Zeitung zugestellt werden (~ 107 gr.).

Da es sich um ein Presseerzeugnis handelt, sollen die Sendungen auch an Werbeverweigerer (Hinweis “Bitte keine Werbung”) zugestellt werden. Empfänger mit dem Hinweis “Keine kostenlosen Anzeigenblätter” o.ä. dürfen keine Jubiläumsausgabe der Bild erhalten.

Zusätzlich hat ASV kommuniziert, dass alle schriftlichen Widersprüche, die rechtzeitig an ASV gerichtet werden, auch ohne Hinweis am Briefkasten beachtet werden.

Alle Widersprecher erhalten am Aktionstag eine adressierte, großformatige Infopostsendung in einem auffälligen roten Umschlag. An Empfänger, die diese Sendung erhalten, darf in keinem Fall die Jubiläumsausgabe vom ASV zugestellt werden.

Wir bitten Sie, alle Qualitätsmanager und Zusteller umfassend über diese Aktion zu informieren und hinsichtlich der Bedeutung der korrekten Zustellung der Sendungen sowie der Beachtung der Verweigerer und Widersprecher zu sensibilisieren. Zeitnah erhalten Sie den Originalumschlag, sowie eine möglichst ähnliche Kopie der Jubiläumsausgabe (finaler originaler Titel wird uns voraussichtlich nicht gegeben), damit kurz vor der Aktion unsere Infowurf-Tafeln entsprechend bestückt werden können.

Wir haben auf verschiedenen Wegen versucht, von der Pressestelle der deutschen Post eine offizielle Bestätigung zu bekommen — bisher erfolglos.

Auch hätten wir gerne erfahren, was es genau mit dem auffälligen roten Umschlag auf sich hat. Bis zum 23. Juni müssen wir uns aber offenbar mit dieser schematischen Darstellung in Graustufen begnügen:

Wer keine “Bild”-Sonderausgabe in seinem Briefkasten haben will, kann nach wie vor Widerspruch einlegen.

Hinweis/Korrektur, 12. Juni: In der ursprünglichen Fassung dieses Artikels hatten wir geschrieben, bei “Alle gegen Bild” und Campact hätten insgesamt rund 350.000 Menschen Widerspruch eingelegt. Diese Zahl ist falsch und basiert auf einem Rechenfehler. Tatsächlich sind es dort bisher knapp 230.000 Widersprüche.

Bild.de im Rinderwahn

Wortspiele haben bei Bild.de eine ganz eigene Tradition.

Umso mehr muss sich die Redaktion gefreut haben, als heute Morgen die Meldung über die Ticker lief, dass eine Kuhherde in der Nähe von Chemnitz ausgebüxt war und einen Polizeiwagen überrannt hatte.

Auf diese Gelegenheit hatten die Autoren von Bild.de bestimmt schon sehr lange gewartet. Denn endlich war die Zeit für diese Überschrift gekommen:

Bullen trampeln Polizeiauto kaputt

Im Text heißt es:

30 Bullen und Kühe durchbrachen Freitagnachmittag ihren Weidezaun. (…) Die örtliche Polizei schickte mehrere Wagen, um die Bullen und Kühe von den Schienen fernzuhalten, forderte auch Unterstützung der Autobahnpolizei an. (…) Als die acht Bullen und Kühe vor dem Streifenwagen standen, gerieten sie in Panik…

Blöd ist nur: In der Herde waren gar keine Bullen. Sowohl in der dpa-Meldung als auch in der Pressemitteilung der Polizei ist lediglich von “Kühen” die Rede.

Auf Nachfrage hat uns die Pressestelle der zuständigen Polizeidirektion bestätigt, dass die Herde ausschließlich aus “einjährigen Kühen”* bestand.

Obwohl sie sich ihre Wortspiele bei “Bild” sonst nicht von der Realität kaputtmachen lassen, hat Bild.de heute im Laufe des Nachmittags die Überschrift des Artikels geändert:

Kühe trampeln Polizeiauto kaputt

Im Text und im Seitentitel sind die hinzugedichteten Bullen aber nach wie vor unterwegs.

