1. “Frei erfunden”? Jörg Kachelmann streitet mit dem rbb übers Wetter (uebermedien.de, Constantin Pläcking)
Wenn im Wetterbericht von “aktuellen Temperaturen” die Rede ist, gehen viele davon aus, es handele sich um tatsächlich erhobene, also gemessene Daten. Oftmals basieren die Werte jedoch nicht auf Messstationen, sondern werden rechnerisch per Interpolation erhoben. Über die Seriosität dieser Methode ist zwischen Meteorologe Jörg Kachelmann und dem rbb ein heftiger Streit entbrannt. Constantin Pläcking von der Initiative für glaubwürdiges Radio “Fairradio” sortiert auf “Übermedien” Positionen und Argumente.
2. Warum wir vom “sogenannten Wirtschaftsnobelpreis” sprechen (deutschlandfunk.de, Tanja Köhler)
Dieser Tage wurde in den Medien viel über die Verleihung des “Wirtschaftsnobelpreises” berichtet. Das Problem: Einen “Wirtschaftsnobelpreis” gibt es nicht. Es handelt sich vielmehr um einen Preis, der parallel zu den Nobelpreisen verliehen wird. Anlass für den Deutschlandfunk, einige grundsätzliche Überlegungen zur Nachrichtensprache anzustellen. Und im konkreten Fall? Da spricht man lieber vom “sogenannten Wirtschaftsnobelpreis”.
3. Airbus’ Lobby-Chef bedroht Aktivisten (taz.de, Malte Kreutzfeld)
Auf Twitter kam es zu einem irritierenden Pöbelanfall des PR-Chefs Public-Affairs-Chefs von Flugzeughersteller Airbus: Der Öffentlichkeitsarbeiter Lobbyist bedrohte und beleidigte Aktivistinnen und Aktivisten der Klimaschutzbewegung Extinction Rebellion. Sie mögen sich ihm besser nicht in den Weg stellen. Bei einer Blockade würde er “alles tun, was nötig sei”. In weiteren Tweets verglich er die bislang stets friedlich auftretenden Klimaschützer mit Nazis und antwortete einem Kritiker mit: “Komm her, wenn Du Eier hast”. Nachtrag: Bei der “taz” hieß es zuerst, es handele sich um den PR-Chef von Airbus. Das hatten wir hier so übernommen. Inzwischen hat die Redaktion sich korrigiert: Es handelt sich um den Verantwortlichen für “die sogenannten Public Affairs des Konzerns in Deutschland — das sind die Kontakte zu Regierungen, Parteien und politischen Organisationen, also die Lobby-Aktivitäten des Unternehmens.”
4. Sprachverschmutzung: “Ethnische Säuberung”. (kohlenspott.de, Lothar Lange)
Kohlen(s)pott-Blogger Lothar Lange ist entsetzt, dass in einem Interview bei Tagesschau.de in Zusammenhang mit der Vertreibung der Kurden von einer “ethnischen Säuberung” die Rede ist: “Wie verroht muss man sein, wenn man die gewaltsame Vertreibung von Menschen, die sie in unvorstellbar größte Ängste und Nöte bringt, als “Säuberung” bezeichnet — wie das Entfernen von Schmutz, Dreck oder Müll? Menschendreck also? Wie kann man es zulassen, dass sich ein solch menschenverachtender Begriff, wie “Ethnische Säuberung” so etablieren konnte?”
5. Wie Klaus Hermann und Christoph Dichand … (twitter.com/florianklenk)
“Falter”-Chefredakteur Florian Klenk ist in einer Kolumne der österreichischen “Kronen Zeitung” auf unsägliche Weise angegriffen und beleidigt worden. Nun haben sich die “Kronen”-Chefs in einem Schriftstück hinter ihre Austria-Version des “Bild”-Kolumnisten Franz Josef Wagner gestellt. Und mit weiteren Angriffen nachgelegt.
6. Einfach mal selbst abschalten (sueddeutsche.de, Jürgen Schmieder)
Spielehersteller Epic habe im vergangenen Jahr stolze drei Milliarden Dollar Profit erwirtschaftet. Ein großer Teil davon beruhe auf dem Erfolg des mittlerweile 250 Millionen Mal heruntergeladenen Spiels Fortnite. Angesichts des wirtschaftlichen Erfolgs ist es besonders bemerkenswert, wenn auf einmal die Spieleserver nicht erreichbar sind. Doch es spricht einiges dafür, dass Epic die Zwangspause aus Kalkül eingelegt hat, wie Jürgen Schmieder in der “Süddeutschen” berichtet.
Nach der “Höllen-Hitze”, die selbst Franz Josef Wagner die noch übrigen Gehirnzellen völlig durcheinanderbrachte, hat Bild.de vor ein paar Tagen den nächsten Wetter-Wahnsinn entdeckt, und zwar in Hannover:
Sie können es kaum fassen: „Laub liegt rund um den Maschsee – und das Ende Juli!“
Überall braune Blätter! „Ist denn schon Herbst?“, fragt Bild.de.
Gerade noch war‘s pottenheiß, jetzt fallen schon die Blätter von den Bäumen. Am Maschsee, in den Biergärten, Alleen, auf Gehwegen – überall raschelt‘s wie im Herbst. Spielt die Natur jetzt total verrückt?
Nö, schreibt uns unser Leser Lion:
Alle “braunen Blätter”, die gezeigt werden, sind nur verwelkte Lindenblütenblätter. Die Lindenblüte ist von Juni bis August und total normal für diese Jahreszeit. Das eingebettete Bild mit einer grünen Linde spricht ja eigentlich für sich. Baumsterben und die Klimakatastrophe sind real, aber eben nicht mit verwelkten Lindenblüten darstellbar.
Um auf Nummer sicher zu gehen, haben wir auch noch bei einem Experten nachgefragt, bei Prof. Dr. Thomas Pfannenschmidt vom Institut für Botanik der Leibniz Universität in Hannover. Er schreibt uns:
Um es kurz zu machen: Der Leser hat recht, im wesentlichen sind es verwelkte Blütenblätter, die zuhauf unter den Linden zu finden sind. Das zweite Foto des Artikels zeigt ja sehr schön, dass die Laubblätter der Bäume noch sehr grün sind. Ich will aber nicht ausschließen, dass auch Laubblätter in dem trockenen Blattwurf enthalten, dazu sind die Aufnahmen zu unscharf.
