Medienwandel, Medienkritik, Missbrauch

1. “#Lügenpresse: ‘Sagen Sie einfach die Wahrheit!'”
(watson.ch, Hansi Voigt)
Hansi Voigt hält eine Festrede zum Journalismus in Zeiten des digitalen Wandels: “Wenn alles zur Halbwahrheit wird, droht die Gefahr, dass immer die falsche Hälfte geglaubt wird. Und wenn ich niemandem mehr glauben kann, ist die Folge des Informationszeitalters nicht absolute Aufklärung, sondern absolute Ohnmacht.”

2. “Sterben, um zu leben?”
(gutjahr.biz)
Seinen Glauben daran, “dass wir das wieder hinbekommen mit dem Journalismus, der uns alle ernährt”, hat Richard Gutjahr verloren: “Ich bin mir sicher: Die großen Entlassungswellen stehen uns noch bevor. Und selbst wenn sich die Lage eines Tages wieder stabilisiert – es werden wohl kaum jemals wieder so viele Journalisten benötigt, wie einst, im goldenen Print-Zeitalter.”

3. “ARD und ZDF sehen rot”
(nzz.ch, Christoph Eisenring)
Auch Christoph Eisenring betrachtet den Medienwandel und beschreibt unter anderem Reaktionen auf die Forderung zur Abschaffung der Öffentlich-rechtlichen. “Die Krise des herkömmlichen Verlagsgeschäfts ist ein Beispiel für das, was der Ökonom Joseph Schumpeter als ‘kreative Zerstörung’ bezeichnet hat: Neue Ideen – auch von nicht gewinnorientierten Firmen – brechen sich Bahn, Altes wird verdrängt. Das ist kein ‘Systemfehler’, sondern notwendig, damit Neues entstehen kann.”

4. “Kritik der Kritik der Kritik”
(blog.dasmagazin.ch, Thomas Zaugg)
“Dieser Tage” sei jeder Journalist “ein twitternder Journalistenfresser”, klagt Thomas Zaugg, Medienkritik “oft das am schnellsten und am billigsten hergestellte Produkt”: “Wie finden wir den Ausgang aus dieser Matrix des Medienbashings? Wir sollten zuallererst die Verrichtungsboxen meiden und aufstehen gegen Arbeitsumstände, die uns in sie hineinzwängen. Und wir müssen den Empörungszyklus mit gezieltem Schweigen durchbrechen. Natürlich darf man andererseits nicht aufhören, ständig an sich selbst zu verzweifeln.”

5. “‘Breaking Bad’, ‘Lilyhammer’ & Co.: Über die Schwierigkeit, heutzutage Fernsehserien aus den USA zu besprechen”
(medienkorrespondenz.de, Dietrich Leder)
Dietrich Leder fragt nach dem idealen Zeitpunkt einer Besprechung: “Soll man über eine neue Serie schreiben, wenn sie zunächst bei einem der diversen Pay-TV-Sender zu sehen ist, die nur eine sehr eingeschränkte Zuschauerschaft haben? Oder soll man erst dann über diese Serie schreiben, wenn sie in einem frei zugänglichen Programm ausgestrahlt wird? Oder nur in dem Fall, wenn es sich dabei um ein Vollprogramm handelt?”

6. “Das Zurschaustellen der eigenen Kinder im Internet ist Missbrauch”
(tagesspiegel.de, Caroline Fetscher)
Caroline Fetscher hält die Publikation von Aufnahmen von Kindern für Missbrauch: “Wie würde man es als Erwachsener finden, wenn solche Szenen aus der Kinderzeit von einem selber weltweit abrufbar wären? Wie könnten juristische Langzeitfolgen aussehen, wenn die unfreiwillig zu digitalen Hofzwergen Gemachten eines Tages Entschädigung verlangen, oder immerhin Erklärungen für solches Vorgehen Erwachsener gegen Kinder, das klar gegen Artikel 1 des Grundgesetzes verstoßen dürfte.”

