Bild.de schickt Lanz über den Neckar

Es gab mal eine Zeit, in der die Leute von “Bild” der Meinung waren:

Der Lanz kann's!

Damals, also vor nicht mal eineinhalb Jahren, schwärmten sie noch von den “smarten Interviews” des “Schwiegermutter-Schätzchens”, lobten die “Schlagfertigkeit” des “sympathischen Südtirolers”, seine “Raffinesse”, seinen “unterhaltsamen Hang zur Perfidie”, und Franz Josef Wagner schrieb, der liebe Lanz sei ein Mensch aus Herz und Schokolade” (was in Wagners Welt offenbar ein großes Kompliment ist).

Doch diese Zeit ist vorbei.

Inzwischen sind sogar die “Bild”-Leute genervt von Lanz, oder zumindest geben sie vor, es zu sein. Der Mitarbeiter von Bild.de beispielsweise, der am Samstag dafür zuständig war, das “Minuten-Protokoll” zu “Wetten, dass..?” zu befüllen, hatte sich offenbar schon vor Beginn der Sendung zum Ziel gesetzt, Lanz auf Teufel komm raus zu verreißen. Jeder Versprecher, jede peinliche Eigenart des “Lanzinators” wird auseinandergepflückt und ironisch kommentiert, nach dem Motto: “Mensch, dieser blöde Lanz schon wieder, aber wir haben’s ja schon immer gewusst.”

Eine Stelle hat es dem Protokollanten ganz besonders angetan:

Lanz erklärt nochmals: “Wir sind in Karlsruhe, in einer der schönsten Städte Europas, muss man mal sagen, für die, die es nicht wissen, Neckarstadt.” Davon wussten die Karlsruher bisher nichts, muss man mal sagen, dass ihre Stadt am Neckar liegt. Aber ist Geographie nicht immer auch Auslegungssache?

Hihi, “Neckarstadt”. Das fand der Verfasser dermaßen doof, dass er im Verlauf des “Lanz-Protokolls” noch viermal darauf anspielen musste:

Aber wer nimmt’s schon so genau in Karlsruhe am Neckar?

[…] in einer der schönsten Städte Europas, und fast direkt am Neckar.

Jetzt kommt eine unglaubliche Wette aus den Bergen Österreich, durch die nicht der Neckar fließt.

“[James Blunt] kommt gerade aus China, und heute schon bei uns in Karlsruhe.” Vom Jangtse an den Neckar.

Nun kann man Lanz mit Blick auf “Wetten, dass..?” sicher wieder einiges vorwerfen, doch diese Neckar-Sache gehört eher nicht dazu. Denn wenn man genau hinhört (ab ca. 1.20 Min.), erkennt man, dass er Karlsruhe nicht als “Neckarstadt” bezeichnet, sondern als “Fächerstadt”. Und damit hatte er ausnahmsweise mal absolut recht.

Mit Dank an M.R.

NDR, Woche Heute, Disney Channel

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Der NDR und das Geschäft mit dem Snowden-Interview”
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Das Interview mit Edward Snowden (youtube.com, Video, 32:13 Minuten), das am Sonntagabend um 23 Uhr auf ARD augestrahlt wurde (hier im Wortlaut). Thomas Lückerath fragt: “Warum verweist der NDR auf die berechtigte Nachfrage, warum es keine englische Fassung dieses Interviews gibt, auf den Produzenten – wenn es doch eine NDR-Tochter ist?”

2. “Edward Snowden, der verschwiegene NDR und die verschenkte Chance”
(tobiasgillen.de)
Tobias Gillen und Ekkehard Kern prüfen die vom NDR zum Snowden-Interview bereitgestellte FAQ. “Das erste Interview mit jenem Mann, der Teile der weltweiten Nachrichtenlage seit nunmehr einem Dreivierteljahr fast täglich bestimmt, ist nur innerhalb der deutschen Landesgrenzen abrufbar und der NDR besitzt keine weiteren Rechte daran. Das ist ebenso bezeichnend für das Konstrukt aus Tochtergesellschaften bei den Dritten wie auch für die sich nur schleppend entwickelnde öffentlich-rechtliche Modernisierung.”

