Türkei, Werbeblocker, Indiemags

1. “Die Meinungsfreiheit ist am Ende”
(zeit.de, Mehveş Evin)
Mehveş Evin sagt, sie wusste, “dass dieser Tag früher oder später kommen würde”, an dem sie gefeuert wird. Inzwischen ist es soweit, Evin habe ihren Job bei der Zeitung “Milliyet” verloren, weil sie für die Regierung zu unbequem gewesen sei. Bei “Zeit Online” schreibt sie über den Zustand des Journalismus in der Türkei und über den des Landes.

2. Reform Advertising … before it is too late
(medium.com, Jeff Jarvis, englisch)
Seit dem Erscheinen von Apples iOS 9 diskutiert die halbe Medienbranche über die sogenannten Content Blocker, die es erstmals ermöglichen, mit dem Browser “Safari” ohne Anzeigen und Tracking im Internet zu surfen. Jeff Jarvis sagt: “Werbung ist kaputt, und wir Journalisten und Medien-Menschen müssen jetzt Verantwortung übernehmen und sie neu erfinden.” Wenn das nicht gelinge, drohe das Ende des (werbefinanzierten) Online-Journalismus. Passend dazu: Die “Financial Times” setzt künftig auch auf Sponsored Content; Margaret Sullivan, Public Editor der “New York Times”, erklärt die Bedeutung von absoluter Transparenz beim Einsatz von Native Advertising. Nichtsdestotrotz können viele Leser redaktionelle und werbliche Inhalte nicht voneinander unterscheiden.

3. Viel mehr als nur Katzenbilder
(taz.de, Daniel Bouhs)
Listicles, Quizze und viele, viele Katzen. Dafür steht Buzzfeed — so zumindest ein weit verbreitetes Klischee. Doch während die Redakteure in Deutschland tatsächlich die Aufgabe haben, in erster Linie witzige Inhalte zusammenzutragen (das Ziel: Reichweiten-Steigerung), sieht das in den USA und Großbritannien ganz anders aus. Dort wirbt Buzzfeed einige der profiliertesten investigativen Reporter von klassischen Medien ab und investiert Millionen in aufwändige Recherchen. Und nicht nur das: Aus Nordengland, Schottland und Wales sollen Buzzfeed-Mitarbeiter in Zukunft auch über den “regionalen Beat” berichten.

4. Die ChefInnen sind die MacherInnen
(br.de, Günter Herkel, Audio, 8:19 Minuten)
Neben riesigen Redaktionen und den ganz großen Verlagen gibt es in der Printbranche auch Magazine, die von kleinen Teams in Eigenregie gestemmt werden. Malte Brenneisen und Urs Spindler haben für diese Macher ein Forum geschaffen, die “Indiecon”, ein “Festival für unabhängige Magazine”. Was wirklich indie ist und dass Heftpreise jenseits von zehn Euro Sinn machen können, erklären sie bei BR.de.

5. Schritt für Schritt zur Webreportage: StoryMap
(torial.com, Michael Penke)
Eine gute Geschichte ist eine gute Geschichte — egal, ob man sie auf Papier, im Radio oder als Film erzählt. Webreportagen verbinden diese Elemente und bieten Journalisten neue Möglichkeiten. Michael Penke hat ein Programm getestet, das multimediale Wisch-Reportagen ermöglicht. Und ist begeistert: “StoryMap JS ist ganz großes Kino — und das selbst auf kleinen Displays.”

6. Der Mann, der die Titelseite von “20 Minuten” kaufen will
(watson.ch, Rafaela Roth)
Ein Student will per Crowdfunding die Titelseite der “20 Minuten” kaufen, um auf die “Amerikanisierung des Wahlkampfs” in der Schweiz aufmerksam zu machen. Über 67.000 Schweizer Franken hat er schon zusammen, knapp die Hälfte ist damit geschafft. Im Interview mit Watson.ch erklärt Donat Kaufmann, warum das Ganze.