Leserreporter, IVW, Slow-TV

1. “Leser-Reporter sind eine Plage”
(heise.de, Sascha Steinhoff)
Sascha Steinhoff schreibt über Leserreporter: “Bild bewirbt die hauseigene Fotocommunty 1414 offensiv mit Verdienstmöglichkeiten. Seit dem Jahr 2006 hat die Bild eigenen Angaben zufolge 22.000 Bilder aus der Community im Print und Online veröffentlicht und dafür 3,2 Millionen Euro bezahlt. Für eine Veröffentlichtung gibt’s im Schnitt also rund 150 Euro, nicht wenige Profis verdienen mit einem Bild weniger. Der Leser-Reporter ist eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte für beide Seiten. Für besonders wertvolle Leserbeiträge hat die Bild neulich erst goldene Handys (iPhone, 699 Euro) ausgelobt.”

2. “Kein Ende in Sicht: die IVW-Tricks der Nachrichten-Websites”
(meedia.de, Jens Schröder)
Wie deutsche Nachrichtenseiten bei der IVW-Zählung fremde Seiten mitzählen lassen: “Das ist legal, für die Transparenz der Zahlen aber ärgerlich. Neuester Fall: Zeit Online nutzt das Spektrum der Wissenschaft, um Süddeutsche.de zu überholen.”

3. “‘Ich muss mich nicht rechtfertigen'”
(persoenlich.com, Roger Schawinski)
Roger Schawinski beobachtet, wie Journalisten reagieren, wenn sie selbst in die Kritik geraten: “Die meisten Journalisten sind es eben nur gewohnt, auf die Pauke zu hauen, wenn sie einer heissen Story hinterherhecheln. Wenn aber ausnahmsweise ihre Arbeit öffentlich hinterfragt wird, reagieren sie oft panisch, weil sie in ihrem Selbstverständnis eine solche Rolle nicht internalisiert haben. Sie sehen sich als Kritiker und nicht als persönlich Kritisierte.”

4. “Zahlreiche Medien berichten falsche Schlepperzahlen”
(kobuk.at)
Österreichische Medien berichten fälschlicherweise von einer Verzehnfachung von aufgegriffenen Syrern gegenüber 2013. Der Fehler stammt aus dem Schlepperbericht des Bundeskriminalamts.

5. “Jetzt mal langsam”
(freitag.de, Lennart Laberenz)
Der Erfolg von Slow-TV-Formaten in Norwegen: “Die Nationale Stricknacht vom Freitag, dem 1. November 2013, bis zum Abend des darauffolgenden Samstags verfolgten eine Million Zuschauer live. Zwei Wochen später sahen sich ebenso viele Zuschauer eine dreistündige Einführung ins Holzspalten und –lagern an.”

6. “Politik – wie sie wirklich ist”
(opinion-club.com, Falk Heunemann)
Falk Heunemann lässt sich von der Arbeit von Ben Bloom inspirieren.

E-Zigaretten, Mario Mandzukic, Roger Köppel

1. “Verification Handbook”
(verificationhandbook.com, englisch)
Ein Handbuch zeigt auf, wie man Bilder, Videos und Inhalte verifiziert und wie man bei der Berichterstattung über Katastrophen und Notfällen vorgeht.

2. “Stellungnahme zum Bericht über die e-Zigarette von Frontal 21 (ZDF)”
(ismokesmart.de)
Der E-Zigaretten-Händler iSmokeSmart beschäftigt sich mit dem Frontal21-Beitrag “E-Zigaretten: Warnung vor Chemiecocktail” (zdf.de, Video, 7:20 Minuten): “Im Gegensatz zu den ca. 4000 chemischen Verbindungen (hiervon ca. 270 giftig und 70 krebserregend) im Rauch einer herkömmlichen Tabak-Zigarette, beinhalten die Liquids der e-Zigarette selbst jedoch nicht einen einzigen krebserregenden Stoff in gesundheitsschädlicher Konzentration – und auch nicht der Dampf nach sachgemäßer Anwendung der e-Zigarette.”

