Der Stammbaum des Verbrechens

Der CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer hat vor ein paar Tagen den Vorschlag gemacht, den Pressekodex zu ändern. Er möchte, dass Journalisten nicht länger verschweigen, aus welchem Land Straftäter kommen. Bislang verzichten sie auf derartige Angaben, weil der Pressekodex sie dazu auffordert, die Herkunft von Tätern nur dann zu erwähnen, wenn diese Information für das Verständnis der Tat von Bedeutung ist — wenn also zum Beispiel ein Wohnwagen-Gespann einen Fußgänger überfährt und sich im Nachhinein herausstellt: Es war ein Holländer.

Ralf Heimann hat vor ein paar Jahren aus Versehen einen Zeitungsbericht über einen umgefallenen Blumenkübel berühmt gemacht. Seitdem lassen ihn abseitige Meldungen nicht mehr los. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt zusammen mit Jörg Homering-Elsner “Bauchchirurg schneidet hervorragend ab — Perlen des Lokaljournalismus”. Fürs BILDblog kümmert er sich um all die unwichtigen Dinge, die in Deutschland und auf der Welt so passieren.
(Foto: Jean-Marie Tronquet)

Ich hoffe, ich hab’ das richtig verstanden.

Die Richtlinie 12.1 im Pressekodex lautet:

In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht.

Diese Richtlinie soll verhindern, dass Minderheiten diskriminiert werden. Und nachdem man sie gelesen hat, sieht man schon: Wenn wir sie streichen, müssen wir auch konsequent sein. Wir können uns schlecht darauf beschränken, nur die Nationalität zu nennen. Wir müssen alle Minderheiten gleich behandeln. Deswegen müssen wir auch alle erwähnen. In den Nachrichten würde das dann in etwa so klingen:

Ein kleinwüchsiger Wallone aus Lüttich hat am Mittwochmittag in Bochum einen Auffahr-Unfall verursacht. Der Mann ist Veganer.

Oder:

Eine 36-jährige Diabetikerin aus Hof hat am Dienstag eine Sparkasse in Nürnberg überfallen. Bei der Täterin handelt es sich um eine fettleibige Atheistin.

Oder vielleicht auch:

Ein koptischer Christ aus Kirgisistan ist vom Landgericht Stuttgart wegen Geldwäsche zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Der Mann leidet an einer Hausstaubmilben-Allergie und ist Anhänger von RB Leipzig.

Ja, das müsste man der Vollständigkeit halber dazusagen.

Wobei man ja schon bei der Herkunft nicht so recht wüsste, wo man am besten die Grenze zieht. Wenn ein in Berlin lebender Brite in einer Münchener Kneipe die Zeche prellt, wäre dann von Bedeutung, ob er aus England kommt oder aus Schottland? Und wäre es ein weiterer Hinweis, wenn er nicht in Berlin-Mitte leben würde, sondern im schwäbischen Teil von Kreuzberg? Und was, wenn er zwar Brite ist, aber in Zypern geboren wurde? Kann man das einfach so verschweigen?

Da müsste man vielleicht mal Andreas Scheuer fragen. In dem Fall wäre ja vielleicht sogar von Bedeutung, auf welchem Teil der Insel er zur Welt gekommen ist: auf dem türkischen oder dem griechischen? Wahrscheinlich dann wohl auf dem griechischen. Die haben ja die Probleme mit dem Geld. So war das doch, oder? Und dann kann man sich auch schon denken, was das für einer ist. Die Zeche geprellt in München. Und das mit dieser Vorgeschichte. Unglaublich.

Mal angenommen, es gäbe jetzt noch einen Großvater aus Russland. Was wäre dann? Wäre das nicht auch eine interessante Information? Die Affinität zu Hochprozentigem läge nähe. Und das könnte eine Erklärung für die Tat sein.

Überhaupt sind Eltern und Großeltern doch eigentlich ein viel wichtigeres Indiz, wenn es um Straftaten geht. So eine Staatsbürgerschaft kann ja auch Zufall sein: Man war halt gerade in Los Angeles, als man geboren wurde. Aber beide Eltern Libanesen. In der Zeitung stand nur: “Der Dreifach-Mörder war US-Amerikaner.” Tja, so entsteht fälschlicherweise schnell ein vertrauenserweckender Eindruck.

Bei der Nachbarin im dritten Stock hört man die italienischen Wurzeln sogar noch durch die gedämmten Innenwände heraus. Das ist jedenfalls mein Empfinden. Der dumpfe Knall neulich, das war sicher ein Nudelholz, und wenn die mal im falschen Moment ein Messer in die Hand bekäme — ich würde für nichts mehr garantieren.