Bäume, wie alle mehrjährigen Pflanzen, können die Jahreszeit über die Tageslänge wahrnehmen. Wenn die Tage kürzer werden und dabei eine bestimmte Länge unterschreiten, dient dies als Signal für die Bäume, die Stickstoffressourcen aus den Laubblättern abzuziehen. Wir nennen das dann Herbst. Danach sind die Blätter wertlos und werden abgeworfen.
Der Artikel ist natürlich suggestiv geschrieben, ist aber auch nicht ganz falsch. In der Tat werfen viele Baumarten in ausgedehnten Trockenperioden ihre Blätter ab, insbesondere, wenn ihre Wurzeln keinen oder nur geringen Kontakt zum Grundwasser haben, wie viele Stadtbäume. Dies ist eine normale Reaktion auf lang anhaltenden Stress durch Wassermangel. Die Bäume vermeiden durch den vorzeitigen Laubabwurf die totale Austrocknung und versuchen dadurch zu überleben. Dies hat absolut nichts mit der Jahreszeit zu tun, sondern ist in der Tat eine reine Stressreaktion. Einige Arten können bei nachfolgender guter Bewässerung neue Blätter austreiben, andere nicht. Das Wachstum des Baumes wird auf jeden Fall deutlich beeinträchtigt.
Das Phänomen wird in den nächsten Jahren mit weiteren heißen Sommern mit Sicherheit weiter zu beobachten sein.
Und mit ihm mit Sicherheit auch weitere suggestive „Bild“-Artikel.
Eigentlich hatten sie ja ziemlich Großes vorgehabt, die Leute bei “Bild”:
Am 20. Juli 2019 wird BILD mit einem Themenspezial zum 50ten Jahrestag der ersten bemannten Mondladung nicht nur an die spektakulären Momente erinnern, sondern vor allem den Blick in die Zukunft richten.
… versprach der Axel-Springer-Verlag vor einigen Wochen in einem PDF, das potenzielle Werbekunden für die “Mond-BILD” anlocken sollte. Sogar mögliche Themenideen gab es schon:
Und natürlich die möglichen Anzeigenformate:
Gestern war es dann so weit. Oder sagen wir: wäre es so weit gewesen. Denn von der groß angekündigten “Mond-BILD” war nicht viel zu sehen.
Bloß die “Bild”-Titelseite von damals (“Legendär!”) und im Innenteil ein Interview mit dem Verbindungssprecher der ersten Mondlandung. Ansonsten: zappenduster.
Offenbar fanden die Werbekunden die Idee dann doch nicht so pralle. (Tatsächlich findet sich in der Ausgabe nicht eine einzige Anzeige.)
So ein Pech aber auch! Dabei hätte es doch wirklich so viele spektakuläre Mond-Momente gegeben, an die “Bild” hätte erinnern können. Vor allem in der eigenen Berichterstattung:
Letztere Frage wurde übrigens an anderer Stelle beantwortet, und zwar von Franz Josef Wagner, der über den “lieben Neil Armstrong” schrieb:
Er sah keine Aliens, er hörte nicht die Posaunen Gottes. Der Grund, warum er ein Großer ist, ist, dass er keine Angst hat.
Und dass Wagner ein Großer ist, vor allem, wenn es um Weltallwissen geht, ist ja ohnehin bekannt:
Schön auch folgende Mond-Geschichte, die “Bild” zum Tod von Neil Armstrong vor sieben Jahren brachte:
Aber kommen wir nochmal zurück zu der “legendären” Titelseite von damals, mit der “unvergessenen” Schlagzeile: “Der Mond ist jetzt ein Ami”. Darauf sind sie bei “Bild” so stolz, dass sie sie in der gestrigen Ausgabe noch mal groß über eine ganze Seite gedruckt haben:
“Es ist eine Schlagzeile, die die Geschichte beschrieben und selbst Geschichte gemacht hat”, schreibt “Bild”. “Die vielleicht berühmteste BILD-Schlagzeile” aller Zeiten!
Der US-Astronaut Neil Armstrong betrat um 3:56 Uhr MEZ am 21. Juli 1969 den Erdtrabanten: “Ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein gewaltiger Sprung für die Menschheit.” Und in Hamburg, im 6. Stock der BILD-Chefredaktion, dichtete Peter Boenisch: “Der Mond ist jetzt ein Ami”.
Boenisch habe sich die Schlagzeile einfach so “aus dem Ärmel geschüttelt”, schrieb auch Franz Josef Wagner mal.
Schaut man sich die Titelseite von damals ein bisschen genauer an, erkennt man allerdings, dass es nicht Boenisch gewesen sein soll, der sich den Satz ausgedacht hat. Sondern:
Also entweder haben sie damals gelogen, oder sie lügen heute. Vielleicht war Boenisch aber auch “Bild”-Chefredakteur und heimlich bei der NASA. Und vielleicht ist er auch schon ins All geflogen, und vielleicht hat er da auch ein paar Aliens getroffen. Und vielleicht hat er ein paar von denen mit zur Erde gebracht, und vielleicht heißt einer davon Franz Josef mit Vornamen, das würde jedenfalls einiges erklären.
1. Es war ein Trauerspiel (spiegel.de, Arno Frank)
Als die “Hart aber fair”-Redaktion den Talkgast Uwe Junge (AfD) ankündigte, befürchteten viele, dass man hier jemandem die Bühne für Populismus und Demagogie bereite. Arno Frank hat die Sendung gesehen und findet alle Befürchtungen bestätigt.
Weiterer Lesehinweis: ARD fliegt Rechtfertigung für AfD-Gast um die Ohren (t-online.de, Lars Wienand).
2. Der DFB und seine aufmüpfigen Frauen (journalist-magazin.de, Thilo Komma-Pöllath)
Thilo Komma-Pöllath hat anlässlich der Fußball-WM der Frauen ein Interview mit der Spielerführerin Alexandra Popp geführt. Popp sprach darin auch über die ungenügende gesellschaftliche Entwicklung im Fußball. Außerdem, so Popp, fühle man sich etwas vergessen und damit war wohl der DFB gemeint. Als das Interview von der Autorisierung zurückkam, seien alle Aussagen glattgebügelt worden. Der Autor habe noch beim DFB nachgefragt, doch die Antwort sei ausgeblieben und der Text zu seinem Leidwesen ohne die betreffenden Passagen erschienen.