3. “Präsent: Polizeigewerkschaften in den Medien”
(ndr.de, Video, 5:56 Minuten)
Ein Blick auf die Polizeigewerkschaften, die in den Medien regelmässig mehr Polizei fordern.

4. “Roger Köppels Auftrag”
(nzz.ch, Christina Neuhaus)
Ein Porträt von Journalist Roger Köppel, der im Herbst für die Schweizerische Volkspartei SVP in das Schweizer Parlament einziehen möchte.

5. “Jurgen Klopp to quit Borussia Dortmund on July 1 – as it happened”
(telegraph.co.uk, Ben Bloom, englisch)
Ein britischer Reporter ohne Deutschkenntnisse tickert live von einer Pressekonferenz des Fußballvereins Borussia Dortmund: “I’d love to tell you what Klopp is saying. He is saying a lot. But I can understand precisely none of it. So here’s a photo of him pouring some water instead.”

6. “Soccer star sports reverse Hebrew tat”
(timesofisrael.com, Stuart Winer, englisch)
Eine Tätowierung des Fußballers Mario Mandzukic: “Once the bizarre lettering had been sorted out, it emerged that the tattoo aimed to proclaim ‘What doesn’t kill me makes me stronger,’ although spelling errors rendered the actual translation closer to the grammatically awkward ‘Which doesn’t to kill me, makes me stronger.'” Siehe dazu auch “Hebrew or gibberish? Soccer star’s faulty tattoo appears straight out of Google translate” (haaretz.com, englisch).

“Tja, bald ist Tröglitz halt überall”

Was ist das beste Kraftfutter für “Bild”-Redakteure und ihre Leser, wenn sie sich mal wieder so richtig über das europäische Schmarotzertum aufregen wollen?

Viele Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien wären gut. Noch besser: Zuwanderer aus den beiden Ländern, die in Deutschland keinen Job finden. Am besten wäre aber ein riesiger Zuwachs von Hartz-IV-Rumänen und Stütze-Bulgaren.

Et voilà:

Die Zahl stimmt sogar. Im März hat die Bundesagentur für Arbeit berichtet (PDF), dass seit der kompletten Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bulgaren und Rumänen die Summe der Hartz-IV-Empfänger aus den beiden Ländern angestiegen ist: von 45.260 im Dezember 2013 auf 83.082 ein Jahr später.

Europa und Hartz IV? Das ist was für Dirk Hoeren, „Bild“-Chefkorrespondent für irre EU-Verordnungen und erfahrener “Hartz-IV-Inspektor”. Hoeren hat also seinen Taschenrechner gezückt, Schnappatmung bekommen und seinen Gemütszustand am Mittwoch vergangener Woche in ein Ausrufezeichen gepackt:

ein Plus von 83,6 %!

Auf diesen Wert kommt die Bundesagentur für Arbeit ebenfalls. Sie schreibt aber auch:

Bei der Bewertung der starken prozentualen Anstiege ist zu berücksichtigen, dass die absoluten Ausgangszahlen sehr klein sind […].

Dazu kommt: Hoeren lässt bei seiner “Bewertung” völlig außer Acht, dass im gleichen Zeitraum reichlich zugezogene Rumänen und Bulgaren einen Arbeitsplatz gefunden haben, oft sogar einen sozialversicherungspflichtigen (Stand Dezember 2014: 199.976). Das erfahren die Leser ganz am Ende von Hoerens Artikel zwar auch — wenn sie bis dahin vor lauter Empörung überhaupt durchgehalten haben.

