YouTube-Sexismus, Humorjournalismus, Pokemonismus

1. Die deutsche YouTube-Szene ist sexistischer als jede Mario-Barth-Show
(broadly.vice.com, Marie Meimberg)
Marie Meimberg ist genervt von all den in kleine Videos gepressten Geschlechterklischees und dumpfen Vorurteilen aus dem vorletzten Jahrhundert, die auf YouTube Millionenfach geklickt werden: “Das zieht sich in der deutschen YouTube-Szene durch alle Altersklassen und Content-Genres, betrifft Menschen, die ich privat mag und solche, die ich auch privat ziemlich scheiße finde. Von den 16-jährigen Zwillings-Lochis bis hin zur 32-jährigen Joyce Ilg, von einer Kelly aka MissesVlog bis hin zu ImbaTorben—überall findet man sie, die Videos, die den wirklich wichtigen Fragen der Menschheit nachgehen: „Was Männer an Frauen geil finden” oder „Was Frauen nie sagen, aber denken” oder was „Männer von Frauen nicht wissen”, wie Frauen streiten oder lügen … und völlig egal, ob hier ein YouTuber oder eine YouTuberin vor der Kamera steht, was dabei rauskommt, ist wirklich sexistischer Klischeescheiß vom allerfeinsten.”

2. Realsatire.de und der „Humorjournalismus“
(get.torial.com, Tobias Lenartz)
Eine neue Satireseite hat sich dem “Humorjournalismus” verschrieben. Crowdfundingunterstützt will man sich all der Geschichten annehmen, die bereits Realsatire seien. Tobias Lenartz hat sich die Seite näher angeschaut und lässt die Macher zu Wort kommen. Bislang sei die Updatefrequenz sowie die Zahl längerer Stücke noch recht übersichtlich. Doch das solle sich nach Angaben der Realsatirebetreiber ändern. Man wolle die crowdgefundete Summe in Autoren investieren und strebe an, in Zukunft ein längeres, gut recherchiertes Stück pro Tag und einige kürzere Geschichten, Fotos und Links zu veröffentlichen.

3. Ist das jetzt wirklich lustig oder werden wir alle gefoppt?
(br.de, Lisa Altmeier )
Zu den Dingen, die auf Facebook besonders gerne geteilt werden, gehören Screenshots von aberwitzigen Konversationen. Der Verdacht liegt nahe, dass diese meist gefaket sind. Lisa Altmeier hat einen dieser viral so erfolgreichen Dialoge einer Expertin für Scripted Reality zur Begutachtung vorgelegt, die ihren Verdacht prompt bestätigt. Altmeier fragt sich, warum die Bildchen so erfolgreich sind und kommt zu dem Schluss: “Wir alle finden es geil, berieselt zu werden und einfach mal laut loszugröhlen. Wir fühlen uns ein Stück schlauer, wenn wir uns mit den vermeintlich Dümmeren vergleichen. Oder wir erkennen unsere eigene Verpeiltheit in den Dialogen der anderen wieder. Die naive Person ist also in Wahrheit nicht Carmen aus dem Transformers-Dialog, sondern wir selbst.”

4. Wenn der Krieg zur Gewohnheit wird
(ostpol.de, Alice Bota)
Alice Bota ist Moskau-Korrespondentin der “Zeit” und fand sich im siebten Jahr ihres Berufslebens im Krieg wieder, wie sie ihren Artikel beginnen lässt. Bota war im Frühjahr 2014 in den Osten der Ukraine gereist und lernte ab dem Zeitpunkt nicht nur etwas über den Krieg, sondern auch über Journalismus, eigene Versäumnisse, Meinungshoheiten in Talkshows und die Hartnäckigkeit gängiger Narrative. “Die Kritik an der Ukraine-Berichterstattung, von manchen Medienjournalisten fast neurotisch betrieben, war übrigens keine Hilfe, mit der eigenen Fehlerkultur umzugehen, weil sie entweder diffus blieb oder sich an handwerklichen Fehlern abarbeitete, die zwar ärgerlich, aber eben nicht intentional waren. Dabei hätten wir eine Debatte darüber gebraucht, was wir Reporter nicht abbilden und warum nicht. Doch in einer Atmosphäre, in der Reporter als Kriegshetzer, Propagandahuren und Agenten verhöhnt werden, fällt es schwer, laut über die eigenen Schwächen nachzudenken.”

5. Ein “Shooting” ist keine “Schießerei”
(sueddeutsche.de, Jörg Häntzschel)
Deutschen Beobachtern, die über die Polizeigewalt in den USA berichten wollen, fehlen die geeigneten Worte, konstatiert Jörg Häntzschelt und stellt einige der unzureichenden Begriffsübertragungen vor. Besonders bizarr sei der “Amoklauf”, mit dem oft die “school shootings” übersetzt würden: “Damit lassen sich die Tatmotive in eine so unzugängliche Zone der Täterpsyche verlegen, dass sich die Suche nach rationalen Erklärungen eigentlich erübrigt. In den USA spricht man in solchen Fällen auch von mass shootings und mass killings, doch “Massentötung” ist uns so unheimlich, dass wir sie allenfalls für die Opfer der Massentierhaltung verwenden. Und “Massenmord”? Darin waren wir Deutschen mal sehr gut. Wir wollen das Wort am liebsten gar nicht mehr verwenden.”