Klatschblätter müssen Corinna Schumacher 60.000 Euro zahlen

Als Michael Schumacher Anfang 2014 nach seinem Skiunfall im Krankenhaus in Grenoble lag, wurde seine Familie vor der Kliniktür tagtäglich von einer Fotografenmeute erwartet. Onlineportale, Zeitungen, Magazine und TV-Sender zeigten reihenweise Bilder der ankommenden Schumachers, allen voran von Ehefrau Corinna, und schrieben Dinge wie: Ihr Gesicht sei “eine Landschaft des Kummers”.

Am vergangenen Freitag entschied das Landgericht Hamburg, dass die Hatnäckigkeit, mit der einige Zeitschriften über Wochen diese Fotos druckten, nicht in Ordnung war. Die “Funke Women Group” muss daher eine Geldentschädigung in Höhe von 60.000 Euro an Corinna Schumacher zahlen.

Der Anspruch auf diese Entschädigung ergibt sich laut Schumachers Anwalt Felix Damm nicht aus den einzelnen Aufnahmen, sondern aus der Reihe von Berichten. Würde man die Fotos als Einzelfälle betrachten, läge nicht zwingend eine schwerwiegende Rechtsverletzung vor, erklärt er die Auffassung des Gerichts. In der Verhandlung ging es um zehn verschiedene Fotos, die “Frau aktuell”, “Frau im Spiegel” und “Die Aktuelle” veröffentlichten.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die “Funke Women Group” in Berufung geht.

Im vergangenen Jahr hatte das Landgericht München bereits drei Klatschblättern aus dem Burda-Verlag das Zeigen der Fotos untersagt. Kurze Zeit später stand auch “Die Aktuelle” wegen der Bilder vor Gericht. Das Landgericht Köln verbot die Veröffentlichung und teilte mit:

Die Klägerin hat Anspruch darauf, bei einem privaten Krankenbesuch nicht Nachstellungen von Journalisten ausgesetzt zu sein.

Strafbare Retweets, literarische Medienkritik, Merkel-Plagiat

1. Hamiltons Sieg in Japan: Alles wie immer – nur die TV-Bilder nicht
(spiegel.de, Karin Sturm)
Sportlich gab es beim Formel-1-Rennen in Suzuka keine Überraschung: Lewis Hamilton gewann zum achten Mal in dieser Saison. Für Verwunderung sorgten aber die TV-Bilder: Das Mercedes-Spitzenduo war kaum zu sehen, stattdessen die Autos aus dem Mittelfeld. Jetzt vermuten manche, es könne sich um eine Strafaktion von Formel-1-Chef Ecclestone handeln, der für die Bildregie verantwortlich ist. René Hofmann kommentiert bei sueddeutsche.de: “Allein der Verdacht, dass es so laufen könnte, beschädigt das Vertrauen in die Darstellung und damit den Wert des Sports.”

2. Journalist landet nach “Dölf”-Tweet vor dem Richter
(nzz.ch, Pascal Hollenstein)
“Privat hier”, “Meinungen sind meine eigenen” und “RT doesn’t mean endorsement”, diese Phrasen gehören zum beliebten Twitter-Bio-Bullshit-Bingo. Zumindest letztere kann man sich künftig sparen: Ein Schweizer Journalist wurde wegen Verleumdung angeklagt — weil er einen beleidigenden Tweet weitervebreitet hatte. Übrigens: Auch das FBI hält Retweets für eine strafbare Meinungsäußerung.

3. Betreutes Recherchieren
(sueddeutsche.de, Korbinian Eisenberger)
“Recherchescout” will Unternehmen mit Journalisten vernetzen. Wer für ein bestimmtes Thema nach einem Experten sucht, findet auf der Plattform Vorschläge für Gesprächspartner. Die Firmen zahlen einen dreistelligen Monatsbeitrag, für die Journalisten ist das Angebot kostenlos. Das “Netzwerk Recherche” kritisiert fehlende Transparenz und meint: “Wer zahlt, erkauft sich Einfluss auf die Berichterstattung.”

