Der “Fan Run” sollte der nächste Höhepunkt der selbstlosen“Wir helfen”–Werbekampagne der “Bild”-Zeitung werden. Die Idee: Gemeinsam mit dem FC Bayern München einen Fünf-Kilometer-Lauf initiieren (als besonderes Leckerli dürfen die Teilnehmer im Innenraum des Bayern-Stadions eine Runde drehen), die Startgebühr von knapp 30 Euro pro Person soll — nach Abzug der Steuern — an die “Bild”-Stiftung “Ein Herz für Kinder” gehen. Und, schwups, wieder einmal den Feuerlöscher gemimt.
Seit Bekanntwerden der Pläne haben die “Bild”-Medien eifrig für den “Fan Run” getrommelt:
Klar, es gab auch Gegenwind. Gleich zu Beginn hatten Bayern-Fans in ihrem Blog “Miasanrot” moniert, dass nicht genau klar sei, wofür die Teilnahmegebühren verwendet werden, die Organisationsstruktur undurchsichtig sei und Daten der Läufer an den Axel-Springer-Verlag weitergeben würden. Einige der Punkte haben die Veranstalter ausgemerzt. Doch bis zuletzt gab es Kritik.
Alles kein Problem für die “Bild”-Profis, die direkt den Werbekonter einleiteten: Der frühere Fanliebling Hasan Salihamidzic forderte bei Bild.de:
1. Gefährliches Geschäft (sueddeutsche.de, David Denk)
“Die Lage für Journalisten ist generell prekärer, gefährlicher geworden.” Das sagt Astrid Frohloff, die nach zwölf Jahren im Vorstand der deutschen Sektion von “Reporter ohne Grenzen” ihr Amt aufgibt. Während Journalisten in Ländern wie Syrien und dem Irak um ihr Leben fürchten müssten und auf Demonstrationen in Kiew oder Hongkong massiv in ihrer Arbeit behindert würden, zeuge der Fall von Netzpolitik.org auch hierzulande von einer “irritierenden Geringschätzung journalistischer Arbeit und des Stellenwerts der Presse durch die Politik”.
2. Terroristen unter Flüchtlingen? Wie man mit Fehlalarmen Alarm schlägt (stefan-niggemeier.de, Stefan Niggemeier)
Viele Medien berichteten vergangene Woche besorgt über eine Aussage von Bundesinnenminister de Maizière. Der hatte in einem Interview gesagt, es gebe Hinweise, “dass sich Terroristen unter die Flüchtlinge mischen.” Was in den meisten Überschriften und Teasern allerdings nicht stand: Zwei Sätze später sagte de Maizère, dass sich “keiner dieser Hinweise” “irgendwie bewahrheitet” habe.
3. Richtig oder falsch gerechnet mit Flüchtlingen? (scilogs.de, Markus Pössel)
“Nützt Deutschland die Migration? Manche Studien behaupten das. Aber manche Forscher wollen lieber gut als wahrhaftig sein”, kommentiert Winand von Petersdorff-Campen in der “FAS”. Markus Pössel wundert sich über dessen Kritik an den Studien von IWF, Weltbank und NGOs: “Um den Text zu verfassen, so, wie er da steht, hätte der Autor die Studien noch nicht einmal in die Hand nehmen, geschweige denn durcharbeiten müssen.”
4. Die Stimmen des digitalen Untergrunds (nzz.ch, Markus Linden)
Im August veröffentlichte der Publizist Wolfgang Storz eine Kurzstudie über alternative Medien. Die “Querfront”-Studie ist derzeit wegen juristischer Auseinandersetzungen nicht abrufbar, unter anderem weil sich Albrecht Müller von den linken “Nachdenkseiten” zu Unrecht in einen Topf mit Jürgen Elsässer oder Ken Jebsen geworfen sah. Der Politikwissenschaftler Markus Linden analysiert die Szene in Deutschland und der Schweiz und erkennt “bei den fundamental systemkritischen Alternativmedien Überschneidungen”, die “die Links-Rechts-Unterteilung transzendieren.”