Wie tendenziös die Wahl der 83,6-%-Schlagzeile ist, soll ein kleines Rechenbeispiel zeigen: Nehmen wir mal an, Dirk Hoeren schreibt im April zehn „Bild“-Artikel. In einem davon reißt er Zahlen so aus dem Zusammenhang, dass sie für seine Stimmungsmache gegen Rumänen und Bulgaren bestens passen. Im Mai darf Hoeren stolze 100 Artikel schreiben. Dieses Mal bekommt er es hin, in zweien davon die entscheidenden Zahlen wegzulassen, um wieder ordentlich gegen Zuwanderer zu wettern. Hat sich seine Hetzer-Quote jetzt um 100 Prozent gesteigert?

Natürlich nicht. Und so müsste die Rechnung zu den Hartz-IV-Empfängern aus Bulgarien und Rumänien auch anders aussehen: Als Basis müssten alle Bulgaren und Rumänen herangezogen werden, die in Deutschland leben. Und auf dieser Grundlage kann man dann den Anteil der Hartz-IV-Empfänger berechnen.

Das Ergebnis (PDF): im Dezember 2013 waren es 10,9 Prozent, im Dezember 2014 15,4 Prozent — ein sattes Plus von 4,5 Prozentpunkten. Damit machen Bulgaren und Rumänen gerade mal 1,4 Prozent aller in Deutschland lebenden Hartz-IV-Empfänger aus.

Für all diese mickrigen Zahlen war in Dirk Hoerens Artikel natürlich kein Platz mehr. Sonst hätte das Stimmungsbarometer womöglich auch nicht so schön eindeutig ausgesehen:

Und in welche Richtung diese Wut zielt, ist auch klar:

Tja, bald ist Tröglitz halt überall. Nur weiter so liebe Politiker!

Mit Dank an Mau Mue.

Show-Gipfel, Vice, Do Not Track

1. “Die Letzten machen das Licht aus”
(faz.net, Oliver Jungen)
Oliver Jungen besucht den “Show-Gipfel 2015” in Köln: “Hunderte zum Verwechseln ähnliche Formate werden zurzeit in einzelnen Märkten getestet. Es ist ein Graus.”

2. “Ebola-Kannibalen in Liberia”
(zeit.de, Felix Stephan)
Felix Stephan beschäftigt sich mit dem Erfolg von “Vice”: “Vice nimmt die Perspektive des regular dude ein, des normalen Typen, was jegliches Erkenntnisinteresse quasi im Vorhinein ausschließt, schließlich läuft der regular dude ständig Gefahr, durch plötzliche Verständnisschübe zu einem überdurchschnittlich informierten, enervierend differenzierenden irregular dude zu werden.”

3. “Nichtssagende Propagandaschau für Extrem-Spätgebärende”
(tagesspiegel.de, Richard Weber)
Richard Weber schaut die RTL-Sendung “Extra” zur Schwangerschaft einer 65-Jährigen: “Keine unpassenden Antworten dürfen die Idylle stören. 27,30 Minuten dauert diese Mutterkreuz-Propagandaschau für Extrem-Spätgebärende.”

4. “Leif Kramp: Öffentlich-rechtliche Inhalte brauchen Archivierungs-Pflicht”
(irights.info, Henry Steinhau)
Leif Kramp will die Öffentlich-rechtlichen verpflichten, ihre Inhalte “an eine externe Sammlungseinrichtung zur systematischen öffentlichen Überlieferungsbildung” abzuliefern. “Für die – freiwillige – Hinterlegung von Filmen ist das Bundesarchiv zuständig – immerhin. Doch für das Fernseh- und Radioerbe fühlt sich der Staat nicht verantwortlich, hier ist die Überlieferung im sprichwörtlichen Sinne auf Gedeih und Verderb den Sendern überlassen.”

5. “Es ist jedes Mal wieder unfassbar, wie viel Falsches die Bild in 36 Zeilen Text unterbringen kann”
(facebook.com, Thomas Kuhn)
Thomas Kuhn korrigiert einen kurzen “Bild”-Bericht.