4. Medienkritik in der Literatur: Reporterpack
(spiegel.de, Klaus Brinkbäumer)
In den neuen Romanen von Umberto Eco (“Nullnummer”) und Jonathan Franzen (“Unschuld”) geht es um Medien und Journalisten und in beiden Fällen kommen sie nicht besonders gut weg. Eine Doppelrezension von “Spiegel”-Chef Klaus Brinkbäumer. Dazu auch: Umberto Eco im Interview mit “DRadio Kultur” zu den “Schattenseiten der Medien” und im Interview mit der “SZ” zur überraschend simplen Namensgebung bei seinen Protagonisten.

5. The Wall Street Journal, reported.ly, Baltimore Sun and BBC News take home 2015 Online Journalism Awards
(journalists.org)
Die “Online News Association” hat ihre jährlichen Awards verliehen. Eine Übersicht mit allen Gewinnern und reichlich Links zu interessanten und — spätestens jetzt — prämierten Onlineprojekten.

6. EIL: Plagiat in Text von Angela Merkel gefunden
(twitter.com, Moritz Döbler)
Die Liste der (möglichen) Plagiatoren wird länger und länger: Guttenberg, Schavan, von der Leyen. Und jetzt auch noch die Bundeskanzlerin zum Geburtstag des “Tagesspiegel”.

Alkohol im Dienst


Danke an Jürgen N.

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Danke an Martina S.

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Danke an Johannes P.

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Was man in Kirchen nicht alles findet …

Danke an Juri B.

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(Unkenntlichmachung durch uns.)

Bild  

Wer gegen Massenunterkünfte ist, muss gegen Flüchtlinge sein

In Potsdam sieht es derzeit so aus, wie in vielen anderen Städten und Gemeinden: Die Verwaltung sucht dringend nach möglichem Wohnraum für Geflüchtete. Bei der durchaus schwierigen Suche nach freien Plätzen hat die Stadt Potsdam auch beim örtlichen Kulturzentrum “freiLand” nachgefragt. Und das hat in einem offenen Brief geantwortet:

Am Montag dem 14.09.2015 erreichte uns über eine Arbeitsgruppe der Stadt Potsdam die Anfrage, ob auf dem freiLand-Gelände über einen längeren Zeitraum Unterkünfte für Geflüchtete aufgestellt werden könnten. Längerer Zeitraum bedeutet hier eine Unterbringung von Flüchtlingen über mehrere Jahre und nicht ein vorübergehendes Provisorium.

Die Pläne sähen vor, “zwei Container mit Stoffdächern” aufzustellen, die “jeweils 48 Geflüchteten Platz bieten sollen.” In diesen Containern befänden sich lediglich Schlafplätze, “Sanitäreinrichtungen würden zusätzlich auf dem Gelände installiert werden.” Gemeinschaftsräume und Küchen seien nicht vorgesehen, die Beheizung solle per Heißluftgebläse erfolgen.

Das ist nach Meinung des Kulturzentrums keine angemessene Lösung:

Aus unserer Sicht ist diese Form der massenhaften Unterbringung von Geflüchteten über Monate und Jahre hinweg unzumutbar. Sie nimmt den Menschen die letzten Möglichkeiten, selbstbestimmt zu leben und zu handeln.

Das “freiLand”, nach eigenen Angaben recht aktiv in der Flüchtlingshilfe vor Ort, schreibt aber auch, dass es “absolut bereit” sei, “Menschen einen Zufluchtsort — auf bestimmte oder unbestimmte Zeit — zu bieten.”

Also: Ein Angebot, Flüchtlingen einen Platz zu bieten, gleichzeitig die Forderung nach einer würdevollen Unterbringung — müsste doch eigentlich was für die “Wir Helfer” der “Bild”-Zeitung sein. Oder?