Aber kann man das wirklich alles berücksichtigen? Wie sähe dann die Berichterstattung aus?

Bei einem Familienstreit in Münster ist am Samstagmorgen ein 55-jähriger Mann erstochen worden. Die 53-jährige Täterin hat eine belgische Mutter und einen norwegischen Vater. Wichtig dürfte in diesem Zusammenhang aber vor allem der sizilianische Großvater sein. Nach Polizeiangaben ging es in dem Streit um Drogen. Der getötete Mann war Jamaikaner.

Dann ist ja alles klar. Aber kurz darauf stellt sich heraus: Die Großmutter der Täterin war Schwedin, was in der Sache vielleicht auch nicht ganz unwichtig ist. Um zu sehen, was bei denen verbrechenstechnisch so los ist, muss man ja im Prinzip nur einmal durch eine Buchhandlung laufen. Und dann meldet die Polizei zwei Tage später: Die Frau war auf Speed, aber der Mann hatte überhaupt nichts genommen. Die totale Verwirrung.

Es ist alles sehr kompliziert. Aber wenn wir nichts verschweigen wollen, müssen wir uns die Mühe machen, dann müssen wir alle bekannten Fakten nennen. Nur dann müssen wir auch konsequent sein. Und wenn kurz nach Weihnachten am Düsseldorfer Rheinufer ein Flüchtling von einem Betrunkenen zusammengeschlagen wird, müssen wir, wenn die Fakten eben so sind, in der Polizei-Meldung auch dazuschreiben: “Bei dem betrunkenen Täter handelte es sich um ein CSU-Mitglied. Der Mann stammte aus Bayern.”

Schmalbart, Dataismus, Botswatch

1. Interview: So möchte Schmalbart dem rechten Breitbart entgegentreten”
(basicthinking.de, Fabian Mirau)
Die rechtspopulistische Seite “Breitbart”, die als das wichtigste Sprachrohr der US-amerikanischen Alt-Right-Bewegung gilt und im amerikanischen Wahlkampf aggressiv Partei für Donald Trump ergriff, will nach Deutschland kommen. Dem will Christoph Kappes das Projekt “Schmalbart” entgegensetzen, ein Netzwerk gegen den politischen Turbo-Boulevard. Kappes hat bereits mehr als 100 potentielle Mitstreiter um sich versammelt, mit denen er im Januar auf einem “Schmalbart-Camp” das weitere Vorgehen diskutieren will.

2. Digital ist besser // Es gibt ja Gründe, warum Clickbaits funktionieren
(wired.de, Johnny Haeusler)
Johnny Haeusler über die Entwicklung des Postfaktischen zum “Dataismus”, einem Weltbild, welches das Universum als unendlichen Datenfluss betrachtet: Treffen Algorithmen die besseren Entscheidungen?

3. LG Hamburg will Rechtmäßigkeit seiner Online-Inhalte nicht rechtsverbindlich erklären
(heise.de, Martin Holland)
Heise hat das Landgericht Hamburg gefoppt: Nach dem umstrittenen Linkhaftungsurteil hat der Verlagsjustiziar nachgefragt, ob Links zur Seite des LG Hamburg eine Abmahngefahr bedeuten. Das Gericht hat sich nun geäußert und geht von der Rechtmäßigkeit aller Inhalte aus – rechtsverbindlich will es das aber nicht zusichern.

4. „Schon deprimierend, wenn man monatelang kaum Tageslicht sieht“: Domian beendet seinen Nacht-Talk
(meedia.de, dpa)
Nach 21 Jahren beendet Jürgen Domian seine nächtliche Talksendung im Radio. Im Interview spekuliert er, wie sich die Umstellung wohl auf sein Leben auswirken wird und wie es bei ihm beruflich weitergeht.

5. Botswatch – den Social Bots an den Kragen
(blog.wdr.de, Dennis Horn)
Social Bots müssen nicht immer “böse” sein. Die Vorstellung, dass von künstlicher Intelligenz gesteuerte Accounts dazu genutzt werden, im Wahlkampf Propaganda zu streuen, sei jedoch Grund genug, mit Transparenz dagegenzuhalten, findet Dennis Horn. Dabei könne das ehrenamtliche Projekt „Botswatch“ helfen, das an diesem Wochenende an den Start gegangen sei.