5. Mehr Grexpertise, bitte! (ejo-online.eu, Hanno Beck)
Arturo da Silva gab sich als Berater der Uno und der Weltbank, als Professor am Milton College und als ehemaliger Berater des portugiesischen Präsidenten aus — und wurde zum gefeierten Experten und Medienstar in Portugal. Hanno Beck nimmt das zum Anlass, um die “mediale Expertenkultur zu studieren”, am Beispiel deutscher Talkshows. Sein Fazit: “Die Komplexitätsreduktionskompetenz ist das einigende Band, das alle Talkshow-Protagonisten eint: Kurze Sätze, knackige, polarisierende Statements — am besten unter 30 Sekunden.”
6. Körperliche Schmerzen: Übergeben will gelernt sein (dwdl.de, Hans Hoff)
Hans Hoff hat manchmal Schmerzen, wenn er vor dem Fernseher sitzt. Immer dann, wenn ein ARD-Magazin wie “Panorama” zu den “Tagesthemen” überleitet (Stichwort: “Audience Flow”), ertrage er es nicht, wie die gute Absicht baden gehe: “Das ist so komplett sinnentleert, dass es mich stets aufs Neue graust.”
1. “Falsche Syrer”: Wie der Innenminister Gerüchte schürt (daserste.ndr.de, Robert Bongen & Stefan Buchen)
Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat behauptet, dass sich 30 Prozent der Asylsuchenden als Syrer ausgeben, aber eigentlich keine seien. “Panorama” kritisiert, dass für diese Zahl jeder Beleg fehlt. Auf Nachfrage bestätigt das Innenministerium, dass es dazu gar keine Statistiken gibt. Auch Bundeskanzlerin Merkel hat bei Anne Will eine Studie zu Flüchtlingen zitiert, die laut den Krautreportern “problematisch” ist.
2. Verfassungsgericht stärkt Rechte von Demonstrationsbeobachtern (netzpolitik.org, Nikolai Schnarrenberger)
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, “dass die Dokumentation von polizeilichen Filmteams legal ist.” Wer die Arbeit der Polizei filmt oder fotografiert, dürfe dafür “nicht per se auch einer Identitätsfeststellung unterzogen werden”, schreibt Nikolai Schnarrenberger. Geklagt hatte ein Mitglied der Göttinger Gruppe „BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz“.
3. Mit Müll zugeschüttet (taz.de, Anne Wizorek)
Anfang 2013 verschickte Anne Wizorek den ersten Tweet mit dem Hashtag #aufschrei. Sie wollte ein Zeichen gegen Alltagssexismus setzen. Mittlerweile benutzen selbst Ulf Poschardt und Birgit Kelle den Hashtag. Wizorek fordert deshalb: „#schauhin wenn Rechtskonservative einen Hashtag wie #aufschrei kapern wollen, um ihren rassistischen Müll zu legitimieren.“
4. Das Gegenteil von Ambition: ze.tt und bento (datenjournalist.de, Lorenz Matzat)
Byou, Bento, Ze.tt – die Jugendangebote der Verlage sprießen aus dem Boden, und nahezu täglich erscheinen neue Texte, die erklären, warum dies und jenes Portal toll/medioker/peinlich/katastrophal ist, bevorzugt aus Sicht „der Zielgruppe“ (s. Link Nr. 2). Die Kritik von Lorenz Matzat fällt weniger polemisch, dafür aber substantieller aus. Er fragt sich, warum derart schlagkräftige Verlagshäuser wie „Spiegel“ und „Zeit“ nicht mehr gewagt haben und sich auf „den abgegriffenen Mix aus Gifs, Youtube-Videos und Instagram-Bildern“ beschränken, anstatt in Datenjournalismus, mobile Reporting oder mehr Mulitmedia-Kompetenz zu investieren.
5. „Plastikwörter sind schlimme Quellen der Unbill“ (abzv.de, Mario Müller-Dofel)
Steffen Range, Wirtschaftsressortleiter und Digital-Chef bei der „Schwäbischen Zeitung“, hat in seinem Berufsleben nach eigenen Angaben bislang „weit über 1000“ Interview geführt und redigiert. Er sollte also ein Experte für Interviews sein, und dementsprechend folgerichtig erscheint es, mit ihm ein Interview über Interviews zu führen. Range gibt Tipps, wie man sich darauf vorbereitet, wie man langweilige Gespräche durch Redigieren retten kann – und lobt eine umstrittene deutsche Eigenart: „Ich verstehe die Aufregung um das Thema nicht. Die Autorisierungspraxis ist ganz vernünftig.“
6. Poschardts Kinder (titanic-magazin.de, Oliver Maria Schmitt)
Oliver Maria Schmitt begleitet in Gedanken Ulf Poschardt durch die “Straßen von Großberlin”. Poschardt, “promovierter Polofahrer” und stellvertretender Chef der “Welt”-Gruppe, denkt über seine neusten Journalisteneinkäufe nach, die Mitglieder der “Poschardtjugend”, die “flink wie Schoßhunde, zäh wie Nappaleder und hart wie die Kronkorken von Club-Mate” sind; und über die absolute Story, für die sie ihn “endlasermäßig hart feiern” werden in Berlin.