Mal abgesehen von der Verkürzung, der Verdrehung und der einseitigen Auslegung des offenen Briefes: Einer Einrichtung, die sich für eine würdevolle Unterbringung von Geflüchteten stark macht, vorzuwerfen, sie sei “richtig herzlos”, ist so, als würde man dem FC St. Pauli vorwerfen, er hätte “Kein Herz für Flüchtlinge”.

“Auto Bild”, vergesslicher “Spiegel”, Nachfolge von Hans Leyendecker

1. Bild-Kampagne “Wir helfen”: Flüchtlingshilfe als PR-Instrument?
(wdr.de, Philipp Jahn und Andreas Maus, Video, 5:00 Minuten)
Im August startete die “Bild”-Zeitung die Aktion “Wir helfen”. Zahlreiche Fußballvereine wollten sich nicht für die Kampagne einspannen lassen, viele Spitzenpolitiker hatten damit offenbar weniger Probleme. Was brachte Frank-Walter Steinmeier, Sigmar Gabriel und sogar Gregor Gysi dazu, gemeinsame Sache mit “Bild” zu machen? Ging es dabei wirklich um Flüchtlingshilfe, oder steckte nicht auch und vor allem ein geschicktes PR-Kalkül dahinter?

2. Diesel-Skandal: Auto Bild rudert bezüglich BMW-Abgasen zurück
(bimmertoday.de, Benny)
“Auto Bild” meldete gestern exklusiv, beim BMW-Modell X3 gebe es ebenfalls Probleme mit einer Abgasnorm. Zwangsläufig sei der Eindruck entstanden, “dass auch BMW bei Abgastests betrogen habe”, schreibt das Autoportal “BimmerToday”. Der Aktienkurs des Konzerns litt unter der Meldung, in einer Stellungnahme musste BMW gegen die Nachricht anarbeiten. Und “Auto Bild” zurückrudern: “Hieß es am Morgen noch ‘Exklusiv: BMW-Diesel überschreitet Abgasgrenzwerte deutlich’, lautet die Überschrift inzwischen ‘Kein Indiz für Manipulation bei BMW’.”

3. Der “Spiegel” vergisst sich
(stefan-niggemeier.de, Boris Rosenkranz)
Nach dem Germanwings-Unglück stand für den “Spiegel” fest: Der Co-Pilot “tötete, per Knopfdruck, vielleicht nur, weil er es […] konnte; ein größenwahnsinniger Narzisst und Nihilist.” Ziemlich genau ein halbes Jahr später klingt das geringfügig anders: “In der Ermittlungsakte von [L.] findet sich keine Spur von krankhafter Selbstliebe.” Die Rolle der Medien beschreibt der “Spiegel” dabei so: “Nach der Tat vermuteten viele übersteigerten Narzissmus.” Die Redaktion versuche, “pfeifend im Getümmel zu verschwinden”, schreibt Boris Rosenkranz.

4. Die Nischenreporter
(blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Christian Jakubetz, der das Crowdfunding der “Krautreporter” im vergangenen Jahr schon einmal etwas vorschnell für gescheitert und das Projekt im Juni für “belanglos” erklärte, übt nun erneut Kritik. Außerhalb der digital-medialen Filterblase habe niemand Notiz genommen, eine wirklich herausragende Geschichte sei nicht in Erinnerung geblieben. Für die Zukunft ist Jakubetz wenig optimistisch: “Dass es das Projekt doch noch in eine breite öffentliche Wahrnehmung schafft, glauben sie vermutlich nicht mal mehr selbst.”

5. Investigativ-Chef: “Süddeutsche Zeitung” klärt Nachfolge von Leyendecker
(rnd-news.de, Ulrike Simon)
Im Sommer, beim Jahrestreffen des “netzwerk recherche”, hat Hans Leyendecker angekündigt, in absehbarer Zeit in Rente gehen zu wollen. Seitdem gibt es die Frage, wer seine Nachfolge als Leiter des Investigativressorts der “Süddeutschen Zeitung” antritt. Ulrike Simon hätte da jemanden: “SZ”-Washingtonkorrespondent Nicolas Richter.