3. Journalisten, kommt mal runter! (dbate.de)
Auf der Jahreskonferenz des “Netzwerk Recherche” ging es unter anderem um die Glaubwürdigkeitskrise im Journalismus und den Umgang mit Fehlern. Was macht guten Journalismus aus? Darüber hat “dbate” mit dem österreichischen Journalisten und Fernsehmoderator Armin Wolf, der NDR-Journalistin Anja Reschke, dem Medienjournalisten Stefan Niggemeier, dem Hauptstadtjournalisten Tilo Jung, dem Soziologen Stefan Schulz und dem “BuzzFeed”-Chefredakteur Daniel Drepper gesprochen.
4. Mit Essiggurken gegen Adorno (taz.de, Nils Markwardt)
Franz Josef Wagner ist der Namensgeber der berühmt-berüchtigten “Bild”-Gaga-Kolumne “Post von Wagner”. Immer wieder werden seine surrealen Wortbeiträge in den Sozialen Medien persifliert. Besonders gut gelungen ist dies Nils Markwardt, der gleich eine ganze Reihe von vermeintlichen Wagner-Briefen an bedeutende Philosophen und Denker verfasst hat.
5. Polizeiberichte kritisch hinterfragen (djv.de, Hendrik Zörner)
Polizeiberichten sollte nicht blind vertraut werden. Darauf macht der Deutsche Journalisten-Verband in seiner jüngsten Pressemitteilung aufmerksam. Aktueller Anlass sind Presseinformationen der Polizei, in denen diese behauptet habe, bei der Auseinandersetzung um den Tagebau Gartzweiler seien 16 Polizisten verletzt worden. Die Recherchen eines WDR-Journalisten hätten jedoch ergeben, dass nur zwei Polizisten durch Fremdeinwirkung verletzt wurden.
6. Der Schweiß ist heiß (uebermedien.de, Boris Rosenkranz, Video: 2:12 Minuten)
Wer leidet in Deutschland am meisten unter der Hitze? Genau: Fernsehredaktionen! Hier ein zweiminütiger Bericht der Schwitzereporter von Das Erste, hr, MDR, NDR, n-tv, RB, rbb, Sat.1 NRW, SWR, Welt und WDR.
Vor allem bei “Bild”: “WIE VIEL DDR STECKT IN DER SPD?” fragt die Redaktion heute im Blatt. Bereits gestern schrieb “Bild”-Chefreporter Peter Tiede so verquere Sätze wie:
Kevin Kühnert ist so alt, wie der real existierende Sozialismus auf deutschem Boden tot ist: knapp 30 Jahre.
… und kam bemerkenswert schnell von Kühnerts Aussage, es sei ihm “weniger wichtig, ob am Ende auf dem Klingelschild von BMW ‘staatlicher Automobilbetrieb’ steht oder ‘genossenschaftlicher Automobilbetrieb’ oder ob das Kollektiv entscheidet, dass es BMW in dieser Form nicht mehr braucht”, zu Schießbefehlen, Schützengraben und Klassenkampf:
Ein Land [die DDR] mit Schießbefehl gegen die eigenen Bürger. Und nun liegt Kevin Kühnert im Schützengraben und träumt vom neuen Klassenkampf
Ralf Schuler, der bei “Bild” das Parlamentsbüro leitet, schrieb einen …
Und auch Franz Josef Wagner hat dem Juso-Vorsitzenden geschrieben:
Es ist schon ein bisschen lustig, dass gerade Wagner Kühnert als “Universitäts-Lusche” ohne Studienabschluss, die “noch nichts zu Ende gebracht hat”, “lächerlich” findet. 2008 schrieb der “Bild”-Briefonkel über sich selbst:
Liebe Lehrer, liebe Eltern,
ich mische mich als Schulschwänzer in die Debatte um das Turbo-Gymnasium (G 8) ein. Statt 9 Jahre 8 Jahre zum Abitur. Ich habe die Wellen-Theorie des Lichts, das Huygenssche Prinzip nicht mitbekommen. Wenn wir Physik hatten, dann ging ich ins Kino. Mit 13 sah ich James Dean. Meine offizielle Erziehung endete mit 18, als ich durchs Abitur flog. Danach wurde ich ein glücklicher Mann.
Die Bundesliga-Fußballer von Borussia Dortmund haben am Samstagabend 0:5 gegen den FC Bayern München verloren. Für die schwache Leistung kann man die Mannschaft, die nun auf Platz 2 der Tabelle steht und weiterhin alle Chancen auf die Meisterschaft hat, sachlich kritisieren. Oder man lässt Franz Josef Wagner so einen Brief schreiben:
Der “Bild”-Briefonkel erklärt die BVB-Spieler zu einem Fall für die Psychiatrie, weil sie mal schlecht gespielt haben.
Kurz nach dem Suizid von Torwart Robert Enke, zitierte die “Süddeutsche Zeitung” Walter M. Straten, der damals stellvertretender Sportressortleiter bei “Bild” war und heute dort Sportchef ist. Auch Stratens Boulevardblatt sei …
nach dem Enke-Tod nicht einfach so zur Tagesordnung übergegangen. Über vieles sei diskutiert worden, auch über Noten, und man sei schließlich zu dem Ergebnis gekommen, bei der Benotung so weiter zu machen wie bisher, sagt Straten. Auch in seiner Redaktion soll es zu einem etwas sensibleren Umgang mit den Zensuren kommen: “Wir werden wohl mit extremen Noten etwas vorsichtiger sein”, sagt der stellvertretende Bild-Sportchef. Man werde sich einmal mehr überlegen, “ob der Spieler, der eine klare Torchance vergeben hat, oder der Torwart, der den Ball hat durchflutschen lassen, eine Sechs bekommt oder eine Fünf reicht”.
Das entpuppte sich schon damals sehr schnell als heiße Luft. Es blieb heiße Luft. Und es ist heute noch heiße Luft:
Ein tatsächlich sensiblerer Umgang mit Fußballern und deren Leistungen könnte sich aber nicht nur in rücksichtsvolleren Noten widerspiegeln, sondern auch in der Art, wie man über sie spricht und schreibt. Die “Bild”-Medien bezeichnen Spieler gern als “Flaschen”, als “Versager”, als “Müllhalde”, als “Deppen”. Und das immer und immer wieder. Hier mal nur die Fälle, die uns in den vergangenen zwei Monaten begegnet sind:
1. April:
1. April:
Ohne das Mittelfeld-Duo wird’s für Stuttgarts Offensiv-Schlaffis (erst 26 Treffer) nun noch schwieriger.