6. Wie Meinungsforscher die Stimmung der Wähler messen
(sueddeutsche.de, Sebastian Fischer)
Die Forschungsgruppe Wahlen erforscht als eines der führenden Institute seit 1974 für das ZDF das Wählerverhalten. Doch die Demoskopie hat es derzeit nicht leicht. Das spüren auch die 135 Telefoninterviewer des Instituts, die für zwölf Euro die Stunde nach Interviewpartnern suchen und dabei manch kritische Stimme (bzw. Trillerpfeifenpfiff) zu hören bekommen. Interessant: AfD-Wähler machen besonders ungern und Grünen-Wähler besonders gern bei politischen Telefonumfragen mit. Bei der Projektion der Vorhersage muss daher der jeweilige Anteil regelmäßig erhöht bzw. verringert werden.

Nichts ist so alt wie die falsche Burkini-Meldung von vor vier Monaten

Als der Axel-Springer-Verlag im September 2015 für viele Millionen US-Dollar die Mehrheit an “Business Insider” erwarb und gut zwei Monate später verkündete, auch eine deutsche Version der Nachrichtenseite für Wirtschaftsthemen an den Start gebracht zu haben, waren die Versprechen ziemlich vollmundig: von “innovativem digitalem Journalismus” war da die Rede, von “kompetent und unkonventionell”, vom “typischen Business-Insider-Stil mit seiner unverwechselbaren Erzählweise”.

Dieser “typische Business-Insider-Stil” kommt einem nach eingehender Prüfung vor allem wie eins vor: Clickbait (gut möglich, dass wir bald mal unsere Clickbait-Taskforce dort vorbeischicken). Drei zufällig ausgewählte Facebook-Posts der Redaktion von heute, die zeigen, wie “Business Insider Deutschland” in dem Sozialen Netzwerk auf Leserfang geht:

Der Konzern verlegte die internationale Zentrale von Luxemburg nach London.

Bremerhaven, Gelsenkirchen, Köln, Duisburg und Frankfurt am Main (gemessen wurde das Einkommen im Verhältnis zu den tatsächlichen Lebenshaltungskosten).

Vermutlich hat er in einer Bibel gelesen.

Gestern postete das “Business Insider”-Team diesen Artikel bei Facebook:

“Zum Äußersten” bedeutet in diesem Fall, dass die Polizisten die Frau gezwungen haben sollen, den Burkini auszuziehen.

Und, nein, in Frankreich liegen die Leute nicht im Dezember am Strand. “In den vergangenen Tagen” ist schlicht grob irreführend. Denn die ganze Geschichte — einige werden sich bestimmt erinnern — stammt aus dem August. Genauso der verlinkte “Business Insider”-Text:

Nun ist der Artikel aber nicht nur alt, sondern auch falsch. Die Frau trug nach eigener Aussage gar keinen Burkini, sondern eine Leggins, eine Tunika und ein Tuch um den Kopf. Aber solche Details interessieren die Clickjäger von “Business Insider” natürlich nicht.

Das ständige Neuposten von Clickbait-Artikeln hat übrigens “Focus Online” schon vor einiger Zeit perfektioniert. Wer weiß — vielleicht soll sowas ja auch fester Bestandteil des “unkonventionellen” “Business-Insider-Stils” werden.

Stilecht ohne Recherche

Wie sieht in der Welt eines Bild.de-Redakteurs wohl so ein richtig perfekter Samstag am Arbeitsplatz aus? Er müsste am Schreibtisch sitzen, und — pling! — flattert eine Geschichte rein, in der es um eine Frau “ohne Höschen” geht. Hehe, das wär’s. Noch besser wäre natürlich: ein Model “ohne Höschen”. Und wenn das Schicksal es besonders gut meint, dann ist das nicht nur ein ganz normales Model, sondern ein “‘Victoria’s-Secret’-Model”.

Bingo:

Jaha, “MIT VIDEO”.

Es geht um das ungarische Model Barbara Palvin. Die hat für den Adventskalender des britischen “Love Magazine” die berühmte Szene aus dem Film “Basic Instinct” nachgespielt, in der Sharon Stone bei einem Verhör die Beine überschlägt und dabei keine Unterwäsche trägt.

Nun gibt es das Ganze also mit einem Model, und die Bild.de-Redaktion ist ganz aus dem Häuschen:

Auch sie sitzt rauchend im Verhörraum, stellt sich ganz trocken den Fragen der Ermittler. Endlos-Beine, hoch geschnürte Leder-High-Heels, knappes Kleid, furchtloser Blick: Diese Optik ist ein Augenschmaus. Und die Umsetzung eine der besten “Basic Instinct”-Kopien der vergangenen zwei Jahrzehnte.

Das Highlight: Der gekonnte (!) Beinüberschlag. Natürlich stilecht ohne Höschen!