6. Online-Kommentator, der gutes Argument vorbringt, durch Schreibfehler als Idiot entlarvt
(der-postillon.com)

Ein Schubser wie ein Schlag ins Gesicht

Auch wenn der VfL Osnabrück und Preußen Münster in der 3. Liga nicht auf der ganz großen Fußballbühne spielen — bei den Derbys zwischen beiden Vereinen ist immer richtig was los. Pyrotechnik, Stadionverbote, Strafen durch den Verband.

Gestern war es wieder soweit, Preußen Münster kam zum Duell nach Osnabrück. Und erneut ging es hoch her: 2:1-Führungstreffer in der 90. Minute für die Münsteraner. Großer Jubel. In der Nachspielzeit der 2:2-Ausgleich für Osnabrück. Noch größerer Jubel. In all dem Drunter und Drüber läuft auch Tom Merkens aufs Spielfeld. Merkens ist Profi beim VfL Osnabrück, nach einem Knöchelbruch im Derby gegen Preußen Münster vor eineinhalb Jahren aber kaum noch einsatzfähig. Seit der Verletzung und der anschließenden Operationen kam er lediglich auf zwei Kurzeinsätze. Auch gestern sitzt er nur auf der Tribüne.

Merkens läuft also in Jeans und VfL-Jacke aufs Spielfeld, erst zum 2:2-Torschützen, dann zu Münsters Amaury Bischoff. Bischoff war es, der Merkens im März 2014 so hart foulte, dass dessen Knöchel brach. Im Handgemenge gestern geht Amaury Bischoff zu Boden, nachdem Tom Merkens ihn geschubst hat.

“Bild” hat die Situation so interpretiert:

Eklat in der 3. Liga: Direkt nach dem Spiel Osnabrück gegen Münster (2:2) stürmt ein Zuschauer aufs Spielfeld, rennt direkt auf Münsters Spielmacher Amaury Bischoff (28) zu und streckt ihn mit einem Handschlag nieder. […] Der “Amok-Läufer” ist Tom Merkens

Und in der Bildunterschrift heißt es:

Osnabrücks Merkens stürmt in Zivil den Platz und schlägt Münsters Bischoff zu Boden

Der NDR hat das Spiel gestern im Internet live übertragen. Einen Großteil der zusammengeschnittenen Höhepunkte machen die Tumulte am Ende des Spiels aus (ab Minuten 1:50). Und da ist von einem “Handschlag” rein gar nichts zu sehen. Von “Faust-Rache” kann keine Rede sein. Und auch nicht davon, dass Tom Merkens Amaury Bischoff zu Boden schlägt.

Online hat “Bild” den Artikel inzwischen unauffällig entschärft, und auch die Überschrift geändert:

Nur beim “‘Amok-Läufer'” bleibt die Redaktion.

Die Print-Geschichte ließ sich naturgemäß nicht mehr ändern und klingt damit nach wie vor wie ein aufgebauschter Fanbericht aus dem Preußen-Lager. Joachim Schuth, der Autor des Artikels, hat übrigens eine “ganz besondere Leidenschaft”: Preußen Münster.

Mit Dank an Fabian P. und Rüdiger!

Al Dschasira, Abgaswerte, Ausländerfeinde

1. Al-Dschasira-Reporter profitieren von Massenamnestie in Ägypten
(dw.com)
Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi hat zwei Reporter des Fernsehsenders “Al Dschasira” begnadigt. Der kanadische Journalist Mohammed Fahmi und sein ägyptischer Kollege Baher Mohammed waren 2013 festgenommen und Ende August endgültig zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Sie gehören zu einer Gruppe von hundert begnadigten Häftlingen. Der harte Kurs gegen die Opposition und kritische Journalisten geht aber weiter, mehr dazu in einem Erfahrungsbericht eines deutschen Fernsehjournalisten.