31. März:
25. März:
17. März:
14. März:
11. März:
Warum Klos seine Versager wachrütteln will?
6. März:
Erwartet werden personelle Konsequenzen. So sollen einzelne Versager aus dem Kader fliegen. Heißer Kandidat: Amine Harit.
5. März:
4. März:
3. März:
Elf junge Männer, verkleidet als Fußballprofis! Leider waren die 96-Trikots kein Karnevalskostüm …
Viele dieser Versager werden wir in der 2. Liga nicht wiedersehen — zum Glück.
3. März:
1. März:
Klar ist: Für den BVB kommen die Augsburger Abwehr-Schlaffis genau richtig!
1. März:
Als Malocher-Vorbild für die Mainz-Versager!
24. Februar:
23. Februar:
Nach dem Abpfiff eskalierte es: Ein Pfeiffkonzert, üble Beschimpfungen und Bierbecher prasselten auf die 0:3-Versager nieder.
22. Februar:
Der Trainer hatte diese Woche einmal mehr Schwerstarbeit zu leisten: Als Übungsleiter, der seinen gut bezahlten Profis wie bei den F-Junioren die Ballan- und -mitnahme erklären muss (BILD berichtete). Und als Psychologe, der Versager-Köpfe wieder frei bekommen will.
17. Februar:
Das war bei 96 in Hoffenheim nicht der Fall. Sonntag gegen Frankfurt muss die Versager-Truppe ein anderes Gesicht zeigen
7. Februar:
Samstag (15.30 Uhr) steigt DAS ultimative ABSTIEGS-ENDSPIEL. 96 – Nürnberg. Letzter gegen Vorletzter. Die Heim-Schlaffis gegen die Auswärts-Deppen.
Am 5. März veröffentlichte Bild.de einen Artikel über “Die unheimliche Macht der Fußball-Ultras”. Darin auch diese Geschichte:
In der Vergangenheit kam es immer wieder zu Entgleisungen der Ultras. 2016, Hannover hatte gegen Köln 0:2 verloren, rasteten die 96-Fans komplett aus: In der Nordkurve wurden die Profis vom eigenen Anhang gnadenlos niedergemacht. Der blanke Hass schlug ihnen entgegen: “Versager!”, “Wir stechen Euch ab!”, “Wir schlitzen Euch auf!”.
“Wir stechen Euch ab!” und “Wir schlitzen Euch auf!” wird die Bild.de-Redaktion wohl niemals schreiben. Aber mit “Versager!” ist sie beim gnadenlosen Niedermachen schon mal gut dabei.
Nachtrag, 9. April: Es gibt noch zwei weitere Aspekte zu Franz Josef Wagners Brief an die “Liebe Borussia”, auf die uns mehrere Leserinnen und Leser hingewiesen haben. Wagner schreibt “Ihr habt gespielt wie Tote” und meint damit eine Mannschaft, die vor nicht allzu langer Zeit einen Bombenanschlag überlebt hat. Das kann man mindestens makaber finden.
Außerdem gibt es bei Wagners blödem Spruch mit der Psychiatrie, in die die BVB-Spieler müssten, noch eine andere Seite: Menschen mit psychischen Erkrankungen, die tatsächlich in eine psychiatrische Einrichtung müssen, um in einer mitunter lebensbedrohlichen Situation Hilfe zu bekommen. Dies mit einer schwachen Leistung von Profifußballern gleichzusetzen, trägt zur Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen bei.
Am Tag nach der Abstimmung über die EU-Urheberrechtsreform stellte ZDF-Korrespondent Florian Neuhann treffend fest:
Doch, auch in den gedruckten “Bild”-Medien gab es was zum Thema — einen Artikel. Wenige Tage vor der Abstimmung erschien in “Bild am Sonntag”:
Auf der einen Seite CDU-Politiker Axel Voss, der für eine “gute Sache” kämpfe und dafür “zur Hassfigur des Internets” geworden sei, auf der anderen Seite die jungen Menschen, die “auf die Barrikaden” gehen und nicht mal vor “Morddrohungen” zurückschrecken würden.
Daneben beschrieb die “BamS”-Redaktion in einem vermeintlichen Erklär-Kasten noch mal, warum die Reform dringend “nötig” sei, und beantwortete Fragen wie “Was passiert, wenn die Reform abgelehnt wird?” (Antwort: Das wäre “ein Schlag für die Medien- und Kreativschaffenden in Europa”). Die Argumente der Kritiker wurden nicht erläutert, sie wurden nicht mal erwähnt. Unter dem Punkt “Wer kämpft für die Reform, wer dagegen?” listete das Blatt bei den Gegnern nur den Bundesverband Deutsche Start-ups auf:
Der Bundesverband Deutsche Start-ups warnt vor der Einführung von Uploadfiltern. Junge Start-ups müssten diese zukünftig dann teuer einkaufen, weil sie die Uploadfilter nicht selbst entwickeln könnten.
Als wäre das das einzige Problem. Und als wären Start-ups die einzigen, die vor Uploadfiltern gewarnt hätten. Alle anderen Argumente, alle anderen Gegner ließ das Blatt einfach unter den Tisch fallen.
Dazu stellte die Redaktion noch eine “Sonntagsfrage” an Passanten. Nicht etwa: “Was halten Sie von der EU-Urheberrechtsreform?” Sondern: “Müssen Facebook, Google & Co. mehr in die Verantwortung genommen werden, damit Recht und Respekt auch im Internet gelten?” Antwort aller Befragten: Ja.
Auch die anderen “Bild”-Artikel rund um die Reform waren keine Berichterstattung, sondern Lobbyarbeit. Ein Beispiel:
Was “Bild” nicht erwähnte: Hinter der Initiative, die die Umfrage in Auftrag gegeben hatte, steht der Dachverband europäischer Verwertungsgesellschaften, dem unter anderem die GEMA angehört. Die Initiative war extra für die Lobbyschlacht gegründet worden und hatte sich mit allen Mitteln für Artikel 13 eingesetzt.
Bereits im Februar hatte “Bild” auf der Titelseite geschrieben:
Die Presseverlage würden durch die Reform “deutlich gestärkt”, hieß es da. Und: Es habe “heftige Diskussionen” gegeben. Warum es die gab und was die Gegner einzuwenden hatten, verschwieg die Redaktion.