Der Punkt, dass Barbara Palvin in der Szene kein “Höschen” trägt, ist für die hechelnden Zwischendiebeinegucker von Bild.de ein ziemlich wichtiger. Sie erwähnen ihn noch an mehreren Stellen:

Auftraggeber dieser erneut sinnlichen Verführung ist das berühmte “Love Magazine”. Für seinen jährlichen Adventskalender zieht das Magazin regelmäßig die heißesten Frauen aus. Und im Türchen von diesem Freitag versteckte sich Barbara als Unten-ohne-Happen.

Inszeniert wurde das ungarische Model (lief u.a. schon für “Victoria’s Secret”) so schlüpferlos von Fotograf Phil Poynter.

Barbara Palvin hat das Video aus dem “Love Magazine”-Adventskalender ebenfalls hochgeladen, auf ihrem Instagram-Account. Dazu hat sie geschrieben:

Advent calendar by @thelovemagazine day 9 ! 🎄FYI i am wearing underwear 😉

Es sollte eigentlich recht klar sein, was das heißt. Aber da wir nie so ganz wissen, wie viel die Leute von Bild.de überhaupt verstehen: Barbara Palvin trägt in dem Video durchaus ein “Höschen”.

Mit Dank an Katja für den Hinweis!

Problematisches Googlegeld, Superverlag Facebook, Amerikas Puls

1. Warum Google kein Partner für Journalisten sein kann
(medium.com, Lorenz Matzat)
Google schüttet im Rahmen des Medien-Innovationsfonds “Digital News Initiative” (DNI) eine Summe von 150 Millionen Euro an Verlage und Journalisten aus. Geld, das man laut Lorenz Matzat nicht annehmen sollte: “Ein im publizistischen Sektor so mächtiges Unternehmen kann meiner Meinung nach aus journalistischer Sicht kein Partner sein. Es kann vielmehr nur Gegenstand von Berichterstattung sein. Ein Journalist oder ein journalistisches Medium kann Google nur mit der nötigen kritischen Distanz gegenübertreten, sonst wird man von seiner Anziehungskraft auf die ein oder andere Weise vereinnahmt.”

2. US-Medien nach der Wahl: “Weniger prognostizieren, mehr verstehen”
(sueddeutsche.de, Johannes Kuhn)
In der amerikanischen Radiosendung “On The Media” geht es unter anderem darum, welchen Erzählmustern Medien folgen und welche Mythen sie verbreiten, welche Gefahren Presse- und Meinungsfreiheit drohen und welche Rolle Technologie im Medienwandel spielt. Die “SZ” hat mit Moderatorin Brooke Gladstone über die Erkenntnisse aus dem US-Wahlkampfberichterstattung gesprochen: “Vielleicht sollten wir mehr Reporter rausschicken. Aber es ist schwer, den Puls Amerikas zu fühlen: Alles ist am Ende anekdotisch, du kannst ‘die Wahrheit’ nicht finden, weil du nicht jeden Bürger interviewen oder eine Umfrage mit ihm machen kannst. Vielleicht kommen wir aber langfristig dahin, dass wir weniger prognostizieren und mehr verstehen.”

3. Journalisten können sich nicht nach Wutbürgern richten
(deutschlandradiokultur.de, Hans-Dieter Heimendahl)
Hans-Dieter Heimendahl, Leiter der Hauptabteilung Kultur des Deutschlandradios Kultur, geht nochmal auf die Entscheidung der “Tagesschau” ein, zunächst nicht über den Freiburger Mordfall zu berichten. Dies hatte vor ein paar Tagen zu einer Empörungswelle in den sozialen Medien geführt. “Wahrscheinlich haben sich auch schon vor dreißig Jahren Menschen über die Nachrichtenauswahl oder die Kommentare der Tagesschau aufgeregt. Aber sie konnten nur auf ihren privaten Tisch hauen. Heute können sie sofort in aller Öffentlichkeit ihrem Unmut Luft machen. Doch in Argumente hat sich die Wut durch die soziale Netzwerkerei noch nicht verwandelt. Und sie tut es auch nicht, wenn Hunderte oder gar Tausende die gleiche Wut haben.”