2. VW-Skandal: Was wussten Auto-Journalisten?
(ndr.de, Daniel Schmidthäussler, Video, 5:10 Minuten)
Als die große Finanz- und Bankenkrise ins Rollen kam, folge schnell die Frage an alle Wirtschaftsjournalisten, warum sie die Probleme nicht haben kommen sehen. Bei den manipulierten Abgaswerten von VW jetzt das gleiche Spiel: Warum sind die Automagazine bei ihren eigenen Tests nicht stutzig geworden? “Zapp” hat bei der Fachpresse nachgefragt.

3. Die “Huffington Post” ist zu blöd, um Ausländerfeinden Blödheit vorwerfen zu können
(stefan-niggemeier.de)
Die “Huffington Post” hat einen Text veröffentlicht, in dem sie generell Ausländerfeinden vorwirft, “nicht sonderlich viel in der Birne” zu haben, und konkret Michael Stürzenberger, eine Falschmeldung zu einem Machetenangriff durch einen Flüchtling zu verbreiten. Nur: Die Geschichte scheint zu stimmen. Man bekämpfe Ausländerfeinde “nich dadurch, dass man bestreitet, dass es solche Fälle gibt”, schreibt Stefan Niggemeier: “Wenn man es tut, liefert man ihnen nur noch mehr Munition.”

4. Covering the refugee crisis on Snapchat and Periscope as “a day-by-day documentary”
(journalism.co.uk, Caroline Scott, englisch)
Während Facebook mittlerweile in den meisten Redaktionen angekommen ist, sind insbesondere jüngere Zielgruppen längst zu anderen Plattformen und Netzwerken weitergewandert. Medien wie die BBC, “Time” und “Bild” haben das erkannt und experimentieren mit Livestreams bei Periscope und Storytelling auf Snapchat.

5. Der missliebige Gewinner
(medienwoche.ch, Nick Lüthi)
Der Schweizer “Beobachter” feiert sich selbst als “erneut sympathischste Medienmarke”, die “NZZ” freut sich über den Titel der drittsympathischsten Medienmarke hinter “Beobachter” und “Radio SRF 1”. Nick Lüthi wundert sich: “Der Superlativ stimmt nicht. In der Mitteilung zum Ranking steht deutlich: ‘Die sympathischste Medienmarke in der deutschen Schweiz ist Google. Sie lässt den traditionsreichen Beobachter knapp hinter sich.'”

6. Super Timing, wohin man auch schaut
(taz.de, Silke Burmester)
Kai Diekman stellt klar: Wer nicht unterschreiben will, dass “Bild” ein “Bollwerk gegen Hass” ist, der lügt. Silke Burmester dazu in ihrer Kolumne “Die Kriegsreporterin”: “Letzte Woche habe ich mich noch dagegen gewehrt, als ‘Lügenpresse’ bezeichnet zu werden. Jetzt trage ich den Titel mit Stolz und gebe mit dem Ruf ‘Lügenpresse! Lügenpresse!’ erhobenen Hauptes zurück nach Berlin!”

“Focus Online” macht Edward Snowden zum Alien-Spinner

Edward Snowden hat sich vergangenen Freitag mal wieder zu Wort gemeldet. Bei seinem Gastauftritt in der “Star Talk Radio Show” des US-Astrophysikers Neil deGrasse Tyson ging es aber nicht um Enthüllung rund um die NSA, sondern — Gastgeber und Name des Podcasts lassen es erahnen — ums Weltall.