3. “Die WOCHE HEUTE hat’s leicht fehlinterpretiert – und mit mir geredet, ohne dass ich dabei war”
(christianritter.wordpress.com)
Der Roman “Die sanfte Entführung des Potsdamer Strumpfträgers” wird zur Überraschung von Autor Christian Ritter zur Grundlage einer Titelgeschichte der “Woche Heute”: “Die Zitate, die Sie von mir verwenden, stammen aus einem Interview, das Ralf Heimann von der Münsterschen Zeitung vor zwei Wochen mit mir geführt hat. Und wieso habe ich kein Belegexemplar von Ihnen bekommen und musste den Artikel mühselig im Internet finden? Immerhin habe ich für Ihre Titelgeschichte gesorgt.”

4. “Wo ist Peter Lustig, wenn man ihn braucht?”
(haz.de, Imre Grimm)
Imre Grimm schaut den seit einer Woche im deutschen Free-TV verfügbaren Disney Channel: “Kritik am kalifornischen Kulturimperialismus gilt als gestrig. Und doch muss man mal daran erinnern, dass 13 Prozent aller Babys unter einem Jahr in Deutschland regelmäßig fernsehen. Bei den Zweijährigen sind es 60 Prozent, bei den Vierjährigen 96 Prozent. Kinder zwischen drei und fünf Jahren sitzen pro Tag durchschnittlich 73 Minuten vor dem Bildschirm.”

5. “Lesen Sie weiter, Sie werden beschimpft”
(politblog.tagesanzeiger.ch, Jean-Martin Büttner)
Journalist Jean-Martin Büttner wünscht sich “etwas Humor” von seinen Lesern: “Es fehlt den Kommentatoren nicht an Argumenten, Zahlen und Zitaten, wir schätzen ihre Leidenschaft, anerkennen ihr Engagement. Aber woher kommt diese dauernde schlechte Laune, als Tirade abgefeuert, zum Hass gesteigert?”

6. “Was Medien machen, wenn es nichts zu berichten gibt”
(graphitti-blog.de, katja)

“Bringt mir dieses feige Dreckstück!”

Für die “Bild”-Zeitung war die Sache von Anfang an klar:

David H. (21) hat den geliebten Kater seiner Freundin in die Toilette gestopft und die Spülung betätigt – “Tiger” (2) verendete qualvoll.

Oder in Großbuchstaben (Ausgabe vom 17. Januar):

MANN SPÜLT KATZE INS KLO - Das Tier verendete qualvoll

(“Bild” hat dem Mann zwar einen schwarzen Augenbalken gegönnt, zur Sicherheit haben wir ihn aber ganz unkenntlich gemacht.)

Dabei hatte der Gerichtsprozess gegen den Mann gerade erst begonnen, wie “Bild” im Artikel selbst zugeben musste:

Wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz steht der [Beruf des Angeklagten] nun in Plauen (Sachsen) vor Gericht.

Der Vorwurf der Staatsanwältin: “Der Angeklagte hat die Katze zuerst gegen die Wand geschleudert. Dann versuchte er das schwer verletzte Tier in der Toilette hinunterzuspülen.”

[…] Ein Tierarzt soll nun die genaue Todesursache klären.

Aber für “Bild” stand das Urteil ja sowieso schon fest.

Im Gegensatz zur “Freien Presse”, wo sich der Fall alles andere als eindeutig las:

Ob das Gericht den 20-Jährigen bestrafen wird, ist offen. “Keiner hat gesehen, wie die Katze umgekommen ist”, sagt [Gerichtssprecher] Rüsing. Unklar sei nach wie vor auch, ob sie wirklich an die Wand geschleudert wurde. Dort seien zwar Flecken gefunden worden, die Katzenblut sein könnten. Nachweisen werde das die Justiz aber nicht.

Am Mittwoch wurde das Verfahren vorläufig eingestellt. Die “Freie Presse” schreibt:

Richterin Andrea Hörr stellte das Verfahren unter einer Geldauflage vorläufig ein. Der 21-Jährige muss bis Ende Mai 100 Euro an den Tierschutzverein Vogtland zahlen. Dann sei eine endgültige Einstellung des Verfahrens in Aussicht.

Es sei weiterhin “unklar” geblieben, “wie die Katze zu Tode gekommen ist und ob sie überhaupt zuvor an die Wand geschleudert worden war – Zeugen dafür gab es nicht.” Auch die Tierärztin konnte kein Licht in die Sache bringen.

Doch für “Bild” ist und bleibt der Mann schuldig. Und die Justiz mal wieder viel zu milde:

KATZE INS KLO GESTOPFT - Nur 100 Euro Strafe für den Miezen-Killer

Der Miezen-Mord von Plauen (BILD berichtete). Jetzt stand der Katzen-Killer vor dem Amtsgericht – und kam mit einer unfassbar milden Strafe davon. Lediglich 100 Euro muss der Tierquäler zahlen, der den kleinen Kater “Tiger” (2) in der Toilette runterspülen wollte!