Mit Dank an Sascha M.

* Nachtrag/Hinweis, 12. Juni: Mehrere Leser haben uns darauf hingewiesen, dass der Begriff “Kuh” streng genommen auch falsch ist. Denn ein weibliches Rind wird erst dann als Kuh bezeichnet, wenn es ein Kalb zur Welt gebracht hat. Hierzulande kalben weibliche Rinder aber in der Regel erst mit zwei Jahren.

Computer Bild, Closer, Le Nouvel Observateur

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “nackt mit Bier in der Ubahn – eine Entschuldigung”
(schteif.blogspot.de, SchtieF)
SchtieF entschuldigt sich, ein Foto eines nackt U-Bahn fahrenden Mannes geteilt zu haben.

2. “ComputerBild, die Fotomontage und das Urheberrecht”
(presseschauder.de, Christoph Keese)
Christoph Keese, Konzerngeschäftsführer Public Affairs bei Axel Springer, versucht zu erklären, warum “Computer Bild” schrankenloses Kopieren propagiert. “Wegen der geschilderten Regeln zum Binnenpluralismus sage ich hier nur ganz allgemein, dass ich die Berichterstattung von ComputerBild mit Blick auf das Urheberrecht auch nicht immer optimal fand.” Siehe dazu auch “Huch. Ein Mem erschaffen?” (plus.google.com, Hanno Zulla).

3. “‘Closer ist das aggressivste Printobjekt'”
(meedia.de, ga.)
Für Medienanwalt Christian Schertz begeht das Magazin “Closer” mit seiner Berichterstattung einen “kalkulierten Rechtsbruch”. “Closer verletzt nahezu wöchentlich Persönlichkeitsrechte meiner Mandanten.”

4. “20minuten-Meldung zu YB-Fan ‘von A-Z falsch'”
(knappdaneben.net, Manuela Schiller)
Eine Rechtsanwältin wendet sich gegen eine Meldung aus der Printausgabe von “20 Minuten” über die Gerichtsverhandlung ihres Mandanten.

5. “Abschreckende Berichterstattung?”
(blog.tagesschau.de, Daniel Asche)
Daniel Asche kommt in Lemberg mit Fußballfans in Kontakt, die eine abschreckende Berichterstattung in Deutschland über die Ukraine konstatieren. “Wenn ich alles geglaubt hätte, was da zu lesen war über die Ukraine, hätte ich fast um mein Leben fürchten müssen. Dabei ist alles ganz anders. Die Menschen sind so wahnsinnig freundlich hier.”

6. “‘L’Obs’ censuré à Marseille!”
(tempsreel.nouvelobs.com, Lisa Vaturi, französisch)
Die Wochenzeitung “Le Nouvel Observateur” erscheint mit einem Titelbild, auf dem die Politikerin Marie-Arlette Carlotti zu sehen ist und verschwindet aufgrund einer dringlichen Verordnung der Behörden (“arrêté municipal pris en urgence”) von Kiosken in Marseille. Siehe dazu auch “A Marseille, la liberté de la presse muselée” (macarlotti.com, Marie-Arlette Carlotti, französisch).

Eine Schlagzeile wie aus dem Lehrbuch

Die “Bild”-Zeitung gibt ungern Einblicke in ihre Arbeit. “Wir kommentieren grundsätzlich nicht unsere Berichterstattung und äußern uns auch nicht zu Redaktionsinterna”, bekam der NDR erst kürzlich wieder als Nicht-Antwort auf eine Anfrage. Vermutlich hat sie guten Grund, sich nicht in die Karten schauen zu lassen.

Andere Stellen im Verlag sind nicht so vorsichtig. Am Donnerstag vergangener Woche gratulierte die hauseigene Journalistenschule, die Axel-Springer-Akademie, auf ihrer Facebook-Seite einem ihrer Schüler zu einem besonderen Erfolg: seiner ersten “Bild”-Schlagzeile:

Es geht um einen Radio-Moderator, der zwei Tage zuvor unter dem Verdacht, eine Minderjährige sexuell missbraucht zu haben, festgenommen worden war.