6. “Do Not Track S01E01: Morgenrituale”
(donottrack-doc.com)
Siehe dazu auch “S01E02: Breaking Ad”.

Newtopia, Annegret R., Harald Welzer

1. “Scripted Entertainment: Talpa demontiert ‘Newtopia'”
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Die Sat.1-Sendung Newtopia: “Seit vergangener Nacht ist jetzt dokumentiert, was in der Branche ohnehin niemanden überrascht: In der Praxis ist ‘Newtopia’ Scripted Entertainment. Wenn das erklärte Ziel der Sendung darin bestand, zu erfahren, ob die für das Format ausgewählten Pioniere im Alleingang eine neue Gesellschaft aufbauen können, dann lässt sich an diesem 13. April sagen: Experiment gescheitert.”

2. “Vulkanasche auf das Haupt des ORF”
(kobuk.at, Moriz Büsing)
Die Nachrichtensendung “Zeit im Bild” berichtet über einen angeblich aktuellen Vulkanausbruch in Island: “Die Bilder sind zwar echt, aber schon ziemlich alt. Dasselbe Bildmaterial wurde schon im November 2014 auf Youtube veröffentlicht.”

3. “Wie RTL die Vierlings-Schwangerschaft vermarktet”
(tagesspiegel.de, Maria Fiedler)
RTL berichtet exklusiv über die Schwangerschaft einer 65-jährigen Frau: “Mit anderen Medien darf Annegret R. nicht sprechen, das ist vertraglich so vereinbart. Sprecher Bolhöfer bestätigte, dass es für Annegret R. einen ‘finanziellen Ausgleich, eine Aufwandsentschädigung’ gebe.”

4. “Journalismus – Dienst an der Gesellschaft”
(br.de, Video, 15 Minuten)
Teil 1 einer sechsteiligen Serie zur Medienethik mit Zuschauerinterviews, Immanuel Kant, Horst Köhler, dem “Spiegel”-Urteil des Bundesverfassungsgerichts und dem Empörungsjournalismus.

5. “‘Journalisten hängen an Klickzahlen wie Junkies an der Nadel'”
(osk.de/blog)
Ein Interview mit Journalist Lars Wienand: “Aufgebauschte Un-Skandale in einer an Informationen überbordenden Welt führen zum Empfinden, dass ‘die Medienmenschen’ in einer abgehobenen Welt leben. Ich spreche hier nicht einmal von unsauberem Journalismus, sondern von Prioritätensetzung bei knappen Ressourcen.”

6. “‘Einfach mal Löcher in die Luft starren!'”
(berliner-zeitung.de, Joachim Frank)
Ein Interview mit Harald Welzer: “Wir bejubeln jede beschissene App oder den Fernseher, der auf Sprachkommandos reagiert. Aber zugleich sind wir empört über Angriffe auf unsere Privatsphäre, obwohl wir den Angreifern Tür und Tor öffnen. (…) Es wäre doch Micky-Maus-Denke, anzunehmen, dass eine Veränderung der Verhältnisse an einem so entscheidenden Punkt zu haben wäre, ohne einen Preis dafür zu bezahlen. Widerstand kostet. Schlimmstenfalls das Leben, wie wir aus der Geschichte wissen. Uns hingegen erscheint es schon als zu teuer bezahlt, wenn wir auf Whatsapp verzichten sollten. Obwohl wir wissen, dass wir uns mit jeder Message einer Totalüberwachung ausliefern.”

Die mit den virtuellen Wölfen tanzen (2)

Journalismus kann so einfach sein.

Bei „Focus Online“ zum Beispiel. Ein Mitarbeiter stößt irgendwo auf ein tolles Video, …

Youtube-Video mit dem Titel 'Wolves Attack Police Officer!!!'