6. Pokémon Go: Der Hype um den Hype
(wuv.de, Markus Sekulla)
Pokémon Go ist eine Woche online. Laut W&V-Kolumnist Markus Sekulla Zeit für einen (nicht ganz ernst gemeinten) Rückblick.

Tomatendiebe in ganz Deutschland

Um den Plan vielleicht erst mal in zwei Sätzen zu erklären: In Deutschland passieren jeden Tag wichtige Dinge. Um die soll es in dieser Kolumne nicht gehen.

Ich würde hier gern über das sprechen, was abseits der Relevanz so los ist, weil das natürlich ebenfalls zum Gesamtbild gehört, und irgendwer muss sich ja auch darum kümmern.

Ralf Heimann hat vor ein paar Jahren aus Versehen einen Zeitungsbericht über einen umgefallenen Blumenkübel berühmt gemacht. Seitdem lassen ihn abseitige Meldungen nicht mehr los. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt zusammen mit Jörg Homering-Elsner “Lepra-Gruppe hat sich aufgelöst — Perlen des Lokaljournalismus”. Im August erscheint von Daniel Wichmann und ihm “Hier ist alles Banane — Erich Honeckers geheime Tagebücher 1994 – 2015”. Er arbeitet unter anderem für das “SZ Magazin”. In seiner Freizeit schreibt er am liebsten Autorentexte in der dritten Person.
(Foto: Jean-Marie Tronquet)

In Geislingen-Erlaheim ist zum Beispiel vor zwei Wochen eine Tomatenpflanze gestohlen worden. Der “Zollern-Alb-Kurier” berichtete. Die Zeitung sprach sogar mit dem Bürgermeister darüber. Der verurteilte die Tat, denn Tomatenpflanzen-Diebstahl ist natürlich kein Kavaliersdelikt. Inzwischen sind drei Wochen Wochen vergangen. Ich habe in der Redaktion nachgefragt: Aufgeklärt ist der Fall noch immer nicht, aber es wird spekuliert. Der Bürgermeister schrieb in der Facebook-Gruppe “Geislinger”, um einen Fußballfan könne es sich nicht handeln. Das stehe wohl fest. Die hätten ja zur Tatzeit alle das Spiel Deutschland gegen Polen gesehen. Bliebe natürlich die Frage, ob es auch Fußballfans mit Interesse an Tomaten gibt, die ihr Land nicht bei der EM sehen konnten. Aber wer sollte das sein?

Tomaten-Diebstahl ist jedenfalls offenbar ein so abwegiges Verbrechen, dass selbst Google die Anfrage kaum glauben kann (“Meinten Sie Automaten-Diebstahl?”). Aber dann findet man doch so einiges.

24. Juni 2016. Tatort Siershahn im Westerwald. Wenn man seine Ansprüche etwas herunterschraubt, klingt der Fall fast wie ein Thriller. Eine 35-jährige Frau buddelt im Schulgarten an der Schillerstraße Tomatenpflanzen aus, gräbt sie vor dem eigenen Haus wieder ein, wird dabei von einem Unbekannten beobachtet. Anonymer Hinweis. Zugriff. So schnell kann das gehen.

In Braunschweig verteilen Schüler ungefähr zur gleichen Zeit 60 Pflanzen in der Innenstadt. Kürbisse, Erdbeeren und eben auch Tomaten. Eine Woche später fehlt von den Pflanzen jede Spur.

Man kann weit zurückgehen, bis ins Jahr 2014, und man wundert sich, wozu Menschen bereit sind, wenn es darum geht, dieses rote Gewächshaus-Gold in ihren Besitz zu bringen.

27. April 2014. Im südhessischen Trebur schneiden “Schurken” ein Loch in die Folie eines Gewächshauses, um 46 Tomatenpflanzen aus der Erde zu ziehen und mitzunehmen. Eine Tomatenpflanze kostet im Internet 3,95 Euro. Die zerstörte Gewächshausfolie hatte einen Wert von 1000 Euro. Was man daraus schließen kann: Tomatenpflanzen-Diebe sind offenbar miserable Geschäftsleute. Hätten sie einfach die Folie mitgenommen und zu einem annehmbaren Preis verscherbelt, könnten sich nun vom Erlös über 200 Pflanzen bestellen. Aber das wäre vermutlich zu einfach.

Es ist ein schmutziges Geschäft. Am 23. April 2015 lässt eine 74-jährige Frau in einem Supermarkt an der Maximilianstraße in Speyer neun Kilogramm Tomaten im Wert von 15,21 Euro in einer von ihr mitgeführten Einkaufstasche verschwinden. Die Frau wird zu lebenslanger Haft verurteilt.

Und es gibt ganz aktuelle Fälle.

6. Juli 2016. Neudietendorf. In einem Lebensmitteladen an der Ingerslebener Straße stellt ein Mann eine Tomatenpflanze in einen Wäschekorb. Den Korb legt er in sein Auto und fährt einfach los. Und man muss sich unweigerlich vorstellen, wie er mit der Tomatenpflanze im Wäschekorb im Auto auf einen Autozug fährt, der Autozug in einer Fähre verschwindet, die kurz darauf vom Rumpf eines noch größeren Schiffes verschluckt wird, in dem der Mann schließlich festgenommen, vor Gericht gestellt und zu zehnjähriger Plantagenarbeit in einem holländischen Tomaten-Gulag verdonnert wird.