Nun könnte man durchaus fragen, ob eine solche Schlagzeile wirklich Anlass für eine Gratulation ist. Das “auch” in der Überschrift kommt im Grunde einer Vorverurteilung gleich — als sei die Schuldfrage bei dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs schon geklärt. Streiten kann man auch, ob die identifizierbare Berichterstattung mit einem Foto des Verdächtigen auf der Titelseite zulässig ist. Aber vermutlich muss eine Schule, in der auch der Nachwuchs für “Bild” ausgebildet wird, ihre Schüler für solche Fragen nicht sensibilisieren, sondern desensibilisieren.

Doch die Aufmacher-Geschichte ist noch aus anderen Gründen problematisch. Die Projektwoche “Exklusivgeschichten”, in der der Springer-Journalistenschüler sie recherchiert haben soll, fand nämlich, wie die Akademie uns bestätigt, schon im März statt. Hat “Bild” das, was sie nun als “neue Vorwürfe” verkauft, über zwei Monate lang liegen lassen?

Auf Nachfrage von BILDblog erklärt Akademie-Leiter Marc Thomas Spahl:

Damals recherchierte der junge Kollege in der Sache, hat viele Hinweise aber keine offizielle Bestätigung bekommen, deshalb den Fall aus journalistischer Sorgfaltspflicht nicht veröffentlicht. Inzwischen gibt es nicht nur die Bestätigung der Staatsanwaltschaft, sondern auch eine Zeugenaussage, die Selbstanzeige eines Komplizen.

Oberstaatsanwalt Andreas Gärtner sagt uns hingegen, dass “Bild” lediglich die Auskunft bekommen habe:

dass der im Raum stehende Vorwurf der Staatsanwaltschaft zwar bekannt sei, die von dem Hinweisgeber herrührende Information allerdings bislang nicht mit nachprüfbaren Tatsachen zu den näheren Modalitäten und den möglichen Beteiligten an dem vermeintlichen Betrug unterlegt worden sei, was der
Einleitung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehe. Aus diesem Grund sei hier zunächst ein “Prüfvorgang” angelegt worden.

Das klingt deutlich weniger handfest, als es Spahl suggeriert. Und es widerspricht der Darstellung der “Bild”-Zeitung, die auf der Titelseite behauptet:

Nach der Verhaftung von […] wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch von Kindern, erhebt die Staatsanwaltschaft neue Vorwürfe.

Nein. Sie bestätigt bloß, dass es (alte) Vorwürfe gibt, die ihr aber noch nicht handfest genug erscheinen, um ein förmliches Ermittlungsverfahren einzuleiten.

Fraglich ist auch, was die Vorwürfe des Betruges mit den Ermittlungen wegen des sexuellen Missbrauchs überhaupt miteinander zu tun haben. Marc Thomas Spahl antwortet auf diese Frage:

Den Zusammenhang stellen die übergreifenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dar.

Doch solche “übergreifenden” Ermittlungen gibt es nicht. Oberstaatswanwalt Gärtner erklärt uns:

Ein Zusammenhang [mit dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Kindern] besteht nicht. Vielmehr werden beide Komplexe hier in unterschiedlichen Abteilungen durch unterschiedliche Dezernenten geprüft bzw. bearbeitet.

Das sind also die Geschichten, zu denen die Axel Springer Akademie, die “modernste Journalistenschule Deutschlands”, ihren Schülern gratuliert. “Glückwunsch!”

Mit Dank an Klaus D.!