Dass das Verfahren eingestellt wurde, schreibt die “Bild”-Zeitung nicht. Stattdessen ärgert sie sich darüber, dass ihr eigenes Urteil nicht bestätigt wurde:

Leider gab es keine Zeugen, die bei dem Todeswurf dabei waren. Deshalb kam David H. mit einer Geldstrafe davon.

Der Sprecher des Amtsgericht teilte uns auf Anfrage mit, dass er die Berichterstattung “teilweise als sehr einseitig und vorverurteilend wahrgenommen” habe. Die Todesursache sei nicht geklärt worden, außerdem habe die Verteidigung klargemacht, dass auch die Ex-Freundin durchaus Motive für die Tat hatte (was “Bild” natürlich ignoriert hat). Aber es gebe nun mal “manche Medien, die versuchen, möglichst sensationell, brutal und grauenhaft zu berichten. Das interessiert die Leser halt.”

Und was eine derartige Berichterstattung bei den Lesern sonst noch bewirkt, zeigt sich dann in den Kommentarspalten bei Bild.de (Stand gestern Abend):

Sehen wir es doch mal von der positiven Seite, Plauen ist nicht so groß, seinen Vornamen kennt man und ein recht gutes Foto steht auch zur Verfügung………Vielleicht liest man ja demnächst davon das ein Plauener eine nonverbaler Konversation mit einem (Rudel) Tierfreund(e) verloren hat.

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unglaublich ! Sage ich schon seit Jahren, die deutsche Rechtssprechung ist ein Witz. Dann lieber Zahn um Zahn

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Hoffentlich wird er morgen von einer Bande verprügelt, so dass er nicht mehr aufstehen kann, dieser gefühlskalte Bestie.

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Das Gleiche mit dem machen wäre die gerechtere und damit auch demokreatischere Lösung. Danach an einen Baum hängen mit einem Schild um den Hals, das alle sehen was mit solchen Leuten passiert. Fertig.

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Wenn mir derjenige über den Weg laufen würde in Sachsen, hätte er 1 – 2 Reihen weniger Zähne um die er sich sorgen machen muss.

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Man sollte das gleiche mit diesem Unmenschen machen.

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man gebe mir seine Adresse und der Rest wird erledigt!!!

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Die Plauener sind ja im allgemeinen keine Tierhasser, Also werden sich die Leute auch um diesen fiesen Waschlappen kümmern. Stellt bitte ein Foto ins Netz.

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Tja da haben wir uns ja den Nächsten Amokläufer gesichert was war den da jetzt die Erziehungsmaßnahme ??? das er den nächsten Monat 100.- weniger Kiffen und Saufen kann.

Und wenn es dann an die Gesundheit von andren Mitmenschen geht dann heißt es ” Das war in dem Fall Leider nicht vorher zusehen. Ganz ehrlich dem Kerl gehört aufgelauert und das Selbe angetan dauer stresstest im Gulli und im anschluss rauf aufs Hochhaus und dann soll er mal auf Beton auf Schlagen die100 € zahl ICH freiwillig

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Mit unseren Gesetzen ist der Täter immer auf der sicheren Seite. Die Erfahrung hab ich auch schon machen müssen. Arme Katze, naja vielleicht überfährt ihn ja jemand – aus Versehen. Geht Katzen ja oft so.

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Und dann ist das auch noch so eine Wurst. Ich hätte Lust, ihn in die Toilette zu stopfen…

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Die deutschen Richter, Staatsanwälte, Ermittlungsbehörden und insbesondere unser Rechtssystem sind noch kranker. irrer und gestörter als dieser Tierquäler. Deutschland schafft sich ab.

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Bringt mir dieses feige Dreckstück!

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Solche gestörte Personen sollten mit der gleichen Art gespült werden. Ich drücke gern.

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Der Richter muß wohl auch Katzenhasser sein und eine Gefühlslose Kreatur, sonst kann man so kein Urteil sprechen. Vielleicht wiederfährt Ihm auch mal so was wie dem Kater !

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an alle Schläger vom Alexanderplatz oder sonst wo. Hier habt ihr mal jemanden um den keiner trauern würde. Wer so etwas tut, vergreift sich auch an kleinen Kindern

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der ist eine gefühlskalte Bestie.

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den Kerl würde ich gerne mal live treffen.