Darüber hinaus fand das Thema in den “Bild”-Medien kaum statt: Bei Bild.de gab es einen Artikel, in dem ein CDU-Politiker von vermeintlich gekauften Demonstranten erzählen durfte. Und einen Text zur Demo in Berlin. Außerdem durfte CDU-Mann Günther Oettinger im Interview erklären, “warum die Proteste gegen das neue EU-Urheberrecht unbegründet sind”. In “Bild” und “BamS” haben wir lediglich noch zwei kleine Artikel aus diesem Jahr gefunden: “Wikipedia heute gesperrt” und “CDU will keine Upload-Filter für Deutschland”. Auch im Artikel zum Wikipedia-Protest verschwieg “Bild” das Warum. Schlimmer noch: Die Redaktion stellt es so dar, als wären die Wikipedia-Autoren gegen die Stärkung der “Rechte von Künstlern, Autoren und Verlagen”:
Damit protestieren die Autoren der Plattform gegen die EU-Urheberrechtsreform, die Ende des Monats im EU-Parlament zur Abstimmung steht. Sie soll u. a. die Rechte von Künstlern, Autoren und Verlagen an ihren Inhalten besser schützen.
Passend dazu auch Franz Josef Wagner:
Ich finde den Streik von Wikipedia beschissen. Bezahlt die Autoren, die Regisseure, die Journalisten, die Forscher, die Dichter und Denker. Sie sind das Salz der Welt.
Im Übrigen hatte sich “Bild” auch beim Wikipedia-Protest sichtlich Mühe gegeben, ihn möglichst unauffällig im Blatt unterzubringen:
Deutlich sichtbarer hingegen war in den Tagen vor der Abstimmung dashier:
Zwei vermisste Mädchen, beide 15 Jahre alt, beide seit einem Monat verschwunden. Das eine bekommt einen kleinen Artikel auf einer hinteren Seite, das andere mehr als 20 auf den prominentesten Plätzen im Blatt, riesengroß, fast jeden Tag. Warum dieser Unterschied?
Eine große Rolle spielt vermutlich Rebeccas Aussehen.
Es ist die außergewöhnliche Schönheit dieses Porträts, das aus dem traurigen Verschwinden eines Kindes eine mediale Sensation macht.
So wird “Bild” auch in diesem Fall nicht müde zu betonen, wie “schlank”, “groß” und “hübsch” Rebecca doch sei. Auch Franz Josef Wagner schreibt:
Rebecca ist eine schöne 15-Jährige. (…) Arme Rebecca, Du hübsches Mädchen. (…) Es ist nicht normal, dass so ein hübsches Mädchen verschwindet in dunkle Geheimnisse.
(Weil sonst bekanntlich immer nur unansehnliche Mädchen “in dunkle Geheimnisse” verschwinden.)
Dass “Bild” so viel über den Fall Rebecca berichtet, liegt wohl auch daran, dass die Ermittler der Zeitung gegenüber äußerst gesprächig sind. Immer wieder zitiert das Blatt “aus Ermittlerkreisen”, veröffentlicht viele exklusive “BILD-Informationen”, die nur von der Polizei oder der Staatsanwaltschaft stammen können.
Auch Verwandte von Rebecca sprachen in ihrer Verzweiflung immer wieder mit Reportern, wurden von der “Bunten” interviewt, von RTL, von den “Bild”-Medien. So wird “die emotionale Not” der Familie zum “Einfallstor für Tragödienjournalismus”, wie es das Medienmagazin “Zapp” formulierte.
Die Tragödienjournalisten von “Bild” aber geben sich mit Interviews und geleakten Ermittlerinfos selbstverständlich nicht zufrieden. Schon zu Beginn des Falls lungerten sie vor dem Haus von Rebeccas Schwager, der zwischenzeitlich als Tatverdächtiger verhaftet wurde, protokollierten, wer ein und aus ging und fotografieren den Mann, sobald er das Haus verließ. Anfangs gaben sie ihm noch einen kleinen Augenbalken, seit die Polizei ein Foto von ihm veröffentlichte, zeigen sie ihn ohne jede Unkenntlichmachung.
Dass die Polizei das Foto des Mannes herausgab, obwohl er zu dieser Zeit schon in Untersuchungshaft saß, ist ungewöhnlich; sie erklärt es damit, dass sie erhoffe, dass sich Zeugen melden, die ihn zur Tatzeit gesehen haben. Für die “Bild”-Medien jedenfalls ein sehr willkommener Umstand. So können sie sein Gesicht in Großaufnahme zeigen, immer und immer wieder:
Diese Artikel erschienen wohlgemerkt, nachdem der Schwager am vergangenen Freitag aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, weil der Ermittlungsrichter inzwischen “Zweifel am dringenden Tatverdacht hat”.
Bei “Bild” scheinen sie wenig Zweifel und kein Interesse an der Unschuldsvermutung zu haben. Schon in der vergangenen Woche fragte die Redaktion:
Wieder und wieder listete sie die aus Ermittlerkreisen durchgestochenen Details auf, die den Mann belasten sollen. Eigentlich, so der Eindruck, den “Bild” erweckte, kann nur er es gewesen sein.
Und auch nach seiner Haftentlassung ließen sie nicht von ihm ab. “Bild”-Reporter verfolgten und fotografierten den Mann, wie hier vor dem Haus seiner Mutter:
Die aktuelle Berichterstattung, insbesondere in BILD, B. Z., aber nicht mehr nur in den Boulevardmedien tritt die Unschuldsvermutung des Verdächtigen mit Füßen und imponiert als Treibjagd im Live-Tickermodus. Darstellungen, die sich darüber hinaus im Ringen nach Sensationseffekten in Spekulationen ergehen und überbieten, untergraben in der frühesten Phase des Verfahrens bewusst das, was der Rechtsstaat um seiner selbst willen garantieren will und soll: Unvoreingenommenheit und Fairness gegenüber einem Verdächtigten.
Gegenüber “Zapp” sagte Stefan Conen, ein Strafverteidiger aus Berlin:
Die Unschuldsvermutung gilt ungeteilt für jeden, der von einem Strafverfahren betroffen ist. Mich interessiert eigentlich weniger, wie die Medien dastehen, mich interessiert als Strafverteidiger, wie der junge Mann dasteht und wie das Verfahren dasteht. Und da muss man sagen, was da angerichtet wird, das lässt sich auch mit einer späteren Berichterstattung vermutlich nicht wiedergutmachen.
Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!
*Nachtrag, 26. März: Die 15-jährige Katharina ist inzwischen wieder aufgetaucht — es muss nicht mehr nach ihr gesucht werden. Daher haben wir das Foto von ihr nun verpixelt.
Warum berichtet die “Bild” eigentlich immer so positiv über Autos? Die schlägt sich fast immer auf die Seite der Autohersteller. Liegt das vielleicht daran, dass die so viel Werbung schalten?
… fragte uns eine Leserin vor einer Weile. Und tatsächlich fiel in den letzten Monaten ganz besonders auf, wie sehr sich die “Bild”-Medien für ihre Freunde in der Autoindustrie ins Zeug legen.
Als etwa das Bundesverwaltungsgericht Anfang vergangenen Jahres entschied, dass Kommunen Fahrverbote für ältere Dieselautos verhängen können, reagierte “Bild” entsetzt.
… und “Bild”-Redakteurin Sissi Benner warnte:
“Wie sehr können wir uns in Deutschland eigentlich noch selbst schaden?”, fragte sie. Dieses Urteil sei einfach nur “rücksichtslos”. Feuerwerke zu Silvester seien schließlich ebenfalls umweltschädlich, aber die verbiete ja auch niemand.
Ein paar Tage später veröffentlichte die “Bild”-Redaktion ein großes “Diesel-Manifest”:
Die Kritik am Diesel sei kompletter “Blödsinn”, schrieben die Autoren Tom Drechsler und Stefan Voswinkel und führten verschiedene Zahlen und Studien an, mit denen sie den Diesel verteidigten. Bei genauerem Hinschauen zeigte sich jedoch, dass sie Zahlen aus dem Zusammenhang gerissen und wichtige Fakten verschwiegen hatten, um den Diesel besser aussehen zu lassen.
Kurz darauf veröffentlichte das Umweltbundesamt eine Studie zu den Gesundheitsbelastungen durch Stickstoffdioxid. Ergebnis:
Die NO2-Konzentrationen in der Außenluft in Deutschland führen zu erheblichen Gesundheitsbelastungen. Dies zeigt eine Studie des Umweltbundesamts (UBA). Demnach lassen sich für das Jahr 2014 statistisch etwa 6.000 vorzeitige Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf die NO2-Hintergrund-Belastung im ländlichen und städtischen Raum zurückführen.
Eine “bedeutende Ursache für schädliche Stickoxide in der Atemluft”, so die Präsidentin des Umweltbundesamts, seien “eindeutig Diesel-Pkw”.
“Bild” reagierte — entsetzt.
Das Blatt warf der Behörde “PANIKMACHE” und die “Hinrichtung des Diesels!” vor. Die Behörde habe Fakten unterdrückt, um “den Diesel an den Pranger zu stellen”. Im Kommentar sprach “Bild”-Redakteur Stefan Voswinkel von der “Diesel-Hysterie der Öko-Apostel” und forderte im gleichen Atemzug “eine sachliche Diskussion”.
Und so sachlich ging’s dann bei “Bild” weiter:
BILD setzt ein Zeichen für den Diesel! Ab heute ist unser Aufkleber überall dort kostenlos erhältlich, wo es BILD gibt. Setzen auch Sie ein Zeichen und kleben ihn auf Ihr Auto!
In der gleichen Ausgabe widmete Franz Josef Wagner seinen Brief an die “Lieben Diesel-Fahrer” (“Dein Diesel ist ein Familienmitglied. Plötzlich soll er eine Dreckschleuder sein. Was für ein Quatsch!”), und im Innenteil schrieb Stefan “Sachliche Diskussion” Voswinkel:
Massiv wurde in den letzten Monaten gegen den Diesel gestänkert. Von der Deutschen Umwelthilfe als Stinker gebrandmarkt und mit Fahrverboten bedroht, vom Bundesumweltamt ohne wissenschaftliche Beweise mit 6000 Toten durch Abgase in Verbindung gebracht. Millionen Diesel-Fahrer beklagen hohe Wertverluste, viele Fahrzeuge gelten als unverkäuflich.
BILD meint deshalb: Es reicht!
Tatsächlich sei die Luft in Deutschland “so gut wie nie zuvor”, und “auch die Altlasten durch Euro-5-Diesel lösen sich in Luft auf.”
Und dann kamen noch vier Männer zu Wort. Nicht etwa Wissenschaftler oder Politiker, sondern:
Der Chef von Daimler, der Chef von BMW, der Chef von VW und der Chef von Ford. Sie alle durften noch einmal betonen, wie toll und sauber ihre Diesel doch seien, und dass ein Fahrverbot ja nun wirklich nichts bringe.
Eine komplette Seite widmete die Redaktion ihrem Kampf für den Diesel. Darauf außerdem zu finden:
– ein Foto des “Diesel-Friedhofs von Kalifornien” (“So wie auf diesem Foto wird es bei uns hoffentlich nie aussehen …”)
– ein Artikel darüber, dass die Deutsche Umwelthilfe fünf Millionen Euro Steuergelder bekommt (“5 Millionen Steuergeld für die Diesel-Hasser!”)
– ein Artikel darüber, dass auch Autohersteller gegen die Nachrüstung sind; dort kommen noch einmal der BMW-Chef und noch einmal der Ford-Chef zu Wort.
Als dann im November das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen entschied, dass bald in einigen Stadtteilen Essens, einschließlich Teilen der Autobahn 40, einige Diesel nicht mehr fahren dürfen, reagierte “Bild” — entsetzt.
“So kann es nicht weitergehen!”, kommentierte “Bild”-Redakteur Tom Drechsler: “Solche Urteile sind nicht nur der Todesstoß für den Diesel. Sie bedrohen das Auto an sich. Und damit unser Land.”
Vor zwei Monaten dann:
Und wieder verteidigte das Blatt die Autos gegen die “Feinstaub-Hysterie”. Der “Rauch einer Zigarette” zum Beispiel sei ja “um das Mehrfache giftiger” als unsere Luft. (Im Übrigen hatte sich der Anführer der “107 LUNGEN-ÄRZTE” ziemlich verrechnet).