FAS, Spiegel, Kicker

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Wer kuscht hier?”
(gachmuretsnotiz.blog.de)
Buchhändler Gachmuret ärgert sich über die “Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung”, die am 3. Juni auf ihrer Titelseite unter der Überschrift “Buchhandel kuscht vor WWF” behauptete, es sei ein “kritisches Buch vom Markt verschwunden”. “Seit wann, liebe Frankfurter Allgemeine, seit wann sind ein Filialist, ein Großhändler und ein Allesverkäufer ‘der Buchhandel’? Es gab sicher einige Konzentrationsprozesse in den letzten jahren, aber noch immer besteht ‘der Buchhandel’ aus tausenden Betrieben, noch immer kommen selbst die zehn größten Filialisten zusammen auf gerade einmal 38% Marktanteil”.

2. “SPIEGEL vs. ALDI: Eine billige Polemik (1)”
(wortvogel.de, Torsten Dewi)
Torsten Dewi unterzieht die “Spiegel”-Titelgeschichte vom 30. April über den Lebensmittelhändler Aldi einer eingehenden Analyse: “All das, was der SPIEGEL als Beweise für die Skrupellosigkeit und Paranoia von ALDI ausbuddelt, könnte praktisch unverändert unter der Headline ‘Ein vorbildlicher Betrieb’ stehen. Was bei anderen lobenswert ist (klare Regeln, Energie sparen, freundlicher Umgang), ist bei ALDI eeeeevil.”

3. “Der Kicker ‘interviewt’ Sky”
(sportsaal.de)
Der Sportsaal liest ein “Kicker”-Gespräch mit Marcello Maggioni von Sky Deutschland: “Eine Werbebroschüre von Sky, unterbrochen von ziemlich unkritischen Fragen von Rainer Franzke, Mitglied der Chefredaktion und Leiter der Redaktion Südwest.”

4. “Im Begriffsbrei des Gängigen”
(stern.de, Bernd Gäbler)
Eine Zwischenbilanz der fünf ARD-Talkshows von Bernd Gäbler: “Alle Talkshows möchten stets die gleiche populäre Sau durchs Dorf jagen. Es sind einfach zu viele. Sie sind zu belanglos.”

5. “Eine kleine Fernsehkritik-Kritik”
(rueckseite-magazin.de, Lars Reusch)
Lars Reusch fragt sich, wie es Online-Portale mit sich vereinbaren können, Talkshows immer wieder als völlig belanglos einzustufen, einzelne Ausgaben jedoch ausgiebig zu besprechen. “Talkshows wollen kein unentschiedenes Publikum informieren, sondern schon in Lagern steckende Zuschauer mit den nach Lager sortierten Gästen mitfühlen und -zanken lassen. Und die Rezensionen machen exakt das Gleiche.”

6. “Das ‘geheime’ Blog des Wolfram Siebeck”
(fastvoice.net, Wolfgang Messer)

Presserat billigt Titelseite mit toten Kindern

Der Deutsche Presserat hat die nebenstehende “Bild”-Titelseite nicht beanstandet.

Am 16. März zeigte die “Bild”-Zeitung die Portraits von 15 Kindern, die bei einem Busunglück in der Schweiz ums Leben gekommen waren. Die Bilder waren in einem Gedenkraum im Rathaus von Lommel, der belgischen Heimatstadt der Kinder, abfotografiert worden.

In der ARD sagte “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann hinterher, man habe vom Bürgermeister die Genehmigung zu dieser Art der Veröffentlichung bekommen. Der Bürgermeister dementierte. Seine Sprecherin sagte ebenfalls in der ARD, er habe die Medien von Anfang an aufgefordert, keine Fotos zu zeigen. Die Eltern der Kinder hätten ausdrücklich darum gebeten, ihre Privatsphäre zu respektieren.

Wer hat Recht? Der Beschwerdeausschuss des Presserates urteilte: “Bild”. Und wies mehrere Beschwerden als unbegründet zurück:

Die Zeitung hatte die Bilder mit Genehmigung der Stadtverwaltung in dem Gedenkraum aufgenommen. Sie konnte in gutem Glauben davon ausgehen, dass eine Einwilligung der betroffenen Eltern vorlag.