Er und ich in einem Raum mit Toilette eingeschlossen. Mal sehen wer ertränkt wird.

Ach und die “Delphinjäger” können sehr gerne gleich mitkommen.

Unser Staat ist so ein Witz.

Tiere sind “Sachen” und Vergewaltiger und Pädos sind vergehen sich ja nur an einzelnen Personen, warum also mehr als Bewährungsstrafen?

HASS.

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So ein Kerl verdient die Todesstrafe

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Am besten man stopft ihn in die Kanalisation und spült ihn ab . Dann weiß er wie es sich anfühlt .

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Der feige Dreckwichser!!!!!!!

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Mein gott wieso heulen alle nur rum, ES IST NUR EIN TIER. ich bekomme ja auch keine strafe wenn ich eine pflanze ausreiße und das klo runter spüle. es ist und bleibt nun mal nur ein vieh…

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[Antwort:] Du solltest mir besser nicht begegnen sonst hänge ich dich mit einer Schlinge am Kopf an einem Baum auf. Dummes Stück Sch….

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Gleichem mit Gleichem vergelten da gibt es nichts zu Diskutieren.

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Oh, ich hätte da schon eine Strafe für ihn im Kopf.

das hat was mit einem Bambusstock , nackten Oberschenkeln und nacktem Rücken und einer Zahl zwischen 50 und 100 zu tun.

Den Rest kann man sich denken.

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So verhält sich die intelligenteste Spezies diese Planeten.

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Nachtrag, 26. Januar: Bild.de hat die Kommentarfunktion unter dem Artikel jetzt deaktiviert.

Parsifal, Fackellauf, Christian Wulff

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Die Absperrung in unseren Köpfen”
(queer.de, Norbert Blech)
Norbert Blech schreibt zur Berichterstattung über die Verhaftung eines Demonstranten am olympischen Fackellauf, so auch über unseren Text “Fackellauf und Fahnenfluch”. “Es ist natürlich in Ordnung, auf eine akkurate Berichterstattung zu pochen – und die Berichterstattung über LGBT in Russland ist gar nicht mal selten mangelhaft. Aber hier wird auf einer Petitesse herumgeritten, die an der eigentlichen Nachricht – Schwuler protestiert nicht grundlos gegen die homophobe Politik und Gesellschaft Russlands – nichts ändert.”

2. “Ein Star ist wunderbar!”
(tagesanzeiger.ch, Simone Meier)
Nach 16 Jahren beim gedruckten “Tages-Anzeiger” wechselt Simone Meier zum neuen Newsportal Watson.

3. “Wie die Presse Wulff zum Rücktritt zwang”
(cicero.de, Hans Mathias Kepplinger)
Hans Mathias Kepplinger offeriert eine alternative Deutung des Falls Christian Wulff: “Unter der Überschrift ‘Christian Wulff musste Uhr versetzen’ hätte stehen können: ‘Wulff zahlt seiner geschiedenen Frau und seiner Tochter 4.200 Euro Unterhalt im Monat. Deshalb hat er Schulden gehabt. Allerdings haben ihm gute Freunde aus der Klemme geholfen, darunter sein langjähriger Mentor, Egon Geerkens. Er hat ihm 90.000 Euro geliehen und einen günstigen Kredit für sein Haus vermittelt. Wulff hat Geerkens dafür seine Rolex und wertvolle Bücher als Sicherheit überlassen müssen’. Vermutlich hätten die Leser darauf ganz anders reagiert – mit Häme, Spott, Anteilnahme oder Respekt, aber kaum mit Ärger und Wut.”

4. “The Six Things That Make Stories Go Viral Will Amaze, and Maybe Infuriate, You”
(newyorker.com, Maria Konnikova, englisch)
Maria Konnikova untersucht die Frage, welche Aspekte Geschichten aufweisen, die häufig weiterverbreitet werden. “The irony, of course, is that the more data we mine, and the closer we come to determining a precise calculus of sharing, the less likely it will be for what we know to remain true. If emotion and arousal are key, then, in a social application of the observer effect, we may be changing what will become popular even as we’re studying it.”

5. “Zeitungsforscherin: ‘Nachfolgerfrage ist die Achillesferse der deutschen Verlage'”
(newsroom.de, Bülend Ürük)
Katharina Heimeier erforscht die Eigentümerstrukturen deutscher Zeitungsverlage: “Statt neue Konzepte zu entwickeln verwenden die Verleger alle Energie darauf, den Markt geschlossen zu halten, auf alten Privilegien zu beharren und hart zu sparen, um die gewohnten Renditen wenigstens halbwegs zu sichern.”