4. Wie die Medien Facebook zum Superverlag hochschreiben
(wolfgangmichal.de)
Was die Konkurrenz zu Facebook, YouTube und Co. anbelangt, befinden sich die Verleger in einem unlösbaren Dilemma: “Rechtlich und politisch wollen sie die Online-Plattformen dazu nötigen, Verlage zu werden, ökonomisch möchten sie genau das verhindern.”
Sollten aus den Internetplattformen Verlage werden, hätte dies für die Nutzer weitreichende Folgen, so Wolfgang Michal: “Sie werden durch die Verwandlung der Plattformen in Verlage zu Verlags-Mitarbeitern. Als Datenlieferanten, Blogger, Künstler, Werber, Journalisten etc. könnten sie für ihre Leistungen Geld, Beteiligung oder Mitsprache verlangen. Als Inhalte-Produzenten werden sie sich die Frage stellen, warum sie von den Plattformen so schlecht behandelt werden, warum sie für ihre Arbeit kein Honorar erhalten, warum sie ihre Rechte durch (rechtswidrige) Buy-Out-AGBs verschleudern müssen.”

5. Der Code der Neuen Rechten
(uebermedien.de, Michael Kraske)
Michael Kraske schreibt über den “Code der Neuen Rechten”. Etliche Redaktionen hätten bereits über das neurechte Netzwerk berichtet. Dennoch bliebe die Neue Rechte journalistisch schwer greifbar. Das Thema sei komplex, es brauche viel Erklärung, Akteure fänden sich parteiübergreifend.

6. “Wir vergraben uns in unseren Vorurteilen”
(zeit.de, Anant Agarwala)
Stanford-Professor Sam Wineburg hat eine Studie vorgelegt, die allerhand über die Internet-Leichtgläubigkeit von amerikanischen Schüler und Studenten zu Tage fördert. Diese würden oft nicht erkennen, ob Informationen wahr oder falsch sind. Doch nicht nur junge Leute seien von dieser speziellen Art von Leichtgläubigkeit betroffen. Eine weitere Studie, die 2017 publiziert werden soll, zeige ähnliche Ergebnisse für Akademiker mit Doktortitel: “Mit Bildung kommt Arroganz. Wir alle halten uns für viel schlauer, als wir sind, wenn es ums Internet geht.”

Für Sie geklickt (13)

Kurz vor dem Wochenende haben wir unserer Clickbait-Taskforce noch einmal losgeschickt, um nachzuschauen, was hinter den vollmundigen Ankündigungen in Teasern und verlockenden Schlagzeilen steckt. Durch diesen Einsatz können Sie Lebenszeit und Gehirnzellen sparen und sind trotzdem bestens informiert.

Heute: die vergangenen Tage bei der “Huffington Post”.

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Schafen oder Aliens.

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Yoga.

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Seine Freundin fing plötzlich an zu schweben. Könnte aber auch nur ein Fake sein.

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115.

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Hinter ihr schwamm ein Hai.

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Auf dem Zettel lädt das Restaurant alle obdachlosen und älteren Menschen zu einem Drei-Gänge-Menü ein, damit sie an Weihnachten nicht alleine essen müssen.

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“Industrieschnee”, der entstehe, wenn Wasserdampf aus Schornsteinen von Industrieanlagen bei niedrigen Temperaturen aufsteigt.

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Ein Meteorit ist in die Erdatmosphäre eingedrungen und verglüht.

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“Weightless” von “Marconi Union”.

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Starke Führungspersönlichkeiten.

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1. “Du durftest nicht ins Internet, wenn Deine Mutter einen wichtigen Anruf erwartet hat.”
2. “Du hast die Telefonrechnung gesprengt, weil Du zu lange in Chatrooms unterwegs warst.”
3. “Das originale ‘Tamagotchi’ war ausverkauft, deshalb hast Du nur die Billigkopie bekommen.”
4. “Du hast einen Film aus der Videothek ausgeliehen und musstest ihn erstmal zurückspulen.”
5. “Dabei hattest Du doch gar keine Zeit, denn Du musstest den Film am Samstag vor 0 Uhr zurückgeben, sonst musstest Du die Leihgebühr bis Montag zahlen.”

… ach, schenken wir uns den Rest.

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Hat Spaß gemacht, wäre aber nichts auf die Dauer.

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Sie müssen bis zu 119 Euro zahlen, wenn sie in einem Auto rauchen, in dem auch Kinder sitzen.

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Auf dem Foto sitzt ein Kojote neben dem Jungen. Der war aber nur per Photoshop eingefügt.

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Ein anderer Junge plant dort einen Amoklauf. Ist allerdings nur ein Aufklärungsvideo.

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1. “Sie denken schneller”.
2. “Bei Entscheidungen bewerten Linkshänder Informationen auf der linken Seite positiver”.
3. “In einigen Sportarten sind Linkshänder besser als Rechtshänder”.
4. “Die Gehirne von Linkshändern ordnen Gefühle auf andere Weise”.
5. “Linkshänder sind häufig die kreativeren Denker”.