Snowden sprach unter anderem über SETI, Search for Extraterrestrial Intelligence, also die Suche nach extraterrestrischer Intelligenz, wie sie auch von der Nasa betrieben wird. Er habe Zweifel daran, dass das Forschen nach Signalen fremder Zivilisationen im All erfolgreich sein werde. Das Problem sei laut Snowden eine mögliche Verschlüsselung dieser Signale:

Wenn man eine außerirdische Zivilisation hat, die nach anderen Zivilisationen sucht — oder umgekehrt –, dann gibt es nur einen kleinen Zeitraum in deren Entwicklung, in der die komplette Kommunikation auf primitivste und ungeschützte Art übertragen wird.

Bei einer weiter entwickelten Spezies, so Snowden, würde man die Übertragungen aufgrund von Verschlüsselungen nicht als solche erkennen können und lediglich für kosmische Hintergrundstrahlung halten: “Man kann ordentlich verschlüsselte Kommunikation nicht von zufälligen Signalen unterscheiden.”

Also, zusammengefasst: Edward Snowden sagt, dass es für die Wissenschaft ziemlich schwierig sein dürfte, Signale anderer Zivilisationen zu entdecken.

Und das macht “Focus Online” daraus:

Gefunden und abgeschrieben hat die Redaktion diesen Quatsch beim britischen “Mirror”. Auf einen besonders abstrusen Vorwurf in Richtung Snowden ist sie dann aber noch selber gekommen:

In einem Podcast äußerte sich Snowden nun zu außerirdischem Leben und stellte fest: Aliens versuchen derzeit, mit der Menschheit in Kontakt zu treten. […]

 Einen Beweis für außerirdisches Leben bleibt Snowden dann allerdings schuldig.

Und die Redaktion bleibt weiterhin einen Beweis schuldig, dass es sich bei “Focus Online” um Journalismus handelt.

Mit Dank an Carsten und Lutz!

Nachtrag, 24. September, 11:02 Uhr: Ist so eine Unsinnsmeldung erst einmal in der Welt, bekommt man sie da kaum noch weg. Im Gegenteil: Meist wird sie weiterverbreitet, so auch bei der Snowden-Alien-Geschichte. Denn sowohl Chip.de als auch News.de berichten, dass Edward Snowden von Aliens gesprochen habe, die versuchen sollen, mit der Menschheit Kontakt aufzunehmen. Beide Redaktionen haben die Meldung ungeprüft von “Focus Online” übernommen.

Gestern Abend stellte auch noch “TV Total” (ab Minute 1:15) die Geschichte als korrekt dar. Hätte das Team von Stefan Raab mal besser bei den “Pro Sieben”-Kollegen von “Galileo” nachgelesen. Die sind der Frage nachgegangen, ob Edward Snowden wirklich behauptet, “dass Außerirdische mit uns kommunizieren”. Und kommen zu dem Schluss: Nee, er “stellt dazu lediglich eine Theorie auf.”

Eine andere Passage im “Galileo”-Text ist hingegen ebenfalls problematisch:

Nach dem Motto: Sollte es intelligentes außerirdisches Leben geben, dann könnte es sein, dass wir ihre Kontaktversuche aufgrund von Verschlüsslung nicht einmal wahrnehmen.

Warum sollte eine andere Spezies bei dem Versuch, mit uns Kontakt aufzunehmen, ihre Nachricht so verschlüsseln, dass wir sie nicht verstehen können?

Mit Dank an Gregor M. und Timo L.

Nachtrag, 14:16 Uhr: Das Team von “Galileo” hat die kritisierte Passage inzwischen erweitert und spricht nun von “Verschlüsselung oder Codierung”, die ein Erkennen der Kontaktversuche von Außerirdischen unmöglich machen könnten.

Friede Springer, Lobbyisten, Datenschmuggel

1. “Ich würde nie einen Artikel in unseren Zeitungen kritisieren”
(deutschlandfunk.de, Stephan Detjen)
Friede Springer hat nach wie vor das Sagen in einem der größten Verlagshäuser Europas. Im Interview mit dem Deutschlandfunk sagt sie, dass sie bei den Zeitungen wie “Bild” oder “Welt” inhaltlich aber keinen Einfluss nimmt — jedenfalls nicht vor dem Erscheinen. Danach ruft sie schon mal durch beim betroffenen Chefredakteur oder beim Vorstandsvorsitzenden, wenn ihr ein Text nicht gefällt: “Das kommt schon mal vor, das kommt schon mal vor, ja.”