… lädt es bei „Focus Online“ hoch, …

Das gleiche Video, diesmal bei 'Focus Online'

… schreibt ein paar Sätze dazu, …

Eine ganz normale Straßensperre in Russland: Ein Auto wird aufgehalten, weil es nur einen funktionierenden Scheinwerfer hat. Während der Polizist noch mit dem Fahrer redet, taucht plötzlich ein Rudel Wölfe aus dem nichts auf. Gerade noch kann sich der Polizist retten.

… denkt sich eine “Focus Online”-würdige Überschrift aus, …

Das muss passieren, wenn man kein Bußgeld zahlen will

… fertig!

Vermeiden sollte man bei dieser Form des Journalismus natürlich jegliche Recherche, sonst könnte sich ja zum Beispiel zeigen, dass das Video ein vier Jahre alter Fake ist und als Teil einer Wodka-Werbekampagne verbreitet wurde und dass schon andere Medien darauf reingefallen sind.

Wobei wir uns in diesem Fall nicht ganz sicher sind, ob „Focus Online“ den Fake nur aus Recherchefaulheit verbreitet oder gar mit Absicht. Die Tags unter dem Video lauten:

Rusland[sic], Schwindel, Polizei, Rettung, Wölfe

Mit Dank an Leo und Stefan G.

Nachtrag, 14. April: Inzwischen weisen die Leute von “Focus Online” im Artikel darauf hin, dass es sich um einen Fake handelt. Den eigenen Fehler erwähnen sie dabei konsequent — nicht.

Nachtrag, 23. Dezember: Der Presserat hat “Focus Online” für den Artikel öffentlich gerügt.

Scheidenpilz, Ronja Von Rönne, Walter Scott

1. “Boykott am Kiosk”
(deutschlandfunk.de, Murat Koyuncu)
Murat Koyuncu holt Statements ein zum “Bild”-Boykott einiger Zeitungsverkäufer.

2. “Die stärkste Zeitung der Schweiz und Sexismus”
(flugangstweb.wordpress.com, Anne-Sophie Keller)
Anne-Sophie Keller schreibt einen offenen Brief an Blick.ch-Chefredaktor Rüdi Steiner und Blick.ch-People-Ressortchef Dominik Hug: “Ich finde nicht, dass ein Scheidenpilz Bestandteil des öffentlichen Interesse ist.”

3. “Aufräumen nach dem Shitstorm, 1. Teil”
(fembio.org, Luise F. Pusch)
Durch die Übernahme ihrer Kolumne auf Emma.de wird Luise F. Pusch für Sätze kritisiert, die sie gar nicht geschrieben hatte: “Fünf Sätze, die nicht von mir sind, mir aber im Shitstorm und in den Medien dauernd vorgeworfen wurden.”

4. “I dont even know what to say”
(facebook.com/rroenne)
“Welt”-Journalistin Ronja Von Rönne befasst sich mit einer Kritik (Nachtrag) auf ihren Text “Warum mich der Feminismus anekelt”.

5. “Should You Watch the Video?”
(newyorker.com, Philip Gourevitch, englisch)
Sollte man sich das Video, das die Schüsse auf Walter Scott zeigt, ansehen? “This is uncharted territory, and it is not insignificant that Walter Scott’s family has expressed gratitude that the video exists. So we are, to some degree, our own editors when we choose to click or not.”

6. “Big Jack und die Ja!-Quark-Lady”
(schnipselfriedhof.de, Volker Strübing)
Volker Strübing schreibt über arme Menschen: “Meinen ersten Bettler sah ich live als ich 18 war, am 10.11.1989 bei meinem zweiten Besuch in Westberlin und ich war geschockt, obwohl ich natürlich wusste, dass es sie gab. Heute gehe ich jeden Tag an was weiß ich wievielen vorbei und muss mich zusammenreißen, um nicht aufzustöhnen und mit den Augen zu rollen, wenn der dritte Motzverkäufer in die S-Bahn steigt. Das Elend nutzt sich ja auch irgendwann ab, und überhaupt, ich habs weiß Gott auch nicht leicht und dann sind da ja auch noch die sprichwörtlichen Kinder in Afrika, die froh wären, wenn sie sich mit ein paar leeren Flaschen so einen schönen Ja!-Quark verdienen könnten.”