6. “Der Gralsraub von Bayreuth”
(faz.net, Christian Wildhagen)
Christian Wildhagen erinnert an den Januar 1914, als die urheberrechtliche Schutzfrist für die Oper “Parsifal” von Richard Wagner aufgehoben wurde: “Zu diesem Zeitpunkt war das Werk eine echte ‘Novität’. Lange vor Erfindung von Schallplatte, CD, DVD oder digitalem Streaming war ‘Parsifal’ in seiner Originalgestalt jahrzehntelang, seit der Uraufführung 1882, wirklich nur in Bayreuth zu erleben gewesen, wobei die strikte Exklusivität erst recht die Neugier schürte und das Stück zum sagenumwobenen Mysterium für wenige Auserwählte erhob.”

Watson, Bravo, Kim Jong-un

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Offener Brief zur ZDF-Doku ‘Jäger in der Falle'”
(blog.natuerlich-jagd.de, Max Götzfried)
Jäger Max Götzfried beurteilt die Dokumentation “Jäger in der Falle” (zdf.de, Video, 28 Minuten) in 30 Punkten. “Das mir gegebene Versprechen, neutral zu recherchieren und ausgewogen zu berichten, haben Sie meiner Ansicht nach nicht gehalten. Jäger können durchaus mit Kritik umgehen und sie kontern – wenn man sie lässt.”

2. “‘Bin dafür, keine Bilder mehr von Kim Jong-un zu zeigen'”
(derstandard.at, Teresa Eder)
Als Abnehmer von Bildern der staatlichen Bildagentur Nordkoreas finanzierten westliche Medien das Militärsystem indirekt mit, sagt Fotograf Luca Faccio. “Ich bin dafür, keine Bilder mehr von Kim Jong-un zu zeigen.”

3. “Das wundersame Wachstum der Print-Leser”
(meedia.de, Jens Schröder)
In den letzten vier Jahren stieg die Leserzahl von “Computer Bild Spiele” um 40’000. “Im selben Zeitraum – den vier Jahren zwischen den IVW-Quartalen IV/2009 und IV/2013 ging die verkaufte Auflage des Magazins aber um fast 63% (!) zurück. (…) Angesichts der Leserzahl von 2,04 Mio. müssten sich also im Durchschnitt etwa 20 Leute eine Computer Bild Spiele teilen. Wer soll solche Zahlen noch glauben?”

4. “Hat die renovierte ‘Bravo’ eine Zukunft?”
(ndr.de, Video, 6:29 Minuten)
Die verkaufte Auflage der Jugendzeitschrift “Bravo” sinkt von 620’000 (2003) auf 190’000 Exemplare (2013). Daran kann auch auch ein Relaunch und ein junges Redaktionsteam nichts ändern.

5. “Watson – ein Bild-HuffPost-Buzzfeed-Mix”
(ausgeheckt.com, Julian Heck)
Das neue Newsportal Watson präsentiere “klassischen Nachrichtenjournalismus”, “ein bisschen Buzzfeed-Style”, “Geschichten in grandioser Aufmachung”.

6. “Schlagzeilenbasteln (6)”
(topfvollgold.de, Moritz Tschermak)
Die “Hurra!”-Rufe des “Goldenen Blatts”.

Küss mich, wo die Sonne nie scheint

Peking und andere chinesischen Metropolen leiden mal wieder unter extremer Luftverschmutzung. Aber Smog Not macht ja bekanntlich erfinderisch:

Peking versinkt im Smog - Jetzt scheint die Sonne von Bildschirmen! - Am späten Nachmittag lässt die Regierung den Sonnenuntergang auf Bildschirmen untergehen

Smogalarm in Peking: Die 12-Millionen-Metropole versinkt in Abgasen. Sogar die Sonne kommt kaum durch den dichten Dunst. Die chinesische Regierung lässt bereits auf öffentlichen Bildschirmen und Displays die Sonne auf und untergehen.

Auch der “Express” berichtet …

Auf den großen Bildschirmen, die sonst für touristische Sehenswürdigkeiten werben, werden jetzt virtuelle Sonnenaufgänge gezeigt.

… ebenso wie Blick.ch

Damit die Bürger nicht vergessen, wie schönes Wetter aussieht, hat man nun auf den Bildschirmen am Platz des himmlischen Friedens in Peking die Bilder angepasst.