1. Mutig: Abdollahi zog vier Wochen ins Nazidorf (ndr.de, Linda Luft, Video, 6:20 Minuten)
Schon das Experiment an sich ist spannend: Der deutsch-iranische “Panorama”-Reporter Michel Abdollahi wohnt vier Wochen “im Nazidorf” Jamel. Und dann das: Die Nazis sind ganz nett. Linda Luft geht in ihrem “Zapp”-Beitrag der Frage nach, ob die Berichterstattung über Rechte differenzierter werden muss.
2. “Titanic”-Chef: “Ich bin traurig, dass Benedikt nicht mehr Papst ist” (derstandard.at, Oliver Mark)
Es gibt eine Handvoll Medien, mit denen sich der Presserat besonders häufig beschäftigen muss. Dazu gehören die “Bild”-Zeitung – und die “Titanic”. Deren Chefredakteur Tim Wolff findet das aber gar nicht so schlimm: “Ich schätze Presseräte sehr, ja, ich finde sie geradezu niedlich.” Ein Interview über den Papst, den Islam und die Grenzen der Satire.
3. Da geht noch mehr (taz.de, Paul Wrusch)
Paul Wrusch stellt Medienangebote für Flüchtlinge vor und dabei fest, dass Radio und Fernsehen weiter sind als Printmedien. Das liege daran, dass gesprochenes Wort schneller als geschriebene Texte in verschiedene Sprachen übersetzt werden könne. Außerdem bemerkt der “taz”-Autor, dass vor allem Boulevardmedien Projekte für Flüchtlinge gestartet haben. Die seien aber meist einmalig oder zeitlich begrenzt und sollten daher eher als PR-Aktion für das eigene Haus dienen.
4. Merkel bekommt den Nobelpreis (indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer beschäftigt sich mit Zeitungsmeldungen über einen möglichen Friedensnobelpreis für Angela Merkel. Dabei fällt auf, dass es für diese Spekulation nur eine einzige Quelle gibt, die nicht einmal besonders gut ist (das aber auch nicht behauptet). Hinzu kommt: laut den Statuten des Komitees könnte die Kanzlerin zwar theoretisch den Friedensnobelpreis bekommen – aber jedenfalls nicht für ihr Engagement für Flüchtlinge, findet Knüwer.
6. GröPaZ: Warum Adolf Hitler der größte Popstar der Welt ist, aber sich keiner traut, es zu sagen. (zebrabutter.net, Mathias Mertens und Merlin Schumacher)
Ein schwarzes Dreieck, ein schwarzes Viereck, beides richtig angeordnet, und schon sieht man: Adolf Hitler. Ob bei “Switch reloaded”, in britischen Sitcoms oder seit heute im Kino — Hitler ist noch immer ständig in der Popkultur zu finden und damit “einer der größten Popstars der Welt”, schreiben Mathias Mertens und Merlin Schumacher. Passend dazu: “taz”-Kriegsreporterin Silke Burmester in ihrer Kolumne unter anderem über eine geplante zehnteilige Hitler-TV-Serie; und der “Tagesspiegel”, der sich für eine unglückliche Hitler-Flüchtlingskrisen-Titelseite entschuldigt.
Die Regierung in Kanada hat eine Reisewarnung für Ostdeutschland herausgegeben. Darin ist die Rede von extremistischen Jugendbanden, die in Teilen Ostdeutschlands eine Bedrohung darstellten. Mitglieder solcher Gangs seien bekannt dafür, Personen wegen ihrer Rasse oder ihres ausländischen Aussehens zu belästigen oder direkt zu attackieren. Auch habe es schon Brandanschläge auf parkende Fahrzeuge gegeben.
Die „Warnung aus Kanada konkret für Ostdeutschland“ komme „nicht von ungefähr“, schreibt das „Handelsblatt“: “Die ausländerfeindliche Pegida-Bewegung verzeichnet in Dresden in Sachsen weiter Zulauf.”