Je mehr Meldungen man liest, desto sicherer wird man sich: Neben schlimmen Krankenheiten, Armut und Terrorismus gibt es in Deutschland im Grunde nur ein nennenswertes Problem: Tomatenpflanzen-Diebstahl.

Wobei, ein anderes wäre da auch noch. Hier oben, über der Meldung mit der Tomatenpflanze im Wäschekorb:

Am 4. Juli will ein Mann aus Gotha sich in seiner Küche etwas Essen aufwärmen. Er holt eine Pfanne aus dem Schrank, stellt sie auf den eingeschalteten Elektroherd, wartet — und schläft ein. Die Feuerwehr weckt ihn, als die Pfanne gut durch ist.

Überall in Deutschland schlafen am hellichten Tag Menschen ein — auch, wenn die portugiesische Fußballnationalmannschaft gerade nicht spielt.

In Münster muss Ende Juni der Auftakt eines Strafprozesses wiederholt werden, weil ein Schöffe sich während der Verhandlung nicht wachhalten kann. Dabei ist der Fall eigentlich ganz spannend: Vor Gericht stehen zwei Männer, die mit einer Soft-Air-Pistole einen Supermarkt überfallen haben sollen.

Aber so aufregend Einbrechen auch sein mag, irgendwann wird alles zur Routine, und dann ist es wichtig, dass man ausgeschlafen zur Arbeit kommt. Sonst kann das böse enden. In Lilienthal hat die Polizei in der Nacht zu vorletztem Sonntag in einem Supermarkt einen Mann aufgelesen, der keine Payback-Karte hatte und offenbar auch kein Geld dabei. Der Mann lag irgendwo auf dem Gang und schlief. Mit letzter Kraft war es ihm noch gelungen, die Tür aufzubrechen und sich ins Trockene zu schleppen. Dann machte er Feierabend. Was er in dem Laden suchte, ist nicht bekannt. Möglicherweise Tomatenpflanzen. Aber das wird die Polizei in den nächsten Tagen … Hallo? Sind Sie noch wach?

Kriegspropaganda, Buchblogs, Pokémon Leave

1. Nach Tony Blair auch die Medien hinterfragen
(infosperber.ch, Urs P. Gasche)
Der Schweizer Journalist Urs P. Gasche geht mit dem Westen und den westlichen Medien ins Gericht. Blair und Bush hätten mit Lügen den Krieg gegen Irak entfacht und auch Schweizer Medien hätten die US-Propaganda als Tatsachen verbreitet. “In Konfliktsituationen versuchen alle Parteien, die Öffentlichkeit mit einseitigen, irreführenden und sogar gefälschten Informationen zu manipulieren. Die USA und ihre Verbündeten sind darin keinen Deut besser als etwa das Regime Baschar al-Assads oder Putins Russland.” Erhebliche Skepsis sei angebracht, so Gasche in seinem ausführlichen, mit Beispielen gespickten Artikel. Eine Skepsis, die sich im letzten Satz des Beitrags widerspiegelt: “Welche Medien haben aus der Vergangenheit gelernt?”

2. Interviewarten: Gut zu wissen, bevor man fragt
(abzv.de, Mario Müller-Dofel)
Weil manchen, vor allem jungen Journalisten die Unterschiede zwischen den Interviewarten nicht klar seien, hat Mario Müller-Dofel eine Übersicht zusammengestellt, die auch nach sachlicher und emotionaler Kommunikation der wichtigsten Arten unterscheidet. Denn ehe Interviewer sich ihre Interviewziele klarmachen, solle ihnen klar sein, welche Interviewart zum Thema und Gesprächspartner passe. Müller-Dofel macht den angehenden Journalisten zum Schluss Mut: “Augenhöhe hat nichts mit dem Alter, sondern mit Akzeptanz beim Gesprächspartner zu tun. Die können sich junge Journalisten durch eine vorausschauende, professionelle Kommunikation erarbeiten.”

3. Charta für mehr Qualität
(horizont.net, Ulrike Simon)
Auf der Jahreskonferenz des Netzwerks Recherche am vergangenen Wochenende in Hamburg haben mehrere Journalistenschulen eine gemeinsame Charta vorgestellt, mit der sie sich erstmals freiwillig auf einige Mindeststandards verpflichten. Ulrike Simon fasst in einem Kurzbeitrag die begleitende Diskussion zusammen.

4. Was lesen Buchblogger: Eine neue Analyse mit Visualisierungen und Statistiken
(lesestunden.de, Tobias Zeising)
Buchblogger Tobias Zeising hat die Rezensionsschwerpunkte von 500 Literatur- und Schmöker-Blogs ausgewertet. Als Grundlage dienten ihm von “Lovelybooks” und “Goodreads” abgeleitete Daten. Rund 65.000 Bücher flossen in die Auswertung ein. Bei den Genres lagen auf den ersten drei Plätzen Jugendbuch, Roman und Fantasy, gefolgt von Krimis und Thrillern. Zeising hat aber noch unzählige weitere interessante Dinge aus den Daten abgeleitet wie die Geschlechterverteilung, eine Hitliste der zehn von Buchbloggern meistgelesenen Büchern und viele weitere Detailfakten.