… die “Berliner Morgenpost”

So installierte die Regierung am Tiananmen-Platz eine riesige LED-Wand, um Licht ins derzeitige Dunkel der 20-Millionen-Einwohner-Metropole zu bringen.

… und “Spiegel Online”:

Ein gigantischer LED-Schirm auf dem Tiananmen-Platz in Peking zeigt einen virtuellen Sonnenaufgang. […] Die Menschen strömen mit Schutzmasken über Mund und Nase zu den großen Plätzen der Stadt, dorthin, wo große Bildschirme normalerweise touristische Sehenswürdigkeiten bewerben. Nur hier können die Chinesen in diesen Wochen einen Sonnenball erblicken.

Auch in internationalen Medien fand die kuriose Geschichte vom virtuellen Sonnenauf- bzw. -untergang (so ganz können sich die Journalisten da nicht einigen) reichlich Beachtung.

In die Welt gesetzt wurde die Meldung von der nicht gerade für ihre Zuverlässigkeit bekannte “Daily Mail”, was aber niemanden der abschreibenden Journalisten gestört hat. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass der “Daily Mail”-Reporter gar nicht in Peking sitzt, sondern in New York. Oder dass die Bildschirme schon seit 2009 auf dem Platz stehen. Oder das Logo der Touristen-Behörde der Provinz Shandong, das man bei etwas näherer Betrachtung unten rechts auf dem Bildschirm erkennen kann — und das nicht ohne Grund dort zu finden ist.

Denn das Sonnen-Video hat in Wirklichkeit einen ganz anderen Hintergrund, wie ein Journalist aus Peking berichtet:

Die Wahrheit ist, dass der Sonnenaufgang sicher weniger als zehn Sekunden zu sehen ist — als Teil einer Tourismus-Werbung für die chinesische Provinz Shandong. Die Werbung wird jeden Tag gespielt, das ganze Jahr über; unabhängig davon, wie schlimm die Verschmutzung ist. Der Fotograf hat das Foto einfach in dem Moment geschossen, als der Sonnenaufgang erschien.

(Übersetzung von uns.)

Der Autor verweist auf ein ähnliches Werbe-Video auf der offiziellen Tourismus-Website von Shandong, in dem ebenfalls viele Sonnenaufgänge zu sehen sind — und fährt fort:

Schande über alle Medien, die diese Farce verbreitet haben. China hat durchaus seine Probleme, doch die Medien haben bewiesen, dass sie viel zu sehr darauf aus sind zu kritisieren, nur um über den Schock-Faktor Klicks zu generieren. Pekings Verschmutzung ist schon schlimm genug ohne diese unehrliche Sensationsgier.

Time.com, “CBS News” und andere internationale Medien haben sich inzwischen korrigiert. Die deutschsprachigen Medien nicht.

Mit Dank an Lars A.

Nachtrag, 23. Januar: “Spiegel Online” hat den Text transparent korrigiert.

Blick, HNA, Freizeit Spass

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Warum merken die nichts?”
(topfvollgold.de, Moritz Tschermak)
Die Zeitschrift “Freizeit Spass” versucht, ein Statement der früheren Verlobten von Thomas Hitzlsperger einzuholen: “In 999.999 von einer Million Fällen geben die Regenbogenhefte ihren Berichterstattungsopfern null Chance zur Stellungnahme, bevor sie einen Kübel Schund über sie ausgießen. Und ausgerechnet dann, wenn sie jemanden mit ihren dämlichen Fragen am besten einfach in Ruhe lassen sollten, rufen sie an oder schreiben eine Mail.”

2. “‘Blick’ blitzt vor Bundesgericht ab”
(persoenlich.com)
“Blick” verliert in letzter Instanz gegen Sänger Michael von der Heide und muss ihm eine Genugtuung von 5000 Franken bezahlen: “Laut Gericht hat der ‘Blick’ von der Heide öffentlich der Lächerlichkeit preisgegeben und ihn als Homosexuellen sowie für seinen Misserfolg als Sänger verhöhnt.”

3. “Liebe Fans des BVB”
(facebook.com/BVBorussiaDortmund09)
Fußball: Borussia Dortmund dementiert verschiedene angebliche Zitate ihres Spielers Marco Reus: “Wir sind übrigens froh über jeden einzelnen Journalisten, der heute Morgen das Telefon in die Hand genommen und gefragt hat: ‘Könnt Ihr uns bestätigen, dass dieses Zitat so gefallen ist?’ Unsere Antwort war stets dieselbe: Nein.”