Darauf habe die kanadische Regierung also reagiert. Und das schmeckt den hiesigen Politikern so gar nicht.
Die Sachsen-CDU reagiert empört auf die Reisewarnung. „Das entspricht nicht der Realität und ist extrem rufschädigend“, sagte der Generalsekretär der sächsischen CDU und Vize-Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Michael Kretschmer, dem Handelsblatt. „Deutschland muss dieser Beurteilung entschieden entgegen treten.“
Bevor Deutschland damit loslegt, würden wir ihm raten, sich ein bisschen besser zu informieren als das “Handelsblatt” oder der Herr Generalsekretär. Die Geschichte stimmt nämlich gar nicht.
Kanada hat keine Reisewarnung für Deutschland herausgegeben. Es gelten nach wie vor die „normalen Sicherheitsvorkehrungen“, also die niedrigste Sicherheitsstufe.
Auf der Internetseite der kanadischen Regierung gibt es lediglich einige Sicherheitshinweise für Deutschland. Da wird zum Beispiel vor Taschendieben „an Bahnhöfen, auf Flughäfen und Weihnachtsmärkten“ gewarnt. Oder davor, dass Demonstrationen ohne Vorwarnung in Gewalt umschlagen könnten. Oder eben vor extremistischen Jugendgruppen, die besonders „in einigen kleineren Städten und in Teilen des früheren Ostdeutschlands“ eine Bedrohung seien.
Das „Handelsblatt“ verdreht diesen Vermerk zu einer „Reisewarnung für Ostdeutschland“. Und erweckt den Eindruck, als reagiere die kanadische Regierung damit auf „Pegida“ & Co. – aber auch das ist falsch. Die Hinweise stehen nicht erst seit Neuestem auf der kanadischen Seite (wie auch ein Blick in die Wayback-Machine verraten hätte), sondern seit zehn Jahren.
Was sich vor dem Hintergrund der Angriffe auf Flüchtlingsheime vor allem im Osten der Republik wie eine aktuelle Zustandsbeschreibung liest, stammt allerdings schon aus dem Jahr 2005.
… schreibt „Zeit Online“, eines der wenigen Medien, die nicht einfach blind vom “Handelsblatt” abgeschrieben haben.
Nur ein Hinweis zu gestiegenen Flüchtlingszahlen in Europa sei am 28. September neu hinzugekommen, sagt die Sprecherin der kanadischen Botschaft in Berlin, Jennifer Broadbridge ZEIT ONLINE. Dadurch könne es zu Verspätungen an Grenzübergängen und Bahnhöfen kommen, steht in dem Absatz.
Anders gesagt: Das einzig Neue an den der Geschichte ist, dass die kanadische Regierung vor Verzögerungen im Zugverkehr warnt. Alles andere ist entweder falsch oder mindestens zehn Jahre alt.
Immerhin: Es gibt noch eine Handvoll Journalisten, die erkannt haben, dass das alles Unsinn ist. Bernhard Honnigfort etwa schreibt auf der Onlineseite der „Frankfurter Rundschau“:
Tatsache ist, Kanada hat nicht vor Reisen nach Ostdeutschland gewarnt, sondern bittet seine Landsleute nur darum, aufzupassen und wachsam zu sein.
Und:
Natürlich ist das lange bekannt und der kanadische Warnhinweis ist nicht neu, sondern nur aktualisiert.
Natürlich. Und dass er das Märchen zuvor selbst ganz empört verbreitet hatte, sowohl in der “FR” …
Bei “Focus Online”, wo ebenfalls eindringlich über den Fall berichtet wird …
… haben sie sich nicht bloß auf die falschen Fakten der Kollegen verlassen, sondern selbst welche erfunden. Das Portal schreibt:
Auch vor in Brand gesteckten geparkten Autos wird gewarnt – das betreffe vor allem Berlin.
Berlin wird in den Hinweisen an keiner Stelle erwähnt.
So zieht die Geschichte munter ihre Kreise und wird mit jedem Mal ein bisschen weniger wahr.
Man will sich gar nicht vorstellen, was die kanadische Botschaft inzwischen denkt. Auf Anfrage gibt sie sich aber, klar: diplomatisch. Dem Evangelischen Pressedienst sagte die Sprecherin, man könne die ganze Aufregung zwar nicht nachvollziehen, jedoch würde die Ostdeutschland-Passage „angesichts der aktuellen Debatte” nun “geprüft und möglicherweise in den kommenden Tagen geändert“.