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Verkleidete Menschen.

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Goldbarren und Münzen im Wert von 250.000 Euro.

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Erst beängstigend, dann gut.

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Beten.

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Lieber zu Hause bleiben.

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Na, warum wohl?!

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Bitte. Keine Ursache.

Rechte Likes, gefährliche Links, gesperrte Satire

1. Rechtes Netz
(web.br.de, Niels Ringler, Kira Schacht, Oliver Schnuck & Robert Schöffel)
“Junge Freiheit”, “RT Deutsch”, “Focus Online Politik” — das sind die drei beliebtesten Medien-Facebookseiten der Anhänger von “Pegida Nürnberg”. Ein Team des “BR” hat die Daten von 5880 Facebook-Nutzern ausgewertet, die in dem Sozialen Netzwerk die Seite des bayerischen “Pegida”-Ablegers geliked haben: Wie sind Vertreter des Rechtspopulismus vernetzt? Welchen Nachrichtenseiten folgen die “Pegida Nürnberg”-Fans? Welche Politiker sind bei ihnen am beliebtesten? Das Ergebnis in Hinblick auf Medien: “An die Schlagkraft der Politiker selbst kommen sie in der von uns untersuchten Gruppe (…) nicht heran. Hier wird deutlich, dass die politische Kommunikation nicht mehr auf klassische Nachrichtenmedien als Vermittler angewiesen ist — die direkte Ansprache ist der neue Weg.”

2. LG Hamburg verschärft Linkhaftung
(spiritlegal.com, Jonas Kahl)
Wir können nur hoffen, dass auf keiner der hier verlinkten Seiten ein geklautes und illegal veröffentlichtes Foto zu finden ist. Denn das könnte juristische Folgen haben — für uns! Rechtsanwalt Jonas Kahl berichtet über eine Entscheidung des Landgerichts Hamburg, “dass auch die bloße Verlinkung auf eine nicht lizenzierte Fotografie eine eigene Urheberrechtsverletzung sein kann.” Bisher habe immer den Grundsatz gegeben: “Ein Link kann keine Urheberrechte verletzen.” Obwohl der Beschluss des Landgerichts für Kahls Kanzlei “Spirit Legal” ein Erfolg bedeutete, sieht er ihn sehr kritisch: “Diese Entwicklung der Rechtsprechung zur Linkhaftung erschüttert das Internet in seinen Grundfesten. (…) Diese ‘Schere im Kopf’ wird mittelfristig massive negative Auswirkungen auf die Informations- und Kommunikationsfreiheit im Internet haben.”

3. “Er ist kein Journalist”
(taz.de, Anne Fromm)
Die Reaktionen auf Jakob Augsteins Entscheidung, den Publizisten Jürgen Todenhöfer zum Herausgeber der Wochenzeitung “der Freitag” zu machen, bewegten sich zu weiten Teilen zwischen Erstaunen und Entsetzen. Im Interview mit Anne Fromm erklärt Augstein seine Wahl und verrät, was er sich von Todenhöfer erhofft (Spoiler: Es geht auch um die “Freitag”-Auflage).

4. Abgehängt
(medienwoche.ch, Jens Mattern)
Viel hört man aktuell nicht über Weißrussland. Jens Mattern interpretiert die “relative Ruhe” als gutes Zeichen, bedeute sie doch eine “gewisse Entspannung”, auch für den unabhängigen Journalismus in der “letzten Diktatur Europas”. Die verbesserte Lage bestätigt ihm Aleksej Dzikawicki: Es gebe derzeit keine Prügel und kein Gefängnis mehr für Journalisten, sagt der Nachrichtenchef eines von Warschau aus betriebenen weißrussischen TV-Senders. Bedroht seien die nicht-staatlichen Medien dennoch, finanziell. Mattern hat sich ihre Lage angeschaut — damit man mal wieder was über Weißrussland hört.

5. Wir müssen endlich über sexuelle Gewalt in Videospielen reden
(broadly.vice.com, Lisa Ludwig)
Über die tatsächlichen und vermeintlichen Auswirkungen von Ego-Shootern auf Gamer und Gesellschaft wird regelmäßig diskutiert. Lisa Ludwig sieht ein ganz anderes Problem mancher Spiele: sexuelle Gewalt. “Deswegen müssen wir nach all den ‘Ego-Shooter’-Diskussionen auch endlich über eine Form der Gewalt reden, die bisher gerne als emotionalisierende Backstory genutzt wird — deren traumatisierendes Potential aber nicht unterschätzt werden darf. Egal für wen.” Ludwig hat einen Anfang gemacht und mit Psychologen und Spieleentwicklern gesprochen.