5. Was fließt hier eigentlich?
(meta-magazin.org, Axel Bojanowski)
“Spiegel Online”-Wissenschaftsredakteur Axel Bojanowski hat vor einiger Zeit einen Leserbrief erhalten, in dem es im weitesten Sinne darum ging, welche Formulierungen zur Beschreibung von wissenschaftlichen Sachverhalten angemessen sind und ob die Verwendung unscharfer Metaphern erlaubt sei. Bojanowski hat den Leserbrief ausführlich beantwortet und unter anderem festgestellt: “Ich glaube, man muss unterscheiden, ob man Wissenschaft erzählen oder darstellen will. Bei der exakten Darstellung können Metaphern hinderlich, ja destruktiv sein. Beim Erzählen müssen jedoch die Regeln guter Geschichten gelten, also Poesie, Spannung, Sprache, Assoziationen aus der Welt des Lesers, Verknüpfungen mit der Alltagswelt. Ansonsten scheitert das Erzählen, es wäre vergeblich.”

6. Datenschutzerklärung von „Pokémon Go“: Großzügige Erlaubnis zur Datenweitergabe an staatliche Stellen
(netzpolitik.org, Ingo Dachwitz)
Obwohl Nintendos Handy-Spiel “Pokémon Go” in Europa noch nicht offiziell in den App-Stores verfügbar ist, gibt es im Netz bereits unzählige Berichte und Screenshots des gefeierten Augmented-Reality-Games. “Netzpolitik.org” gibt zu bedenken, dass sich die Betreiber weitreichende Rechte zur Datenübertragung einräumen lassen. Auch Heise-Security-Autor weist in seinem Beitrag Pokémon Go greift sich alle Google-Rechte darauf hin, dass die App alle Mails lesen, auf Daten im Google Drive zugreifen und selbst Mails im Namen des Nutzers verschicken kann.

Der Tod eines Toreros in Zeitlupe

Am vergangenen Samstag starb bei einem Stierkampf in Spanien ein Torero. In der Arena von Teruel stach ein Stier dem 29-jährigen Matador Victor Barrio mit einem Horn in die Brust. Manche Portale berichten, dass dabei Barrios Herz verletzt worden sei, andere schreiben, Lunge und Halsschlagader seien getroffen worden. Jedenfalls starb Victor Barrio an den Folgen seiner Verletzung noch vor Ort — alles gut dokumentiert, da der Stierkampf live von einem spanischen TV-Sender übertragen wurde.

Der letzte Todesfall eines Stierkämpfers in einer Arena liegt bereits 31 Jahre zurück. Und so erhoben manche Nachrichtenseiten den Unfall vom Samstag direkt zum Jahrhundertereignis:


(“Kölnische Rundschau”)


(n-tv.de)


(“Mitteldeutsche Zeitung”)

(Schade, liebe Jahrhundertjournalisten, leider habt ihr die große Chance vertan, aus Victor Barrios Tod gleich ein Jahrtausendereignis zu machen.)

Als wäre das — in Kombination mit mehr oder weniger detaillierten Beschreibungen des Vorfalls und Fotos vom verletzten, leblosen Victor Barrio — nicht schon Sensation genug, wollten manche Redaktionen ihrer Leserschaft nicht die Möglichkeit nehmen, einem Menschen beim Sterben zugucken zu können.

“N24” zeigt beispielsweise in einem Video in Zeitlupe, wie der Stier Barrio aufspießt. Genauso die “BZ”. Die “Huffington Post” bindet Aufnahmen von Victor Barrios Tod gleich in zwei Artikeln ein und will nicht darauf verzichten, in einem der Texte noch einmal extra auf das Material hinzuweisen, damit auch ja niemand etwas verpasst:

Eine Sequenz des Videos zeigt Barrio in Großaufnahme, bereits am Boden liegend, noch leicht zuckend. Es ist extrem würdelos. Diese Szene haben die russischen Propagandisten von “Sputnik” ebenfalls veröffentlicht. (Auf Links zu und Screenshots von den Videos haben wir bewusst verzichtet.)

Und auch Bild.de zeigt Victor Barrio beim Sterben. Auf der Startseite hat das Portal mit diesem Teaser für den Artikel geworben:

(Unkenntlichmachung durch uns.)

Dank der Taktlosigkeit einiger deutscher Redaktionen, können das nun auch alle anderen von zu Hause aus am Computer.

Mit Dank an Daniel W.!

Kummerreportagen, Mördergage, Talkshowzirkus

1. Tom Kummers unlautere Textcollagen
(nzz.ch, Boas Ruh)
Der Schweizer Journalist Tom Kummer wurde lange Zeit für seine exklusiven Interviews mit illustren Promis gefeiert. Umso größer war das Entsetzen, als sich im Jahr 2000 herausstellte, dass Kummer viele seiner Interviews frei zusammenfantasiert oder aus vorhandenem Material zusammengebaut hatte. Das mediale Beben war erheblich: Die verantwortlichen Chefredakteure des SZ-Magazins wurden gefeuert. Kummer selbst verklärte seinen Betrug gerne zur Kunstform. 2005 verpatzte Kummer seine zweite Chance mit einer weiteren Täuschung, wie der “Spiegel” schrieb. Nun fand Kummer für seine Texte erneut Abnehmer. Medien wie “reportagen” oder die “Weltwoche” haben anscheinend ungeprüft Reportagen des notorischen Wiederholungstäters veröffentlicht. Die “NZZ” hat die Kummer-Reportagen untersucht und festgestellt, dass sie zwar nicht komplett zusammenfantasiert, aber eine Melange aus abgekupferten Texten anderer Autoren sind.