4. “Sit Back, Relax, and Read That Long Story—on Your Phone”
(theatlantic.com, Megan Garber, englisch)
Megan Garber beschäftigt sich mit dem Leseverhalten der Nutzer von Mobiltelefonen.

5. “Start-ups im US-Journalismus: Sei das Medium!”
(carta.info, Christian Fahrenbach)
Unterschiede zwischen Journalistenschulen in Deutschland und in den USA: “Der Gedanke, selbst das Medium zu werden, steht seltener auf dem Lehrplan – dabei ist gerade das leichter als je zuvor.”

6. “Anklage gegen HNA-Redakteure”
(lokalzeitungskritik.de, L. Kiepe)
Zwei Redakteure der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen sind angeklagt, unerlaubterweise aus Ermittlungsakten zitiert zu haben. Die beteiligten Journalisten seien zu loben, findet Lukas Kiepe: “Mit ungebrochenem Elan, Ausdauer und schier unerschöpflicher Geduld berichtet die Kasseler Lokalzeitung seit Jahren über Missstände in der Justizvollzugsanstalt Wehlheiden.”

Post aus Karlsruhe

Das Bundesverfassungsgericht muss sich zwar öfter mal mit Härtefällen herumschlagen, doch vor Kurzem kam es so richtig dicke für die obersten Richter. Denn diesmal ging es um die gedruckten Gedanken von Franz Josef Wagner.

Der Brief, mit dem sich das Gericht befasst hat, stammt aus dem Jahr 2007 und richtete sich an die “Liebe Latex-Landrätin” Gabriele Pauli. Kurz zuvor war in der (inzwischen eingestellten) “Park Avenue” eine Fotoserie erschienen, in der die ehemalige CSU-Landrätin mit Lackhandschuhen posierte. Das gefiel Wagner ganz und gar nicht. Er schrieb:

Die Fotos sind klassische Pornografie. Der pornografische Voyeur lebt in der Qual, Ihnen die Kleider vom Leib zu reißen. Kein Foto löst in mir den Impuls aus, Sie zu lieben bzw. zärtliche Worte mit Ihnen zu flüstern. Kein Mann liebt eine Frau in einem Porno-Film.

Er fragte: “Warum machen Sie das? Warum sind Sie nach Ihrem Stoiber-Triumph nicht die brave, allein erziehende Mutter geblieben?” — und antwortete selbst:

Ich sage es Ihnen: Sie sind die frustrierteste Frau, die ich kenne. Ihre Hormone sind dermaßen durcheinander, dass Sie nicht mehr wissen, was wer was ist. Liebe, Sehnsucht, Orgasmus, Feminismus, Vernunft.

Sie sind eine durchgeknallte Frau, aber schieben Sie Ihren Zustand nicht auf uns Männer.

Pauli klagte gegen diese Äußerungen und bekam in erster Instanz recht: Das Landgericht Traunstein entschied 2012, Wagner habe in seinem Brief die “Grenze zur Schmähkritik” überschritten. Eine Geldentschädigung bekam Pauli aber nicht zugesprochen.

Nachdem beide Parteien Berufung eingelegt hatten, wies das Oberlandesgericht München Paulis Klage im Herbst 2012 jedoch ganz ab: Wagners Äußerungen seien von der Meinungsfreiheit gedeckt, begründeten die Richter.

Das sieht man in Karlsruhe anders. Nach Ansicht der Verfassungsrichter handelt es sich bei dem Brief “um einen bewusst geschriebenen und als Verletzung gewollten Text”. Wagner ziele mit seinen Formulierungen bewusst darauf ab, Pauli “nicht nur als öffentliche Person und wegen ihres Verhaltens zu diskreditieren, sondern ihr provokativ und absichtlich verletzend jeden Achtungsanspruch gerade schon als private Person abzusprechen”. Daher könne sich hier “die Meinungsfreiheit nicht durchsetzen”.

Das Oberlandesgericht muss nun erneut über den Fall entscheiden.

Mit Dank auch an Christos, Mirko V. und Felix R.

AP  etc.

Fackellauf und Fahnenfluch

Beim olympischen Fackellauf in Russland ist am Wochenende ein Mann festgenommen worden. Den Grund dafür beschreibt die Nachrichtenagentur AP so:

Ein homosexueller Aktivist ist bei dem Staffellauf mit der olympischen Fackel in Russland festgenommen worden, weil er eine Regenbogenfahne zeigte. Von seinen Freunden ins Internet gestellte Fotos zeigen Pawel Lebedew, wie er die Fahne herausholt und dann von Sicherheitsleuten überwältigt wird.