Erdogan, Tillich, Mediapart

1. “Medien-Analyse zum Germanwings-Absturz”
(munich-digital.com)
Munich Digital wertet Soziale Medien zum Absturz von Germanwings-Flug 9525 aus: “Rund die Hälfte aller auf den Facebook-Pages der überregionalen Tageszeitungen in der Woche vom 24.03.-31.03. veröffentlichten Kommentare enthält Kritik an der Berichterstattung. Dabei waren 795 der insgesamt 904 kritischen Kommentare negativ-destruktiver Natur (ca. 88%), d.h. nur verneinend und die Schuld einzig beim Medium selbst suchend. Dabei beziehen sich die Kommentare am häufigsten auf das journalistische Niveau: Sogar vermeintliche Qualitätsmedien wie die FAZ oder die ZEIT werden in diesem Zusammenhang als sitten- und pietätlos bezeichnet.”

2. “Bilder einer Hinrichtung”
(djv.de, Hendrik Zörner)
Hendrik Zörner weist hin auf ein Video, das er als “Hinrichtung des US-Bürgers Walter Scott durch einen Polizisten” bewertet. “Der entscheidende Unterschied zu früheren Gewaltbildern besteht darin, dass nicht nur die Darstellung der Schüsse, sondern auch die Existenz des Amateurvideos dem Fall in den USA Bedeutung verleihen. Denn weil ein Bürger gefilmt hatte, konnte der Polizist der Falschaussage überführt und wegen Mordes angeklagt werden. Das dürfte denn auch der Grund sein, warum sich hierzulande niemand über die Ausstrahlung des Streifens aufregt. Hoffentlich.”

3. “So zerstört Erdogan die Demokratie”
(faz.net, Hidayet Karaca)
Hidayet Karaca schreibt einen Brief “aus seiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt Nr.6” in Silvri. Staatspräsident Erdogan und seine Regierung führe eine Hexenjagd über die Medien, über die sie direkt oder indirekt herrschen: “Die Medien müssten die wichtigste Stütze für das Recht auf Information bilden, aber sie werden zu einem beträchtlichen Teil unter die Kontrolle der Regierung gestellt, die oppositionellen unter ihnen werden isoliert und wirtschaftlichem Druck ausgesetzt.”

4. “Wie ‘Mediapart’ unabhängigen Journalismus im Netz vormacht”
(get.torial.com/blog, Tobias Gillen)
Die französische Website Mediapart verzichtet auf Werbung und finanziert sich mit Abonnements: “107.000 Abonnenten zählt sie, macht damit im vergangenen Jahr 8,8 Millionen Euro Umsatz, 1,4 Millionen Euro Gewinn. Und auch die Belegschaft wächst stetig: Waren es 2008 noch 30 Beteiligte, sind es Ende 2014 immerhin 25 mehr.”

5. “‘Einem reicht’s jetzt’ – zum ‘Mopo’-Bericht über das FB-Profil des Ministerpräsidenten”
(flurfunk-dresden.de, owy)
Hintergründe zum einem Bericht der “Morgenpost Sachsen” über Bedrohungen auf dem Facebook-Profil von Stanislaw Tillich, dem Ministerpräsident von Sachsen.