2. Das Gegenteil von Lügenpresse
(derstandard.at, Noura Maan, Fabian Schmid)
Die rechte Pegida-Bewegung bedient sich besonders gerne der sozialen Netzwerke, um ihre Inhalte zu vermitteln und neue Anhänger zu requirieren. Noura Maan und Fabian Schmid haben das Social-Media-Verhalten der Bewegung untersucht und sich unter anderem angeschaut, welche Links von Pegida auf Facebook geteilt werden. Eine spannende Analyse, die möglich wurde durch eine Kooperation mit Wissenschaftlern des Alexander-von-Humboldt-Instituts für Internet und Gesellschaft in Berlin im Rahmen eines von der Volkswagenstiftung geförderten Forschungsprojekts zu “Wissenschaft und Datenjournalismus”.

3. Krankenpfleger Niels H.: TV-Produktionsfirma zahlte Serienmörder 5000 Euro Honorar
(spiegel.de)
Der Krankenpfleger Niels H. hat Patienten mit Medikamenten in einen lebensbedrohlichen Zustand gebracht, um sie danach zu reanimieren und sich selbst als Retter zu gerieren. Für ein im WDR ausgestrahltes Interview soll der mittlerweile wegen Mordes, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilte Mann einen Betrag von 5.000 Euro erhalten haben. Der WDR hat nach Bekanntwerden der Vorwürfe die Sendung für die weitere Ausstrahlung gesperrt.

4. “Nicht in Ordnung, nur weil man es immer macht”
(lto.de, Constantin Baron van Lijnden)
Die “Sächsische Zeitung” hat angekündigt, in Zukunft stets die Nationalität von Straftätern nennen zu wollen – auch, wenn es Deutsche sind. Dies kollidiert jedoch wahrscheinlich mit Richtlinie 12.1 des Pressekodex. Danach ist eine derartige Nennung nur zulässig, wenn ein begründbarer Sachbezug zu der Meldung besteht. Die “Legal Tribune Online” hat den Presserats-Geschäftsführer im Interview gefragt, ob der Presserat bald reihenweise Artikel der Sächsischen Zeitung beanstanden wird.

5. nr-Jahreskonferenz 2016
(netzwerkrecherche.org)
Der Verein “Netzwerk Recherche” ist ein Journalistenzusammenschluss, der nach eigenen Angaben für die Interessen jener Kollegen eintritt, die oft gegen Widerstände in Verlagen und Sendern intensive Recherche durchsetzen wollen. Am Wochenende hat man sich zur Tagung getroffen. Ein Team angehender Journalisten hat das Geschehen in einem ausführlichen Live-Blogbeitrag dokumentiert und zahlreiche Abstracts, Videobeiträge und Tweets der Veranstaltung zusammengestellt.

6. Lasst sie reden
(taz.de,Philipp Daum)
Steffen Bothe hat ein etwas anderes Hobby. In den letzten 20 Jahren hat er nach eigener Schätzung etwa 800 Talkshows besucht. “taz”-Autor Philipp Daum hat sich mit dem TV-Dauergast zum Fernseh-Marathon getroffen: Vier Talkshows in drei Tagen, zusammen wurden es 13,5 Stunden in Fernsehstudios.

Vertreten, Vermarktet, Verunfallt

1. Das ZDF hat jetzt Internet
(sueddeutsche.de, Jessica Binsch)
Leonhard Dobusch ist Jurist und Wirtschaftswissenschaftler und neuerdings auch Mitglied des ZDF-Fernsehrats. Er soll dort den Bereich “Internet” vertreten. So stünde es offiziell im Rundfunkstaatsvertrag. Dobusch will dort ein paar Themen voranbringen, bei denen seiner Ansicht nach bislang Ängste und Zurückhaltung vorgeherrscht hätten. “Mehr offene Lizenzen” ist eines dieser Themen. Weitere Informationen zum neuen, reformierten Fernsehrat im Kommentar von Boris Rosenkranz auf “Übermedien”.

2. Der “neue Journalismus”, Teil 2: Journalistenmarke schlägt Mittelmaß
(fachjournalist.de, Silke Liebig-Braunholz)
Im zweiten Teil der Reihe über den “neuen Journalismus” geht es um Journalistenmarken im Gegensatz zu Medienmarken. Die Entwicklung sei unaufhaltsam: Der Fachjournalist von morgen werde nicht mehr zwingend mit einer Medienmarke in Verbindung gebracht. Je früher er lerne, seine Geschichten auf eigenen Kanälen zu erzählen und zu seiner großen fachlichen Expertise hinzuführen, desto besser für seine persönliche Journalistenkarriere.

3. Die perfekte Journalistenausbildung
(vocer.org, Alexandra Stark)
Die Studienleiterin “Online und Multimedia” der Schweizer Journalistenschule muss im Rahmen ihrer Tätigkeit immer wieder digitale Gräben zuschütten oder zumindest Brücken darüber bauen, wie sie es beschreibt. Die Frage, wer mehr Recht hat, der Alltag oder die Zukunft, beantwortet sie mit dem Versuch, Zielkonflikte dingfest zu machen. Sie hat dazu eine Liste mit zehn Fragen erarbeitet.