Kurz darauf:
Auch dieser Artikel könnte direkt aus der PR-Abteilung eines Autobauers stammen: Autos seien in Wahrheit gar nicht so schlimm, unsere Luft werde immer sauberer, Kritik sei nicht wissenschaftlich fundiert, sondern politisch motiviert. Wieder gaben sich die Autoren Tom Drechsler und Stefan Voswinkel größte Mühe, die Autobranche mit verzerrten Fakten und Scheinargumenten zu verteidigen. So lautete einer ihrer Punkte allen Ernstes:
2010 überschritt die Zahl der Autos auf der Erde erstmals die Milliardengrenze, bis 2020 werden es 1,3 Milliarden sein. Die Lebenserwartung der Menschen steigt aber jedes Jahr. Laut WHO in den letzten 50 Jahren um 20 Jahre. Deutschland gehört zu den Ländern mit der höchsten Lebenserwartung: 80,8 Jahre.
Auch bei anderen Themen nimmt die “Bild”-Zeitung immer wieder eine Autoindustrie-freundliche Position ein. Beim Tempolimit zum Beispiel oder bei den “Gaga-Mess-Stationen” — und verdreht oder verschweigt die Fakten dabei so, dass es den Chefetagen der Autobauer in den Kram passen dürfte.
Aber kommen wir zurück zur Ausgangsfrage:
Warum berichtet die “Bild” eigentlich immer so positiv über Autos? Die schlägt sich fast immer auf die Seite der Autohersteller. Liegt das vielleicht daran, dass die so viel Werbung schalten?
Stimmt das denn eigentlich? Schalten die Autohersteller so viel Werbung in den “Bild”-Medien?
Um das herauszufinden, sind wir alle Ausgaben der “Bild”-Zeitung und der “Bild am Sonntag” durchgegangen, die in diesem Jahr bislang erschienen sind. Anhand der Preislisten des Verlags (PDF & PDF) haben wir dann ausgerechnet, in welchem Wert einzelne Branchen in diesem Jahr Anzeigen geschaltet haben. Und siehe da:
Allein in den ersten elf Wochen dieses Jahres haben Autohersteller Anzeigen im Wert von fast 10 Millionen Euro in “Bild” und “BamS” geschaltet. Die Discounter waren die einzige Branche, die mehr investierte.
In vielen “Bild”-Regionalausgaben ist die Zahl der Autoanzeigen sogar noch größer, weil dort zusätzlich lokale Autohäuser werben. Hinzu kommen Autoanzeigen bei Bild.de, in “Auto Bild” und anderen Zeitschriften und Onlineportalen von Axel Springer.
Wie viel die Autobauer tatsächlich für die Werbung gezahlt haben, ob sie von “Bild” die üblichen Rabatte bei Anzeigen oder inzwischen einen besonderen Freundschaftspreis bekommen, wissen wir natürlich nicht. Und ob wirklich ein Zusammenhang besteht zwischen den vielen Autoanzeigen und der Pro-Auto-/Anti-Öko-Apostel-Berichterstattung der “Bild”-Medien, oder ob das alles bloß Zufall ist, können wir auch nicht mit Gewissheit sagen.
Eines steht aber fest, sei es bei den Autos oder bei der “Bild”-Zeitung: Ganz sauber sind sie nicht.
Alle Täter haben sich an anderen orientiert, besonders an den Amokläufern der Columbine Highschool. Die Tat war medial besonders inszeniert — einer der Täter hatte eine Homepage, über die er seinen Hass verbreitet hat. Außerdem ist ein Video eines Teils dieser Tat ins Internet gelangt. Das ist Nachahmungsmaterial für Pubertierende, die Vorbilder suchen: Sie sehen die Klamotten der Täter, sehen, wie sie herumstolzieren.
Schulamokläufer und Terroristen sichern sich durch das kalkulierte Ausüben von Gewalt einen Platz in den Schlagzeilen der Weltpresse. Sie folgen damit einer bewährten Kommunikationsstrategie, die ebenso menschenverachtend wie durchschaubar ist. Dieses Kalkül der Täter geht insbesondere dann auf, wenn Medien die destruktiven Botschaften der Täter ungefiltert weitertragen. Sie verbreiten auf diese Weise Angst in der Gesellschaft, belasten die Opfer und liefern im schlimmsten Fall eine Inspiration für Nachahmer.
Die Identifikation mit früheren Tätern, die durch die extensive Berichterstattung berühmt geworden sind, einschließlich der Veröffentlichung ihrer Namen, Gesichter, Lebensgeschichten und Hintergründe, löst einen mächtigeren Schub in Richtung Gewalt aus als psychische Erkrankungen oder der Zugang zu Waffen.
Wie viel und vor allem welche Berichterstattung ist angemessen? Wo verläuft die Grenze zwischen richtiger und notwendiger Information der Öffentlichkeit und einer Berichterstattung, die den Terroristen in die Hände spielt?
Beim Terrorismus geht es nicht in erster Linie ums Töten. Es geht vielmehr um das “Terrorisieren”, es ist eine spezielle Form der Provokation. Eine Tat, die keine Verbreitung findet, ist daher nutzlos.
Wir zeigen diese Bilder ganz bewusst. Wir glauben, dass wir diese Bilder zeigen müssen.
… schreibt “Bild”-Chef Julian Reichelt. Er meint damit die “Bilder und Sequenzen aus dem Video, das der rechtsextreme Terrorist von Christchurch während seiner abstoßenden Tat anfertigte.” Am vergangenen Freitag erschoss ein Mann in der neuseeländischen Stadt offenbar gezielt Muslime in zwei Moscheen. 50 Menschen starben.
Schon kurz nach den ersten Meldungen über Schüsse in Christchurch veröffentlichte Bild.de einen Zusammenschnitt der Aufnahmen des Attentäters, die dieser auf seiner Facebook-Seite live streamte. Die Redaktion warb auf ihrer Startseite mit dem Hinweis “MIT VIDEO” um Klicks:
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns.)
Zu dieser Zeit bat die neuseeländische Polizei bei Twitter darum, das Video nicht zu verbreiten. Bild.de zeigt es trotzdem. Die Redaktion hat jene Videosequenzen rausgeschnitten, in denen Menschen erschossen werden; sie zeigt stattdessen Standbilder daraus. Darauf sind Leichen und Blut zu sehen, auch ein Opfer, das direkt vor dem Täter steht, kurz bevor es erschossen wird. Schüsse sind zu hören.