Auf Nachfrage von uns erklärt eine Sprecherin des Presserates, wie das Gremium zu diesem Urteil kam:

Wir haben uns im Zuge der Beschwerde mit dem belgischen Presserat (Raad vor de Journalistiek) in Brüssel in Verbindung gesetzt und von dort erfahren, dass nach deren Erkenntnis es von Seiten der Stadtverwaltung den Journalisten tatsächlich genehmigt worden war, in dem Gedenkraum zu fotografieren.

Dort gab es nach Veröffentlichung ebenfalls große Diskussionen wegen der Opferfotos. Inwieweit Vertreter der Stadt die Genehmigung im Namen der Eltern geben konnten, wird beim Presserat in Belgien zurzeit stark diskutiert.

Die “Bild”-Zeitung hat in ihrer Stellungnahme dem Presserat gegenüber überzeugend dargelegt, dass sie nach einer Pressekonferenz in Lommeln mindestens zwei Personen der Stadt gefragt hat, ob sie in dem Gedenkraum fotografieren dürfe. Diese hätten den Fotografen genehmigt, Aufnahmen zu machen.

Vor diesem Hintergrund hat der Presserat die Veröffentlichung akzeptiert.

Beanstandet wurde vom Presserat dagegen die Art des “Berliner Kurier”, über das Unglück zu berichten. Das Blatt hatte u.a. auf dem Titel Gruppenbilder der Kinder gezeigt; die Gesichter, die nicht von Sonnenbrillen verdeckt wurden, hatte der “Kurier” verpixelt. Der Presserat urteilte:

Die Bilder stammten aus dem privaten Bereich und standen nicht mit der Gedenkfeier in Zusammenhang. Eine Einwilligung der Eltern für eine Veröffentlichung lag offensichtlich nicht vor. In der Berichterstattung zitierte die Redaktion zudem aus dem Reisetagebuch, das die Schüler ins Internet eingestellt hatten. Darin hinterließen sie persönliche Gefühle und Nachrichten an ihre Eltern. Der Ausschuss sah in der Verbindung von Text und Fotos einen schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre von Kindern und Angehörigen und sprach eine Missbilligung aus.

Die “Maßnahmen” des Presserates:

Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:

  • einen Hinweis
  • eine Missbilligung
  • eine Rüge.

Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.

Warum ein “schwerwiegender Eingriff in die Privatsphäre” von tödlich verunglückten Kindern und ihren Angehörigen nur zu einer “Missbilligung” führt und nicht zur schärfsten stumpfen Waffe des Presserates, einer “Rüge”, ist eines der nach wie vor ungelösten und mutmaßlich unlösbaren Rätsel dieses Selbstkontroll-Gremiums.

Medizinjournalismus mit Chefarztbehandlung

Es ist eine zutiefst positive Geschichte, die die “Rhein-Zeitung” ihren Lesern am Mittwoch vergangener Woche erzählte. Das Blatt berichtet im Lokalteil von einem Medikament namens Carfilzomib, das gegen eine spezielle Art von Knochenmarkkrebs helfen soll. Es ist noch nicht zugelassen, hat aber bei einem Betroffenen aus dem Verbreitungsgebiet der Zeitung, der an einem Test mit dem Mittel teilnehmen konnte, schon phänomenale Wirkung gezeigt. Er hatte sich mit seinen Beschwerden an das Stiftungsklinikum Mittelrhein gewandt, was sich laut “Rhein-Zeitung” als Glücksfall herausstellte.

Ein kleines Detail, das den Lesern bei der Einordnung dieser Bewertung und des ganzen Berichtes helfen könnte, lässt die “Rhein-Zeitung” unerwähnt: Der Artikel stammt vom Stiftungsklinikum Mittelrhein selbst. Es hat ihn als Pressemitteilung herausgegeben, samt eines Fotos (das die “Rhein-Zeitung” übernommen hat), das den Bildtext trägt: “Werner Gibbert (links) ist glücklich und dankbar, dass er durch Prof. Naumann an einer klinischen Studie teilnehmen konnte.” Die “Rhein-Zeitung” hat diese Pressemitteilung nur leicht gekürzt und sehr sachte redigiert:

Pressemitteilung Stiftungsklinikum Artikel “Rhein-Zeitung”
Klinische Studien geben neue Hoffnung Klinische Studien geben Patienten neue Hoffnung
Werner Gibberts Vater ist 1987, ein halbes Jahr nach der Diagnose “Multiples Myelom”, gestorben. 2007 hat ihn diese Form des Knochenmarkkrebses selber getroffen. “Das hat mich natürlich umgehauen”, erinnert sich der heute 61-jährige aus Wolken. “Aber die Medizin hat in letzten 20 Jahren, besonders bei der Behandlung dieser Erkrankung, große Fortschritte gemacht, da habe ich meine ganze Hoffnung hineingesetzt.” Koblenz/Wolken. Als Werner Gibberts Vater im Jahr 1987 die Diagnose “Multiples Myelom” erhielt, hatte er noch ein halbes Jahr zu leben. 20 Jahre später, im Jahr 2007, traf es dann Werner Gibbert selbst: Auch er leidet unter dieser Form des Knochenmarkkrebses. “Das hat mich natürlich umgehauen”, erinnert sich der heute 61-Jährige aus Wolken an die Zeit. Aber die Medizin hat in vergangenen 20 Jahren — besonders bei der Behandlung dieser Erkrankung — große Fortschritte gemacht”, sagt er, “da habe ich meine ganze Hoffnung hineingesetzt”. Diese Hoffnungen wurden erfüllt — Werner Gibbert wird im Stift behandelt und nimmt an einer klinischen Studie teil.
Im November 2007 unterzog er sich erstmals einer hoch dosierten Chemotherapie in der Universitätsklinik Köln. Die Blut und Knochenmarkwerte hatten sich durch diese Behandlung wieder normalisiert. „Ich wusste allerdings, dass in einigen Jahren wieder eine weitere Therapie erforderlich werden wird, denn eine 100prozentige Heilung ist bei dieser Krankheit für die Mehrzahl der Betroffenen noch nicht möglich.“ Im November 2007 unterzog er sich erstmals einer hoch dosierten Chemotherapie in der Universitätsklinik Köln. Die Blut- und Knochenmarkwerte hatten sich dadurch wieder normalisiert. “Ich wusste allerdings, dass in einigen Jahren wieder eine weitere Therapie erforderlich werden wird, denn eine 100-prozentige Heilung ist bei dieser Krankheit für die Mehrzahl der Betroffenen noch nicht möglich.”
In Köln kam Werner Gibbert erstmals mit “Klinischen Studien” in Berührung. Durch sie hatte der Beamte bei der Telekom die Möglichkeit, ein neues noch nicht zugelassenes Medikament zu erhalten, mit dem der jetzt erreichte Zustand möglichst lange erhalten werden sollte. “Ich habe überhaupt nicht daran gedacht, hier ein Versuchskaninchen zu sein! Ich habe das als Chance für mich gesehen und war froh an einer Studie teilzunehmen zu können, denn das gibt es bei weitem nicht überall.” In Köln kam Werner Gibbert erstmals mit klinischen Studien in Berührung. Durch sie hatte er die Möglichkeit, ein neues noch nicht zugelassenes Medikament zu bekommen, mit dem der erreichte Zustand möglichst lange erhalten werden sollte. “Ich habe überhaupt nicht daran gedacht, hier ein Versuchskaninchen zu sein. Ich habe das als Chance für mich gesehen.”
2011 traten bei Werner Gibbert jedoch wieder Beschwerden auf. “Ich habe gemerkt, dass mit mir irgendwas nicht stimmt”. Der Vater von drei Söhnen fuhr zwar immer noch in dreimonatigen Abständen nach Köln zur Kontrolle der Erkrankung, aber diesmal wählte er das Stiftungsklinikum Mittelrhein, um sein Unwohlsein abklären zu lassen. Die Klinik hatte er bei einem Patiententag zum Thema “Multiples Myelom” kennengelernt. Im dortigen Zentrum für Innere Medizin stellte der Klinikdirektor Prof. Dr. Ralph Naumann dann über 50% krebsbefallene Zellen in seinem Knochenmark fest. “Prof. Naumann hatte mir angeboten, an einer klinischen Studie teilzunehmen. Ich habe sofort zugesagt (…)”. 2011 traten bei Werner Gibbert jedoch wieder Beschwerden auf. “Ich habe gemerkt, dass mit mir irgendwas nicht stimmt.” Der Vater von drei Söhnen fuhr zwar immer noch in dreimonatigen Abständen nach Köln zur Kontrolle der Erkrankung, aber diesmal wählte er das Stiftungsklinikum in Koblenz, um sein Unwohlsein abklären zu lassen. Klinikdirektor Prof. Dr. Ralph Naumann stellte dann mehr als 50 Prozent krebsbefallene Zellen in seinem Knochenmark fest. “Prof. Naumann hatte mir angeboten, an einer klinischen Studie teilzunehmen. Ich habe sofort zugesagt.”