Viele deutsche Medien griffen die Meldung auf:
Schwuler Demonstrant bei Olympia-Fackellauf festgenommen - Bei einem Staffellauf mit der olympischen Fackel ist ein homosexueller Aktivist festgenommen worden. Er hatte am Rande der Strecke eine Regenbogenfahne gezeigt.

(Screenshot: abendblatt.de)

In den Artikeln entsteht der Eindruck, als hätten die Sicherheitskräfte den Mann plötzlich in der Menge entdeckt und sofort festgenommen — nur “weil er eine Regenbogenfahne zeigte.”

Was der Leser aber nicht erfährt: Es gibt noch mehr Fotos von dem Vorfall. Und die legen einen etwas anderen Schluss nahe. Denn der Aktivist hat die Flagge nicht etwa nur “am Rande der Strecke” gezeigt, sondern die Absperrung durchbrochen:Screenshot: https://vk.com/wall-38905640_219636?&offset=20Screenshot: https://vk.com/wall-38905640_219636?&offset=20Screenshot: https://vk.com/wall-38905640_219636?&offset=20Screenshot: https://vk.com/wall-38905640_219636?&offset=20

Auch eine Sprecherin der Aktivistengruppe erklärte später:

“[Lebedew] wurde festgenommen, weil die Straße für den Fackellauf gesperrt war und niemand vor die Absperrung durfte.”

(Übersetzung von uns.)

Die Regenbogenflagge war in diesem Fall also offensichtlich doch nicht der (alleinige) Grund für das Einschreiten der Sicherheitsleute — auch wenn so etwas durchaus zu Putins Umgang mit Homosexuellen passen würde.

Mit Dank an Uwe S.

Nachtrag, 23. Januar: Queer.de hat sich kritisch mit unserem Beitrag auseinandergesetzt: “Die Absperrung in unseren Köpfen”

Kabul, Todesspiel, Expertenwesen

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Der 2014-Reflex”
(blog.zeit.de/kabul, Ronja von Wurmb-Seibel)
Der Anschlag auf das Restaurant Taverna in Kabul. “‘Mehrere Deutsche in Kabul getötet’, lese ich im Google-Teaser von faz.net. Ich erschrecke. Weil es bedeuten würde, dass ich wahrscheinlich einen der Toten kenne.”

2. “Das Internet ist nicht kaputt”
(faz.net, Oliver Georgi)
Oliver Georgi antwortet auf einen Artikel von Sascha Lobo: “Durch Edward Snowden, das ist sein großes Verdienst, ist Sascha Lobo, sind wir alle lediglich in der digitalen Realität angekommen.”

3. “Das Ende der allwissenden Fachleute”
(netzwertig.com, Martin Weigert)
“Das Internet ist mitverantwortlich dafür, dass das Expertenwesen heute stärker in Frage gestellt wird als im vergangenen Jahrhundert”, schreibt Martin Weigert. “Die Öffentlichkeit hat gelernt, dass ein Dr. oder ein Prof. vor dem Namen genauso wenig den Wahrheitsgehalt einer wissenschaftlichen Feststellung oder einer scheinbar fundierten Prognose garantiert wie Dekaden in einer bestimmten Branche.”

4. “Schlüpfrige Panne bei SRF-Untertiteln”
(werbewoche.ch)
Die Sendung “Sport Aktuell” des Schweizer Fernsehens wird mit Untertiteln des Spielfilms “Jungfrau (40), männlich, sucht” ausgestrahlt.

5. “Es wird nicht lange dauern”
(freitag.de, Matthias Dell)
Matthias Dell bespricht die “Tatort”-Folge “Todesspiel”: “Das Schwierige bei diesem allerhöchsten Lob, das auf Todesspiel formuliert werden muss, ist die Frage: Wo anfangen?”

6. “Der Mann aus dem Wald”
(fr-online.de, Gesa Fritz)
Ein Mann, der seit zwei Jahren in einem Wald bei Wiesbaden lebt: “Paul H. investiert viel Zeit, um den Schein zu wahren. Er ist bekannt in der Stadt, niemand soll sein Scheitern auch nur erahnen. Er erzählt, wie er im Wald seine Wäsche schrubbt, sie an Kleiderbügeln trocknet. ‘Nass aufgehängt, unten mit Gewichten beschwert, wird sogar mein lachsfarbenes Hemd glatt.'”

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