4. EU verlassen? Gefällt mir, sagt Facebook
(faz.net, Adrian Lobe)
Bei der Brexit-Debatte könnte Facebook nach Aussage von Kritikern der „Leave“-Kampagne in die Hände gespielt haben. Adrian Lobe schreibt in der FAZ, was für diesen Verdacht sprechen könnte und endet mit: “Man erwartet von Facebook, dass es die Pluralität der Meinungen abbildet. Ohne selbst den geringsten Inhalt beizusteuern, avanciert Facebook zum größten Medienakteur der Welt. Daher ist es nur billig, dem Internetkonzern gewisse Publikationspflichten abzuverlangen. Dazu gehört, Nachrichten-Algorithmen, deren Funktion einer redaktionellen Entscheidung gleichkommt, transparent zu machen.”

5. Die Stimme aus dem Off
(sueddeutsche.de)
Hans Hoff widmet sich in seiner SZ-Medienkolumne dem Fernsehmoderator Frank Buschmann, der es als “Stimme aus dem Off” in der Pro-Sieben-Show “Schlag den Star” zu einiger Berühmtheit brachte.

6. Unfallwagen
(amacgarbe.de)
Der Fotograf Amac Garbe baut Miniaturautos im Maßstab 1:55 zu Unfallwagen um und lichtet sie auf deutschen Straßen ab. Auch als Kritik an den weit verbreiteten und fragwürdigen Unfallfotorubriken der Medien, wie er sagt.

Demontage, Blamage, Hommage

1. „In welcher Welt lebt Björn Höcke eigentlich?“
(handelsblatt.com, Dietmar Neuerer)
Thüringens AfD-Fraktions- und Landeschef Björn Höcke hat seiner Partei angesichts des Führungsstreits die Empfehlung gegeben, gegenüber Pressevertretern keinerlei Erklärungen mehr abzugeben. Er nannte es “ein grundsätzliches und allgemeingültiges Pressemoratorium”. Der Chef des Journalistenverbands Frank Überall erklärte dem “Handelsblatt” gegenüber: “In welcher Welt lebt Björn Höcke eigentlich? Ein Pressemoratorium ist zum einen mit dem verfassungsmäßigen Auftrag der Parteien zur politischen Willensbildung unvereinbar, zum anderen halten das die AfD-Politiker doch gar nicht durch.” “Handelsblatt”-Reporter Dietmar Neuerer fasst den Selbstzerfleischungsvorgang der AfD zusammen, einschließlich des genauen Zeitablaufs.

2. Türkische Journalisten: Gegen die Schere im Kopf
(ostpol.de, Cicek Tahaoglu)
Die Journalistin Cicek Tahaoglu ist Redakteurin beim unabhängigen türkischen Portal „Bianet“ und beobachtet bei sich und Kollegen eine fortschreitende Selbstzensur. “Das passiert sogar mir, aber bei Bianet motivieren wir uns, mutig zu sein. Wenn ich merke, dass ich mich selbst zensiere, frage ich mich, was ich tue und korrigiere meine Fehler. Aber die sogenannte Schere im Kopf ist nicht verwunderlich, schließlich kann alles, was du schreibst, gegen dich verwendet werden.”

3. Vertrauen zur NZZ – und Tausende Franken sind weg
(infosperber.ch, Christian Müller)
Eine ganzseitige “NZZ”-Eigenanzeige bewarb ein von einem österreichischen Reisebüro durchgeführtes Opern- und Musicalarrangement. 15 NZZ-Abokunden haben sich für den Musikabend entschieden, der mit einem Preis von 4.263 Euro nicht ganz billig war. Nun ist der Veranstalter pleite und das Geld der Leser wohl futsch. Juristisch sei im vorliegenden Exklusiv-Kultur-Empfehlungsdebakel die NZZ natürlich nicht haftbar, schreibt Christian Müller. Doch ganz wohl ist ihr wohl auch nicht. Man will den LeserInnen deshalb zur Entschädigung (“zusätzlich zu den Anstrengungen…”) ein Jahr lang kostenlos die NZZ zustellen und je zwei Tickets für das Opernhaus Zürich “offerieren”.

4. „Lügenpresse“: Worum geht es hier eigentlich?
(telemedicus.info, Simon Assion)
Simon Assion ist Rechtsanwalt und Mitgründer des juristischen Internetprojekts “Telemedicus”. In einer längeren Stellungnahme setzt er sich mit der Fundamentalkritik des “Lügenpresse”-Begriffs auseinander. Er geht darin auch auf das Auslassen von Informationen ein, das oftmals kritisiert wird und weist darauf hin, “dass Medienunternehmen und Journalisten zu Recht auch dafür Verantwortung übernehmen, welche Folgen ihre Berichte auslösen. Und dies gilt eben nicht nur für Selbstmorde, sondern – in Abstufungen – auch für die Berichterstattung über bestimmte Volks- oder Religionsgruppen. Und ganz allgemein für die Berichterstattung über hass- und angstgetriebene Themen wie z.B. Vergewaltigungen.”