Im Herbst 2011 wurde er in eine internationale Studie aufgenommen, an der nur 800 Patienten teilnehmen. In zwei Gruppen eingeteilt erhält die erste Gruppe die “herkömmlichen” Medikamente, während die zweite Gruppe zusätzlich das neue, zu testende Medikament Carfilzomib bekommt, wie Werner Gibbert. (…) Im Herbst 2011 wurde Gibbert in eine internationale Studie aufgenommen, an der nur 800 Patienten teilnehmen. In zwei Gruppen eingeteilt erhält die erste Gruppe die herkömmlichen Medikamente, während die zweite Gruppe zusätzlich das neue, zu testende Medikament Carfilzomib bekommt — Werner Gibbert ist einer von ihnen.
(…) Und ideal war auch das Ergebnis. “Das Medikament Carfilzomib hat phänomenal bei Herrn Gibbert angeschlagen”, bestätigt Prof. Naumann hocherfreut. “Schon nach dem ersten Therapiezyklus ist ein Großteil der Krebszellen im Knochenmark verschwunden. Die vorher katastrophalen Blutwerte lagen bereits wieder im Normalbereich.” Werner Gibbert lächelt: “Mir geht es wieder richtig gut. Insgesamt dauert die Studie 18 Monate. Nach sechs Behandlungszyklen haben sich alle Parameter im Normalbereich stabilisiert, die Erkrankung ist damit praktisch nicht mehr nachweisbar. Am liebsten würde ich die Behandlung nun beenden und in Urlaub fahren, aber natürlich ziehen wir das bis zum Ende durch.” Der Erfolg kam bald: “Das Medikament Carfilzomib hat phänomenal bei Herrn Gibbert angeschlagen”, bestätigt Ralph Naumann. “Schon nach dem ersten Therapiezyklus ist ein Großteil der Krebszellen im Knochenmark verschwunden. Die vorher katastrophalen Blutwerte lagen bereits wieder im Normalbereich.” Werner Gibbert lächelt: “Mir geht es wieder richtig gut. Am liebsten würde ich die Behandlung nun beenden und in Urlaub fahren, aber natürlich ziehen wir das bis zum Ende durch.”
Prof. Naumann erklärt: “Der Vorteil der klinischen Studien liegt darin, dass die Patienten sonst nicht an diese Wirkstoffe kommen.” (…) Rund 11.000 Euro kostet ein Therapiezyklus monatlich. Alle Kosten wie auch die aufwendigen Blutuntersuchungen sowie die Fahrtkosten werden komplett von dem Hersteller des Prüfmedikamentes übernommen. Naumann erklärt: “Der Vorteil der klinischen Studien liegt darin, dass die Patienten sonst nicht an diese Wirkstoffe kommen.” Rund 11 000 Euro kostet ein Therapiezyklus monatlich. Alle Kosten werden vom Hersteller des Prüfmedikamentes übernommen.
Die Anforderungen an Einrichtungen, solche Studien anbieten zu dürfen, sind sehr hoch. Gesetzgeber und Ethikkommissionen kontrollieren streng. Neben Prof. Dr. Naumann verfügen die Ärzte der Praxisklinik für Hämatologie und Onkologie Koblenz (Prof. Dr. Köppler und Partner) über eine langjährige Erfahrung als Prüfärzte sowie als Leiter klinischer Prüfungen in Studien zur internistischen Onkologie und Hämatologie. “Im Rahmen der intensiven Zusammenarbeit von Stiftungsklinikum und Praxisklinik haben wir die Durchführung von klinischen Studien in beiden Einrichtungen aufeinander abgestimmt, um so mehr klinische Studien für unsere Patienten anbieten zu können”, erklärt Dr. Thomalla von der Praxisklinik. Demnächst startet die Folgestudie mit Carfilzomib, an der Patienten aus beiden Einrichtungen teilnehmen können. Die Anforderungen an die Einrichtungen, die solche Studien anbieten, sind hoch. Neben Naumann verfügen die Ärzte der Praxisklinik für Hämatologie und Onkologie Koblenz (Prof. Dr. Hubert Köppler und Partner) über eine langjährige Erfahrung als Prüfärzte sowie als Leiter klinischer Prüfungen in Studien zur internistischen Onkologie und Hämatologie. “Im Rahmen der intensiven Zusammenarbeit von Stift und Praxisklinik haben wir die Durchführung von klinischen Studien in beiden Einrichtungen aufeinander abgestimmt, um so mehr klinische Studien für unsere Patienten anbieten zu können”, erklärt Dr. Jörg Thomalla von der Praxisklinik. Demnächst startet die Folgestudie mit Carfilzomib, an der Patienten aus beiden Einrichtungen teilnehmen können.
Weitere Informationen unter www.stiftungsklinikum.de oder www.onkologie-koblenz.de. Weitere Informationen unter www.stiftungsklinikum.de oder www.onkologie-koblenz.de