Als gäbe es keine Abstufungen zwischen dem Zeigen dieses ganzen Materials auf der einen Seite des Spektrums und Trauer auf der anderen, schreibt “Bild”-Chef Reichelt:
Aber Trauer allein reicht im Journalismus nicht. Trauer ist keine journalistische Disziplin. Journalismus muss zeigen, was geschehen ist. Journalismus ist dazu da, Bilder der Propaganda und Selbstdarstellung zu entreißen und sie einzuordnen.
Nur findet man diese Einordnung im Zusammenschnitt von Bild.de nicht. Die Redaktion blendet ein paar Sätze ein, in denen steht, was man gerade sieht. Das war’s. Ansonsten ist es das bloße Abspulen der vom Täter erstellten und von Bild.de gekürzten Aufnahme. Reichelt und sein Team reichen die “Propaganda und Selbstdarstellung” lediglich weiter. Worin soll hier ein Informationswert stecken? Welche Erkenntnis liefern die Bilder, die man nicht durch das einfache Beschreiben erreichen könnte? Worin steckt der aufklärerische Wert? Bild.de verbreitet die Aufnahmen, die der Attentäter verbreiten wollte. Die Redaktion hilft ihm beim Versuch, Aufmerksamkeit zu generieren, Angst zu machen und sich zu inszenieren, wie sie es schon bei früherenAttentatenund Amokläufen getan hat. Reichelt schreibt in seinem Kommentar, durch Journalismus werde “aus einem Ego-Shooter-Video ein Dokument, das Hass demaskiert und aufzeigt, was der Terrorist von Christchurch ist: kein Kämpfer, kein Soldat.” Nein, bei Bild.de bleibt das Ego-Shooter-Video ein Ego-Shooter-Video. Auch wenn Reichelt die Entscheidung weiter rechtfertigt:
Das Video des Massakers ist online überall genauso verfügbar, wie der Täter es wollte. Journalismus darf solche Bilder aber nicht Social Media überlassen.
Es drängt sich der Eindruck auf, dass es hauptsächlich darum geht, Social Media nicht die Klicks zu überlassen.
Schaut man sich die Berichterstattung der “Bild”-Zeitung vom Samstag an, wird noch einmal klar, wie fadenscheinig Reichelts Argumentation mit dem Einordnen ist. “Bild” bietet dem Täter, seinem Anschlag und seinem Manifest die Öffentlichkeit, die er sich gewünscht haben dürfte: die Titel- und fast eine komplette Doppelseite (die Opfer bekommen nur die untere rechte Ecke ab):
Die journalistische Einordnung, von der Julian Reichelt spricht, sieht dann etwa so aus: Ein eigener Artikel dazu, welche Waffen der Täter dabeihatte. Es ist ein bloßes Runterrattern: Der hatte das dabei und das und das und davon zwei. Am Ende noch ein Hinweis, dass das eine Gewehr auch schon mal von einem anderen Attentäter eingesetzt wurde. Das soll die Einordnung sein, die alles ändert? Und welche einordnende Wirkung soll ein “Protokoll”, versehen mit reichlich Standbildern aus dem Video des Terroristen, haben?
Ähnlich schlimm wie “Bild” macht es die “B.Z.”:
Diese Titelseite, vermutlich das Ergebnis eines hirnrissigen Zwangs, alles möglichst aufs Lokale runterzubrechen, ist das Gegenteil von Einordnung. Sie verklärt. Sie übernimmt die Erzählung des Attentäters, dass es sich um Rache handelt — als könnte das Morden an Muslimen in Neuseeland tatsächlich irgendwie das Morden eines Islamisten in Deutschland rächen. “B.Z.”-Chrefredakteurin Miriam Krekel stellt es so dar, als wäre der rechtsextreme Terror in Christchurch eine zu erwartene Reaktion auf den Anschlag am Breitscheidplatz, wenn sie schreibt:
“Auge um Auge, Zahn um Zahn.” Unschuldige Gläubige sollen sterben, weil ein krankhaft “Gläubiger” am Breitscheidplatz unschuldige Menschen tötete. Die Tat zeigt einmal mehr, dass Rache und Hass mehr Rache und Hass hervorrufen.
Die Kritik an der Berichterstattung von Bild.de, “Bild” und “B.Z.” bedeutet natürlich nicht, dass Redaktionen das Attentat in Christchurch verschweigen sollten, so, wie sie kein Attentat verschweigen sollten. Sie sollten aber auch nicht zum medialen Handlangern eines rechtsextremen Terroristen werden. Eigentlich hat “Bild”-Briefonkel Franz Josef Wagner, den man nun wahrlich nicht oft als Positivbeispiel anführen kann, bereits 2011 alles gesagt, als er zum rechtsextremen Terror in Norwegen schrieb:
Wie geht man mit so einem Massenmörder um?
Zigarette? Kaffee, Wasser?
Galgen, Todesspritze?
Ich glaube, die höchste Strafe für den Attentäter wäre die Bedeutungslosigkeit. Nicht mehr über ihn zu berichten, seine Fotos nicht mehr zu zeigen, seine wirren Ideen nicht mehr im Internet zu lesen.
Dieser Typ will ja, dass alle Welt über seine Morde berichtet. Die Höchststrafe für diesen Psycho ist, dass er ein kleines Arschloch ist.
Nachtrag, 17. Juni: Bild.de hat für die Veröffentlichung der Videosequenzen vom Deutschen Presserat eine Rüge bekommen. Die Redaktion habe “sich zum Werkzeug des Täters gemacht”:
Mit der Veröffentlichung seiner Video-Ausschnitte bot die Redaktion dem Täter genau die öffentliche Bühne, die er haben wollte. BILD.DE verstieß damit gegen Richtlinie 11.2 des Pressekodex, wonach die Presse sich nicht zum Werkzeug von Verbrechern machen darf. Zwar veröffentlichte die Redaktion unter der Schlagzeile „17 Minuten Mordfeldzug“ nicht die Taten selbst, sondern zeigte den mutmaßlichen Mörder auf dem Weg zu den Moscheen und beim Laden seiner Waffen. Diese Bilder reichten jedoch, um Assoziationen zu erzeugen, die weit über das berechtigte öffentliche Interesse an dem Geschehen hinausgingen. Auch die detaillierte, dramatisierende Schilderung und drastische Bebilderung im Begleittext zum Video bedienten nach Ansicht des Beschwerdeausschusses überwiegend Sensationsinteressen.