2. “Verbotene Mitteilungen”
(sueddeutsche.de, Thomas Hahn)
Am Donnerstag soll in Hamburg das Urteil in einem Prozess fallen, der “ein Lehrstück für Investigativ-Journalisten [ist], die etwas über die rechtlichen Grenzen ihres Tuns erfahren wollen.” Vor Gericht stehen zwei Redakteure des “Hamburger Abendblatts”. Sie hatten aus Whatsapp-Chats der Eltern einen getöteten Kindes zitiert, die in der Strafakte standen. Es geht um eine Frage, die bereits seit den 70er-Jahren kontrovers diskutiert wird: “Verletzt es nicht die Pressefreiheit, wenn das Gesetz vorschreibt, wie Journalisten vor einer Verhandlung aus Gerichtsakten zitieren dürfen?”

3. “Krautreporter”: Geschrumpft und demütig ins zweite Jahr
(derstandard.at, Oliver Mark)
Die schlechte Nachricht: Zwei Drittel der ursprünglich 15.000 “Krautreporter”-Mitglieder verlängern ihr Abo nicht. Die gute: Trotzdem reichen die zugesagten 300.000 Euro für ein zweites Jahr. Die beiden wichtigsten Neuerungen: Artikel stehen nur noch den zahlenden Mitgliedern zu Verfügung, außerdem gründen die “Krautreporter” eine Genossenschaft nach dem Vorbild der “taz”, die bis Ende des Jahres weitere 100.000 Euro akquirieren soll.

4. Facebook Ramps Up Its Instant Articles, and the Washington Post Is All In
(recode.net, Peter Kafka, englisch)
Der Anfangswirbel um Facebooks Instant Articles schien sich gelegt zu haben, doch jetzt verkündet das Unternehmen, noch einmal in das Projekt reinbuttern zu wollen. Das Vorhaben: Mehr Publisher, die veröffentlichen können, mehr Benutzer, die die Artikel sehen können. Mit dabei ist die “Washington Post”, die “All In” geht, wie Peter Kafka schreibt: “If you wanted to, you could read the Post’s entire output — some 1,200 articles a day, including wire stories — without ever leaving Mark Zuckerberg’s app.”

5. “Letzten Sonntag hatte ich in einer Sonntagszeitung eine grössere Story drin”
(nachbern.ch, Ronnie Grob)
Ronnie Grob hat den selbstständigen Lobbyisten Michael Gehrken interviewt. Und der erzählt freimütig, dass und wie er Themen und Geschichten für seine Auftraggeber regelmäßig in Zeitungen platziert — in Gehrkens Augen eine Win-win-win-win-Situation. Siehe dazu auch: Um ein Zeichen gegen den medialen Wahlkampfzirkus zu setzen, will ein Schweizer per Crowdfunding die Titelseite der “20 Minuten” kaufen.

6. This is Cuba’s Netflix, Hulu, and Spotify — all without the internet
(vox.com, Johnny Harris, Video, 7:02 Minuten, englisch)
Kubaner können nicht einfach zu Spotify gehen gehen, wenn sie Musik streamen wollen, oder zu Hulu, um einen Film zu schauen. Es gibt so gut wie keine schnellen Internetverbindungen, und sowieso sind die meisten ausländischen Webseiten blockiert. Aus dieser Lage heraus hat sich “El Paquete Semanal” entwickelt, das wöchentliche Paket, eine Sammlung von Raubkopien, die Datenschmuggler ins Land bringen. Johnny Harris hat den Kopf hinter diesem System gesucht — und gefunden.

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