Die Klinik hatte ihrer Pressemitteilung übrigens den Satz hinzugefügt:

Werner Gibbert ist im Vorstand der Selbsthilfegruppe Multiples Myelom, Mayen Koblenz engagiert und steht unter der Telefonnummer … gerne für ein Gespräch zur Verfügung.

Vermutlich war das die Einladung an Journalisten, sich ein eigenes Bild zu machen. Aber warum sollte die “Rhein-Zeitung” mühevoll journalistisch arbeiten, wenn die PR frei Haus kommt?

Das Projekt “Medien-Doktor”, das sich kritisch mit Medizinjournalismus auseinandersetzt, hat diese Form der Schleichwerbung entdeckt und weiß auch, dass das bei der “Rhein-Zeitung” kein einmaliges Versehen ist: Bereits im April* veröffentlichte das Blatt im Lokalteil einen scheinbar redaktionellen Artikel, der fast wörtlich der Pressemitteilung eines Klinikums entsprach.

*) Nachtrag/Korrektur, 8. Juni. Der im letzten Absatz erwähnte frühere Fall stammt aus dem April 2011, nicht dieses Jahres.

Nachtrag, 14. Juni. Der Chefredakteur der “Rhein-Zeitung”, Christian Lindner, schreibt auf Twitter, es dürfe “nicht vorkommen”, dass “nicht transparent gemacht wurde, dass ein RZ-Text über eine Klinik eine Pressemitteilung der Klinik war”.

Nachtrag, 13. Oktober. Der Presserat hat — aufgrund einer Beschwerde von BILDblog — wegen dieser Berichterstattung eine “Missbilligung” ausgesprochen. Der Artikel verstoße gegen die Richtlinie 1.3 des Pressekodex, wonach Pressemitteilungen als solche gekennzeichnet werden müssen. Die Chefredaktion der “Rhein-Zeitung” hatte es in ihrer Stellungnahme gegenüber dem Gremium bedauert, dass die journalistische Distanz nicht gewahrt wurde. Sie habe die Kritik zum Anlass genommen, die Redakteure schriftlich auf das Einhalten der journalistischen Grundsätze hinzuweisen.

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