In den Sicherheitshinweisen schreibt die Regierung übrigens, dass man, wenn man in Deutschland unterwegs sei, „die lokalen Medien verfolgen“ solle. Auch ein Ratschlag, über den man mal nachdenken könnte.
1. Fans machen Stimmung gegen “Fan Run” (sueddeutsche.de, Sebastian Krass)
Nach dem “Wir helfen”-Badge auf den Trikots der Bundesligisten steht in drei Tagen die nächste “Bild”-Aktion in Kooperation mit einem Fußballverein an: der “FC Bayern Fan Run”. Das Bayern-Blog “Miasanrot” hatte bereits im September über die Merkwürdigkeiten bei der Hilfsaktion berichtet, jetzt hat die “SZ” noch einmal bei der veranstaltenden Firma nachgehakt. Und festgestellt: Inzwischen haben sich in den Teilnahmebedingungen einige kritisierte Stellen geändert.
2. Die Sache mit der Berufsjugend (blogs.taz.de, Daniél Kretschmar)
Menschen über 25 tun sich bisweilen schwer damit, diese Jugend zu verstehen. Wenn man wissen will, was sie denkt, fragt man gerne einen einzelnen Jugendlichen nach seiner Meinung – zu einer neuen Messaging-App (“Das wird das nächste große Ding!”), Facebook (“Facebook ist plötzlich uncool!”) oder einem neu gestarteten Medien-Angebot. Wenn das Testimonial, das sich zufällig im selben Alter befindet wie ein paar Millionen andere Lebewesen aus “der Zielgruppe”, dann mit deftigen Worten zum Verriss ansetzt, wird die Einzelmeinung zur Generalkritik erklärt und Verlagsmanager reiben sich die Hände, da die Konkurrenz offensichtlich immer noch nicht die Zauberformel für die allseits umgarnte Generation Y/Z/Hashtag gefunden hat. Da schreiben bei “Ze.tt” dann “peinlich bemühte Berufsjugendliche”, und aus “Bento” wird das “Portal für junge Babos”. Daniél Kretschmar wundert sich darüber.
3. Das Krone-Weihnachtsmärchen mit der gekündigten Pädagogin (kobuk.at, Helge Fahrnberger)
Eine Boulevardzeitung behauptet irgendeinen Blödsinn, und ein Politiker argumentiert in einer TV-Talkrunde mit genau dieser falschen Story — das gibt es nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich. In der “Elefantenrunde” kurz vor der Wahl in Wien haben Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Manfred Juraczka (ÖVP) einen Bericht der “Kronen Zeitung” für ihre Zwecke eingesetzt: Eine Wiener Kindergärtnerin soll gefeuert worden sein, weil sie den Kindern Weihnachten nähergebracht hatte. “Kobuk”-Autor Helge Fahrnberger klärt auf, dass das Boulevardblatt ein völlig verzerrtes Bild der Geschichte gezeichnet hat.
4. Bauer-Verlag erleidet Niederlage: Gericht weist Klage gegen Pressegroßhandel ab (blogs.faz.net, Jan Hauser)
Bislang verhandeln Verleger zentral mit dem Grosso-Verband, zu welchen Konditionen sie ihre Produkte an die Großhändler weitergeben. Der Bauer-Verlag wollte Einzelverhandlung durchsetzen, klagte und bekam in allen Vorinstanzen Recht. Doch der BGH sagt nun: “Das zentrale Verhandlungsmandat ist geeignet, einen flächendeckenden und diskriminierungsfreien Pressevertrieb zu gewährleisten”.
5. „Wenn Kunden mit einem Anwalt drohen, wird das oft ziemlich witzig“ (basicthinking.de, Tobias Gillen)
Der “Kundendienst” wildert im Kommentarbereich großer Firmen auf Facebook und stiftet dort immer wieder Verwirrung bei den Kunden und sorgt ab und an auch für Verzweiflung unter den Social-Media-Mitarbeitern. Dahinter steckt ein 24 Jahre alter Student. Tobias Gillen hat ihn interviewt.