6. “Facebook ist komplett ironieunfähig”
(faz.net, Andrea Diener)
Wie viele andere (und wir auch) hat sich Tim Wolff am Mittwoch über die “Bild”-Schlagzeile zum “Frauenbild von Flüchtlingen” gewundert. Der “Titanic”-Chefredakteur hat daraufhin eine Collage aus “Bild”-Titelseite, “Nacktmodels, Paparazzi-Fotos und dergleichen” gebastelt und bei Facebook hochgeladen. Die Folge: Er wurde nach eigener Aussage von Facebook gesperrt. Im Gespräch mit Andrea Diener sagt Wolff: “Facebook ist komplett ironieunfähig, während sehr hetzerische Inhalte ganz gut funktionieren. Da muss man auch nicht länger drüber nachdenken. Offenbar darf man nicht mehrdeutig sein, Eindeutigkeit wird verlangt. Selbst wenn die Eindeutigkeit dann sexistisch oder rassistisch ist, bleibt sie stehen.” Die “Titanic” hat zu Wolffs Facebook-Sperre auch eine Pressemitteilung rausgegeben.

Warum neu recherchieren, wenn’s anderswo schon falsch steht?

Wir haben zwar vor einigen Jahren schon hier, hier und hier darüber gebloggt. Aber jetzt auch noch mal an dieser Stelle: Nein, der frühere FDP-Politiker Guido Westerwelle und der ehemalige Regierende Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit sind nie in ihrer Schulzeit sitzen geblieben.

Immer dann, wenn in irgendeinem Bundesland irgendeine Landesregierung an den Regularien zum Sitzenbleiben etwas ändern will, greifen deutschlandweit die Redaktionen in ihre Archive und kramen als kleinen Zusatz eine Übersicht mit “prominenten Sitzenbleibern” raus: Edmund Stoiber ist dann meist dabei, Harald Schmidt, Otto, Mehmet Scholl. Und so gut wie immer auch Guido Westerwelle und Klaus Wowereit. Dabei haben beide ihre Schullaufbahn regulär nach 13 Jahren beendet.

Am Montag hat “Spiegel Online” übers Sitzenbleiben geschrieben, ganz allgemein und nicht durch irgendeine Schulreform auf Landesebene ausgelöst:

Die Redaktion hat — Überraschung! — eine Fotostrecke mit “prominenten Sitzenbleibern” in den Artikel eingeblockt:

Diese Galerie stammt von 2014. Mit dabei — noch mal Überraschung : Guido Westerwelle und Klaus Wowereit.

Zu Wowereit schreibt “Spiegel Online”:

Auch Berlins ehemaliger Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) blieb während seiner Schullaufbahn einmal sitzen. Sein Bundesland war 2010 eines der Ersten, in denen das Wiederholen einer Klasse abgeschafft wurde. In den Berliner Sekundarschulen (ehemals Haupt- und Realschulen) gibt es seitdem keine “Ehrenrunden” mehr — es sei denn, die Eltern bestehen darauf.

Bei Westerwelle ist hingegen nicht ganz klar, warum er überhaupt in die Klickstrecke gerutscht ist. Vom Sitzenbleiben ist gar nicht die Rede:

Ex-Außenminister Guido Westerwelle (FDP) musste nach einem Jahr vom Gymnasium im rheinischen Königswinter auf die örtliche Realschule wechseln. Westerwelles schulische Leistungen waren nach der Trennung seiner Eltern eingebrochen. Er machte später seine mittlere Reife an der Bonner Freiherr-vom-Stein-Realschule und das Abitur am Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium. Westerwelle erinnert sich: “Mathe und Chemie waren meine Angstfächer.”

Mit Dank an Jörn J. für den Hinweis!

Nachtrag, 22:41 Uhr: “Spiegel Online” hat die Fotostrecke inzwischen angepasst und sowohl Klaus Wowereit als auch Guido Westerwelle aus der Zusammenstellung “prominenter Sitzenbleiber” entfernt.

#Pizzagate, Neues aus dem Glashaus, “Bild”-Sexismus

1. Wie Trumps Berater Fake News verbreiten
(sueddeutsche.de, Matthias Kolb)
Am Sonntag betritt ein 28-jähriger US-Amerikaner eine Pizzeria in Washington, er ist mit einer Pistole und einem Sturmgewehr bewaffnet. Sein Verdacht: Vertraute von Hillary Clinton betreiben dort ein Pädophilie-Netzwerk. Seine Mission: minderjährige Sexsklaven retten. Seine Quelle: #Pizzagate, eine Fake-News-Kampagne, betrieben von Trump-Anhängern. Matthias Kolb erklärt, wie die Ente in die Welt gekommen ist, wer dazu beigetragen hat und warum es so schwer ist, die Lügen wieder einzufangen, sobald sie sich einmal im Netz verbreiten.