5. Die Verabredung, sich öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu leisten, gilt für viele offenbar nicht mehr.
(planet-interview.de, Jakob Buhre)
Jedes Jahr gibt es im ZDF das berühmte Sommer-Interview mit Spitzenpolitikern. Die Gesprächsreihe hat Tradition und geht auf die Sendung “Bonn direkt” in den 1980er Jahren zurück. Seit einiger Zeit liegt das Interview in Echtgrünkulisse in den Händen von Bettina Schausten und Thomas Walde. “Welche Absprachen gibt es dabei? Warum gibt Angela Merkel kein Interview in ihrem Wahlkreis? Und warum hat das ZDF noch nie Edward Snowden interviewt?” Jakob Buhre von “Planet Interview” hat den Spieß umgedreht und die Interviewer interviewt.

6. Zum 70. Geburtstag von Stefan Aust. Ein Nachtrag
(rnd-news.de, Ulrike Simon)
Stefan Aust war lange Jahre Chefredakteur des Nachrichtenmagazins “Der Spiegel”, seit 2014 ist er Herausgeber der Tageszeitung “Die Welt”. Zu seinem 70. Geburtstag hat er auf sein Gestüt eingeladen (Aust gilt als passionierter Pferdezüchter). Medienkolumnistin Ulrike Simon ist es gelungen, ein Exemplar der achtseitigen Sonderausgabe der „Welt“ zu ergattern, die man für den Jubilar erstellt hat. Als „Hommage an einen Aufrechten“… Im Buzzfeed-Stil führt sie einige der Highlights auf: “Diese 14 Zitate verraten Ihnen, wie Stefan Aust wirklich ist”.

Bild.de befördert Edward Snowden zum Russen-Spion

Neben unverpixelten Opferfotos hat Bild.de-Chef Julian Reichelt eine zweite große Leidenschaft: Mit Hingabe kämpft er für die Theorie, dass Edward Snowden auf seiner Flucht vor der NSA nie ein anderes Ziel als Russland hatte und dass er nun ein russischer Spion ist.

Am vergangenen Samstag war es dann soweit:

Das klingt doch mal so, als hätte Bild.de den ultimativen Beweis gefunden. Autor des Artikels ist John R. Schindler*, Reichelts Mann für groben Unfug fürs Grobe. Schindler* ist laut Bild.de “Sicherheitsberater und früherer Geheimdienst-Analyst und Offizier für Gegenspionage”, vor einiger Zeit präsentierte ihn das Portal auch als “ehemaligen Beamten der NSA-Spionageabwehr”. Bei Bild.de trifft man ihn nur mit Sternchen am Namen und Erklärtext zu seinen Positionen an.

Schindler* darf sich auf Reichelts Portal immer wieder austoben, mal mit einer Psychoanalyse “des Orlando-Killers”, mal mit Vermutungen zu russischen Hooligans bei der Fußball-EM. Und immer wieder mit Beiträgen über Edward Snowden. Die Taktik hinter Schindler*s Anti-Snowden-Texten scheint zu sein: Den Whistleblower als Verbrecher und Überläufer zu diskreditieren, um dadurch auch seine Enthüllungen über die US-Geheimdienste zu diskreditieren.

Da passte ein vierminütiges Radiostück aus den USA perfekt in seine Agenda. Die Journalistin Mary Louise Kelly hat darin unter anderem mit Franz Klintsevich gesprochen, den sie als “equivalent of a senator here in Russia and deputy chairman of the powerful defense and security committee” einführt. Ein “bemerkenswertes Interview”, wie Schindler* schreibt:

In einem bemerkenswerten Interview von dieser Woche erklärte Franz Klintsevich — ein hochrangiger russischer Sicherheitsbeamter — ganz nüchtern: “Seien wir ehrlich. Snowden hat Geheiminformationen weitergegeben. Dafür sind Sicherheitsdienste ja da. Wenn es eine Möglichkeit gibt, an Informationen zu gelangen, dann werden sie es auch tun.”

Das ist der endgültige Beweis (“Jetzt gibt es endlich Fakten!”) für John R. Schindler* und Reichelts Bild.de: die Aussage Das wurde schon immer so gemacht. Das wird auch beim Snowden so gemacht worden sein. Schindler* erklärt einen Mann, den er in die Nähe des russischen Militärnachrichtendienstes rückt und der nach seiner und Julian Reichelts Logik damit so gar nicht als Zeuge taugt, zum Kronzeugen seiner Der-Snowden-ist-doch-ein-oller-Russen-Spion-Theorie.

Klintsevich war es, der 2012 Geld sammeln und davon Adolf Hitlers Geburtshaus kaufen wollte, um es dann direkt abreißen zu lassen. Und Klintsevich war es auch, der vor Kurzem forderte, Russland solle den kommenden Eurovision Song Contest boykottieren, weil in diesem Jahr die Ukraine “nur aus politischen Gründen gewonnen” habe.

Und so hat “Spiegel”-Korrespondent Benjamin Bidder auch eine ziemlich klare Meinung zu Franz Klintsevich:

Ob nun Wirrkopf oder nicht — was Franz Klintsevich offenbar nicht “gesteht”, jedenfalls wird er von Mary Louise Kelly nirgendwo so zitiert: Dass Edward Snowden “ein Russen-Agent” ist. Und auch der Kreml gibt nichts zu. Doch was interessiert das Bild.de bei der Jagd nach Klicks?