1. Was hinter der Zahl von 1,5 Millionen steckt (sueddeutsche.de, Robert Roßmann)
Am Montag sorgte “Bild” für Aufregung bei Politikern und anderen Medien. Genauer gesagt eine Zahl, die in der “Bild”-Zeitung zu lesen war: 1.500.000 — so viele Flüchtlinge sollen “Geheimpapieren deutscher Behörden” zufolge in diesem Jahr nach Deutschland kommen. Zumindest im Innenministerium scheint besagtes Papier nicht bekannt, dort kann man die genannten Zahlen “nicht bestätigen”. Robert Roßmann erklärt, warum zuverlässige Prognosen derzeit so schwierig sind.
2. Bericht aus Berlin: Was soll das? (falk-steiner.de)
Falk Steiner beschreibt die “Bericht aus Berlin”-Sendung, in der Angela Merkel im Tschador und der Reichstag mit Minaretten gezeigt wurde. Die Erklärung der “BaB”-Redaktion auf Facebook will Steiner nicht gelten lassen: “‘Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Gleichstellung’ sollten diese beiden Grafiken symbolisieren, schreiben die BaB’ler. Nur wo sich das darin gefunden haben soll, ist das Geheimnis der Macher geblieben — schleierhaft, könnte man sagen.” Die “taz” schreibt, dass die ARD “von den Besten” kopiere, den “Pegida”-Mitmarschierern, die Merkel ähnlich abbildeten. Und der “Tagesspiegel” beobachtet, dass sich Moderator Rainald Becker nicht zur Kritik äußert, seine Redaktion allerdings schon.
3. Pressefreiheit ja – solange es die eigene Meinung deckt (mdr.de, Uta Deckow)
Uta Deckow schreibt darüber, wie Journalisten von “Pegida”-Anhängern bedroht werden. “Jeder Kollege der berichtet, kann solche Geschichten erzählen — bis hin zu denen, die Zettel im Briefkasten fanden mit den Worten ‘Wir wissen wo Du und Deine Kinder wohnen’.” In den letzten Wochen habe sich die Bedrohungslage für Berichterstatter “erheblich verschärft”. Auch sie selbst habe solche Erfahrungen gemacht: Bei einer Demo habe sich ein “Pegida”-Ordner vor ihr aufgebaut und erklärt, “er habe noch nie eine Frau geschlagen, für mich mache er gern eine Ausnahme.”
4. Wie gut waren “die guten alten Zeiten”? (medienwoche.ch, Nik Niethammer)
Früher war alles besser! Journalisten erinnern sich gerne an die “guten, alten Zeiten”. Nik Niethammer gesteht zu, dass das Reportleben Ende der 80er-Jahre “spassig” war, “unbeschwerter, weniger atemlos”, mit größeren Redaktonsbudgets und mehr Zeit für Recherche. Doch führt das zwangsläufig zu besserem Journalismus? “Fehlanzeige. In meinen Texten von damals knirscht und ächzt es an vielen Ecken. Viele von uns waren satt, selbstzufrieden.” Im Gegenteil: “So seriös, nachhaltig und kompetent wie der Journalismus in der Schweiz heute ist, war er nie. Finde ich!”
6. Wer Österreichs BloggerInnen sind: Die Ergebnisse 2015 (digitalschmankerl.at, Petra Köstinger)
Weiblich, jung, “professionelle Hobbyisten”: Die beiden Blogger Petra Köstinger und Tom Schaffer haben ihre Kollegen in Österreich vermessen. “Trending Topics” fasst unter ökonomischen Gesichtspunkten zusammen: “64 Prozent verdienen überhaupt kein Geld mit dem Bloggen, 15 Prozent verdienen pro Monat mehr als 1.000 Euro (8 Prozent mehr als 2000 Euro).” Zum Vergleich: Konrad Lischka hat berechnet, welchen Umsatz “Medienfirmen je Mitarbeiter” erlösen.
Eine größere Galerie mit Beispielbildern haben wir hier zusammengestellt (dauert einen Moment, bis alles geladen ist).
Über 5.500 Menschen, ein Dutzend Tiere und eine Pflanze haben sich an #BILDindieTonne beteiligt und ihre Gratis-“Bild” unschädlich gemacht. Viele haben auch gleich ihren Nachbarn einen Dienst erwiesen oder ihr Exemplar kurzerhand zurückgeschenkt. Mit so viel Einsatz hatten wir nicht gerechnet. Vielen Dank dafür!