2. Lieber Herr Broder
(medium.com, Gerald Hensel)
“Guten Tag, Herr Broder, ich möchte mich kurz vorstellen: mein Name ist Gerald Hensel, ich bin 41 Jahre alt, ich lebe in Berlin und ich hatte mal Achtung vor Ihnen.” So beginnt ein offener Brief an den streitbaren und streitlustigen Publizisten Henryk M. Broder. Gerald Hensel hält ihn für eine “Fleischwerdung der postfaktischen Scheiße, in der diese Welt gerade steckt”. Dafür nennt er drei Gründe:
“1. Sie lügen.”
“2. Wer zuerst Faschist sagt, ist zuletzt Rassist.”
“3. Sie wollen keine inhaltliche Auseinandersetzung. Sie suchen maximalen persönlichen Kollateralschaden.”

3. Willkommen im Glashaus
(blog.zeit.de, Jochen Wegner)
“Zeit Online” setzt um, was Chefredakteur Jochen Wegner schon vor eine Woche in einem “Meedia”-Interview angekündigt hatte: Das “Glashaus” soll dazu dienen, redaktionelle Abläufe und Entscheidungsprozesse transparent zu machen — aber auch, um Fehler einzugestehen: “Im Glashaus sammeln wir ab sofort auch unsere Fehler: alle Fälle, in denen wir uns gravierend korrigieren mussten — bisher werden Korrekturen nur in den Beiträgen selbst kenntlich gemacht.” Der erste inhaltliche Blogeintrag ist bereits erschienen. Markus Horeld erklärt, “Warum wir fast nie über Straftaten berichten”.

4. Wer im Glashaus sitzt
(taz.de, Diana Pieper)
Am Mittwochmorgen titelte die “Bild”-Zeitung: “Ist das Frauenbild der Flüchtlinge ein Problem?” Ausgerechnet die “Bild”-Zeitung, wundert sich Diana Pieper: “Doch ist jetzt neuerdings die ‘Bild’-Zeitung die Verteidigerin der emanzipierten, gleichberechtigten Frau? Wohl kaum, fällt sie doch eher durch ihre oft sexistische und voyeuristische Berichterstattung auf.” Zum gleichen Thema aus diesem Blog: “‘Bild’ der Frau”.

5. Unis starten in die Post-Urheberrecht-Ära
(golem.de, Sebastian Grüner)
Zum neuen Jahr tritt ein neuer Rahmenvertrag der VG Wort in Kraft, der die Nutzung wissenschaftlicher Werke an Hochschulen regeln soll — obwohl ihn etliche Universitäten vehement ablehnen. Damit werde “vollkommen unübersichtlich, welche Werke Universitäten überhaupt noch über digitale Semesterapparate verteilen dürfen”, schreibt Sebastian Grüner. Er prognostiziert großes Chaos und geht davon aus, “dass die Wissensvermittlung künftig schlicht nicht ganz legal ablaufen wird.” Anders sieht das Leonhard Dobusch bei Netzpolitik.org, der den auslaufenden Vertrag für einen “Fortschritt” hält: “Denn es zeigt, dass die Hochschulen und ihre Verbände untragbare Zustände in digitaler Forschung und Lehre nicht mehr einfach hinzunehmen bereit sind.”

6. Anspruch auf Gegendarstellung wegen Äußerungen in einem Blog
(internet-law.de, Thomas Stadler)
Lauer vs. Lange: Ein ehemaliger Pirat verklagt ein aktuelles Parteimitglied der Piraten auf eine Gegendarstellung. Die Details des Streits zwischen Christopher Lauer und Simon Lange sind nebensächlich, interessant ist die Schlussfolgerung, die Rechtsanwalt Thomas Stadler aus dem juristischen Sieg Lauers zieht: “Die Entscheidung des Kammergerichts führt also dazu, dass selbst Gelegenheitsblogger (…) als journalistisch-redaktionelle Anbieter gelten, mit der Folge, dass sie der erweiterten Impressum spflicht (…) und der Gegendarstellungspflicht unterliegen. Ob dies tatsächlich dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspricht, darf man bezweifeln. Es ließe sich dann auch nicht mehr nachvollziehbar erklären, warum nicht jeder, der auf Facebook oder Twitter vorwiegend Meinung postet, ebenfalls erfasst wäre.”

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