Und auch im Text heißt es eindeutig:

Nun hat der Kreml die Frage ein für allemal geklärt, indem er verlautbaren ließ, Edward Snowden arbeite in der Tat für ihn.

Ob Edward Snowden ein russischer Spion ist? Keine Ahnung.

Ob Edward Snowden irgendeinem der russischen Geheimdienste irgendetwas verraten hat? Keine Ahnung.

Ob John R. Schindler* und Bild.de hier unsauber arbeiten und Zitate zu Fakten verbiegen? Ganz sicher.

Mit Dank an Michael G., Martin und @mausraster!

Verabschiedet, Versendet, Verschlankt

1. Die Journalismus-Krise ist eine Krise seiner Umwelt
(carta.info, Christoph Kappes)
Was da unter der Überschrift “Gedanken zu Vertrauensverlust, Qualität, Unabhängigkeit und möglichen Entwicklungsrichtungen.” daherkommt, ist nichts weniger als eine umfassende Standortbestimmung des jetzigen Journalismus. Kein Text zum schnellen Überfliegen, sondern eine gründliche Analyse mit dem Potential eine, nein viele Debatten über die Zukunft des Journalismus anzustoßen.

2. Ich mag einfach nicht mehr
(taz.de, Silke Burmester)
Silke Burmester schreibt seit 20 Jahren für die “taz”, sieben Jahre davon als das Mediengeschehen kommentierende “Kriegsreporterin”. Nun beendet sie ihre Kolumnentätigkeit bei der “taz” und verabschiedet sich mit einem letzten Brief. Nicht ohne nochmal verärgert festzustellen, “Dass es nicht zum Selbstverständnis von Journalisten gehört, sich mit Kollegen anzulegen. Und schon gar nicht mit den Bossen. Wir sind eine Branche der Schisser und Anpasser, die zwar groß darin ist, Fehler bei anderen zu suchen, aber sich heulend in der Ecke verkriecht, wenn sie ihre Arbeitsbedingungen benennen soll.”

3. BND darf ausländische Journalisten überwachen
(reporter-ohne-grenzen.de)
Übermorgen wird im Bundestag ein Gesetzentwurf beraten, der dem Bundesnachrichtendienst gestattet, ausländische Journalisten zu überwachen. Ein Skandal wie der Geschäftsführer der “Reporter ohne Grenzen” findet: “Bisher findet sich in jedem deutschen Überwachungsgesetz eine Ausnahmeregel für Journalisten. Im neuen BND-Gesetz aber ist an keiner einzigen Stelle ein Hinweis darauf zu finden, dass Journalisten nicht ausgespäht werden dürfen. Besonders Journalisten aus Nicht-EU-Ländern geraten damit in das Visier des Nachrichtendienstes. Offenbar betrachtet die Bundesregierung Pressefreiheit als ein deutsches Exklusivrecht, um das sie sich im Ausland nicht zu scheren braucht”

4. Warum meiner Meinung nach aus Sender nichts wurde
(medium.com, Lorenz Matzat)
“Wir gründen einen Sender, den ersten genossenschaftlichen Sender in Deutschland.” Mit diesem ersten Tweet wurde Mitte Januar 2015 ein hoffnungsvolles Projekt angekündigt, das jedoch nicht umgesetzt wurde. Einer der Mitgründer spricht nun über die Gründe: “Woran ist das Ganze gescheitert? Letztlich daran, dass wir uns nicht getraut haben, zu „springen“. Also wirklich zu starten. Ursächlich dürfte dafür gewesen sein, dass wir als Team nicht in der Lage waren, unsere Vision auf einen Nenner zu bringen. Sie blieb zu diffus.”

5. Für das dicke Ende sorgt die Welt.
(fettlogik.wordpress.com, Nadja Hermann)
Comic-Bloggerin Nadja Hermann („erzaehlmirnix“) betreibt mit “Fettlogik” eine Seite, auf der sie sich mit dem Thema Übergewicht auseinandersetzt. Wiederholt hat sie sich über Artikel der “Welt” geärgert, aktuell erregt der Beitrag “Kampf den Kilos: Warum Diäten uns immer dicker und dicker machen” ihren Unmut. Nadja Hermann seziert die Aussagen des Beitrags und ätzt zum Ende: “Wirklich schade, dass ich diesen Artikel nicht vor drei Jahren gelesen habe, dann hätte ich rechtzeitig gewusst, dass weniger essen leider nicht funktionieren wird, um von meinen 150 kg wegzukommen. Hilfreiche Artikel wie dieser hätten mich vielleicht davor bewahrt, zu glauben, ich könnte etwas gegen mein Übergewicht tun.”

6. Charaktermerkmal Doppel-F: Anime hat ein echtes Frauenproblem
(broadly.vice.com, Natalie Meinert)
Natalie Meinert schreibt über die Sexualisierung der weiblichen Figuren in Animes. Diese sei seit den 70er Jahren angestiegen, besonders rapide jedoch in den 90ern, als Anime sowohl in Japan als auch den westlichen Ländern immer populärer wurde. Ob das auch der westlichen Begeisterung für die Kulturform angelastet werden könne, ließe sich nicht klar sagen. Meinert über die auf RTL2 und Co. laufenden Mainstream-Animes: “Den Zuschauer beschleicht das ungute Gefühl, sich zweidimensionalen Frauen mit sozialen Werten aus den 50ern gegenüberzusehen.”

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