Wir werden also alle der versprochenen 1.000 Lernhefte an Flüchtlingsunterkünfte verteilen. Und wir werden alle Spenden, die wir seit Dienstag bekommen haben, verwenden, um weitere Hefte zu besorgen (wie viele es am Ende geworden sind, tragen wir dann hier nach). Das Lernmaterial ist am besten für Unterkünfte geeignet, in denen es betreute Deutschkurse gibt. Wenn Sie Tipps haben, welche Unterkunft noch Hefte gebrauchen könnte, melden Sie sich gerne bei uns.
Die Gewinner der Verlosung kontaktieren wir in den nächsten Tagen.
Und falls Sie bisher ein schweres Rückenleiden daran gehindert haben sollte, die Gratis-“Bild” zu entsorgen: Hier kann man noch was Nützliches damit anstellen.
1. Flüchtlinge plötzlich verschwunden (nzz.ch, Rainer Stadler)
Rainer Stadler ist irritiert, wie abrupt die “laute Berichterstattung über die Flüchtlinge” verstummt ist: “Allenfalls gibt es noch kürzere Meldungen dazu. Auf den Titelseiten und in den Nachrichtensendungen herrscht wieder Alltagsroutine.” Kathrin Hollmer sieht das anders und stellt bei sueddeutsche.de Magazine vor, die Geflüchtete selbst zu Wort kommen lassen. Das “Mindener Tageblatt” erklärt im Redaktions-Blog, “warum das MT nicht ungefiltert aus der Häverstädter Notunterkunft berichten kann”.
2. What It’s Like To Report on Mass Shootings Routinely (medium.com, Polly Mosendz, englisch)
Nach dem Amoklauf am Umpqua Community College in Roseburg erzählt Polly Mosendz, wie routiniert sie und ihr “Newsweek”-Team inzwischen auf Schießereien reagieren: “It’s so routine that we have an entire assembly line in place, complete with prewritten and predictable stories.” Dazu auch: “The Concourse” über das Ranwanzen an Augenzeugen durch Reporter bei Twitter und “Poynter” über die Reaktion der Medien auf Barack Obamas Bitte, US-Opfer von Terroranschlägen und von Amokläufen ins Verhältnis zu setzen.
3. Maas und die Datenhehlerei (sueddeutsche.de, Ulf Buermeyer)
In diesem Herbst wird der Bundestag aller Voraussicht nach die Vorratsdatenspeicherung verabschieden. Für Ulf Buermeyer gibt es viele Gründe, warum man das Gesetz ablehnen könnte — einen besonders wichtigen sieht er bislang nicht ausreichend beleuchtet. Der Paragraf gegen Datenhehlerei könnte “unvorhersehbare Auswirkungen auf sämtliche Lebensbereiche” haben, “in denen der Umgang mit Daten eine Rolle spielt — ganz besonders auch auf den investigativen Journalismus.” Buermeyer sieht darin “den eindeutigen Versuch, den Umgang mit Daten, wie sogenannte Whistleblower ihn pflegen, möglichst weitgehend zu kriminalisieren.”
4. Braune Biobauern: Vegane Nazis bauen sich ihr Bullerbü (spiegel.de, Anja Reiter)
Die Umweltzeitschrift “Umwelt & Aktiv” kümmert sich nicht nur um Umwelt- und Tierschutz, sondern auch um den “Heimatschutz”: Das Öko-Magazin gehört zu einer rechten Gruppe, die zum Teil aus ehemaligen NPD-Mitgliedern besteht. Für Anja Reiter nicht abwegig, denn Umweltschutz passe gut zu “völkisch-nationalen Idealen”.
5. Mobile Ads und die Geschwindigkeit deutscher Nachrichtenseiten (datenkritik.de, Steffen Kühne)
Vergangene Woche visualisierte die “New York Times” Ladezeiten und Datenverbrauch der 50 größten US-News-Seiten — einmal mit Adblocker, einmal ohne. Steffen Kühne hat nun das Gleiche mit deutschen Medien gemacht — und musste zwischen 3,2 Sekunden (“Bild”) und 16,5 Sekunden (“Hamburger Abendblatt”) warten. In diesem Zusammenhang ebenfalls interessant: Mobilfunk-Kunden zahlen durchschnittlich 16,6-mal mehr für ihr Datenvolumen, als Verlage an ihren Klicks und Visits verdienen.