6. “Wie ertragen die Eltern des Amokjournalisten das bloß”
(youtube.com, Video, 2:43 Minuten)

Hochschlafen, RBB, Rhein-Zeitung

1. “Zufall, Schuld, Depression”
(zeit.de, Thomas Fischer)
Die Behauptung der Medien, bei einem Unglück komme es nun “auf höchste Geschwindigkeit der Aufklärung an”: “Das mag vielleicht im Einzelfall einmal zutreffen, wenn es um offenkundig vom Einzelfall unabhängige Zusammenhänge geht. In der Regel ist die Behauptung aber ebenso falsch wie nutzlos und im Übrigen eher zynisch: Sie behauptet, für die Angehörigen der Opfer zu sprechen. Das ist nicht zutreffend. Ich bin in meinem Leben mehrfach mit dem plötzlichen Tod von Angehörigen oder Freunden konfrontiert worden. ‘Schnelligkeit’ der Ursachenklärung war wahrlich das Letzte, was ich in diesen Situationen erwartete.”

2. “Hochgeschlafen”
(nzz.at, Sara Hassan)
Sara Hassan befasst sich mit dem Vorwurf an erfolgreiche Frauen, sich “hochgeschlafen” zu haben: “Nehmen wir zwei Praktikanten an. Simon, 22, bekommt nie zu hören, was Valerie, 22, zu hören bekommt. Für Simon und alle um ihn herum ist es die normalste Sache der Welt, zu netzwerken. Valerie ist, wenn sie dasselbe tut, eine – pfui! – Karrieristin. Und, mehr noch, das Socializen hat unwillkürlich einen sexuellen Touch. Und ist plötzlich etwas Anstößiges. Eine junge, vielleicht sogar noch attraktive, Frau sitzt mit einem älteren Kollegen da – das Klischee ist perfekt, der Kontext plötzlich ein Date, und hier geht es nunmal ums Flirten und damit um Sex. Um den Einsatz erotischen Kapitals.”

3. “Warum subventioniert der RBB einen privaten Verlag?”
(opinion-club.com, Falk Heunemann)
Die Kooperation zwischen der öffentlich-rechtlichen RBB-Abendschau und der privaten “Berliner Morgenpost”: “Wenn der RBB nun journalistische Beiträge der Mopo zur Verbreitung überlässt, subventionieren damit die Gebührenzahler in Berlin und Brandenburg einen Verlag, der im harten Wettbewerb auf dem Berliner Zeitungsmarkt um neue Leser kämpft.”

4. “März 2015: Rhein-Zeitung.de mit 43 Prozent Minus. Fühlt sich dennoch gut an”
(blog.rhein-zeitung.de, Marcus Schwarze)
Die “Rhein-Zeitung” präsentiert Besucherzahlen nach Einführung einer Bezahlschranke: “369 Jahres-Web-Abos sind im Vergleich zu 170.000 Print-Abos gering. Allerdings darf man bei der Bewertung dieser Zahl nicht vergessen, dass sich auch 34.100 Abonnenten für unser Webangebot freigeschaltet haben.”

5. “Meinungsfreiheit: Generation Angst”
(novo-argumente.com, Jennie Bristow)
Jennie Bristow betrachtet die Meinungsfreiheit als Generationenfrage: “Von Kindesbeinen an werden junge Menschen ermutigt, sich auszudrücken, die eigene Identität zu entfalten und an Diskussionen über die Welt, in der sie leben, teilzunehmen. Aber die geforderte Selbstverwirklichung ist recht zerbrechlich. Bei Kritik hört sie in der Regel auf.”

6. “Vorstandschefs: ‘In der Sansibar bekommen die Ruhigen keinen Tisch’ – Buchauszug”
(blog.wiwo.de/management, Ursula Weidenfeld)
“Glaubwürdigkeit ist enorm wichtig”, sagt “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann in einem Interview für ein Buch. Und: “In dem Moment, wo ein Anwaltsschreiben von wem auch immer kommt, bin ich nicht mehr erreichbar. Ab dann geht alles an die Rechtsabteilung. Dann ist da mit mir nicht mehr zu reden. Egal, ob ich mit jemandem befreundet bin oder nicht.”

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